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Beispiel 38: Fachwort in Fussnote erklärt

2. THEORETISCHER TEIL

2.4 Einfache Sprache

Wer sich mit Textverständlichkeit befasst, kommt nicht um den Begriff der Plain Language bzw. der einfachen Sprache und deren Empfehlungen herum. Dazu wird erstens in diesem Kapitel ein Überblick gegeben und zweitens werden ausgewählte Empfehlungen von Baumert (2018) vorgestellt, die für die Erstellung des ZT von Interesse sind.

Einfache Sprache hat ihren Ursprung im Englischen, dem Plain English und geht vermutlich auf James Bryant zurück, der 1892 zehn Punkte („Leserorientierung, Wörter, Sätze, Zeichenset-zung, Text, Struktur/Dokumenttyp, Elemente der Logik/Rhetorik und Stilistik, Planung, Gestal-tung, Korrektur und redaktionelle Überarbeitung“) für Standardenglisch festlegte (Baumert, 2018, S. 49 f.). Baumert (ebd., S. 49) hält fest, dass es sich dabei nicht um eine normierte Sprache handelt, aber um eine, die von allen „unnötigen Komplikationen“ befreit ist. Der Ur-sprung von einfacher Sprache liegt nicht in der Wissenschaft, sondern in Bewährtem aus der

Praxis (ebd., S. 56). Bürgerinnen und Bürger sollen durch Texte in einfacher Sprache intellek-tuelle Unabhängigkeit in der Gesellschaft erlangen und so an „verschriftlichter Kultur“ teilneh-men (ebd., S. 21).

In Kanada befassen sich Forscherinnen und Forscher sowie Behörden schon seit langem mit Plain Language. Das Mouvement pour la simplification des communications (MSC) hat seine Ursprünge in den 50er Jahren und erlebte in Kanada seit den 90er Jahren einen Aufschwung (Trudeau, 2003, S. 1). Mit dieser Bewegung ist auch die Rédaction en langue clair et simple (LCS) entstanden (ebd.). Im Jahr 1988 verabschiedete die kanadische Regierung sogar eine of-fizielle Politik, welche die Kommunikation in Einklang mit den Ideen und Empfehlungen der Bewegung fördern sollte – die Absicht dahinter: Mit dem Publikum in einer klaren, objektiven und verständlichen Sprache kommunizieren (Ranger und Gatien, 1994, S. 2 f.). In diesem Kon-text ist das Dokument „Pour une langue clair et simple – Guide du formateur“ (Ranger und Gatien, 1994) entstanden, das für die vorliegende Arbeit bei der Analyse der Konnektoren in Kap. 4.1.2 als Hilfsmittel diente.

Baumert (2018, S. 55) empfiehlt einfache Sprache ausdrücklich für deutschsprachige Länder und schreibt, dass „es unsere Aufgabe [ist], das Gelernte für die deutschsprachigen Länder umzusetzen“ (ebd., S. 60). Zu diesem Zweck hat Baumert 152 Empfehlungen formuliert, die Autorinnen und Autoren als Grundsätze für ihr Arbeiten nehmen können, wenn sie sich u. a.

an „Leser mit geringer Lesefähigkeit und/oder Menschen mit mangelnder Fachkompetenz“

oder an „Ältere, denen das Lesen viel Kraft abverlangt“ richten (ebd., S. 3). Weil Baumert die Leserinnen und Leser stets in den Mittelpunkt stellt, sind seine Empfehlungen als Ergänzung zum Hamburger Verständlichkeitskonzept sehr nützlich, wie das folgende Zitat gut illustriert:

