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Thomas Geiser

B. Technische Fragen

III.15. Neben diesen weitgehend politischen Fragen steht auch eine Reihe mehr technischer Fragen zur Diskussion, welche allerdings teilweise für die Qualität des orsorgeausgleichs von zentraler Bedeutung sind.

a. Bessere Information

III.16. Damit eine hälftige Teilung möglich ist, müssen die Parteien und die Gerichte die Guthaben der Parteien bei den Einrichtungen der Zweiten Säule kennen. Das ist nicht immer einfach. Nach Art. 170 ZGB muss jeder Ehegatte seinem Partner auf dessen Begehren hin grundsätzlich jederzeit Auskunft über den Stand seines Vermögens und seiner Schulden sowie über sein Einkommen geben62. Zum ermögen im Sinne dieser Bestimmung zählt auch der Stand des Freizü-gigkeitsguthabens. Demgegenüber lässt sich aus Art. 170 ZGB kein direkter Auskunftsanspruch gegenüber der orsorgeeinrichtung des ersuchenden Ehegatten ableiten. ielmehr setzt deren Auskunftspflicht einen Entscheid

Revisionsbedarf beim orsorgeausgleich des Gerichts nach Art. 170 Abs. 2 ZGB voraus63. Das Begehren kann innerhalb eines eherechtlichen erfahrens (Eheschutzverfahren oder Scheidungsver-fahren) gestellt werden. Dann ist das entsprechende Gericht auch zuständig, um die orsorgeeinrichtung zur Auskunft zu verpflichten64. Es wird dies mit einer prozessleitenden erfügung tun, welche von der orsorgeeinrich-tung angefochten werden kann. Soll innerhalb eines Auskunftsverfahrens gegenüber dem anderen Ehegatten die orsorgeeinrichtung Informationen liefern, so ist das nach dem kantonalen Recht für solche Auskunftsbegehren bezeichnete Gericht auch für das Begehren gegenüber der orsorgeeinrich-tung zuständig. Richtet sich das Begehren ausschliesslich gegen die orsor-geeinrichtung so ist an ihrem Sitz zu klagen65. Diesfalls besteht auch kein Grund, warum sich die sachliche Zuständigkeit nach dem Eherecht richten soll. ielmehr richtet sie sich nach Art. 73 BG66. Der Auskunftsanspruch nach Art. 170 ZGB kann über die Rechtskraft des Scheidungsurteils im Schei-dungspunkt hinaus andauern, wenn über den orsorgeausgleich noch nicht abschliessend entschieden ist67. Das Bundesgericht anerkennt überdies im Scheidungsverfahren ohnehin eine allgemeine gegenseitige Auskunfts- und Informationspflicht der Ehegatten68.

III.17. Die Auskunftspflicht der Einrichtungen der Beruflichen orsorge hilft allerdings nur, wenn die Parteien bzw. das Gericht weiss, wo nachzu-fragen ist. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Ehegatten vor dem Gericht und ihrem Partner Guthaben verheimlichen oder diese auch selber nicht mehr kennen. Es erweist sich deshalb immer wieder als schwierig, zu erfahren, welche Guthaben ein Ehegatte überhaupt hat. Die Zentralstelle 2. Säule69 kann regelmässig nicht weiterhelfen, weil diese auf nachrichten-lose Guthaben ausgerichtet ist und nicht auf Guthaben von Personen, wel-che noch im aktiven Leben stehen. Eine wesentliwel-che erbesserung würde deshalb eine gesetzliche Erweiterung der Aufgabe der Zentralstelle bringen.

Diese sollte durch eine Gesetzesrevision verpflichtet werden, ein erzeichnis aller Guthaben zu führen und den Gerichten im Scheidungsfall auf Anfrage hin die entsprechende Auskunft zu erteilen.

63 Hausheer / Reusser / Geiser, N 14 zu Art. 170 ZGB.

64 Art. 24 Abs. 3 ZGB für das Scheidungsverfahren ; Hausheer / Reusser / Geiser, N 35 zu Art. 170 ZGB.

65 Hausheer / Reusser / Geiser, N 35 zu Art. 170 ZGB ; Bräm / Hasenböhler, N 55 zu Art. 170 ZGB.

66 BGE 128 V 41 ff.

67 Hausheer / Reusser / Geiser, N 6 zu Art. 170 ZGB.

68 BGE 117 II 218 ff. ; Hausheer / Reusser / Geiser, N 5a zu Art. 170 ZGB.

69 Art. 24a ff. FZG.

b. Bestimmung des Stichtages

III.18. Zu teilen sind die während der Ehe erworbenen Anwartschaften.

