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Ähnlich, aber anders : die Volksinitiative in Kalifornien und in der Schweiz

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Academic year: 2022

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Ähnlich, aber anders : die Volksinitiative in Kalifornien und in der Schweiz

VON ARX, Nicolas Christian

VON ARX, Nicolas Christian. Ähnlich, aber anders : die Volksinitiative in Kalifornien und in der Schweiz . Basel : Helbing & Lichtenhahn, 2002, 415 p.

Available at:

http://archive-ouverte.unige.ch/unige:138415

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ÂHNLICH, ABER ANDERS

Die Volksinitiative in Kalifornien und in der Schweiz

Nicolas von Arx

DÉMOCRATIE DIRECTE

Helbing & Lichtenhahn

(3)

El

COLLECTION GENEVOISE

Àhnlich, aber anders

Die Volksinitiative in Kalifornien und in der Schweiz

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COLLECTION GENEVOISE

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COLLECTION GENEVOISE

Nicolas von Arx

Âhnlich, aber anders

Die Volksinitiative in Kalifornien und in der Schweiz

Helbing & Lichtenhahn Genève · Bâle · Munich 2002

Faculté de Droit de Genève

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Die Deutsche Bibliothek - CIP Einheitsaufnahme

Arx, Nicolas von:

Âhnlich aber anders : Die Volksinitiative in Kalifornien und in der Schweiz / Nicolas von Arx. - Genève ; Bâle ; Munich : Helbing et Lichtenhahn, 2002

(Collection genevoise: Démocratie directe) Zugl.: Genève, Univ., Diss.

ISBN 3-7190-2096-7

Dissertation Ni: 737 der Juristischen Faku/tiit der Universitiit Genf

Dieses Werk ist weltweit urheberrechtlich geschützt. Das Recht, das Werk mittels irgendeines Mediums (technisch, elektronisch und/oder digital) zu übertragen, zu nutzen oder ab Datenbank sowie via Netzwerk zu kopieren und zu übertragen oder zu speichern (downloading), liegt ausschliesslich beim Verlag. Jede Verwertung in den genannten oder in anderen ais den ge- setzlichen zugelassenen Fallen bedarf deshalb der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags.

ISBN 3-7190-2096-7

© 2002 by Helbing & Lichtenhahn, Base!

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Für Kristina

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Dank

Eine Dissertation schreibt man zwar allein, aber ohne die vielseitige Unter- stützung von Freunden, Verwandten, Arbeitskollegen und Professoren ware die vorliegende Arbeit kaum zustande gekommen. Mein Dank gebührt da- bei in erster Linie meinem Doktorvater Prof. Andreas Auer von der juristi- schen Fakultat der Universitat Genf und Direktor des Forschungs- und Dokumentationszentrums direkte Demokratie ( c2d), der mir nicht nur die Rechtswissenschaften im allgemeinen, sondem vor allem das Verfassungs- recht und die politischen Rechte im besonderen schmackhaft machte. Damit nicht genug, lieh er mir auch immer ein Ohr, wenn ich mich in der Forschung zu verlieren drohte, wobei er mir stets ausgedehnte Freiheiten beliess, mei- ne Studien zu verfolgen. Zudem mochte ich mich herzlich bei meiner Jury bedanken, den Professoren Thierry Tanquerel, Alfred Külz und vor allem Michel Hottelier, mit dem ich besonders knifflige Probleme meiner Arbeit anhand ausgiebiger und wertvoller Gesprache vertiefen und verfeinem konnte.

lm gleichen Sinne waren die Diskussionen mit Herm Prof. Hanspeter Kriesi von grosster Hilfe.

Eine kostbare und unabdingbare Stütze waren sodann die Mitarbeiter des c2d sowie des Departements für Verfassungsrecht der Universitat Genf. Na- mentlich môchte ich meine Bürokollegen erwahnen, Frédéric Esposito und Sabine Haenni-Hildbrand, die mit viel Geduld meiner Forschung «beiwohn- tem>.

Besonders wichtig waren selbstversilindlich meine Eltem und meine Freun- de, die vielleicht im Hintergrund, aber dafür umso hilfreicher mitwirkten, dass ich diese Arbeit schreiben konnte. Am wertvollsten war dabei die Unterstüt- zung meines Bruders Marcel, der die Arbeit nicht nur sprachlich verfeiner- te, sondem auch von Anfang bis Ende mitverfolgte.

Mein innigster Dank gebüh1tjedoch Kristina Imbach, die mir stets liebe- voll zur Seite stand. Merci!

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(11)

Vorwort

Rechtsvergleichung ist kein leichtes Unterfangen. Institute und Begriffe, die sich in einer fremden Rechtsordnung herausgebildet und durchgesetzt haben, kônnen nur mit ahnlich konzipierten Regeln im eigenen Rechtssystem ver- glichen werden, wenn das jeweilige rechtliche Umfeld und der betreffende, vor allem historische Bezugsrahmen in den Vergleich einbezogen werden.

Dies aber führt fast zwangsweise zu mehr oder weniger langwierigen Ein- führungen und Wiederholungen, die den Blick auf das Trennende und das Verbindende erst ermôglichen, die aber die unangenehme Tendenz aufwei- sen, den Leser zwischen Langeweile, Miss- und Unverstandnis hin- und herzureissen, sodass er sich nur allzu oft - wer môchte es ihm ve1übeln ? einer anderen Lektüre oder Beschiiftigung zuwendet.

Diejenigen, die die vorliegende Dissertation in die Rand nehmen, wer- den sie wohl nicht so schnell wieder aus der Rand geben oder sich entreissen lassen. Nicolas von Arx ist es namlich gelungen, das Interesse seiner Leser sozusagen ,,im Anschleichen" zu wecken. Er beginnt seine Abhandlung über die Volksinitiative in Kalifomien und der Schweiz ziemlich unscheinbar mit einigen Definitionen, einem kurzen geschichtlichen Rückblick und eher ba- nal wirkenden, zweckorientierten Betrachtungen. Auf dieser Grundlage holt er aber gleich weiter aus und stellt gekonnt die sich in beiden Systemen aufeinanderfolgenden Verfahrensabliiufe gegenüber: Von der Ausarbeitung der Initiative, der Unterschriftensammlung, der Fristemegelung, dem Gegenvor- schlag, der Abstimmungskampagne und dem Einfluss der eingesetzten Geld- mittel bis hin zur entscheidenden Volksabstimmung. Hier werden Âhnlich- keiten und Unterschiede ersichtlich, das Momentum nimmt standig zu, alles wird verglichen, kommentiert und eingereiht. Der Autor versteht es, rechtli- che Argumente mit politologischen zu erharten oder zu relativieren. Als ei- gentlicher Hohepunkt erweist sich das Kapitel über die Verfassungs- gerichtsbarkeit: Eine brillante Darstellung und ein intelligenter Vergleich der Tradition und der Stellung des schweizerischen und des amerikanischen Verfassungsrichters und ihrer Eingriffe, bzw. Nichteingriffe in das Verfah- ren der direkten Demokratie.

