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Die Volksinitiative auf Bundesebene

II. Die rechtliche Ausgestaltung

2. Die Volksinitiative auf Bundesebene

Auf Bundesebene konnen Volksinitiativen entweder eine Totalrevision (seit 1848) oder eine Teilrevision (seit 1891) der Verfassung verlangen. Verfas-sungsanderungen benütigen gemass Art. 140 Abs. 1 Bst. a und Art. 195 BV die Mehrheit des Volkes und die Mehrheit der Kantone175

a. Die Volksinitiative auf Totalrevision der Verfassung

Laut Art. 138 Abs. 1 BV haben 100'000 Stimmberechtigte das Recht, eine Volksinitiative auf Totalrevision der Bundesverfassung einzureichen176Die Tragweite dieser Bestimmung ist verhültnismassig eng. Eine Volksinitiative kann lediglich verlangen, dass eine Abstimmung über den Grundsatz einer Totalrevision durchgeführt wird, denn die lnitianten verfügen nicht über das Recht, Richtlinien in ihr Begehren einzuflechten. Sie konnen einzig bean-tragen, dass <lem Volk die Frage unterbreitet wird, ob eine neue Verfassung ausgearbeitet werden soll177. Enthült hingegen eine Volksinitiative

aufTotal-174 Nur vier kamen zustande und eine einzige wurde vom Parlament angenommen.

Bis zum Jahre 1966 beriet das kalifomische Parlament nur in ungeraden Jahren über indirek-te Initiativen. Damit es sich damit befassindirek-te, mussindirek-te somit die Unindirek-terschrifindirek-tensammlung min-destens ein halbes Jahr vor dem 1. Januar eines ungeraden Jahres begonnen werden, damit es noch rechtzeitig vom SecretaJ)' of State überprüft werden konnte. Die Abstimmung wurde dann erst im darauffolgenden, geraden Jahr durchgeführt; vgl. CAL. COMM'N, 93.

175 Ali. 142 Abs. 3 BV prazisiert, dass das Ergebnis der Volksabstimmung im Kanton ais dessen Standesstimme gilt. Laut Art. 142 Abs. 4 BV verfügen die Kantone Obwalden, Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden nur über eine halbe Standesstimme.

176 V gl. auch Ati. 193 Abs. 1 BV: «Eine Totalrevision der Bundesverfassung kann vom VO!k oder von einem der beiden Rate vorgeschlagen oder von der Bundesversammlung beschlossen wer-dem>. Kursiv angefügt.

177 GRISEL, Initiative et Référendum, 178; W1LDHABER, Kommentar ad Art. 1191120 BV, Nr. 9; FLEINER

& GIACOMETTI, 708 f.

Gemiiss Art. 25 Abs. 1 GVG darf die Bundesversammlung bei einer Volksinitiative auf Total-revision der Verfassung keine Abstimmungsempfehlung verabschieden. Folgerichtig dürfte auch der Bundesrat keine Abstimmungserlauterungen und -empfehlung im Sinne von Art. 11 Abs.

2 BPR veriiffentlichen; vgl. HANGARTNER & KLEY, 326, die im übrigen kritisch sind gegen-über dieser Regelung.

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revision sachliche Forderungen, so muss sie als Teilrevision behandelt wer-den. Sie müsste in diesem Fall insbesondere den Grundsatz der Einheit der Materie respektieren178.

Die Unterscheidung zwischen Volksinitiativen auf Total- und auf Teil-revision der Verfassung hat Auswirkungen auf das Ve1fahren. Gemass Art.

138 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 140 Abs. 2 BV entscheidet das Volk in einem ersten Schritt über die Grundsatzfrage, ob eine Totalrevision ausgear-beitet werden soll. Die Stimmen der Stande werden dabei nicht berücksich-tigt. Wird die Grundsatzabstimmung verworfen, so ist das Verfahren beendet179. Bei Zustimmung werden hingegen laut Art. 193 Abs. 3 und 175 Abs. 2 BV Parlament und Bundesrat aufgelôst und Neuwahlen abgehalten.

