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Praktische Probleme und Reformpostulate A. Vorstösse auf politischer und wissenschaftlicher

Thomas Geiser

B. Grundzüge der Regelung

II. Praktische Probleme und Reformpostulate A. Vorstösse auf politischer und wissenschaftlicher

Ebene

II.1. Es liegt auf der Hand, dass es einige Zeit dauerte, bis die Praxis die Funktionsweise einer derart technischen Regelung überhaupt wahrnahm und verstand. Das Bundesgericht war zwar sehr schnell und häufig mit Fra-gen des orsorgeausgleichs befasst. Die Lösung im Gesetz ist sehr knapp.

Im ZGB sind es nur drei Artikel und im FZG fünf30, welche sich mit dieser

25 Vgl. dazu Geiser, FamPra 2008, S. 309 ff., Rz. 4.13. f.

26 Vgl. dazu Geiser, FamPra 2008, S. 309 ff., Rz. 4.15.

27 Art. 111 ff. BV.

28 BGE 129 III 481 ; anders in Deutschland.

29 Art. 123 ZGB.

30 Art. 122 bis 124 ZGB und Art. 22 bis 22c sowie 25a FZG.

Materie befassen. Es gibt auch keine umfangreichen Regeln auf erordnungs-stufe. Es handelt sich um eine Regelung, welche ganz dem Stil von Eugen Huber nachempfunden ist : kurz und auf das Wesentliche beschränkt. Damit sind aber auch in der Praxis viele Fragen aufgetaucht. Das ruft regelmässig die Politik auf den Plan.

II.2. Wie noch zu zeigen sein wird, haben Erhebungen innerhalb eines Nationalfonds Projekts zu Tage gefördert, dass die Teilung häufig nicht wirk-lich hälftig erfolgt und es in der Praxis schwierig sein kann, zu erfahren, welche Guthaben die Ehegatten bei der Beruflichen orsorge haben. Zwei Initiativen nahmen sich diesem Anliegen an, nämlich die Parlamentarischen Initiativen Thanei und Sommaruga31. Diese beiden Initiativen lauteten prak-tisch gleich und verlangten,

– dass auf die Teilung der Austrittsleistungen nur unter strengen oraus-setzungen im Falle von kurzen (bis fünf Jahre) und kinderlosen Ehen verzichtet werden kann ;

– dass eine Teilung ausgeschlossen ist bei orliegen von Sachverhalten ge-mäss Art. 125 Abs. 3 Ziff. 1 und 3 ZGB ;

– dass die oraussetzungen für das Festlegen und die Bemessungsgrund-lagen der angemessenen Entschädigung in Art. 124 ZGB klarer geregelt werden.32

II.3. Die Kommission für Rechtsfragen hat auf Grund dieser Initiativen eine Motion formuliert, welche auch überwiesen wurde, bei der allerdings die Stossrichtung wesentlich offener ist. Das Parlament beauftragte nämlich den Bundesrat, „den Reformbedarf im Bereich des orsorgeausgleiches und der Kinderbelange abzuklären und dem Parlament die erforderlichen Revisions-vorschläge zu unterbreiten. Dabei soll er die Ergebnisse des Forschungspro-jektes „Evaluation orsorgeausgleich“ im Rahmen des NFP 45 (Baumann Katerina/Lauterburg Margareta, NFP 45/Probleme des Sozialstaates, For-schungsprojekt „Evaluation orsorgeausgleich“, 4045-64783, Bern 2004) sowie die Ergebnisse der Umfrage zum Scheidungsrecht bei Richtern bzw.

Richterinnen und Anwälten bzw. Anwältinnen sowie Mediatoren bzw. Me-diatorinnen (Bundesamt für Justiz, Mai 2005) berücksichtigen.“

II.4. Der Bundesrat hat sich bereit erklärt, diese Motion entgegenzuneh-men und das Bundesamt für Justiz ist daran, eine entsprechende orlage auszuarbeiten.

31 Curia Vista Geschäftsdatenbank Nr. 04.405 n und 04.409 n.

32 Initiative Thanai vom 8. März 2004, Geschäft Nr. 04.405 n ; Initiative Sommaruga vom 8. März

Revisionsbedarf beim orsorgeausgleich

B. Realien

II.5. Die Datenlage ist in der Schweiz schlecht. Genaue Angaben über die Scheidungswirklichkeit werden nicht mehr erhoben. Es sind folglich im vor-liegenden Rahmen nur grobe Schätzungen möglich.

II.6. Der Begründung der Initiative Thanai33 kann wohl entnommen werden, dass ca. 11% der Scheidungen nach Art. 124 ZGB erfolgen. Bei rund 20 000 Scheidungen sind dies 2200 Scheidungen im Jahr. Es ist folglich da-von auszugehen, dass wohl in ca. 80% der Scheidungen eine Teilung der orsorge nach Art. 122 f. ZGB erfolgt. Das sind ungefähr 16 000 Schei-dungen pro Jahr. In den übrigen Fällen wird der orsorgeausgleich nicht zur Anwendung gelangen, weil kein Ehegatte einer Einrichtung der Beruf-lichen orsorge angehört34. Das ergibt sich allerdings nicht aus der Studie Baumann/Lauterburg.