So ergibt sich ein faszinierendes und ausserordentlich dynamisches Bild der schweizerischen und der kalifomischen Volksinitiative, die trotz ihrer Ver- wandtschaft so unterschiedlich konzipiert sind. Hier ein Mittel der Innova- tion und Bereicherung der politischen Agenda, dessen Erfolg sich nicht an

(12)

V01wort

der Zahl der angenommenen Vorstüsse ganze 13 in mehr als einem Jahr- hundert messen liisst, sondem weitgehend auf <lem verfahrensmassig ab- gesicherten Dialog zwischen Behorden und Initianten bernht und <las den Staat sozusagen organisch mit der Zivilgesellschaft und mit sich selbst zu verbin- den sucht. D01t ein Instrnment des Konfliktes und des Misstrauens, <las sei- nen Promotoren relativ oft zum Sieg verhilft, einen blühenden Wittschafts- zweig hervorgebracht hat (Initiative Indusfly), dabei aber die gewahlten Behéirden bewusst aus dem Spiel ausschliesst, den Bürger mit den sich oft widersprechenden Interessengrnppen alleine liisst und somit Staat und Ge- sellschaft mehr entzweit als verbindet.

Wie kommt es zum Beispiel, dass sich Volksinitiativen in Kalifomien re- lativ haufig mehr oder weniger unmittelbar gegen die Interessen strnkturel- ler Minderheiten richten und dass deshalb die direkte Demokratie ganz all- gemein auf das Misstrauen, ja gar auf die Ablehnung all jener stosst, denen Grnndrechtsschutz im modemen Verfassungsstaat ein unverzichtbares An- liegen ist? Wie kann man sich erklaren, dass dieser Widersprnch zwischen direkter Demokratie, Freiheitsrechten und Diskriminiernngsverbot in der Schweiz kaum zu existieren scheint und deshalb auch in der Lehre keine Beachtung findet? Nicolas von Arx versucht, diese Fragen differenziert mit Hinweis auf das unterschiedliche Zusammen- und Gegenspiel des Volkes mit den konstituierten Gewalten in Kalifomien und in der Schweiz, aber auch aufverschiedene richterliche Prüfungsmassstabe zum Beispiel verfassungs- massige Auslegung und strict scrutiny zu erkliiren. Gerade diese Frage- stellung illustriert bestens, dass zwei derselben Familie entsprnngene Vari- anten der direkten Demokratie eben ,,ahnlich, aber anders" funktionieren konnen.

In der Schweiz sind in neuester Zeit verschiedene Vorschliige eingereicht worden, die Volksinitiative im Bund der kalifomischen Direct Initiative an- zugleichen. lm Marz 2000 haben es Volk und Stande abgelehnt, die Frist von der Einreichung der Initiative bis zur Abstimmung auf maximal 12 Monate zu beschranken. lm Dezember desselben Jahres ist die sogenannte ,,Maulkorb- initiative", die diese Frist auf sechs Monate, unter Ausschluss der Behéirden, ansetzen wollte, ironischerweise an der Frist zur Einreichung der Unterschrif- ten gescheitert. Die ,,Amerikanisiernng" der schweizerischen Volksinitiative ist also vorderhand gescheite1t.

Hingegen scheint die ,,Verschweizernng" der kalifomischen Direct Initiative aktueller denn je zu sein. Ein im Januar 2002 veroffentlichter Bericht der kalifomischen Speakers Commission enthalt verschiedene Vorschliige, die in Richtung des helvetischen Vorgangers - der vielleicht wieder, wie vor rnnd

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Vo1wort

hundert Jahren, zum Vorbild werden konnte -weisen: Wiedereinführnng der indirekten Volksinitiative, Verbessernng der Information der Stimmbürger, verstarkte Transparenz bezüglich der Finanziernng. Dass die Schlussfolge- rnngen der Autoren sich weitgehend mit dem Ergebnis der vorliegenden Dissertation decken, ist wohl kein Zufall. Zu bedauern aber ist, dass der amerikanischen Lehre und Ôffentlichkeit der Zugriff auf die kritischen Über- legungen und ausgewogenen Schlussfolgernngen der vorliegenden Disser- tation aus sprachlichen G1ünden verwehrt bleibt.

Andreas Auer

(14)
(15)

Übersicht

EINLEITUNG 1

1. Direkte Demokratie und Volksinitiative 1

2. Warum Kalifornien und die Schweiz? 4

3. Vorgehen 7

1. TEIL: GRUNDLAGEN 11

1. Geschichtliche Entwicklung 12

1. Von den amerikanischen Ursprüngen zur Rezeption

in den Schweizer Kantonen 12

2. Der Ausbau der Volksrechte in der Schweiz

und im Westen der USA 19

3. Vergleich der Entwicklung der direkten Demokratie

in der Schweiz und in den USA 29

II. Die rechtliche Ausgestaltung 41

1. Die Volksinitiative in Kalifornien 41 2. Die Volksinitiative auf Bundesebene 45 3. Die Volksinitiative in den Kantonen 50 4. Vergleich der rechtlichen Ausgestaltung 55

III. Politologische Betrachtungen 61

1. Die Funktionen der Volksinitiative 61

2. Der unmittelbare Erfolg von Volksinitiativen 64 3. Die indirekten Wirkungen der Volksinitiative 67 2. TEIL: ÔFFNUNG UND REAKTIONEN

DES POLITISCHEN SYSTEMS 73

1. Kalifornien 74

1. Die Ausarbeitung der Volksinitiative 74

2. Die Unterschriftensammlung 77

3. Die Abstimmungsfristen 86

4. Reaktionen auf Initiativen 89

5. Die Abstimmungskampagne 97

(16)

Übersicht

II. Die Schweiz 121

1. Die Ausarbeitung der Volksinitiative 121

2. Die Unterschriftensammlung 123

3. Die Behandlung der Volksinitiative durch Bundesrat

und Parlament 130

4. Die Abstimmungsfristen 132

5. Der Gegenvorschlag 136

6. Die Abstimmungskampagne 144

III. Vergleich der Ôffnung und der Reaktionen

des politischen Systems 181

1. Die Ausarbeitung der Volksinitiative 181

2. Die Unterschriftensammlung 184

3. Die Behandlung der Volksinitiative durch die politischen

Behèirden 191

4. Die Abstimmungsfristen 192

5. Gegenvorschlag & Gegeninitiative 19 5

6. Die Abstimmungskampagne 202

3. TEIL: VOLKSINITIATIVE

UND VERFASSUNGSGERICHTSBARKEIT 221

1. Kalifomien 222

1. Die Verfassungsgerichtsbarkeit 222

2. Der Zeitpunkt der richterlichen Überpriifung 228

3. Die single-subject rule 237

4. Das Totalrevisionsverbot 250

5. Hôherrangiges Recht 257

6. Die Teilungültigkeit 271

II. Die Schweiz 276

1. Die Überpriifung der Gültigkeit von Volksinitiativen 276

2. Die Auslegungsgrundsiitze 280

3. Der Zeitpunkt der Kontrolle 282

4. Grundsatzliches zu den formellen Schranken:

die Abstimmungsfreiheit 287

5. Der Grundsatz der Einheit der Materie 289

6. Das Verbot von Mischformen 299

7. Die Durchführbarkeit 303

8. Die Übereinstimmung mit hôherrangigem Recht 305

9. Die Teilungültigkeit 321

(17)

Übersicht

III. Vergleich der Verfassungsgerichtsbarkeit 1. Wer überp1üft die Verfassungsmassigkeit

von Volksinitiativen?