Die Ausarbeitung der neuen Verfassung wird, wie in den Kantonen wahrend der Regenerationszeit, in die Hande des neu gewahlten Parlaments gelegt.

Die Bundesversammlung handelt im übrigen in diesem Palle nicht nur als Ve1fassungsrat, sondern nimmt gleichzeitig die üblichen Aufgaben des Par-laments wahr180

Erzielen die Rate keine Einigung, so bleibt die bestehende Verfassung in Kraft, obwohl das Volk sich vorgangig für die Ausarbeitung einer neuen Verfassungsurkunde entschieden hat. Einigen sich die beiden Rate hingegen auf einen Verfassungsentwurf, wird dieser im Sinne von Art. 140 Abs. 1 Bst.

a BV und Art. 195 BV Volk und Standen zur Abstimmung unterbreitet.

b. Die Volksi11itiative au/ Teilrevision der Ve1fassung

Die Volksinitiative auf Teilrevision der Verfassung kann laut Art. 139 Abs. 2 BV die Form einer allgemeinen Anregung oder eines ausgearbeiteten Ent-wwfes haben.

Die allgemeine Anregung verlangt eine Verfassungsanderung im Sinne der Initianten, wobei lediglich die Richtung der angestrebten Revision vorgege-ben ist. Sie wird gemass Art. 139 Abs. 4 BV zuerst der Bundesversamm-lung unterbreitet. Ist diese mit dem Anliegen einverstanden, so arbeitet sie eine entsprechende Teilrevision aus, über die danach im Sinne von Art. 140 Abs. 1 Bst. a BV Volk und Stande entscheiden181Lehnt die

Bundesversamm-178 ÜRJSEL, Initiative et Référendum, 179; vgl. inji-a 3. Teil, II. 5.

179 Eine von den Frontisten und Jungkonservativen in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhun-derts lancie1te Volksinitiative ist bis heute der einzige Anwendungsfall von Art. 138 BV (Art.

120 BV 1874). Sie wurde am 8. September 1935 mit 72.3 Prozent Nein-Stimmen klar ver-worfen; vgl. BBI 1935 II 446.

180 WILDHABER, Kommentar ad Art. 1191120 BV, Nr. 12 f.

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lung hingegen <las Begehren ab, spricht sich das Volk in einer Grundsatzab-stimmung über die Fortsetzung des Verfahrens aus, iihnlich wie bei einer Totalrevision182. Bei einer Ablehnung bleibt der Status Quo in Kraft. Bei Annahme hat das Parlament die Pflicht, die Verfassungsiinderung im Sinne der Initianten an die Rand zu nehmen183. Die Ausarbeitung der allgemeinen Anregung ist somit Aufgabe des Parlaments, sei es aufgrund seiner eigenen Entscheidung, <lem Begehren zuzustimmen, oder wegen der erfolgreichen Grundsatzabstimmung. Die allgemeine Anregung erfordert demnach die Zusammenarbeit des Parlaments. Damit verknüpft diese Initiativform in stiir-kerem Ausmass ais eine Volksinitiative in Form eines ausgearbeiteten Ent-wurfes ein direktdemokratisches mit einem repriisentativen Element.

Seit <lem Jahre 1891 wurden kaum allgemeine Anregungen eingereicht.

Auf eine Gesamtzahl von elf mündeten vier in eine Grundsatzabstimmung184,

die alle vom Volk verworfen wurden185Die seltene Nutzung dieser Initiativ-form erkliirt sich damit, dass sie für die Initianten unsicher und unberechen-bar ist. Sie ist unsicher, weil sie auf die Zustimmung der Bundesversamm-lung oder im Rahmen der Grundsatzabstimmung auf die Annahme durch das Volk angewiesen ist, bevor allenfalls Volk und Stande über die eigentliche Verfassungsiinderung entscheiden. Sie ist unberechenbar, weil nicht die Initianten, sondem die Parlamentarier die Bestimmung ausarbeiten. Dadurch riskieren sie, dass ihr Begehren verwassert oder nicht sinngetreu übemom-men wird, oder dass die Rate keine Einigung erzielen. Ausserdem dauert das Verfahren langer, was ihnen zum Nachteil gereichen kann.

