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Beispiel 38: Fachwort in Fussnote erklärt

4. VERSTÄNDLICHKEIT BEI DER ÜBERSETZUNGSARBEIT

4.2 Juristische Fachsprache, Popularisierung und Übersetzungsstrategie

In diesem Kapitel werden einerseits Textstellen mit juristischem Fachinhalt aus der UN-Erklä-rung besprochen und andererseits der Umgang mit Fachwörtern diskutiert.

4.2.1 Textstellen mit Bezug zur UN-Erklärung

Kap. 3.5 hat gezeigt, dass fünf verschieden Methoden angewandt wurden, um auf den Inhalt der UN-Erklärung Bezug zu nehmen. Dabei prägte Methode 5 – die vereinfachte Darstellung des Inhalts in anderen Worten, ohne Nennung des Paragrafen der UN-Erklärung – das Narrativ des untersuchten Buchausschnittes, während die anderen vier Methoden punktuell hinzuge-zogen wurden.

Methode 5 liegt die Ausgliederungs- und Transferleistung der Buchautorin zugrunde (s. Kap.

3.5.1). Der rechtliche Fachinhalt der UN-Erklärung wird in den Unterkapiteln zusätzlich durch einleitende Abschnitte in den thematischen Kontext und Argumentationszusammenhang ge-stellt. Zur Reduktion der Informationsdichte wendet Hubert, wie Kap. 4.1 gezeigt hat, ver-schiedene Strategien an. Sie bedient sich z. B. Fussnoten, um Mehrinformationen zu liefern, vereinfacht mit lebensnahen Beispielen oder entlehnt auch sprachliche Wendungen wie en d’autres termes, il s’agit de etc., um den Inhalt der UN-Erklärung aber auch „Nichtgewusstes“

für das Zielpublikum verständlich zu machen (Stolze, 2013, S. 244). Wie Kap. 4.2.2 zeigen wird, behilft sich Hubert dabei auch mit der Erklärung von Fachwörtern. Textstellen der Methode 5 wurden weitgehend frei übersetzt. Wie Kap. 4.1 aufzeigte, waren die Herausforderungen da-bei vielfältig. Bei der Übersetzung in die Zielsprache war zudem wichtig, die Informations-dichte dort zu reduzieren, wo die Textverständlichkeit noch optimiert werden konnte.

Bei Methode 1 – der Auswahl von Zitaten aus der UN-Erklärung mit oder ohne Fussnote – war die Herausforderung gering, weil die jeweilige Textstelle mit dem genauen Wortlaut aus der UN-Erklärung übernommen werden konnte. Entweder wurden ganze Paragrafen oder Aus-schnitte davon übernommen, wobei letztere nur punktuell sprachliche Anpassungen im ZT nach sich zogen. Methode 2 – ein Schlüsselbegriff oder -satz wird in der Fussnote mit einem Zitat aus der UN-Erklärung erläutert – und Methode 3 – ein Artikel aus der UN-Erklärung wird wörtlich benannt und mit einer Fussnote versehen – sowie deren Transfer in den ZT ist mit dem Vorgehen für Fussnoten des Typs 1 vergleichbar (s. Beispiel 9 Kap. 4.1.2.1). Me-thode 4 – Nennung eines Schlüsselbegriffs, Verweis auf die Fussnote und die anschliessende

Erörterung – lehnt sich schliesslich an die Vorgehensweise von Niederhauser (1999, S. 150 f.) an, die eine implizite Fachworterklärung durch eine entfaltende Definition liefert (s. dazu auch Beispiel 36 in Kap. 4.2.2). Bei dieser Methode wurde frei übersetzt und im ZT darauf geachtet, keine Synonyme für die Schlüsselbegriffe zu verwenden.

An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass bei der Übersetzung der juristischen Text-stellen kein Wechsel in ein anderes Rechtssystem und dessen Kultur bzw. an eine neue Kom-munikationsgemeinschaft nötig war (Schmidt-König, 2005, S. 114). Und zwar, weil es sich bei der UN-Erklärung um universell gültiges Völkerrecht handelt.