2. Wie werden Volksinitiativen überprüft?

3. Wann werden Volksinitiativen überp1üft?

4. Die Einheit der Materie

5. Die weiteren formellen Schranken

6. Die Übereinstimmung mit hoherrangigem Recht 7. Die Teilungültigkeit

DIE VOLKSINITIATIVE BLEIBT ANHANG

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

BEISPIELE FÜR EINE VOLKSINITIATIVE KALIFORNIENS UND DER SCHWEIZ LITERATUR

Literatur USA Literatur Schweiz

AMERIKANISCHE GERICHTSENTSCHEIDE

325 325 332 339 342 347 350 353 355 361 377

379 393 393 401 413

(18)
(19)

Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG 1

1. Direkte Demokratie und Volksinitiative 1 2. Warnm Kalifornien und die Schweiz? 4

3. Vorgehen 7

1. TEIL: GRUNDLAGEN 11

I. Geschichtliche Entwicklung 12

1. Von den amerikanischen Ursprüngen zur Rezeption

in den Schweizer Kantonen 12

a. Der Grnndsatz der Volkssouveriinitat in Neuengland 12

b. Erste Verfassungsreferenden 13

c. Die helvetische Rezeption 16

2. Der Ausbau der Volksrechte in der Schweiz und im Westen

der USA 19

a. Bund und Kantone von 1848 bis 1891 19 b. Die Ausbreitung der direkten Demokratie im Westen

der USA 22

c. Die Einführnng von Initiative und Referendum

in Kalifornien 27

3. Vergleich der Entwicklung der direkten Demokratie

in der Schweiz und in den USA 29

a. Mittelbare und unmittelbare Einflüsse 29

b. Anstoss «von unten» 31

c. Ideologische Hintergründe 32

d. Die direktdemokratischen Rechte in der Schweizer Bundesverfassung und in der amerikanischen

Unionsverfassung 35

e. Die Verfassungsmassigkeit der Volksrechte 38

II. Die rechtliche Ausgestaltung 41

1. Die Volksinitiative in Kalifomien 41 a. Die Volksinitiative auf Verfassungsstufe 41 b. Die Volksinitiative auf Gesetzesstufe 42

c. Unterschriften und Fristen 43

d. Der Verzicht auf die indirekte Initiative 44

(20)

Inhaltsverzeichnis

2. Die Volksinitiative auf Bundesebene 45 a. Die Volksinitiative auf Totalrevision der Verfassung 45 b. Die Volksinitiative auf Teilrevision der Verfassung 46

c. Unterschriften und Fristen 48

d. Das Fehlen der Gesetzesinitiative auf Bundesebene 49 3. Die Volksinitiative in den Kantonen 50 a. Die Volksinitiative auf Verfassungsstufe 51 b. Die Volksinitiative auf Gesetzesstufe 52

c. Unterschriften und Fristen 53

d. Weitere Initiativfonnen 54

4. Vergleich der rechtlichen Ausgestaltung 55

III. Politologische Betrachtungen 61

1. Die Funktionen der Volksinitiative 61 2. Der unmittelbare Erfolg von Volksinitiativen 64

a. Bundesebene 64

b. In den Kantonen 65

c. Kalifomien 66

3. Die indirekten Wirkungen der Volksinitiative 67 2. TEIL: ÔFFNUNG UND REAKTIONEN

DES POLITISCHEN SYSTEMS 73

1. Kalifomien 74

1. Die Ausarbeitung der Volksinitiative 74

2. Die Unterschriftensammlung 77

a. Vorbemerkungen 77

b. Die Unterschriftensammlung als Teil

der Meinungsausserungsfreiheit 78

c. Die Initiative-Industiy 82

d. Staatliche Massnahmen zur Begrenzung der Ausgaben

für die Unterschriftensammlung 85

3. Die Abstimmungsfristen 86

4. Reaktionen auf Initiativen 89

a. Der parlamentarische Gegenvorschlag 89

b. Die Gegeninitiative 92

c. Die Annahme von zwei sich widersprechenden

Volksinitiativen 94

5. Die Abstimmungskampagne 97

a. Vorbemerkungen 97

(21)

Inhaltsverzeichnis

b. Die offiziellen Informationen 99

c. Die Bedeutung der Abstimmungserlauterungen 101 d. Die lnterventionen der Behôrden im Abstimmungskampf 103 e. Der Abstimmungskampf der privaten Interessengruppen 108

f. Spenden- und Ausgabenbegrenzungen 112

g. Offenlegungspflichten 117

II. Die Schweiz 121

1. Die Ausarbeitung der Volksinitiative 121

2. Die Unterschriftensammlung 123

a. Die Unterschriftensammlung als Teil des Stimmrechts 123 b. Die Vermarktung der Unterschriftensammlung 126 3. Die Behandlung der Volksinitiative durch Bundesrat

und Parlament 130

4. Die Abstimmungsfristen 132

a. Die rechtliche Ausgestaltung 132

b. Die Auswirkungen 134

5. Der Gegenvorschlag 136

a. Die rechtliche Ausgestaltung 136

b. Das Abstimmungsverfahren bei direkten

Gegenvorschlagen 13 8

c. Der Gegenvorschlag in der Praxis 141 d. Die Bedeutung des Gegenvorschlages 142

6. Die Abstimmungskampagne 144

a. Vorbemerkungen 144

b. Die vorbereitenden Informationen 146

c. Behordliche Interventionen im Abstimmungskampf 149 d. Rechtsschutz und Folgen einer unzulassigen

Beeinflussung der politischen Willensbildung 153

e. Der Abstimmungskampf Privater 156

f. Die Massenmedien 158

g. Sind Abstimmungsresultate kauflich? 166 h. Spenden- und Ausgabenbeschrankungen 169

i. Offenlegungspflichten 176

III. Vergleich der Ôffnung und der Reaktionen

des politischen Systems 181

1. Die Ausarbeitung der Volksinitiative 181

2. Die Unterschriftensammlung 184

a. Der verfassungsrechtliche Schutz 184

(22)