Es ist damit auf den Stand der Anwartschaften am Tag der Rechtskraft des Scheidungsurteils abzustellen. Massgebend ist die Rechtskraft im Scheidungs-punkt, Rechtsmittel hemmen den Eintritt der Rechtskraft von Bundesrechts wegen nur im Umfang der Anträge70.

III.19. Der Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils ist selbst dann massgebend, wenn der Scheidung eine mehr oder weniger lange Trennungs-zeit vorausgegangen ist, unabhängig davon, ob es sich dabei um ein bloss faktisches Getrenntleben oder um eine Trennung im Sinne von Art. 117 f.

ZGB gehandelt hat71. Die während der Dauer des Scheidungsverfahrens erwor-benen Austrittsleistungen sind somit noch in die Teilung einzubeziehen.

III.20. Es liegt auf der Hand, dass dieser Stichtag nicht praktikabel ist, wenn die Parteien im oraus genau wissen wollen, welcher Betrag zu übertragen ist. In der Praxis ist deshalb anerkannt, dass die Parteien in einer Konvention oder einer Prozessvereinbarung einen früheren Zeitpunkt als die Rechtskraft des Scheidungsurteils als massgebend erklären können, um eine Berechnung im Scheidungsverfahren zu ermöglichen. on einer solchen ereinbarung ist insbesondere regelmässig auszugehen, wenn in der Konvention ein fes-ter Betrag für den orsorgeausgleich festgesetzt wird und sich aus den Be-rechnungsunterlagen ergibt, dass dieser Betrag auf Grund eines anderen Stichtages errechnet worden ist. Formal betrachtet handelt es sich immer um einen Teilverzicht, weil diesfalls die zwischen dem Stichtag und der Rechts-kraft des Scheidungsurteils erworbene Austrittsleistung nicht mehr geteilt wird. Es müssen deshalb grundsätzlich die oraussetzungen von Art. 123 ZGB erfüllt sein, was allerdings nicht immer zutreffen wird. Ist die Differenz sehr gering, kann allerdings angenommen werden, dass der verbleibende Betrag die Altersvorsorge hinreichend deckt und deshalb dieser Teilverzicht zulässig ist. Liegt indessen bloss eine Teileinigung im Sinn von Art. 112 ZGB vor, kann bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils eine erhebliche Zeit verstreichen, so dass auch noch nicht zu vernachlässigende Beträge bei der Zweiten Säule während des Scheidungsverfahrens angespart werden kön-nen. Diesfalls müssen die Parteien in die Konvention wohl eine zusätzliche Bestimmung aufnehmen, gemäss der die während des weiteren Prozess-verlaufes aufgebaute Austrittsleistung nachträglich zu berechnen und auch noch hälftig zu teilen ist. Aus Gründen der Praktikabilität kann das Gericht auch von sich aus auf einen früheren Zeitpunkt abstellen72.

70 Art. 148 Abs. 1 ZGB.

71 BGer vom 19.6.2001, 5C.111/2001, E. 3b.

Revisionsbedarf beim orsorgeausgleich III.21. Die Möglichkeit, einen solchen Stichtag zu vereinbaren sollte aller-dings sinnvoller Weise bei einer Revision des Scheidungsrechts im Gesetz verankert werden. Dabei ist ein zeitlicher Rahmen für die orverlegung zu setzen.

c. Abgrenzung Obligatorium und Überobligatorium

III.22. Weder durch Gesetzgebung noch Gerichtspraxis ist die Frage geklärt, ob vom orsorgeausgleich der zum Obligatorium gehörende Teil der orsor-geguthaben oder der überobligatorische betroffen ist. Diese Unterscheidung ist namentlich für drei Fragen von Bedeutung :

– Welchen Regeln untersteht der dem orsorgenehmer verbleibende Teil seines orsorgeguthabens ?

– Erfolgt ein allfälliger Wiedereinkauf in das Obligatorium oder gehören diese Beträge zum Überobligatorium ?

