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II. Die rechtliche Ausgestaltung

1. Die Volksinitiative in Kalifornien

«The initiative is the power of the electors to propose statutes and amendments to the Constitution and to adopt or reject them»159. Das Initiativrecht in Kalifomien erstreckt sich gemass dieser Bestimmung auf Verfassungs- und Gesetzesandemngen.

a. Die Volksinitiative auf Ve1fassu11gsstufe

Die kalifomischen Stimmbürger sind befugt, jederzeit einen Antrag auf Teil-revision der Ve1fassung zu stellen. Volksinitiativen sind in Kalifornien im-mer als ausgearbeitete Entwürfe formuliert, da sie unverdndert und aime Eingriffe der Behürden160 der Volksabstimmung unterbreitet werden 161Für die Annahme genügt die Mehrheit der Bürger, die an der Abstimmung teil-nehmen.

158 Vgl. Anhang, Tabelle 2: «Die Volksrechte in der Schweiz auf Bundesebene» sowie Anhang, Tabelle 3: «Die Volksrechte in Kalifomien>> für eine Übersicht über die Instrumentarien di-rekter Demokratie in der Schweiz auf Bundesebene und in Kalifomien.

159 Art. 2 § 8 Cal. Cst.

160 Die einzige Ausnahme bildet gegebenenfalls eine Ungültigerkliirung durch die Gerichte.

161 Vgl. infi'a 2. Teil, I., wo das Verfahren ausführlich dargestellt wird.

Grnndlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

Die kalifomische Verfassung gewahrleistet den Stimmbürgern hingegen nicht das Recht, ein Begehren auf Totalrevision einzureichen. Laut Ati. 18

§ 1 und § 2 Cal. Cst. hat einzig das Parlament das Recht, ein Total-revisionsverfahren auszulosen162.

b. Die Volksinitiative auf Gesetzesstufe

Neben der Volksinitiative auf Verfassungsstufe kennt Kalifornien auch die Gesetzesinitiative. Ein einziges Begehren kann im übrigen Ânderungen auf beiden Normstufen vorschlagen. Der Gouverneur hat - im Unterschied zu parlamentarischen Gesetzen - kein Vetorecht bei Gesetzesinitiativen163Er verfügt somit über keine checks gegenüber dem Antragsrecht des Volkes. Aber auch das Parlament hat nur sehr beschrankt die Funktion einer balance. Es muss namlich Ânderungen von in Kraft getretenen Gesetzesinitiativen gemass Art. 2 § 10 c Cal. Cst. einem obligatorischen und nicht einem fakultativen Referendum unterbreiten 164. Die Initianten konnen jedoch dem Parlament die Befugnis einraumen, solche Gesetze ohne explizite Zustimmung des Volkes zu andern, indem sie wie «gewôhnliche» Gesetze lediglich dem fakultativen Referendum unterstellt werden. Seit Beginn der 70er Jahre wurden solche Klauseln zur Regel. Da sie regelmassig Bedingungen enthalten, die den Handlungsspielraum des Parlaments einengen, sind sie keine Blankovollmacht.

In formeller Hinsicht verlangen die Initianten für solche Gesetzesrevisionen

162 Siehe auch Art. 18 § 3 Cal. Cst.: «The electors may amend the Constitution by initiative».

Kursiv angefügt. Die Problematik der Unterscheidung zwischen Teilrevision (amendment) und Totalrevision (revision) wird in.fi'a 3. Teil, I. 4. untersucht.

163 Vgl. Art. 4 § 10 a Cal. Cst.: «Each bill passed by the Legislature shall be presented to the Governor. It becomes a statute if it is signed by the Governor. The Governor may veto it by retuming it with any objections to the house of origin, which shall enter the objections in the journal and proceed to reconsider it. If each house then passes the bill by rollcall vote entered in the journal, two thirds of the membership concmTing, it becomes a statute». Kursiv ange-fügt. Gegenüber Verfassungsanderungen, die vom Parlament vorgeschlagen werden, gebietet der Gouverneur ebenfalls über kein Vetorecht, da <las Parlament Verfassungsrevisionen gemass Art. 18 § 1 Cal. Cst. ohnehin nur mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Hausern verabschie-den kann.

Ausser North Carolina kennen aile amerikanischen Gliedstaaten <las Vetorecht des Gouver-neurs gegenüber Gesetzen des Parlamentes. Vgl. STELZENMÜLLER, 154.

164 Att. 2 § JO c Cal. Cst.: «[The Legislature] may amend or repeal an initiative statute by another statute that becomes effective only when approved by the electors unless the initiative statute permits amendment or repeal without their approval».

Grundlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

gewôhnlich qualifizierte Mehrheiten von zwei Dritteln der Abgeordneten. In matelieller Hinsicht muss die Ândernng der ursprünglichen Zielsetzung des Begehrens entsprechen165

c. Unterschriften und Fristen

Für das Zustandekommen einer Volksinitiative beHiuft sich die Frist für die Unterschriftensammlung bei Verfassungs- und Gesetzesinitiativen gemiiss

§ 336 Elections Code auf 150 Tage. Ursprünglich kannte Kalifomien keine zeitliche Begrenzung. Eine erste Gesetzesiindernng im Jahre 1943 schrieb eine Frist von zwei Jahren vor. lm Jahre 1973 wurde sie auf die heute gel-tenden 150 Tage verkürzt166