„Die Aufmerksamkeit des Lesers ist das erste Ziel: Das will oder muss er wissen, sich ansehen, lernen, vielleicht zum Vergnügen lesen. […] Sie schafft die Voraussetzung für das Lesen und Verstehen eines Dokuments“ (ebd., S. 139). Leserinnen und Leser bemerken idealerweise nicht, dass ein Text mit speziellen Überlegungen geschaffen wurde (ebd., S. 163). Einfache Sprache endet laut Baumert (ebd., S. 130) „an der Grenze zur FachspracheFN oder Fachkom-munikation [Hervorh. im Original]“. „Sprachliches Handeln“ bzw. ein Text kann sich allerdings gleichzeitig an ein Fachpublikum und an Laien richten, womit die Grenze zur Fachsprache ver-schwimmt (ebd.). Dadurch rückt die Beziehung zwischen Experte und Laie und mit ihr die

fach-der Syntax in den Vorfach-dergrund (ebd.). Die Verwendung von einfacher Sprache wird, zumindest teilweise, nötig (ebd.). Baumert (ebd., S. 24) wirft zudem die Frage auf, ob einfache Sprache und guter Stil zu vereinbaren wären und schliesst, dass, da Stil ein tragendes Element der Textverständlichkeit ist, sie nicht nur kombinierbar sind, „sie bedingen einander sogar“ (ebd., S. 36).

Im Folgenden werden 17 ausgewählte Empfehlungen von Baumert (2018, S. 110-147) vorge-stellt. Sie sind nach Satz- und Wortebene gegliedert:

Satzebene

• Satzlänge (S. 142): Im Deutschen wird eine „verträgliche durchschnittliche“ Satz-länge von 10 bis 15 Wörtern empfohlen. Die Empfehlung steht in Verbindung mit dem Arbeitsgedächtnis6. Ausreisser sind immer möglich und können z. B. grafisch bearbeitet werden. Grundsätzlich gilt, dass Veränderungen in der Satzlänge der Le-serschaft Abwechslung bieten.

• Satzverbindungen7 (S. 142): Durch Verbindungswörter wird das Lesen erleichtert.

Werden zwei Sätze mit einem solchen Wort verbunden, ist klar, woher der Gedanke stammt und wie es weitergeht. Zudem unterstützen treffende Verbindungs- oder indirekte Signalwörter die Speicherung im Langzeitgedächtnis.

• Propositionen (S. 143 f.): Inhalte sollen in möglichst knappen und einfachen Aussa-gesätzen stehen. Eine einfache Proposition ist am besten zu verarbeiten, Sätze mit Konjunktionen bereiten ebenfalls keine Schwierigkeiten. Ein Satz mit mehreren Propositionen und Verhältnissen dazwischen erschwert die Verarbeitung des Gele-senen.

• Eindeutige Satzglieder (S. 145): Die Satzglieder sollen zur Erleichterung des Lesens und Vermeidung von Missverständnissen in der Reihenfolge Subjekt, Prädikat und Objekt stehen („S-P-O-Ordnung“). Bezüge dazwischen müssen eindeutig sein.

• Hauptsatz und Nebensatz (S. 146): Es soll entweder ein Hauptsatz, Hauptsätze mit Verbindungen dazwischen oder ein Hauptsatz mit Nebensatz 1. Ordnung verwendet werden. Nebensätze sollen nicht in Hauptsätze gesetzt werden. Von Nebensätzen

6 Das Arbeitsgedächtnis ist laut Baumert (2018, S. 140 f.) neben Kurz- und Langzeitgedächtnis jenes Gedächtnis, das durch Aufmerksamkeit und andere Faktoren das Langzeitgedächtnis aktiviert, auf welchem das Arbeitsge-dächtnis aufbaut. Der Fokus richtet sich dabei auf den „Austausch zwischen Bekanntem und Neuem“ (ebd.).

7 Dieser Begriff wird gemäss Baumert (2018) verwendet. Gemeint damit sind Konnektoren.

höherer Ordnung wird abgeraten.

• Ordnung (S. 147): Schachtelsätze sollen vermieden werden, weil sie das Arbeitsge-dächtnis an seine Grenzen bringen.