Inhaltsverzeichnis

b. Geld und die Unterschriftensammlung 186 3. Die Behandlung der Volksinitiative durch

die politischen Behürden 191

4. Die Abstimmungsfristen 192

5. Gegenvorschlag & Gegeninitiative 195

a. Der Gegenvorschlag 195

b. Die Gegeninitiative 199

6. Die Abstimmungskampagne 202

a. Allgemeines 202

b. Ballot pamphlet und Abstimmungserlauterungen 204 c. Behürdliche Interventionen im Abstimmungskampf 207 d. Der Grundsatz: Die Abstimmungskampagne Privater 212

e. Dollars und Franken 216

3. TEIL: VOLKSINITIATIVE

UND VERFASSUNGSGERICHTSBARKEIT 221

1. Kalifornien 222

1. Die Verfassungsgerichtsbarkeit 222

a. Vorbemerkungen 222

b. Die Auslegungsgrundsatze: richterliche Zurückhaltung 225 2. Der Zeitpunkt der richterlichen Überprüfung 228

a. Die postelection review über die materiellen

Gültigkeitsbedingungen 228

b. Die preelection review über die formellen

Gültigkeitsvoraussetzungen 230

c. Judicial review über den Grundsatz der Einheit

der Materie 233

3. Die single-subject rule 237

a. Die Grundproblematik 237

b. Der Sinn der single-subject rule 239

c. Die kalifornische Rechtsprechung zur single-subject rule 242 d. Kritik an der Anwendung der single-subject rule 246

e. Senate v. Jones 249

4. Das Totalrevisionsverbot 250

a. Die Unterscheidung zwischen Total- und Teilrevision 250 b. Quantitative und qualitative Prüfung 252 c. Die Unterscheidung zwischen der single-subject rule

und <lem Totalrevisionsverbot 257

(23)

Inhaltsverzeichnis

5. Hôherrangiges Recht 257

a. Grundsiitzliches 257

b. Minderheiten und Mehrheitsentscheid 259

c. Minderheiten und die Gerichte 261

d. Die Verletzung von Unionsrecht: Proposition 187 269

6. Die Teilungültigkeit 271

a. Die drei Kriterien der Teilungültigkeit 271 b. Die Teilungültigkeit aus Respekt vor den Volksrechten 273

II. Die Schweiz 276

1. Die Überprüfung der Gültigkeit von Volksinitiativen 276

a. Auf Bundesebene 276

b. In den Kantonen 277

2. Die Auslegungsgrundsiitze 280

3. Der Zeitpunkt der Kontrolle 282

4. Grundsiitzliches zu den formellen Schranken:

die Abstimmungsfreiheit 287

5. Der Grundsatz der Einheit der Materie 289 a. Der Sinn des Grundsatzes der Einheit der Materie 289

b. Die Praxis auf Bundesebene 291

c. Die Praxis des Bundesgerichts 295

6. Das Verbot von Mischformen 299

a. Der Grundsatz der Einheit der Fmm 299

b. Die Einheit der Nmmstufe 301

7. Die Durchführbarkeit 303

8. Die Übereinstimmung mit hôherrangigem Recht 305

a. Vorbemerkungen 305

b. Minderheiten und kantonale Volksinitiativen 308 c. Autonome Schranken auf Bundesebene 311 d. Die frühere Konzeption der heteronomen Schranken

auf Bundesebene 312

e. Die heutige Konzeption der heteronomen Schranken

auf Bundesebene 314

f. In Zukunft? 318

9. Die Teilungültigkeit 321

III. Vergleich der Verfassungsgerichtsbarkeit 325 1. Wer überp1üft die Verfassungsmiissigkeit

von Volksinitiativen? 325

2. Wie werden Volksinitiativen überprüft? 332

(24)

Inhaltsverzeichnis

3. Wann werden Volksinitiativen überp1üft? 339

4. Die Einheit der Materie 342

5. Die weiteren formellen Schranken 347

6. Die Übereinstimmung mit hoherrangigem Recht 350

7. Die Teilungültigkeit 353

DIE VOLKSINITIATIVE BLEIBT 355

ANHANG 361

Tabelle 1: Direkte Demokratie in den Gliedstaaten der USA 361 Tabelle 2: Die Volksrechte in der Schweiz auf Bundesebene 363 Tabelle 3: Die Volksrechte in Kalifornien 365 Tabelle 4: Das Initiativrecht in den Kantonen 367 Tabelle 5: Anzahl Volksinitiativen in der Schweiz von 1891-1999 369 Grafik 1: Die Anzahl Volksinitiativen auf Bundesebene

von 1891-1999 370

Tabelle 6: Volksinitiativen in Kalifornien von 1912-1999 371 Grafik 2: Volksinitiativen in Kalifornien zwischen 1912

und 1999 372

Tabelle 7: Anzahl kantonaler Volksinitiativen zwischen 1970

und 1999 373

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 377

BEISPIELE FÜR EINE VOLKSINITIATIVE

KALIFORNIENS UND DER SCHWEIZ 379

Eidgenossische Volksinitiative «Jugend ohne Drogem> 3 79 Volksinitiative Kaliforniens: Proposition 133 380

LITERATUR 393

Literatur USA 393

Literatur Schweiz 401

AMERIKANISCHE GERICHTSENTSCHEIDE 413

Gerichtsentscheide der Union 413

Kalifornische Gerichtsentscheide 414

(25)

Einleitung

1. Direkte Demokratie und Volksinitiative

Man sagt gewôhnlich, ein Volk habe die Regierung, die es verdient. Kennt ein politisches System direktdemokratische Rechte, so lebt das Volk zudem unter den Gesetzen, die es verdient. Dies trifft weltweit wohl nirgendwo so ausgepragt zu wie in der Schweiz und in Kalifornien. In der Tat verfügen die Stimmbürger dieses amerikanischen Gliedstaates, des Bundes und der Kantone über ausgedehnte staatliche Mitbestimmungsrechte und üben sie weltweit am haufigsten aus. Diese Rechte erlauben eine starke Annaherung an das Ideal der Volksherrschaft, die eine «Demokratie» kennzeichnet: «Die Demokratie ist eine unter mehreren môglichen Herrschaftsordnungen, eine Staatsform, die auf der Volkssouveranitat beruht und in welcher das Volk an der Ausübung staatlicher Gewalt beteiligt ist. Demolaatie als Volksherrschaft meint [ ... ] nicht <Selbstherrschafü des Volkes, sondern Rückführung aller staatlichen Macht und Gewalt auf das Volk und Ablehnung anderer selbst- verantwortlicher Autoritaten»1Dabei muss unterschieden werden zwischen reprasentativen und direkten Demokratien.