Nur geringfügige Ândernngen wurden vorgenommen, um die notwendi-ge Anzahl Unterschriften zu renotwendi-geln. Bei Verfassungsinitiativen beliiuft sie sich seit dem Jahre 1911 auf acht Prozent der Stimmen, die bei der letzten Wahl für den Gouverneur abgegeben wurden167Für Gesetzesinitiativen war die Unterschriftenhürde bis zum Jahre 1966 dieselbe, worauf sie auffiinf Pro-zent herabgesetzt wurde168Mit dieser Regelung wollte man den Zugang zur Gesetzesinitiative erleichtern, wodurch die Verfassung bestiindiger gemacht werden sollte. Dies ist im übrigen in bezug auf das Verfahren der einzige Unterschied zwischen Verfassungs- und Gesetzesinitiativen, da die Zeitspanne für die Unterschriftensammlung gleich ist und für die Annahme von Volks-initiativen auf der jeweiligen Rechtsetzungsstufe die Mehrheit der Stimmenden genügt, die an der Abstimmung teilgenommen haben.

165 Vgl. CAL. CoMM'N, 94 f. Die an den Primarwahlen vom 7. Marz 2000 verworfene Proposition 23 wollte den Stimmbürgem die Moglichkeit geben, keinen der auf den Listen aufgefüluien Kandidaten zu wahlen. Sie enthielt folgende Bestimmung:

«SEC. 24. No provision of this act may be amended by the Legislature except to fi1rther the purposes of that provision by a statute passed in each house by roll cal! vote entered in the journal, two-thirds of the membership co11curri11g, or by a statute that becomes effective only when approved by the electorate. No amendment by the Legislature shall be deemed to fur-ther the purposes of this act unless it furfur-thers the purpose of the specified provision of this act being amended». Kursiv angefügt.

166 CAL. CoMM'N, 47 f. Eine K.lage gegen die Einführung der 150-Tage-Frist wurde vom kalifor-nischen Supreme Court im Jahre 1976 abgewiesen. Ali. 2 § 10 e Cal. Cst. (damais M. 4 § 24 e Cal. Cst.) gestehe <lem Parlament die Befugnis zu, die Bedingungen an das Zustandekom-men einer Volksinitiative festzulegen; vgl. Hardie v. Eu, 18 Cal. 3d 371, 379 (1976).

167 Art. 2 § 8 b Cal. Cst.

168 Idem.

Grundlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

Die Regelung, die Unterschriftenhürde nach den Prozentzahlen der letz-ten Gouvemeurswahlen zu bestimmen, birgt für Kalifornien als traditionel-les Einwanderungsgebiet169, zwei Vorteile. Der erste besteht darin, dass die Unterschriftenhürde sich an der politisch aktiven Bevülkerung misst. Nicht allein die demographische Entwicklung des Staates ist ausschlaggebend, sondern die Personenzahl, die an der letzten Gouverneurswahl teilnahm.

Zweitens kônnen durch diese flexible Bestimmung immer wiederkehrende Verfassungsanderungen vermieden werden. Ais sie im Jahre 1914 eingeführt wurde, galt es, die Zustimmung von ca. 30'000 Stimmbürgern zu erhalten170, also eines Bruchteiles der heutigen Anzahl, die sich für Verfassungsinitiativen bis zum Jahre 2002 auf 670'816, für Gesetzesinitiativen auf 419'260 Unter-schriften belauft171Waren die Unterschriften in einer festen Zahl geregelt, hatte die Verfassung dauernd geandert werden müssen. Andernfalls kônnten die Begehren keinen Rückhalt in der Bevôlkerung nachweisen. Auch einer Überforderung der Stimmbürger durch zu viele Abstimmungsvorlagen kann so vorgebeugt werden. Mit den Worten von Lowenstein & Stern: «Plainly, the state cannot make the ballot available to every proposai. The number of proposals on the ballot must be kept to a small number so that citizens, who are not legislative specialists and most ofwhose time perforce must be devoted to private concerns, can sufficiently inform themselves»172.

d. Der Verzicht auf die indirekte Initiative

Die einzige nennenswerte Ânderung des kalifomischen Instrumentariums direkter Demokratie erfolgte im Jahre 1966, als die indirekte Initiative ab-geschafft wurde. Eine solche Initiative wurde vorab dem Parlament vorge-legt, das sie innerhalb von vierzig Tagen verwerfen oder unverandert anneh-men konnte. Bei Zustimmung trat das Begehren unverzüglich in Kraft. Bei Ablehnung wurde es der nachsten, gesetzlich anberaumten Abstimmung unterbreitet173. Das langwierige Verfahren erklart, weshalb in Kalifomien lediglich neunzehn indirekte Initiativen lanciert wurden, da es mindestens

169 Allein im Jahre 1943 striimten 664'000 Einwanderer nach Kalifomien. In «gewiihnlichem> Jahren sind es ca. 500'000 Personen. V gl. ScHRAG, 31. Zwischen 1990 und 2000 wuchs die Beviilke-rung Kalifomiens um 13.6 Prozent auf33'871'648 an; vgl. http://www.census.gov/

l70 BRIFFAULT, 135 J.

171 http://www.ss.ca.gov/elections/init_guide.htm; bei den Gouvemeurswahlen im November 1998 gaben 8'385'200 Kalifomier ihre Stimme ab.

172 LOWENSTEIN & STERN, 20 J.

173 SECRETARY OF STATE, Your Guide Io Direct Democracy, 3; CAL. COMM'N, 47.

Grundlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

zweieinhalb Jahre daue1te, bis ein solches Begehren der Abstimmung unter-breitet wurde174. Die Abschaffung dieser Initiativform stellte deshalb keinen tiefgreifenden Einschnitt in das Instrumentarium der kalifomischen Volks-rechte dar.