Wortebene

• Fachwörter (S. 129 f.): Fachwörter, die auch Fremdwörter sein können, fallen unge-übten Leserinnen und Lesern direkt auf und stören die „kognitive Verarbeitung“.

Das heisst, sie erreichen das Arbeitsgedächtnis, ohne dort aber in den richtigen Kon-text gesetzt und behalten zu werden. Autoren haben zwei Optionen: 1. Anstelle des Fachwortes wird mit dem Risiko eines hohen Informationsverlustes ein umgangs-sprachliches gebräuchliches Wort verwendet. 2. Das Fachwort wird mit ergänzen-den Erläuterungen, in einer Wortliste oder einem Glossar erklärt. Beide Varianten können gemischt werden. Ist weder das eine noch das andere möglich, kann das Wort nicht in einfacher Sprache wiedergegeben werden.

• Indirekte Signalwörter (S. 117 f.): Der konventionelle Weg soll angewandt werden, will z. B. heissen, „wo erstens, dort zweitens, wo wenn, da dann [Hervorh. im Origi-nal]“. Sinnvoll eingesetzte, indirekte Signalwörter helfen den Leserinnen und Lesern und fördern das Verstehen.

• Konkret statt abstrakt8 (S. 126): „Allgemeine, abstrakte Wörter“ sollen möglichst wenig, konkrete Wörter möglichst viel verwendet werden. Konkrete Wörter verbin-den „Erfahrungen, Geräusche, Gerüche und Gefühle“.

• Artikelwörter (S. 110): Um Substantive zu bestimmen, sollen Artikelwörter verwen-det werden. Damit die Leserinnen und Leser die Übersicht behalten können, soll der Abstand zwischen Substantiv und Artikelwort nicht mehr als zwei Wörter betragen.

Dies geschieht aus Rücksichtnahme auf das Arbeitsgedächtnis einer womöglich un-geübten Leserschaft.

• Substantive und Artikelwörter (S. 131): Artikel tragen dazu bei, dass die Leserinnen und Leser Kasus, Numerus und Genus besser wahrnehmen. In einfacher Sprache sollen Artikel deshalb häufiger verwendet werden.

• Modalverben (S. 119 f.): Müssen, sollen, dürfen, können. Die richtige Verwendung

der Modalverben soll im Text überprüft werden. Müssen9 ist strenger als sollen. Auf sollen zugunsten von müssen soll aber nicht verzichtet werden. Die Verantwortung liegt beim Autor. Modal kann einerseits die Möglichkeit, andererseits die Notwen-digkeit bedeuten.

• Nach oben und unten zeigen (S. 115): Ist der Abstand zwischen dem Verweis und dem Ziel des Verweises für die Leserschaft noch zumutbar, soll auf eine Anapher zu-rückgegriffen werden. Für einfache Sprache werden maximal zwei Sätze Abstand empfohlen. Auch hier ist der Rat in Verbindung mit dem womöglich begrenzten Ar-beitsgedächtnis von ungeübten Leserinnen und Lesern zu verstehen. Anapher wer-den oft durch Personalpronomina ausgedrückt. Sie werwer-den auch bei Kataphern ver-wendet. Weil diese Technik einer wenig geübten Leserschaft eher Schwierigkeiten bereitet, soll auf sie verzichtet werden.

• Vage Verweise, nein – direkte Verweise, ja (S. 116): Es soll darauf verzichtet wer-den, ungenaue Verweise zu verwenden. Wortgruppen wie „weiter oben, siehe auch unten, auf den Folgeseiten [Hervorh. im Original]“ und ähnliches sollen vermieden werden. Verweise, die direkt zum Ziel führen, sind für Leserinnen und Leser will-kommen.

• Ich und wir (S. 114): Wenn es sich aus dem Umfeld des Textes ergibt – dies ist z. B.

für wissenschaftlichen Publikationen ungeeignet –, dann soll die erste Person des Personalpronomens verwendet werden.