• Aucun résultat trouvé

Beispiel 38: Fachwort in Fussnote erklärt

1. EINLEITUNG

Darf ich diesen Samen vermehren und ihn nächstes Jahr wieder in meinem Feld aussäen, ohne mich dadurch strafbar zu machen? Um mich rechtlich vor Landraub abzusichern – reicht eine mündliche Abmachung mit der Landbesitzerin? Mich selbst und andere zu ernähren – ist das nicht ein Menschenrecht?

Diese und andere Fragen beschäftigten mich in meiner Vergangenheit als Gemüsegärtner und Nahrungsmittel-Selbstversorger. Antworten darauf gaben mir einerseits zivilgesellschaftliche Akteure und andererseits nationale Gesetzgebungen, deren Verständnis ich mir als Rechtslaie mühselig erarbeiten musste. Seit die UNO-Generalversammlung im Dezember 2018 die Erklä-rung der Vereinten Nationen über die Rechte von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und an-deren Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, angenommen hat, wurde der Zivilge-sellschaft ein Rechtsinstrument an die Hand gegeben. Dieses liefert – selbst wenn es empfeh-lenden und nicht rechtsverbindlichen Charakter hat – auch Antworten auf eingangs gestellte Fragen. Aus diesem Anlass hat der Genfer Verein CETIM im März 2019 das Buch La Déclaration de l’ONU sur les droits des paysan.ne.s. Outil de lutte pour un avenir commun in seiner Ver-lagsreihe PubliCetim herausgegeben. Darin wird die Geschichte der Erklärung und ihr juristi-scher Fachinhalt für die Zivilgesellschaft zugänglich gemacht und verständlich aufbereitet. Als ich das Buch entdeckte, keimte die Idee, es ins Deutsche zu übersetzen. Die Absicht dahinter war zweierlei: Einerseits soll der Inhalt einem deutschsprachigen Publikum zugänglich und an-dererseits eine kommentierte Übersetzung im Rahmen meiner Masterarbeit erstellt werden.

Und ich als angehender Übersetzer kann damit eine neue und alte Leidenschaft elegant ver-binden.

„Die Verständlichkeit des Rechts ist auch in Zusammenhänge von Macht, Einfluss und Kon-trolle eingebettet und stellt zugleich einen notwendigen Wert einer Demokratie dar“, schreibt der Data Analyst Christian F. G. Schendera (2004, S. 358). Florian Rochat, ehemaliger Direktor und heute Verlagsverantwortlicher des CETIM, wiederum sagt, dass die Erklärung der Verein-ten Nationen und das Sachbuch ein politisches Kampfmittel seien (Anhang VI, S. 5). Die Erklä-rung der Vereinten Nationen entstand u. a. auch im Kontext des Agrarschocks 2008 und der Verabschiedung des Weltagrarberichts im selben Jahr. Während der Bericht der International

Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (IAASTD) ei-nen Paradigmenwechsel hin zu mehr ökologischer Suffizienz in der Landwirtschaft fordert, verschlimmerte sich gleichzeitig die Welternährungssituation und mit ihr die soziale, ökono-mische und rechtliche Lage der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern (Haerlin und Beck, 2013, S.

3). In Anbetracht dieser zeitgeschichtlichen Ereignisse und im Spannungsfeld der Verständ-lichkeit von Recht als Wert der Demokratie, erscheint es geradezu notwendig, juristische Fachinhalte für die Zivilgesellschaft verständlich aufzubereiten. Dieser Aufgabe hat sich das untersuchte Sachbuch angenommen. Der Transfer von Inhalt zwischen Senderinnen und Sen-dern und Rezipientinnen und Rezipienten nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein und ist in eine mehrschichtige Kommunikationssituation eingebettet. Bei Verständlichkeit handelt es sich wiederum um „etwas sehr Komplexes“, bei dem zahlreiche Komponenten zusammenspielen (Langer, Schulz von Thun und Tausch, 2019, S. 187). Für die vorliegende kommentierte Über-setzung ist Verständlichkeit im Sinne der Hamburger Forschergruppe um Langer et al. und ihre vier Verständlichkeitsmerkmale von zentraler Bedeutung. Die Übersetzung des Buchaus-schnitts geschieht schliesslich vor dem Hintergrund, dass die Popularisierung bzw. Verständ-lichmachung von Inhalten in den Übersetzungswissenschaften noch ein wenig beachtetes Ge-biet ist (Liao, 2013, S. 131).