Die Grundlage und gleichzeitig auch eine Schwierigkeit beim Transfer von juristischem Fachin-halt der UN-Erklärung war ganz generell die Terminologiearbeit. Begriffe oder sprachliche Wendungen im AT mussten mit Hilfe der französischen Version der UN-Erklärung bestimmt und in der deutschen Version exakt herausgearbeitet werden, da sich der ZT nach Möglichkeit an die Terminologie der offiziellen deutschen Version anlehnen sollte.

4.2.2 Umgang mit Fachwörtern

Die in Kap. 2 besprochene Theorie ist sich einig: Fachwörter müssen zur Verständlichkeitsför-derung erklärt werden. Die Frage ist aber, wie? Niederhauser (1999, S. 140-162) und Baumert (2018, S. 129 f.) schlagen Lösungen vor, wie mit Fachwörtern umgegangen werden soll. Das Hamburger Verständlichkeitskonzept sagt einzig, dassFremdwörter und Fachausdrücke er-klärt werden sollen (Langer et al., 2019, S. 22). An mehreren Beispielen werden nachfolgend verschiedene Vorgehensweisen dargelegt und ihr Transfer in den ZT diskutiert.

Beispiel 34: Fachwort definiert

Dans le cadre du droit à la terre, l’exercice indi-viduel peut consister par exemple en une de-mande personnelle à disposer d’une parcelle en propriété privée lors d’une redistribution de terres. Alors que l’exercice collectif de ce droit est une demande au nom d’un groupe permettant un accès commun aux ressources. L’exercice collectif n’est pas la somme de droits individuels mais bien un droit donné à des personnes en tant que groupe. (Hubert, 2019, S. 105)

Im vorliegenden Fall kann eine einzelne Aus-übung zum Beispiel darin bestehen, dass bei der Neuverteilung von Land ein persönliches Gesuch zum Erwerb von Privateigentum gestellt wird.

Dagegen wird bei gemeinsamer Ausübung das Gesuch im Namen einer Gruppe gestellt, um ge-meinsam Zugang zu Ressourcen zu erhalten. Die gemeinsame Ausübung entspricht nicht der Summe der einzelnen Rechte, sondern dem ei-ner Gruppe von Personen verliehenen Recht.

® Zuerst wird das juristische Fachwort exercice individuel genannt und dann anhand eines lebensnahen Beispiels (= anregender Zusatz) erklärt. Dann wird die zweite Möglichkeit

(exer-der Erklärung von Fachwörtern durch direkte, eingehen(exer-dere Definition nach Nie(exer-derhauser (1999, S. 143 ff.). Die Definitionen sind beide anaphorischer Natur, d. h. textuell zurückwei-send. Die Definition von exercice collectif knüpft an die einzelne Ausübung an, die zuvor erläu-tert wird, wodurch für die Leserinnen und Leser ein Erklärungskontext entsteht.

Beispiel 35: Fachwort definiert

Lorsqu’on évoque une intervention de l’État, c’est à minima une préemptionFN et cela va jusqu’à l’expropriation. (Hubert, 2019, S. 107) Note de bas de page:

Le droit de préemption permet à une entité pu-blique d’acquérir un bien avant sa mise sur le marché. (S. 107)

Greift der Staat ein, ist damit mindestens das VorkaufsrechtFN und maximal die Enteignung ge-meint.

Wortlaut der Fussnote:

Das Vorkaufsrecht ermöglicht einer öffentlichen Einrichtung ein Gut zu erwerben, bevor es auf den Markt kommt.

® Hier wird die gleiche Vorgehensweise wie bei Beispiel 34 verwendet, jedoch mit dem Un-terschied, dass die popularisierende Definition in einer Fussnote mit den Worten der Autorin in einem einzigen Satz steht. Die Definition in der Fussnote kann aber auch aus einer fremden Quelle stammen, wie im Fall von réformes agraires (Hubert, 2019, S. 107) oder mit Hilfe des Wortlauts der UN-Erklärung wie bei moyens de productions (ebd., S. 117). In diesen beiden Fällen handelt es sich aber nicht mehr um eine popularisierende Definition im Sinne Nieder-hausers, da sich die Definitionen weiterer Fachwörter bedienen. Trotzdem helfen sie der Le-serschaft die Bedeutung des Wortes zu vertiefen.