II.7. Gemäss der Studie Baumann/Lauterburg werden in 84% der Fälle, in denen der orsorgeausgleich nach Art. 122 ZGB erfolgt, die während der Ehe erworbenen Austrittsleistungen nicht genau hälftig geteilt. Das sind so-mit 13 440 Fälle pro Jahr. In 80% dieser Fälle, d.h. in 10 752 Fällen, liegt bloss deshalb keine genau hälftige Teilung vor, weil die Entwicklung der Beruf-lichen orsorge während des Scheidungsverfahrens nicht berücksichtigt wurde.

Das bedeutet aber umgekehrt, dass in diesen Fällen wie auch in jenen 8%, in denen die Teilung mathematisch genau hälftig auf den Zeitpunkt der Rechts-kraft des Scheidungsurteils berechnet erfolgte35, eine genau hälftige Teilung auf einen Zeitpunkt während des Scheidungsverfahrens bzw. auf dessen Ende erfolgte. Das sind immerhin 92%36 jener Scheidungen, in denen sich die Frage einer Teilung nach Art. 122 ZGB überhaupt stellte. Bei allen orbehalten gegenüber diesen Zahlen, zeigt sich somit, dass sich die hälftige Teilung als Grundsatz in der Praxis sehr bewährt hat. Gleichzeitig zeigt sich damit wohl auch, dass diese Teilung in den meisten Fällen ohne grosse Diskussion ak-zeptiert und vollzogen wird, sobald vom Umstand abgesehen wird, dass der Stichtag vorverlegt wird.

33 Initiative Thanai vom 8. März 2004, Geschäft Nr. 04.405 n.

34 2002 gab es 3,3 Millionen Vorsorgeversicherte in der Schweiz (vgl. Stauffer, S. 133). Das ent-spricht ungefähr 50% der Bevölkerung. Bei wie vielen Ehen kein Partner einer Vorsorgeeinrich-tung angehörte, lässt sich daraus allerdings nicht schliessen.

35 Bei weiteren 8% war die Berechnung unklar.

36 Und damit ungefähr 14 720 Fälle pro Jahr.

C. Reformpostulate

II.8. Mit Blick auf die genannten politischen orstösse, die Ergebnisse der Studie Baumann und Lauterburg und die Ergebnisse der Erhebungen in der Praxis, ergeben sich folgende Reformpostulate :

– Bessere Kenntnisse der tatsächlich vorhandenen und in den orsor-geausgleich einzubeziehenden Guthaben.

– Präzisierung des Stichtages für die Berechnung des orsorgeausgleichs.

– Klärung der Frage, wie zwingend die Regelung ist, welchen erfügungs-spielraum den Parteien zusteht und welches Ermessen das Gericht hat.

– Präzisierung der Kriterien für die angemessene Entschädigung nach Art. 124 ZGB.

II.9. Ausserhalb der dargelegten Postulate ist inzwischen auch das An-liegen aufgebracht worden, die geschiedenen Frauen nach dem Tod ihrer ge-schiedenen Männer in der Sozialversicherung besser zu stellen. Wenn sie eine Rente vom geschiedenen Mann erhalten, erlischt diese regelmässig mit des-sen Tod. Häufig erhalten diese Frauen dann aber gar keine oder nur eine sehr geringe Witwenrente der orsorgeeinrichtung des Ehemannes, weil die entsprechenden Regeln des BG37 nur für den obligatorischen Bereich und nicht für den überobligatorischen Bereich gelten.

II.10. Nicht von der Politik aufgegriffen worden sind technische Fragen, welche aber die Fachkreise sehr beschäftigen und in eine Revision in jedem Fall einbezogen werden sollte :

– Das Gesetz präzisiert in keiner Weise, ob die Freizügigkeitsleistung, welche an den Ehegatten des orsorgenehmers ausgerichtet wird, dem BVG-Obligatorium untersteht oder nicht und ob sie aus diesem oder aus der überobligatorischen ersicherung des orsorgenehmers stammt.

Die Frage hat erst wirklich Bedeutung erhalten, als die orsorgeeinrich-tungen begannen, ausserhalb des Obligatoriums bezüglich erzinsung und Umwandlungssatz erheblich schlechtere Leistungen zu bieten als im Obligatorium.

– Grosse Mühe bereitet der Praxis die Behandlung von Vorbezügen für selbst-genutztes Wohneigentum38. Das Gesetz hält ausschliesslich fest, dass diese Beträge in die Teilung nach Art. 122 ZGB einzubeziehen sind39. Wie die

37 Art. 19 BVG und Art. 20 BVV 2.

38 Art. 30a ff. BVG.

Revisionsbedarf beim orsorgeausgleich Berechnung erfolgen soll, ist aber vollständig offen. In der Lehre werden mindestens fünf unterschiedliche Berechnungsweisen vorgeschlagen.

II.11. Im vorliegenden Zusammenhang werden die Fragen des internationa-len Privatrechts ausgeklammert. Siehe dazu die Ausführungen von Andreas Bucher.

III. Lösungsansätze