181 Erzielen die beiden Rate keine Einigung innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist, so ordnet der Bundesrat gemiiss Art. 26 Abs. 5 OVO die Volksabstimmung an.

182 Die Stimmen der Stiinde werden gemiiss Art. 140 Abs. 2 Bst. b in Verbindung mit Art. 142 Abs. 1 BV nicht berücksichtigt.

183 Vennogen die Riite si ch nicht auf einen übereinstimmenden Erlass zu einigen, so ist das Ver-fahren beendet. Dadas Parlament gemiiss Art. 139 Abs. 4 BV gehalten ist, nach erfolgreicher Orundsatzabstimmung eine entsprechende Verfassungsiinderung auszuarbeiten, begeht es bei Nicht-Einigung der beiden Rate eine Verfassungsverletzung, die jedoch keine Sanktion nach sich zieht; vgl. auch HANGARTNER & KLEY, 358.

184 Die übrigen wurden zurückgezogen oder klassiert. Einzig die Volksinitiative <Schaffung ei-nes Zivildienstes> wurde vom Parlament angenommen und konkretisie1i. Sie wurde am 4. De-zember 1977 von Volk und Stiinden verworfen; BBI 1978 I 323; OruSEL, Initiative et Référendum, 203 ff.

185 1. Eidgenossische Volksinitiative <zur Neuordnung des Alkoholwesens> vom 9. Miirz 1941;

59.8 Prozent Nein-Stimmen; vgl. BBl 1941 241.

2. Eidgenossische Volksinitiative <zur Heranziehung der offentlichen Untemehmen zu einem Beitrag an die Kosten der Landesve1ieidigung> vom 8. Juli 1951; 67.4 Prozent Nein-Stim-men; vgl. BBI 1951 II 578.

Grundlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

Wesentlich haufiger werden Volksinitiativen in Form eines ausgearbeite-ten Entwwfe eingereicht186, weshalb in der Folge fast ausschliesslich von dieser Initiativform die Rede sein wird. Sie erlaubt es den Initianten, eine Abstim-mung über den Erlass, die Aufhebung oder die Ânderung bestimmter Artikel der Verfassung auszulosen (Art. 139 Abs. 5 BV). Solche Volksinitiativen müssen deshalb von den Initianten in einer Weise fmmuliert sein, dass sie unmittelbar in die Verfassung aufgenommen werden konnen.

Das Verfahren ist einfacher gestaltet als bei der allgemeinen Anregung, da keine Grundsatzabstimmung durchgeführt wird und das Parlament das Begehren Volk und Standen unveriindert unterbreiten muss. Die Initianten sind befugt, den Text, der in die Verfassung aufgenommen werden soll, se/-ber zu formulieren. lm Unterschied zur allgemeinen Anregung verfügt die Bundesversammlung gemass Art. 139 Abs. 5 und 6 BV aber über das Recht, dem ausgearbeiteten Entwurf einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen187.

c. Unterschriften und Fristen

Die formellen Bedingungen des Zustandekommens von Volksinitiativen auf Total- sowie für die beiden Arten von Teilrevisionen sind identisch. Den Initianten stehen achtzehn Monate zur Verfügung, um 100'000 Unterschrif-ten zu sammeln.

Bis zum Jahre 1977 hatte für das Zustandekommen einer Volksinitiative die Zustimmung von 50'000 Stimmbürgem gereicht, was im Jahre 1891 7.6 Prozent der Stimmberechtigten entsprochen hatte188. Im Jahre 1975 war die-ser Prozentsatz wegen des Bevôlkerungswachstums, aufgrund des Wegfallens verschiedener Stimmrechtsausschliessungsgründe und des am 7. Februar 1971 eingefüluien Frauenstimmrechts189 auf 1.35 Prozent gesunken190Durch die Verdoppelung der Unterschriftenzahl auf 100'000 wollten die Behôrden

die-3. Eidgeniissische Volksinitiative <zur Bekiimpfung des Alkoholismus> vom 16. Oktober 1966;

76.6 Prozent Nein-Stimmen; vgl. BBI 1966 II 636.

4. Eidgeniissische Volksinitiative dur eine Refmm des Steue1wesens (Gerechtere Besteuerung und Abschaffung der Steuerprivilegien)> vom 21. Miirz 1976; 57.8 Prozent Nein-Stimmen;

vgl. BBI 1976 II 663.