Bei den Beispielen 34 und 35 kann grundsätzlich frei übersetzt werden. Stammt die Definition aber aus einem Wörterbuch, soll nach Möglichkeit eine offizielle Version in der Zielsprache verwendet werden. Existiert keine, wird frei übersetzt und dies signalisiert.

Beispiel 36: Fachwort implizit erklärt

Or, les semences paysannes sont menacées d’ex-tinction par la concurrence féroce des semences industrielles. (Hubert, 2019, S. 109)

Bäuerliches Saatgut ist wegen der harten Kon-kurrenz mit industriellem Saatgut vom Ausster-ben bedroht.

® Das Fachwort semences paysannes wird in der Einleitung des Unterkapitels b erstmals auf Seite 109 erwähnt. Es ist kursiv hervorgehoben und erweckt bei der Leserschaft schon nur deshalb Aufmerksamkeit, weil damit auch seine Fachlichkeit signalisiert wird. Zudem wird noch im selben Satz deutlich, dass der Begriff im Kontrast zu semences industrielles steht. Im Fortlauf des Unterkapitels wird der Begriff dreimal im Text und zweimal in einer Fussnote er-neut aufgegriffen. Erklärungen zum Begriff und die textuelle Vernetzung sorgen dafür, dass

die Leserinnen und Leser am Ende des Unterkapitels eine Idee davon haben, was das Fachwort bedeutet. Diese Vorgehensweise ist eindeutig der impliziten Fachworterklärung durch entfal-tende Definition nach Niederhauser zuzuordnen (1999, S. 150 ff.)

Bei der Übersetzung einer impliziten Definition muss darauf geachtet werden, dass für das Fachwort immer wieder derselbe Begriff im ZT verwendet wird, damit die Leserschaft den Begriff erkennt und er so seine Wirkung entfalten kann (ebd., S. 152). Von der Verwendung von Synonymen rät auch Baumert ab (2018, S. 122).

Grundsätzlich stellte sich die Frage, ob ein Begriff erklärt werden muss oder nicht, wegen des sehr heterogenen Adressatenkreises immer wieder während der Übersetzung. Bäuerinnen und Bauern bringen höchstwahrscheinlich mehr Wissen über die Pflanzenwelt mit als ge-wöhnliche Konsumentinnen und Konsumenten, die sich für die bäuerliche Frage interessieren.

Beide sind aber Teil einer möglichen Leserschaft. Der Entscheid hing in solchen Fällen im Er-messen des Übersetzers, weswegen die Darlegungen hier subjektiv sind. Ein Vorteil für den Übersetzer war, dass er selbst einmal ein Laie in diesem Themenbereich war und so besser abschätzen konnte, ob ein Eingriff nötig war. Dieses Vorgehen wird an den beiden Beispielen 37 und 38 illustriert, während zum Abschluss der Diskussion die Beispiele 39 und 40 Eingriffe zeigen, wie ein Fachwort durch eine geläufige Bezeichnung ersetzt werden kann.

Beispiel 37: Fachwort im Text erklärt Cela est encore plus vrai en ce qui concerne les droits de pro-priété intellectuelle sur des sé-quences génétiques. (Hubert, 2019, S. 115)

Das trifft noch vielmehr auf die Rechte zum Schutz des geisti-gen Eigeisti-gentums auf Gensequen-zen zu.

Das trifft noch vielmehr auf die Rechte zum Schutz des geisti-gen Eigeisti-gentums auf Gensequen-zen zu. Es sind dies charakteris-tische Abfolgen der geneti-schen Bausteine einer Erban-lage.

® Um das Wort Gensequenzen zu präzisieren, wurde im ZT bei der Selbstrevision ein Satz hinzugefügt, der das Wort definiert. Die Definition lehnt sich an die Strategie zur Erklärung von Fachwörtern von Niederhauser (1999, S. 143) an: Das Fachwort wird genannt und dann in einer Definition unmittelbar erläutert.