Der im Rahmen dieser Arbeit übersetzte Buchausschnitt (s. Anhang II) beschäftigt sich auf 26 Seiten mit sieben ausgewählten Artikeln der Erklärung der Vereinten Nationen1. Als Untersu-chungsgegenstand eignet sich der bereits verständlich aufbereitete Buchausschnitt (s. An-hang I) erstens, weil er die Möglichkeit bietet, verständlichkeitsfördernde Aspekte und Stra-tegien zu bestimmen und beschreiben, zweitens, um zu analysieren, wie juristische Inhalte popularisiert werden und drittens die Aufgabe ermöglicht, das Thema Verständlichkeit in sei-ner sprachlichen Vielfalt anhand des Übersetzungsprozesses zu beleuchten.

Das Ziel der vorliegenden kommentierten Übersetzung ist es, anhand des ausgewählten Buch-ausschnitts einen praxisorientierten Diskussionsbeitrag zum Thema Verständlichkeit als Her-ausforderung beim Übersetzen zu leisten.

1 Der Link zur Resolution A/RES/73/165 findet sich im Anhang VII (Französisch) und Anhang VIII (Deutsch).

1.1 Fragestellungen

Die übergeordnete Fragestellung, die sich aus dem Ziel der Arbeit ergibt, lautet wie folgt:

Worin bestehen Herausforderungen beim Übersetzen im Hinblick auf Verständlichkeit?

Von dieser Fragestellung ausgehend, sollen auch die nachfolgenden, untergeordneten Frage-stellungen beantwortet werden:

• Welche (inter- und intralingualen) Transferleistungen und Eingriffe zur Textoptimie-rung liegen dem Übersetzungsprozess auf den verschiedenen sprachlichen Ebenen zugrunde?

• Wie können juristische Inhalte für ein breites (Laien-)Publikum vereinfacht darge-stellt werden?

1.2 Vorgehen und Gliederung

Nach der Einleitung wird in Kap. 2 zunächst ein kurzer Überblick über die Verstehens- und Verständlichkeitsforschung gegeben. Anschliessend wird das Hamburger Verständlichkeits-konzept mit seinen vier Merkmalen vorgestellt. Die Verständlichkeitsmerkmale werden in der vorliegenden Arbeit als Analyseinstrument für den AT und nicht als eigenständige Untersu-chung der Verständlichkeit eingesetzt. Danach wird in die Themenfelder juristische Fachspra-che, Popularisierung und einfache Sprache eingeführt. Damit wird der theoretische Kontext für die Übersetzung umrissen. Um den Buchausschnitt im Übersetzungsprozess verankern zu können, schliessen übersetzungs- und textlinguistische Grundlagen den theoretischen Teil ab.

Mit diesen Grundlagen und ihren Analyseinstrumenten werden in Kap. 3 mit Fokus auf Ver-ständlichkeit der AT ausführlich analysiert, seine Stärken und Schwächen herausgearbeitet, die Kommunikationssituation erörtert, der Inhalt des Sachbuches vorgestellt sowie der Über-setzungsauftrag formuliert. Zur Vertiefung der AT-Analyse wurden zwei semi-strukturierte Hintergrundinterviews mit der Autorin des Buches und dem Verlagsverantwortlichen des CETIM geführt2. Sie liefern Informationen aus erster Hand und werden punktuell in die Argu-mentation hinzugezogen.

2 Diese beiden Interviews wurden aufgezeichnet und sind im Anhang V (Coline Hubert, Autorisierung in

Korres-In Kap. 4 wird der erarbeitete Übersetzungsvorschlag anhand von Beispielen aus dem AT und dem ZT diskutiert und die Herausforderungen beim Übersetzen für Verständlichkeit auf Text-, Satz- und Wortebene beleuchtet. Die Schwerpunkte dabei bilden: Syntax, Lexik (geläu-fige Wörter, wertende Ausdrücke und Fachwörter), Intexte (Fussnoten, wörtliche Zitate und metakommunikative Parenthesen), Konnektoren/indirekte Signalwörter, der Transfer der Textfunktionen, die Verfasserperspektive und die Textstellen, die sich auf die UN-Erklärung beziehen. Kap. 4 spannt damit den Bogen zur Theorie und Analyse und zeigt auf, wie das Ham-burger Verständlichkeitskonzept und die Themenfelder juristische Fachsprache, Popularisie-rung und einfache Sprache beim Übersetzungsprozess von Nutzen waren. Der untersuchte Buchausschnitt wird bei der Analyse und der Diskussion als ein in das Buch eingegliederter Text behandelt.

In Kap. 5 wird das Fazit gezogen und in Kap. 6 die Arbeit kritisch betrachtet und ein Ausblick gewagt.