186 Vgl. infi'a !. Teil, III. 2. sowie Anhang, Tabelle 5: «Anzahl Volksinitiativen in der Schweiz seit 1891» für Zahlenangaben zu Volksinitiativen im Bund.

187 Vgl. infra 2. Teil~ II. 5.

188 Aufein Total von 657'779 Stimmberechtigten; vgl. BBI 1891I1009.

189 BBI 1971 I 485.

190 Bei der Abstimmung vom 2. Miirz 1975 waren rund 3'7 l 7'000 Personen stimmberechtigt; vgl.

BBI 1975 I 1585.

Grnndlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

sen gei:inderten Verhi:iltnissen Rechnung tragen. Der Bundesrat hielt in sner Botschaft fest, dass damit eine Zunahme von Volksbegehren, die zu ei-ner «Überstrapaziemng» der politischen Behürden wie auch der Stimmbür-ger führe, vermieden werden këmne191In der Abstimmung vom 25. September 1977 billigten Volk und Sti:inde diese Verfassungsi:indemng192

Eine weitere Erschwemng des Zustandekommens von Volksinitiativen trat schon kurze Zeit danach in Kraft. Ursprünglich war <las Sammeln von Un-terschtiften keiner Frist unterworfen. Die Initianten verfügten über unbe-schri:inkte Zeit, ihr Begehren zirkulieren zu lassen193Seit dem Jaht·e 1978 schreibt Art. 71 BPR eine Hochstdauer von 18 Monaten nach Veroffentli-chung des Initiativtextes im Bundesblatt vor194Werden die notwendigen Unterschriften nicht innerhalb dieser Zeit bei der Bundeskanzlei eingereicht, so ist die Volksinitiative gescheitert. Dadurch wird vermieden, dass die Stimm-bürger wi:ihrend unabsehbarer Dauer an ihre Unterschrift gebunden sind. Femer sollte das Begehren von der erforderlichen Anzahl Stimmbürger mehr oder weniger gleichzeitig gestellt werden. Schliesslich sollte mit der Einführung einer Zeitspanne den Behürden die Moglichkeit gegeben werden, den Über-blick über die eingereichten Begehren zu behalten, damit eine vemünftige behürdliche Vorausplanung moglich ist195

d. Das F eh/en der Gesetzesinitiative au/ Bundesebene

Neben diesen Erschwemngen erfolgten seit dem Jahre 1891 verschiedene Vorstosse für eine Erweiterung des Initiativrechts. Wie dargelegt kennt die Schweiz auf Bundesebene einzig die Ve1fassungsinitiative. Verschiedentlich

191 BBI 1975 II 137 ff. Der Bundesrat war ausserdem der Ansicht, dass sich eine Erhôhung der Unterschriftenzahl aufdriinge, weil organisierte Gruppen mit Hilfe von neuen Konununika-tions- und Transportmitteln wirkungsvoller Unterschriften sammeln kônnten und femer, weil dies durch die verstiirkte Konzentration der Bevôlkerung in stiidtischen Ballungszentren erleiche1t werde.

In seiner Botschaft hinsichtlich der Reform der Volksrechte von 1997 nahm der Bundesrat für die Erhôhung der Unterschiiften auf 150'000 die gleichenArgumente wieder aufwie anlasslich der Verdoppelung von 1977; vgl. BBl 1997 I 436 ff.

192 Vgl. BBI 1977 III 842; die Bestimmung trat am 26. Dezember 1977 in Kraft.

193 Art. 5 Abs. 2 des Initiativgesetzes vom 27. Januar 1892 sah jedoch eine indirekte Frist vor, indem die Unterschriften, die sechs Monate vor der Einreichung des Begehrens bei der Bun-deskanzlei eingetroffen waren, nicht berücksichtigt wurden. Vgl. AUBERT, Evolution, 4 f.