In einer reprasentativen Demokratie trifft das Volk durch Wahlen die Entscheidung, wer die Herrschaft im Staate ausübt; die gewahlten Vertreter regieren an seiner Stelle. Das Volk übt die Souveranitat indirekt aus.

In einer direkten Demokratie wird dem Volk zusiitzlich die Befugnis zu- gestanden, Sachentscheide zu treffen. Dadurch weiten sich die Mitbestim- mungsrechte der Stimmbürger betrachtlich aus. Aus dem «0rganschaffenden Organ»2 wird ein zusatzlicher Entscheidungstrager im Staate. In der rein- sten Form eines solchen Systems sind Regierende und Regierte deckungs- gleich. In der Praxis ist jedoch auch eine direkte Demokratie auf eine Volks- vertretung angewiesen, denn eine «reine Selbstherrschafu> des Volkes ist in modemen, ausgedehnten Staatswesen nicht praktikabel. Die vollstandige Identitiit von Regierenden und Regierten ist heute, wie früher, nicht mog- lich3. Auch die direkte Demokratie bedarf im politischen Alltag der drei

RH1Now, 145. Bei diesem Autor findet sich eine Übersicht über die verschiedenen Ansiitze,

«Demokratie» zu definieren, 137 ff.

2 STELZENMÜLLER, 30.

3 Auch in den Landsgemeinden in einigen Schweizer Kantonen oder in den allmiihlich selten gewordenen town meetings in gewissen Gemeinden der amerikanischen Ostküste kennt man

(26)

Einleitung

«klassischen Gewaltem> des Staates, d.h. des Parlaments, der Regiernng und der Gerichte. Sie ist eine Erganzung zur reprasentativen Demokratie, kein Ersatz. Zudem ist das reprasentative Element eng mit der direkten Demo- kratie ve1woben. Wahlkandidaten aussem sich beispielsweise haufig zu klar umrissenen Vorlagen, wodurch der Wahler bei der Entscheidung für eine Person gleichzeitig mittelbar über eine Sachfrage befindet. Umgekehrt ver- Iauft ein Abstimmungskampf oft sehr personenbezogen, weil gewahlte Behôrdenmitglieder sich gegebenenfalls stark für eine Vorlage einsetzen4Für die Definition direkter Demokratie ist aber das Kriterium entscheidend, ob das Volk, zusatzlich zu Wahlen, über Mitbestimmungsrechte im Hinblick auf staatliche Erlasse verfügt5. Heute nimmt das Volk die direktdemokratischen Rechte mittels Referendum und Initiative wahr.

Das Referendum gibt den Stimmbürgem die Befugnis, in einer Volksab- stimmung einen Erlass der Behôrden anzunehmen oder zu ve1werfen. Der Beschluss, in der Regel des Parlaments, ist damit nicht endgültig, sondem benotigt für sein Inkrafttreten die Zustimmung des Volkes6. Das Referendum ist obligatorisch, wenn die Vorlage ohne Zutun des Stimmvolkes, von Am- tes wegen, der Abstimmung unterbreitet wird. Erst durch die Annahme durch die Stimmbürger wird sie rechtskraftig. Das Referendum ist demgegenüber

repriisentative Organe für die Gesetzgebung. Selbst in bezug auf die antike Demokratie Athens kann man nicht von einer reinen «Selbstregierung des Volkes» sprechen, weil das Volk sich nur aus einer relativ kleinen Schicht der Einwohner zusammensetzte. Frauen, Sklaven und Zugewande1ie waren von den politischen Rechten ausgeschlossen.

Vgl. auch HANGARTNER & KLEY, 132: «Das Volk handelt selbstverstiindlich weder ais Einheit noch einheitlich. Wenn die moderne Demokratietheorie betont, dass die Vorstellungen von der Selbstregierung des Volkes und von der Identitiit von Regierenden und Regierten eine Fiktion seien, so rennt sie insofern offene Türen eim>. Ebenso TsCHANNEN,Maulkorbinitiative, 51.

Vgl. TRECHSEL & SERDÜLT, 6.

Daraus folgt, dass das Abberufungsrecht (recall) gemiiss der hier festgehaltenen Definition nicht zu den direktdemokratischen Rechten gehfüi, obwohl es in der amerikanischen Litera- tur mitunter dazu geziihlt wird; vgl. beispielsweise CRONIN THOMAS. Direct Democracy; The Poli tics of Initiative, Referendum, and Recall. In der Tat handelt es sich um einen politischen Entscheidungsprozess, bei dem eine Persan im Zentrum steht und nicht um einen Sachentscheid.

Im Gegensatz dazu wiire der recall ofjudicial decisions, den Colorado im Jahre 1913 einge- füh1i hatte, ein direktdemokratisches Recht. Bei diesem Volksrecht handelte es sich um «ei- nen kassatorischen Volksentscheid, der gegen ein Strafurteil eingeleitet werden konnte, so- weit in diesem Staatengesetze für verfassungswidrig erkliirt wurden». STELZENMÜLLER, 87 f.

Da dieses Volksrechtjedoch im Jahre 1921 im Urteil People v. Western Union Telegraph Co, 198 P. 146, vom Obersten Gerichtshof des Staates für verfassungswidrig erkliirt wurde, ist es heu te in keinem ametikanischen Gliedstaat mehr veranke1i; es rnag jedoch ais Illustration dienen für die Abgrenzung zwischen Personen- und Sachentscheiden.

HANGARTNER & KLEY, 146.

(27)

Einleitung

fakultativ, wenn die Volksabstimmung über den staatlichen Erlass von einer festgelegten Anzahl Stimmberechtigter verlangt werden muss. Dieses Volks- recht übt vorwiegend eine blockierende Funktion aus, da damit das Inkraft- treten von Beschlüssen der Behéirden verhindert werden kann. Das Referen- dum ist somit ein «bewahrendes, retardierendes Volksrecht»7

Die Volksinitiative gibt den Stimmbürgem das Recht, se/ber Er/asse vor- zuschlagen. Sie erlaubt einem Teil der Stimmberechtigten, eine Volksabstim- mung über die Einführung, Aufhebung oder Ânderung eines staatlichen Erlasses herbeizuführen. Am Anfang dieses Ve1fahrens der Rechtsetzung steht eine Gruppe von Stimmbürgem, d.h. ein Komitee oder in Kalifomien gege- benenfalls nur eine Einzelperson. Nicht das Volk lanciert Initiativen, sondem ein ausgewahlter Personenkreis, der allein verantwortlich ist für die Formu- lierung des Begehrens8. Auch für das Zustandekommen ist lediglich die Zustimmung eines gesetzlich festgelegten Ausschnittes aus der Gesamtbe- vôlkerung erforderlich. Dieser Teil der Stimmbürgerschaft setzt sich bei der heutigen Fo1m der Initiative in der Schweiz und in Kalifomien aus einer Minderheit zusammen9, die dadurch die Moglichkeit erhiilt, ihre Anliegen in das politische System einzubringen. Erst am Schluss des Verfahrens stimmt das gesamte Stimmvolk mittels Mehrheitsentscheid über das Begehren ab. Die Initiative ist damit ein bindendes Vorschlagsrecht des Volkes. lm Gegensatz und als Erganzung zum Referendum ist es ein «dynamisches Volksrecht»10 Die vorliegende Studie wird sich in erster Linie mit der Volksinitiative befassen, obwohl die Schweiz auf kantonaler und nationaler Ebene sowie Kalifomien das Referendum auf Verfassungs- und Gesetzesstufe kennen.