– Gehört die Freizügigkeitsleistung, welche der aus dem orsorgeaus-gleich berechtigte Ehegatte erhält, zum Obligatorium oder zum Über- obligatorium ?

III.23. Die Zuordnung kann nicht dem freien Parteiwillen überlassen werden, obgleich dies für die Parteien sehr wohl von orteil wäre, namentlich wenn ein Anspruch auf Barauszahlung besteht. Der orsorgenehmer geniesst aber im Obligatorium einen erheblich grösseren Schutz seiner Rechte als im über-obligatorischen Bereich. on daher wäre eine freie Wahl eine wesentliche Begünstigung von Scheidungspaaren gegenüber anderen orsorgenehmern, welche sich nicht rechtfertigen liesse. Der orsorgeausgleich bezweckt einen Ausgleich zwischen den Ehegatten zu schaffen und die durch die Aufga-benteilung in der Ehe entstehenden Nachteile für den überwiegend inner-häuslich tätigen Ehegatten bei der Scheidung auszugleichen. Er will aber die Parteien insgesamt vorsorgerechtlich weder besser noch schlechter stellen.

ersicherungstechnisch soll der organg neutral sein. on daher soll mit dem orsorgeausgleich auch nach Möglichkeit keine erschiebung zwischen obligatorischer und überobligatorischer ersicherung erfolgen. Entspre-chend rechtfertigt es sich, die zu übertragende Freizügigkeitsleistung in dem Verhältnis auf das Obligatorium und das Überobligatorium aufzuteilen, in dem sich auch die Freizügigkeitsguthaben der Ehegatten insgesamt auf das Obligatorium und das Überobligatorium aufteilen.

III.24. Im Rahmen der laufenden Revision sollte der Gesetzgeber diese Grund-sätze im Freizügigkeitsgesetz festhalten.

d. Aufteilung der Zinsverluste bei der Wohneigentumsförderung

III.25. Weil die im Wohneigentum investierten Kapitalien weiterhin für die orsorge gebunden sind, ist auch Art. 122 f. ZGB im Scheidungsfall auf diese Gelder anwendbar. Der bezogene und in der Anmerkung im Grundbuch vermerkte Betrag ist wie ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeits-police zu behandeln und in die Berechnung des Anspruchs nach Art. 122 ZGB einzubeziehen73. Das Gesetz hält diesen Grundsatz ausdrücklich fest74. Für die Berechnung des zu teilenden Betrages ist wie dargelegt von der Austrittsleistung im Zeitpunkt der Scheidung die Austrittsleistung im Zeit-punkt der Heirat abzuziehen. Letztere ist dabei aber auf den ZeitZeit-punkt der Scheidung aufzuzinsen. Da auf dem orbezug aber gar kein Zins ausgerich-tet wird, bleibt der entsprechende Betrag bis zur Scheidung nominal gleich.

Das hätte nun zur Folge, dass der zu teilende Betrag wegen des auf der Aus-trittsleistung im Zeitpunkt der Heirat weiterhin berechneten Zinses immer kleiner wird.

III.26. In der Lehre werden mindestens fünf Methoden vertreten, wie die Berechnung erfolgen soll und dieser Zinsverlust aufzuteilen ist75. Will man den Entscheid nicht dem Bundesgericht überlassen, muss sich der Gesetzge-ber für eines dieser Systeme entscheiden.

e. Weiterführung der Versicherung

III.27. Nicht geklärt ist die Frage, ob der Ehegatte, der aus dem orsor-geausgleich eine Freizügigkeitsleistung erhält, nach der Scheidung selber aber nicht obligatorisch versichert ist, Anspruch darauf hat, die orsorge ge-mäss Art. 47 BG weiterzuführen, ohne dass er auf Grund seiner eigenen Erwerbsbiografie eine freiwillige ersicherung abschliessen könnte. Das Ge-setz äussert sich zu dieser Frage nicht ausdrücklich. Es ist folglich an Lehre und Rechtsprechung in Auslegung von Art. 47 BG eine Antwort zu finden, wobei die Materialien nichts hergeben. Der Gesetzgeber sollte diese Frage an-lässlich einer Revision entscheiden.

73 Geiser, Scheidungsrecht, Rz. 2.53 ; Trigo Trindade, S. 485 ; Baumann / Lauterburg, Praxis-kommentar (erste Auflage), N 55 zu Art. 122 ZGB ; Sutter / Freiburghaus, N 44 zu Art. 121/141- 142 ZGB.