194 Das Bundesgesetz über die politischen Rechte (BPR) wurde am 4. Dezember 1977 in der Volks-abstimmung angenommen; BBI 1978 I 325. Es trat am 1. Juli 1978 in Kraft.

195 HANGARTNER & KLEY, 348; AMSTAD, 108.

Grnndlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

wurden Versuche unternommen, auch die Gesetzesstufe für Volksinitiativen zu offnen, allerdings ohne Erfolg. An Vorstossen - angefangen mit dem ve1worfenen Totalrevisionsentwurf im Jahre 1872 bis zum einstweilen zu-rückgewiesenen Reformpaket Volksrechte im Jahre 1997 - herrschte kein Mangel, wobei die ganze Bandbreite von Varianten besprochen und wieder ve1worfen wurde: Sollte die Gesetzesinitiative als ausgearbeiteter Entwurf, nur als allgemeine Anregung oder als Einheitsinitiative196 eingeführt werden?

Sollten auch die Kantone das Recht zur Auslosung haben? Sollte für die Annahme nur das Volksmehr oder zusatzlich auch das Standemehr erforder-lich sein197? Einzig die von der sozialdemokratischen Partei der Schweiz eingereichte Volksinitiative <für die Einführung der Gesetzesinitiative im Bund>

führte zu einer Volksabstimmung über dieses Thema. Sie wurde jedoch am 22. Oktober 1961 von Volk und Standen abgelehnt198, so dass die Schweiz auf Bundesebene heute ausschliesslich die Verfassungsinitiative kennt.

3. Die Volksinitiative in den Kantonen

Trotz weitgehender Verfassungsautonomie steht es nicht im freien Ermes-sen der Kantone, welche direktdemokratischen Rechte sie gewahrleisten. Die Regelungen bezüglich deren Ausgestaltung und der Bedingungen für ihr Zustandekommen sind den Kantonen hingegen weitgehend freigestellt199

196 Bei einer Einheitsinitiative bestimmen nicht die Initianten, sondem die Behürden die Recht-setzungsstufe des Begehrens. In ihrer Wahl sind diese jedoch gegebenenfalls nicht viillig frei, weil der Inhalt des Begehrens seine Verankernng auf Gesetzes- oder Verfassungsebene unter Umstiinden vorzeichnet. Beispielsweise kiinnte eine Einheitsinitiative, welche die Volkswahl des Bundesrates verlangt, nur aufVerfassungsstufe umgesetzt werden, weil dafür Art. 175 BV geiindert werden müsste.

197 Vgl. WERTENSCHLAG, Strukturen, 80 ff., für einen weiterreichenden Überblick über die verschie-denen Vorschliige. Ebenso CAVIEZEL, 33 f.

198 Sie erhielt lediglich 29.4 Prozent Ja-Stimmen und keine einzige Standesstimme; BBl 1961 I 1172.

199 A1i. 51 Abs. 1 BV bestimmt zwar, dass die Kantonsverfassungen revidiert werden kiinnen, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Rein nach dem W01ilaut kiinnten die Kantone festlegen, dass für das Zustandekommen einer Volksinitiative die Unterschriften von mehr ais fünfzig Prozent der Stimmberechtigten verlangt wiiren. Diese Auslegung von Art.

51 Abs. 1 BV ist jedoch abwegig. ÎSCHANNEN, Stimmrecht, 42, meint dazu zu Recht: «Eine solche Hürde aber machte das Initiativrecht selbst zunichte und liesse die Volksabstimmung über das eingereichte Begehren zur Farce verkommen; sie karm nicht im Sinne der Vorschrift liegem>.

Grundlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

a. Die Volksinitiative auf Verfass1mgsstufe

Alle Kantone gewahrleisten die Ve1fassungsinitiative200, wozu sie seit <lem Jahre 1848 von Bundesrechts wegen verpflichtet sind201Die Bundesverfassung prazisiert nicht, ob die Kantone lediglich die Volksinitiative aufTotalrevision oder auch auf Teilrevision der Verfassung garantieren müssen. Ursprünglich herrschte die Meinung vor, dass die Bestimmung sich einzig auf die Total-revision bezieht202. Die neuere Lehre vertritt nun mehrheitlich die Ansicht, dass sich <las kantonale Initiativrecht auch aufTeilrevisionen der Verfassung erstrecken muss203. Die Diskussion entbehrt der Aktualitat, da heute aile Kantonsverfassungen die Volksinitiative aufTotal- und aufTeilrevision kennen.