Dieses «Vetorecht» wird weitgehend ausgeklammert, weil es in Kalifomien im Unterschied zur Volksinitiative kaum von Bedeutung ist. Die Kontroll- und Konektivfunktion von Referenden wird dort mit Hilfe der Initiative ausgeübt, womit nicht nur das Inkrafttreten des betreffenden Erlasses ver- hindert, sondem neben seiner Aufhebung auch eigene Fordernngen vorge- schlagen werden konnen. Zudem kommt in Kalifomien eine Initiative leich- ter zustande, weil die gleiche Anzahl Unterschriften wie für ein Referendum e1forderlich ist. Für ein Initiativbegehren steht aber mehr Zeit zur Verfügung.

7 HANGARTNER & KLEY, 153.

8 RHINOW, 209 f.

9 In der Regenerationszeit war in gewissen Kantonen für die Auslôsung einer Volksinitiative aufTotalrevision die Zustimmung der Mehrheit der stimmberechtigten Bürger gefordert. Vgl.

infi"a 1. Teil, I. 1. c.

IO HANGARTNER & KLEY, 157.

(28)

Einleitung

2. Warum Kalifornien und die Schweiz?

Aufgrund der bereits e1wahnten quantitativen und qualitativen Überlegun- gen im Hinblick auf die Bedeutung der Volksinitiative wird in der vorlie- genden Studie dieses Volksrecht Kalifomiens und der Schweiz untersucht.

So werden in keinem anderen Land der Welt so viele Sachabstimmungen durchgeführt wie in der Schweiz. Beinahe die Halfte aller knapp 1 '000 Sachabstimmungen, die auf nationaler Ebene sei dem Jahre 1791 weltweit durchgefüh1t wurden, entfielen auf die Schweiz11Der eidgenossische Stimm- bürger entscheidet drei- bis viermal pro Jahr an der Ume über Vorlagen des Parlaments oder aus dem Volk. Dem fügen sich zahlreiche Abstimmungen auf kantonaler und kommunaler Ebene an. Mit diesem bemerkenswerten Rückgriff auf die direkte Demokratie geht deren grundlegender Einfluss auf das politische System einher. Die Schweiz ist das einzige Land der Erde, dessen gesamtes politisches System tiefgreifend von der direkten Demokra- tie gepri:igt ist12Neben der direkten Demokratie im allgemeinen hat auch das Initiativrecht herausragende Bedeutung. In keiner anderen Nation ermoglicht die Verfassung eine derart weitreichende Ôffimng des politischen Systems für Vorschli:ige aus dem Volk. Nirgendwo sonst konnen die Stimmbürger in ahnlichem Ausmass auf nationaler Ebene durch eigene Vorschli:ige die poli- tische Agenda mitbestimmen und bindende Vorschli:ige in die Rechtsordnung einbringen. Wegbereitend und weiterhin von besonderer Bedeutung für die Volksinitiative auf eidgenossischer Ebene sind die Volksrechte in den Kan- tonen und vor allem die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den kanto- nalen politischen Rechten, weshalb sie in eine Untersuchung des Schweizer lnitiativrechts einbezogen werden müssen. Darüber hinaus gilt die Schweiz als Vorreiterin der modemen direkten Demokratie und des Initiativrechts, wodurch sie gerade Kalifornien erheblich beeinflusste.

In bezug auf Kalifornien bemerkt Mockli treffend, dass nirgendwo auf der Welt mehr Menschen über mehr Sachvorlagen abstimmen als in diesem Gliedstaat13. Âhnlich wie in der Schweiz kommt der direkten Demokratie und insbesondere der Volksinitiative in Kalifornien ein aussergewohnlicher Stellenwert zu. Nicht umsonst wird das kalifornische Stimmvolk deshalb

11 Vgl. die Datenbank des Forschungs- und Dokumentationszentrums direkte Demokratie, Uni- versitiit Genf: http://c2d.unige.ch. Ebenso BUTLER & RANNEY, Practice, !.

12 KoBACH, Switzerland, 98 f.

13 MôcKLr, Direkte Demokratie, 18; MôcKu, Ka!ifornien, 28.

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Einleitung

beispielsweise als «Fourth Branch of Govemment» bezeichnet14. lm Jahre 1990 waren über achtzig Prozent des staatlichen Budgets von 55 Mia. $ dem freien Zugriff des Parlaments entzogen, weil sie für Projekte verplant wa- ren, die zum grossen Teil die Folge von Volksinitiativen waren15. Kaum ein Bereich der Gesetzgebung wurde nicht in der einen oder anderen Form durch solche Begehren mitgestaltet. Die Themen, die durch kalifomische Initiati- ven aufgegriffen werden, haben aber nicht nur Auswirkungen innerhalb die- ses Gliedstaates, sondem beeinflussen auch die Gesetzgebung in anderen Staaten und auf nationaler Ebene. Die Annahme der berühmten Proposition 13 über das Steue1wesen im Jahre 1978 führte beispielsweise zwischen 1978 und 1979 in nicht weniger als 37 Gliedstaaten zu Senkungen der Gmndstücks- steuem und in 28 Gliedstaaten zu Ermassigungen der Einkommenssteuem16.

Âhnliche Aufmerksamkeit wurde in den neunziger Jahren Amtszeit- beschrankungen für Politiker geschenkt oder der versuchten Einfühmng von school vouchers mittels Volksbegehren im Jahre 2000. Die kalifomische Volksinitiative übt damit einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf die politische Agenda der USA aus17

Weshalb soll nun ein Vergleich zwischen dem Volksinitiativrecht Kalifor- niens und demjenigen der Schweiz vorgenommen werden? Ihre Initiativformen kennen Gemeinsamkeiten, die einen Vergleich überhaupt erst ermoglichen.

Beispielsweise gelten ahnliche Gültigkeitsbedingungen für Initiativen; den Bedingungen an deren Zustandekommen liegen dieselben Grundsatze zugrun- de; hier wie dort wird eine Kontrolle der Verfassungsmassigkeit von Initia- tiven vorgesehen; beide kennen behôrdliche Information im Vorfeld von Abstimmungen. Diese und viele weitere Âhnlichkeiten sind insbesondere darauf zurückzuführen, dass das kalifomische Initiativrecht von der Schweizer Volksinitiative historisch stark beeinflusst wurde.