Beispiel 38: Fachwort in Fussnote erklärt

agroécologie Agrarökologie

Wortlaut der Fussnote:

„Begriff, der eine wissenschaftliche Disziplin, eine soziale Bewegung oder eine landwirtschaft-liche Praxis beschreibt. Die drei Aspekte intera-gieren miteinander und berücksichtigen die dem geografischen Gebiet eigenen Bedingungen.“

Quelle: http://souverainetealimentaire.org/wp- content/uploads/2018/08/Ernahrungssouvera-nitat_katalog.pdf. [Anm. d. Übers.]

® Bei agroécologie handelt es sich nach dem Ermessen des Übersetzers um einen in der Ge-sellschaft noch unbekannten Begriff. Deshalb wurde er hier mit einer Fussnote erklärt und vermerkt, dass die Anmerkung vom Übersetzer stammt.

Beispiel 39/40: Fachwort mit geläufigem Wort übersetzt En effet, ces semences sont

faites pour être couplées à des engrais particuliers, et surtout pour résister aux herbicides et insecticides que produisent spécialement les mêmes multi-nationales. (Hubert, 2019, S.

113)

Das Saatgut der Konzerne ist an Düngemittel gekoppelt und re-sistent gegenüber Herbiziden und Insektiziden, die von den gleichen Konzernen produziert werden.

Das Saatgut der Konzerne ist an Düngemittel gekoppelt und l’avance-ment de l’urbanisation, aug-mentent d’autant plus la die Konzentration des Boden-besitzes noch mehr. Sie ist so gross ist wie noch nie.

Landraub, Landverknappung, Verschlechterung der Böden und die fortschreitende Urbani-sierung verstärken in einigen Regionen die Konzentration des Bodenbesitzes noch mehr.

Sie ist so gross ist wie noch nie.

® Die hier angewendete Strategie folgt der Empfehlung von Baumert (2019, S. 130), für Fach-wörter „gebräuchliche deutsche Übersetzungen“ zu verwenden und stellt einen intralingualen Eingriff bei der Selbstrevision dar. Anstelle der Fachwörter Herbizid und Insektizid wurde das Synonym Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel und anstelle des technischen Begriffs Bodendegradation wurde Verschlechterung der Böden verwendet. Baumert (ebd.) weist da-rauf hin, dass dieses Vorgehen manchmal mit einem Informationsverlust verbunden ist. Ge-rade im Fall des Beispiels 40 dürfte dies zutreffen.

Während der Übersetzungsarbeit hat sich der Übersetzer auch die Frage gestellt, ob ein mög-liches Glossar für die Erklärung der Fachwörter, insbesondere jene, die in den Fussnoten ste-hen, nützlich sein könnte. Baumert (2018, S. 68 f.) schreibt, dass Glossare heute oft überflüssig

geworden sind, da geübte Leserinnen und Leser die Begriffe im Internet nachschlagen wür-den. Fällt aber das Lesen eher schwer – eine Eigenschaft, die auf das Zielpublikum dieses Bu-ches zutreffen könnte – rät er für einfache Sprache zu „Erläuterungen in unmittelbarer Nähe“

(ebd.). Falls doch ein Glossar benötigt wird, schlägt er eine andere Benennung wie „Wörter-buch“ oder „Schwer verständliche Wörter“ vor (ebd.). Im vorliegenden Fall fiel der Entscheid gegen ein Glossar. Dies aus dem Grund, weil im AT vielenorts bereits die Strategie mit Erläu-terungen im Text oder Fussnoten gewählt wurde.

Die Herausforderung beim Transfer von Fachwörtern bzw. ihren Definitionen war einerseits deren Erkennung im AT und andererseits die Erarbeitung einer verständlichen ZT-Variante, die sich an den zahlreichen Empfehlungen und Strategien ausrichtet und so die Textverständ-lichkeit für das Zielpublikum erhöht.