Die meisten Kantone kennen die Volksinitiative auf Totalrevision wie auf Bundesebene nur in der Form der allgemeinen Anregung, die in eine Gmndsatzabstimmung über die Frage der Opportunitat mündet2°4Einzig im Kanton Genf haben die Initianten darüber hinaus das Recht, ein Begehren auf Totalrevision der Verfassung als ausgearbeiteter Entwurf zu stellen205.

Ebenfalls wie auf Bundesebene kann in fast allen Kantonen die Volks-initiative auf Teilrevision der Verfassung sowohl als allgemeine Anregung wie auch als ausgearbeiteter Entwurf eingereicht werden. Die einzigen Aus-nahmen bilden die Kantone Schwyz und Jura. Schwyz lasst nur die Form

200 Vgl. Anhang, Tabelle 4: «Das Initiativrecht in den Kantonen».

201 Art. 51 Abs. 1 BV: «Jeder Kanton gibt sich eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden kiinnen, wenn die Mehrheit der Stimm-berechtigten es verlangt».

Wegen Verletzung dieser Bestimmung wurde der Verfassung des Kantons Graubünden von 1852 die Gewahrleistung durch die Bundesversammlung verweigert, weil ihr Art. 34 vorsah, dass es im freien Ermessen des Grossen Rates sei, einen an ihn gelangten Antrag über die Revision der Verfassung auf die Gemeinden auszuschreiben oder nicht. Darüber hinaus war es unzulassig, dass gemeindeweise abgestimmt werden sollte; vgl. BURCKHARDT, 1914, 103.

202 BURCKHARDT, 1914, 103; fLE!NER F., 58.

203 TsCHANNEN, Stimmrecht, 41; HAFELIN & HALLER, 291; AUER, Droits politiques, 47; AUBERT, Traité, Nr. 572; bereits FLEINER & GIACOMETTI, 58 f. Anderer Ansicht, gestiitzt auf eine historische Auslegung, MARTENET, 214 f. sowie GruSEL, Initiative et Référendum, 36, SALADIN, Kommen-tar ad Art. 6 BV, Nr. 69 sowie GIACOMETTI, 27.

204 Vgl. für eine ausführliche Besprechung der Volksinitiative in den Kantonen HANGARTNER &

KLEY, 793 ff. sowie TRECHSEL & SERDÜLT, 65 ff.

205 Art. 65 A KV-GE: «L'initiative peut proposer une révision totale ou partielle de la constitution rédigée de toutes pièces».

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, auch der Kanton Thurgau kenne die Volks-initiative in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes auf Totalrevision der Verfassung; vgl.

HANGARTNER & KLEY, 797, sowie TRECHSEL & SERDÜLT, 66 ff. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Die Verfassung hait dieses Volksrecht nicht ausdrücklich fest, was im Bereich

Grundlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

der allgemeinen Anregung zu206, wahrend der Kanton Jura einzig die Einheits-initiative kennt. Bei einer EinheitsEinheits-initiative steht es dem Parlament frei, die Rechtsetzungsstufe des Erlasses zu bestimmen. lm Kanton Jura kann sie nur ais allgemeine Anregung eingereicht werden207Diese lnitiativform wurde im übrigen von nicht weniger ais sechs Kantonen208 übemommen, wobei sie dort jeweils die «traditionellem> lnstrumentarien erganzt.