74 Art. 30c Abs. 6 BVG.

75 Vgl. insbes. Geiser, Scheidungsrecht, Rz. 2.54. ; Brunner, S. 525 ff. ; Aebi-Müller, S. 132 ff. ;

Revisionsbedarf beim orsorgeausgleich III.28. Gegen eine analoge Anwendung von Art. 47 BG sprechen folgende Gründe :

– Die ersicherung hat mit dem Empfänger der Austrittsleistung insofern keine Berührungspunkte, als dieser nicht bei ihr versichert ist. Die Wei-terführung der ersicherung nach Art. 47 BG führte also zu einem völ-lig neuen ersicherungsverhältnis ;

– Möglich ist die Weiterführung der orsorge oder auch nur Altersvor-sorge im bisherigen Umfang, was sich auf den Leistungskatalog bezieht.

Da aber nur ein Teil der Austrittsleistung nach Art. 47 BG weiterversi-chert wird, stellt sich die Frage, wie dieser Katalog überhaupt zu definie-ren wäre ;

– Ein Anspruch besteht auf die Hälfte der Austrittsleistung, nicht aber auf eine teilweise Übertragung des orsorgeverhältnisses. Zu übertragen ist also nur eine Forderung in gerichtlich festgestellter Höhe und nicht eine Rechtsbeziehung an sich ;

– Eine analoge Anwendung durchbricht den Grundsatz des BG, wonach diese ersicherung nur für erwerbstätige Personen mit einem bestimm-ten Minimaleinkommen gedacht ist.

III.29. Es lassen sich jedoch auch verschiedene Gründe aufführen, welche für eine analoge Anwendbarkeit sprechen :

– Während der Ehe war der Ehegatte in diesem Umfang nicht selber obli-gatorisch versichert. Soweit der andere Ehegatte aber der obliobli-gatorischen ersicherung unterstand, war der aus dem orsorgeausgleich begüns-tigte Ehegatte indirekt durch die Ehe76 an der orsorge des andern be- teiligt. Durch die Scheidung entfällt dieser orsorgeschutz. Insofern befindet sich dieser Ehegatte in einer ähnlichen Situation wie ein aus der obligatorischen ersicherung ausscheidender Arbeitnehmer. Die gesetzgeberische Wertung, welche zu Art. 47 BG geführt hat, rechtfer-tigt in gleicher Weise eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf die genannten Fälle.

– Der orsorgeausgleich will dem Ehegatten nach Möglichkeit den glei-chen orsorgeschutz sichern, den er auch – allerdings indirekt – wäh-rend der Ehe als Ehegatte des orsorgenehmers hatte. Das setzt voraus, dass er nicht nur ein Kapital erhält, sondern auch die orsorge weiterfüh-ren kann.

– Wohl ist die Bestimmung des „bisherigen Umfangs“ nicht ganz einfach.

Sie ist aber auch nicht unmöglich. Es kann so vorgegangen werden, dass

76 Art. 163 und 159 ZGB.

der Umfang der Leistung auf Grund des erhältnisses zwischen der dem weiter zu versichernden orsorgenehmer aus dem orsorgeausgleich zu-stehenden Austrittsleistung einerseits zur gesamten Freizügigkeitsleis-tung, welche dem aus dem orsorgeausgleich leistungspflichtigen Ehe-gatten vor der Scheidung zustand, andererseits, errechnet wird.

f. Klärung Abgrenzung Art. 122 ff. ZGB und Art. 124 ZGB III.30. Wie dargelegt77, ist eine generell-abstrakte Formulierung des ge-nauen Abgrenzungskriteriums im Einzelnen nicht möglich. on daher sollte hier der Gesetzgeber nicht tätig werden, sondern diese Frage der Gerichtspraxis überlassen. Die allgemeine Umschreibung im geltend Recht genügt.

g. Bemessung der angemessenen Entschädigung nach Art. 124 ZGB

III.31. Das Gesetz präzisiert nicht, was unter einer „angemessenen Entschä-digung“ zu verstehen ist. Die Gerichtspraxis hat aber inzwischen Klarheit gebracht, wie diese Entschädigung zu berechnen ist.