Gleichzeitig unterscheiden sich die jeweiligen Initiativformen aber in gewissen grundlegenden Aspekten, was einen Vergleichjh1chtbar macht. Die Rolle, die den politischen Behôrden zugestanden wird, ist grundsatzlich anders;

das Initiativrecht in Kalifomien ist erheblich «schnellern als in der Schweiz;

die Kompetenz, gewisse Entscheide zu füllen, wurde in Kalifomien an andere

14 Vgl. die Studie der CALIFORNIA CD,\fMISSION ON CAMPAIGN FINANCING: «Democracy by Initiative, Shaping Califomia's Fourth Branch of Government».

15 KoBACH, Referendum, 245.

16 MAGLEBY, American States, 239.

17 MAGLEBY, American States, 240: «In many respects, Califomia is seen as a leader both in the issue agenda of initiatives and in the development of the process. Part of the reason is the interest the media have taken in Califomia initiatives».

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Einleitung

Behèirden übertragen als in der Schweiz. Auch die Unterschiede gehen auf historische Ursachen zurück. Das Schweizer Initiativrecht wurde in Kalifomien umgestaltet, damit es den damaligen Verhaltnissen im Golden State Rechnung tragen konnte. Dadurch entstand ein Volksinitiativrecht mit spezifisch kalifomischen Charakteristika.

Ein Vergleich der beiden Initiativf01men kann Ideen liefem in bezug auf eine Weiterentwicklung dieses Volksrechts in Kalifomien oder in der Schweiz.

So wurden einige aktuelle Vorschliige für eine Umgestaltung der kalifomi- schen Initiative in der Schweiz seit langem umgesetzt und bilden dort festen Bestandteil des Systems. Es geht dabei in erster Linie um eine starkere Ein- bindung der politischen Behôrden in <las Verfahren. Umgekehrt wurden in der Schweiz, vor allem im Hinblick auf die Regelung der Fristen, verschie- dene Vorstôsse untemommen, das Initiativrecht in einer Weise umzugestal- ten, die es demjenigen Kaliforniens angleichen würde.

Ein Vergleich zwischen dem Schweizer und <lem kalifomischen Initiativ- recht kann zudem auch für andere Staaten wertvoll sein. Es handelt sich bei der schweizerischen und der kalifomischen Volksinitiative wohl nicht um die besten aller denkbaren Formen dieses Volksrechts. Es sind auch keinesfalls die einzigen. Kalifornien und die Schweiz sind hingegen diejenigen Staats- wesen, in denen <las Initiativrecht am lebendigsten und für <las politische System am bedeutsamsten ist. Aus diesem Grund kônnen aus ihren Bestim- mungen über <las Initiativrecht auch in anderen Liindern Lehren gezogen werden. So scheiterte beispielsweise in Russland Ende November 2000 ein Volksbegehren zu umweltpolitischen Anliegen, da von 2.5 Millionen Unter- schriften 600'000 aus fadenscheinigen Gründen für ungültig erkliirt wurden 18

Erforderlich wiire die Zustimmung von zwei Millionen Stimmbürgem. In der Schweiz und Kalifornien wiiren solche staatlichen Machenschaften wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Unterschriftensammlung ausgeschlos- sen. Am 17. Oktober 1998 wurde den Stimmbürgem Kirgisiens eine einzige Vorlage unterbreitet, die fünf verschiedene Fragen umfasste19Der Grund- satz der Einheit der Materie hiitte ein solches Vorgehen sowohl in der Schweiz

18 Vgl. NZZ vom 30. November 2000, 2: «Die direkte Demokratie hat es in Russland schwer:

Von den zahlreichen Anliiufen für nationale Referenden ist bisher kein einziger geglückt - hiiufig wegen der restriktiven Haltung der Behi:irden, die einen Referendumsantrag in verschie- denen Phasen abblocken ki:innen».

19 Die folgenden fünf Punkte waren in ein Paket zusammengefasst worden: 1. Kanf, Belelmung und Verkaufvon Agrarland mit fünf Jahren Wmtefrist 2. Gesetzgebende Kammer mit nun 67 (statt 35) Sitzen, Volkskammer mit 38 (statt 70) Sitzen 3. Durchführung der Budgetdebatte im Parlament nur mit Erlaubnis der Regiernng 4. Aufhebung der Immunitiit der Abgeordneten unter

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Einleitung

als auch in Kalifornien untersagt. Frankreich kennt einzig das Referendum, nicht aber die Initiative. Sollte es diese einführen, so müsste es wohl von der bisherigen Ansicht abweichen, dass der Volksabstimmung unterbreitete Vorlagen nicht auf ihre Verfassungsmassigkeit überprüft werden konnen20

Die Erfahrungen der Schweiz und Kaliforniens zeigen, dass eine solche Kontrolle durchaus notwendig ist. Der Vergleich legt dar, welche Formen die Verfassungsgerichtsbarkeit annehmen kann. Es kann sich um die Gerichte handeln oder um das Parlament. Der Entscheid kann vor oder nach der Abstimmung gefallt werden. Er kann von Amtes wegen erfolgen oder auf Beschwerde hin. Diese Bestimmungen haben wiederum Auswirkungen auf die Überprüfung von Volksinitiativen.

Die unterschiedlichen Verfahren des Initiativrechts in Kalifornien und der Schweiz bieten diesen somit einen Fundus, woraus sie gegenseitig schopfen konnen. Ebenso liefem ihre Erfahrungen Anhaltspunkte für die Gestaltung bei der Einführung oder bei einem Ausbau dieses Volksrechts in anderen Landem. Die Schweiz und Kalifornien verfügen so über einen Expmiarti- kel, der anderen Systemen durchaus von Nutzen sein kann.

3. Vorgehen

Die vorliegende Studie ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil liefert die Grundlagen für das Verstandnis des Initiativrechts in Kalifomien und in der Schweiz. In dieser Hinsicht ist vorab ein Blick auf die historische Entwick- lung unerlasslich, denn wie schon Borgeaud im Jahre 1895 bemerkte:

«Nothing is more misleading than the comparison of the institutions of di:fferent societies, if made from a purely legal standpoint. This procedure may have its advantages in the study of administrative law, but it has only disadvantages in the study of constitutional law, for the political character of the latter is the predominant factor, to appreciate the importance of which, we must above all appeal to history»21

gewissen Umstiinden 5. Erweiterung der Meinungsiiusserungsfreiheit. Die Vorlage wurde mit mehr ais 95 Prozent der Stimmen angenommen; vgl. http://www.ife.ee.ethz.ch/-zosh/dd!