b. Die Volksinitiative au/ Gesetzesstufe

lm Unterschied zum lnitiativrecht aufBundesebene kennen alle Kantone die Gesetzesinitiative209, obwohl Bundesrecht sie ihnen nicht vorschreibt210Sie kann überall in die Fonn der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeite-ten Entwurfes gekleidet werden211. Bei Gesetzesinitiativen stellt sich die Frage,

der Regelung der Volksrechte der Fall sein müsste; vgl. HANGARTNER & KLEY, 135. Ausserdem ist gemiiss ÎRECHSEL & SERDÜLT, 351, der Grosse Rat Ausarbeitungsbehôrde von Totalrevisionen der kantonalen Verfassung. Ein ausgearbeiteter Entwurf darf aber definitionsgemiiss nicht veriindert werden. Ausserdem bestimmt Art. 63 des Gesetzes über das Stimm- und Wahlrecht vom 15. Miirz 1995 allgemein, dass Initiativen die Einheit der Materie wahren müssen, was bei einem ausgearbeiteten Totalrevisionsbegehren nicht môglich ist.

206 Art. 102 und 105 KV-SZ; Das Fehlen der ausfmmulierten Verfassungsinitiative wurde vom Bundesgericht in BOE 112 la 208, gestützt auf eine grammatikalische und historische Ausle-gung der Verfassung des Kantons Schwyz, ais verfassungskonform bestiitigt.

207 Art. 75 Abs. 1 KV-JU: «Deux mille électeurs ou huit communes peuvent demander en termes généraux l'adoption, la modification ou l'abrogation de dispositions constitutionnelles ou de lois». Kursiv angefügt. Vgl. auch KôLZ & PoLEDNA, 1 f.

Geht man von der Auslegung aus, die Kantone müssen Volksinitiativen auf Total- und Teil-revisionen der Verfassung zulassen, so ist die Rechtslage im Kanton Jura umstritten. Zwar kann das jurassische Stimmvolk gemiiss Art. 13 7 Abs. 1 KV-JU die Totalrevision verlangen.

Bezüglich der Teilrevision sieht die Verfassung jedoch ausschliesslich die Einheitsinitiative vor: «Le Parlement décide si les dispositions qu'il adopte ou modifie à la suite d'une initia-tive figureront dans la Constitution ou dans la loi». (Art. 76 Abs. 1 KV-JU). ÎSCHANNEN, Stimm-recht, 43, und AUER, Droits politiques, 49, bemerken richtigerweise, dass die Bundesversamm-lung dieser Bestimmung die Gewiihrleistung hiitte verweigern müssen. Das jurassische Parla-ment hat niimlich gegen den Willen der Initianten die Môglichkeit, eine Verfassungsinitiative auf Gesetzesstufe umzusetzen. Dadurch ist der «aktive Zugang» zur Verfassung in diesem Kanton nicht mehr gegeben.

208 Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Thurgau, Wallis, Genfund Bern; vgl. GrusEL, Niveau cantonal, 400; ÎRECHSEL & SERDÜLT, 73 ff.

209 Einen Sonderfall bildet der Kanton Jura, der einzig die Einheitsinitiative kennt.

210 Vgl. Anhang, Tabelle 4: «Das Initiativrecht in den Kantone1m.

211 Nur die Einheitsinitiative des Kantons Jura kann ausschliesslich die Fo1m der allgemeinen Anregung annehmen.

Grnndlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

ob sie zwingend der Volksabstimmung zu unterbreiten sind. Wie gesehen sind die Kantone durch Bundesrecht dazu verpflichtet, jede Veifassungsanderung dem Volk zur Entscheidung vorzulegen (Art. 51 Abs. 1 BV). Bei Gesetzes-initiativen muss nun unterschieden werden, ob das kantonale Recht Gesetze dem fakultativen oder dem obligatorischen Referendum unterstellt. Kennt es das obligatorische Gesetzesreferendum, so gelangt das volksinitiierte Gesetz naturgemass in jedem Fall an die Ume. Ebenso verhalt es sich bei fakulta-tiven Gesetzesreferenden, wenn das Parlament die Volksinitiative ablehnt.

In diesem Fall entscheidet das Volk (bei nicht formulierten Gesetzesinitiati-ven gegebenenfalls vorgangig in einer Grundsatzabstimmung). Ist das

In diesem Fall entscheidet das Volk (bei nicht formulierten Gesetzesinitiati-ven gegebenenfalls vorgangig in einer Grundsatzabstimmung). Ist das