III.32. Der Begriff ist als ein erweis auf die gesamten wirtschaftlichen Um-stände des Falles zu verstehen78. Nicht zu beachten sind auch hier die Um-stände, die zur Scheidung geführt haben, namentlich ein allfälliges Schei-dungsverschulden79. Zu den entscheidenden Umständen gehört einerseits, was beide Ehegatten während der Ehe an Austrittsleistung angespart und bis zur Scheidung wieder verbraucht haben80. Namentlich, wenn die Scheidung kurz nach der Pensionierung eines Ehegatten erfolgt ist, muss sich die Ent-schädigung gemessen an dem Betrag als angemessen erweisen, der sich errechnet hätte, wenn der orsorgefall noch nicht eingetreten wäre81. An-dererseits sind aber auch der Vorsorgebedarf – und zwar beider Parteien – zu berücksichtigen82. Dieser kann je nach Alter und Ausgestaltung des

nach-77 Vorn Rz. 3.6.

78 BGE 127 III 439, E. 3. Vgl. auch Kantonsgericht Basel-Land, 17.8.2004, FamPra 2006, S. 421 ; Trigo Trindade, S. 493 f. ; Sutter / Freiburghaus, N 18 zu Art. 124 ZGB.

79 Botschaft des Bundesrates BBl 1996 I 106.

80 BGer vom 15.5.2003, 5C.66/2002, E. 3.4.1. ; Geiser, FamPra 2002, S. 97 ; a.M. Baumann / Lauter-burg, FamPra 2003, S. 764.

81 BGE 133 III 405 f.

82 BGE 127 III 439 ; BGer vom 1.10.2002, 5C.159/2002, E. 2 ; BGer vom 1.5.2002, 5C.276/2001, E. 4c und BGer vom 15.5.2003, 5C.66/2002, E. 3.4.1. ; Geiser, Scheidungsrecht, Rz. 2.104 ;

Revisionsbedarf beim orsorgeausgleich ehelichen Unterhalts stark unterschiedlich sein83. Insoweit muss neben den orsorgeansprüchen auch das übrige ermögen und Einkommen berück-sichtigt werden. Der Gesetzgeber hat im Anwendungsbereich des Art. 124 ZGB bewusst nicht als Grundsatz die hälftige Teilung der orsorgeansprü-che vorgesehen, wie dies zum Teil in der Lehre gefordert wird84, sondern eine differenziertere Lösung vorgeschlagen85.

III.33. Daraus ergibt sich ein zweistufiges Vorgehen, bei dem zuerst die wäh-rend der Ehe erworbenen Austrittsleistungen in sinngemässer Anwendung von Art. 122 ZGB berechnet werden müssen und anschliessend ist auf die orsorgebedürfnisse einzugehen86. Allerdings ist keine vollständige Berechnung des während der Ehe erworbenen Guthabens vorzunehmen. Eine solche wäre auch gar nicht möglich, weil wegen des Eintritts des orsorgefalles oder der Besonderheit der orsorge eines Ehegatten diese Berechnung gerade nicht in der gesetzlichen Art durchgeführt werden kann87. Es sind nur alle einzelnen Elemente genau zu berechnen. Es geht darum eine Grössenordnung zu ha-ben, nicht eine genaue Zahl. Für die zu treffende Ermessensentscheidung ist wesentlich, wie sich die Altersvorsorge beider Ehegatten genau zusammen-setzt, nicht eine Saldozahl. Erfolgt die Scheidung allerdings unmittelbar oder jedenfalls kurze Zeit nach Eintritt eines orsorgefalles, so kann genau be-rechnet werden, wie die Teilung nach Art. 122 ZGB ausgesehen hätte, wenn die Scheidung unmittelbar vor Eintritt des orsorgefalles erfolgt wäre88. Die-ser Betrag stellt dann die Ausgangsgrösse dar. Zu berücksichtigen ist auch hier die ganze Ehedauer. Der Umstand, dass die Ehegatten schon lange vor der Scheidung getrennt waren, rechtfertigt keine Kürzung des Anspruchs.89 Andererseits ist allerdings auch zu beachten, dass sich das Kapital durch die Rentenzahlungen nach der Pensionierung wieder reduziert hat90. Soweit al-lerdings nicht vom Kapital, sondern von der Rentenhöhe ausgegangen wird, ändert der Umstand, dass die Rente bereits seit einiger Zeit läuft, nichts am zu berücksichtigenden Rentenbetrag91.

83 Geiser, Scheidungsrecht, Rz. 2.103.

84 Baumann / Lauterburg, FamPra 2000, S. 210 f. ; Grütter / Summermatter, FamPra 2002, S. 652 f.

85 BGE 127 III 439.

86 BGE 133 III 404 ; BGer vom 1.10.2002, 5C.159/2002, E. 2 ; BGer vom 15.5.2002, 5C.66/2002, E. 3.4.1. ; BGer vom 10.2.2006, 5C.247/2005, E. 4.1. ; Geiser, Scheidungsrecht, Rz. 2.103 ; Geiser, FamPra, 2000, S. 208 ff. ; Schneider / Bruchez, CEDIDAC, S. 241 und 244.

87 A.M. Schneider / Bruchez, CEDIDAC, S. 242, welche den verbrauchten Teil offenbar streng proportional auf den vor und während der Ehe erworbenen Teil der Austrittsleistung aufteilen wollen.

88 Vgl. BGer vom 15.3.2006, 5C.12/2006, E.3.1.

89 BGE 133 III 403.

90 Frage offengelassen in BGer vom 10.2.2006, 5C.247/2005, E. 4.4.

91 BGer vom 21.3.2006, 5C.290/2005, E. 2.4.

III.34. Die angemessene Entschädigung setzt nun als zweiten Schritt vor-aus, dass einerseits die Bedürfnisse der Vorsorge abgeklärt werden und ande-rerseits, wie diese im konkreten Einzelfall auf Grund der eigenen orsorge, dem Einkommen92 und dem ermögen des entsprechenden Ehegatten ab-gedeckt sind93. Daraus kann sich eine Überdeckung oder eine Unterdeckung ergeben. Entsprechend ist ein angemessener Ausgleich vorzunehmen. Dabei steht ausser Zweifel, dass die einzelnen genannten Elemente untereinander zusammenhängen. Als erstes ist der Umfang des Vorsorgebedürfnisses jedes Ehe-gatten zu klären. Sodann ist zu prüfen, in welchem Umfang jeder Ehegatte in der Lage ist, selber sein Vorsorgebedürfnis zu befriedigen, wobei auch die künftige Entwicklung mit einbezogen werden muss. Schliesslich ist bei jedem Ehegatten seine eigene vorhandene Altersvorsorge einschliesslich der sich aus dem Ein-kommen und ermögen94 noch ergebende künftig erworbene Altersvorsorge von seinem dereinst bestehenden Vorsorgebedarf in Abzug zu bringen. Daraus er-rechnet sich bei jedem Ehegatten ein Defizit oder ein Überschuss. Schliess-lich sind diese Differenzen zum Ausgleich zu bringen, soweit dies nach den Gegebenheiten des konkreten Falls möglich ist. Weicht der so errechnete Saldo erheblich von der Berechnung der während der Ehe erworbenen Aus-trittsleistungen ab, so kann allerdings die angemessene Entschädigung er-höht oder gekürzt werden95.

III.35. Dass einerseits zu berücksichtigen ist, welcher Teil der orsorge im Sinne von Art. 22 FZG während der Ehe erworben worden ist und welcher vorehelich und andererseits auf die orsorgebedürfnisse der Parteien abzu-stellen ist, lässt sich ohne Weiteres im Gesetz kodifizieren. Das schafft Klarheit und sollte deshalb anlässlich der nächsten Revision erfolgen.

h. Ausrichtung der angemessenen Entschädigung nach Art. 124 ZGB

III.36. Wie dargelegt, kann die angemessene Entschädigung auf verschie-dene Weise ausgerichtet werden. Erhält der pflichtige Ehegatte bereits eine Rente von seiner orsorgeeinrichtung, kann die Entschädigung meist nur als Rente ausgerichtet werden, welche der Pflichtige dem Berechtigten be-zahlt. Für eine Kapitalleistung fehlt es an den nötigen Barmitteln. on daher ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen sollte, unter ge-wissen oraussetzungen einen Teil des Deckungskapitals in der einen oder

92 Vgl. BGer vom 31.3.2006, 5C.6/2006, E. 5.

93 Vgl. BGE 133 III 404 f. ; BGer vom 10.2.2006, 5C.247/2005, E. 4.5.1.

94 Vgl. die nicht publizierte Erwägung 3 in BGE 132 III 145.