'0 Vgl. ROBERT JACQUES, 47 f. Lajustice constitutionnelle et la démocratie référendaire en France, in: «Justice constitutionnelle et démocratie référendaire», Actes du Séminaire UniDem, Council of Europe 1996, 39-49. Dies ergibt sich aus dem Entscheid 62-20 DC vom 6. November 1962, der am 23. September 1992 im Urteil 92-313 DC bestiitigt wurde.

21 BORGEAUD, XVII.

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Einleitung

Auf der geschichtlichen Entwicklung aufbauend wird die rechtliche Aus- gestaltung des Initiativrechts in Kalifornien und in der Schweiz untersucht.

Dass die Initiative im politischen Alltag gewisse Funktionen wahmimmt und Wirkungen entfaltet, wird im anschliessendenAbschnitt zu den politologischen Betrachtungen über dieses Volksrecht dargelegt.

Der zweite Teil befasst sich mit der Ôffnung des jeweiligen politischen Systems und den Reaktionen auf Initiativen. Die Ôffi1ung ist grundlegend für das Initiativrecht, denn konnten die Initianten nicht alles in die Wege leiten, um ein Begehren zustande zu bringen, so batte das Initiativrecht weder in Kalifornien noch in der Schweiz besondere Bedeutung erlangt. Gleichzeitig verfügen die Gegner solcher Begehren, seien es die Behürden oder Interes- sengruppen aus der Zivilgesellschaft, über verschiedene Moglichkeiten, darauf zu reagieren. Es handelt sich dabei in erster Linie um die Ausarbeitung von Alternativvorschlagen und um die Befugnis, im Abstimmungskampf einzu- greifen, um die Vorlage zu Fall zu bringen.

Der dritte Teil widmet sich schliesslich der Verfassungsgerichtsbarkeit.

Dem Initiativrecht sind Schranken gesetzt, d.h. kraft Verfassung müssen Initiativen gewisse Gültigkeitsbedingungen erfüllen22Entweder gewahrlei- sten diese, dass der Stimmbürger einen freien und unverfiilschten Entscheid treffen kann. Oder sie ergeben sich daraus, dass Initiativen in Konformitat mit hohe1rnngigem Recht sein müssen. Entscheidend ist dabei, welches Organ, zu welchem Zeitpunkt, mit wieviel Strenge oder Zurückhaltung Volksbegehren auf ihre rechtliche Gültigkeit überprüft.

Die Arbeit ist rechtsvergleichend. Methodologisch setzt ein Vergleich voraus, dass die einander gegenübergestellten Rechtsordnungen in einem ersten Schritt für si ch untersucht werden23Erst die gesonderte Darstellung des Initiativrechts Kaliforniens und der Schweiz erlaubt in einem zweiten Schritt einen Vergleich. Der Aufbau folgt im übrigen chronologisch dem Verfahren Kaliforniens, von der Ausarbeitung einer Initiative bis zum gericht- lichen Urteil über deren Gültigkeit. Da das Schweizer Verfahren im grossen

22 Vgl. AUER, Souveraineté, 87: «Il en va de la démocratie directe comme de la liberté. Sans limites, elles n'ont pas de portée. Absolues, elles ne signifient rien, ne protègent rien, ne donnent rien. Une liberté illimitée n'est pas une liberté, une démocratie totale n'est pas une démocratie.

Leur valeur et leur efficacité comme forme d'organisation de l'Etat et comme ciment de la société sont tributaires de l'existence et du respect des limites auxquelles elles sont soumises».

23 Vgl. allgemein BRAGA SEVOLD. Zur Methode der rechtsvergleic/1e11de11 Arbeit, in: «Rechts- vergleichung, Europarecht und Staatenintegratiom>, Gediichtnisschrift für Léontin-Jean Constantinesco, Kiiln/Berlin/Bonn/München 1983, 99-108.

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Einleitung

und ganzen aber einen ahnlichen Verlauf nimmt, ergeben sich nur geringfü- gige Unstimmigkeiten. Es handelt sich in erster Linie um den Abstimmungs- kampf, der in der Schweiz in der Regel erst nach dem Urteil über die Ver- fassungsmassigkeit einer Volksinitiative beginnt.

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1. Teil: Grundlagen

Gewahrleistet eine Verfassungsordnung das Volksinitiativrecht, so stellt sich die Frage nach seiner Ausgestaltung. Sollen die Behürden in <las Verfahren eingebunden oder davon ausgeklammert sein? Soli die Kompromisssuche zwischen Initianten und Behürden begünstigt, oder soli ein Volksbegehren ohne Einflussnahme seitens der Behorden unmittelbar <lem Volk unterbrei- tet werden? Will man einen Antrag aus <lem Volk, zu den Behürden, an <las Volk oder einen Antrag aus <lem Volk, direkt an <las Volk? Die Antworten auf diese Fragen hangen eng mit der geschichtlichen Entwicklung zusam- men und mit der Grnndstimmung, die zum Zeitpunkt der Einführung der Initiative vorherrschte. Beides batte Auswirkungen auf die Gestaltung des Initiativrechts in der Schweiz und in Kalifornien und wirkt sich bis heute auf die Funktion dieses Volksrechts im jeweiligen politischen System aus.

Gemass dem Grad der Einbindung oder der Ausklammerung der politischen Behürden wahrend des Verfahrens konnen die Initianten eher einen unmit- telbaren Abstimmungserfolg an der Ume erringen oder ihre Anliegen zumin- dest teilweise mittels indirekter Wirkungen ve1wirklichen.

Der folgende Abschnitt über die geschichtliche Entwicklung wird sich nicht auf die Volksinitiative beschranken, sondern auch die Entstehung und Ein- führung des Referendums berücksichtigen. In der Tat war das Referendum - als «zahmeres» Volksrecht - der historische Vorlaufer der Initiative. Be- vor <las Volk das Recht erhielt, se/ber Erlasse auszuarbeiten und vorzuschla- gen, wurde ihm die Befugnis übertragen, Erlasse des Parlaments anzuneh- men oder zu ve1werfen.

Die direkte Demokratie blickt auf eine lange Tradition ZUlÜck. Ihr Ursprung liegt im Athen der Antike, wo die Ekklesia, die Versammlung der stimmbe- rechtigten Bürger, über unbeschrankte Befugnisse verfügte24. Erst im Mit- telalter entstanden wieder solche Versammlungen, wie beispielsweise die Landsgemeinden in den Innerschweizer Orten im 13. Jahrhundert. Diese Versammlungssysteme waren jedoch nur für kleine, übersichtliche und ho- mogene Staatswesen geeignet. Die Herausbildung ausgedehnter, bevolkerungs- reicher Staaten bedingte die modemen Ve1fahren direkter Demokratie in Fmm des Referendums und der Initiative, die nicht mehr die physische Prasenz aller Stimmberechtigten auf einem zentralen Platz erfordern.

24 MôcKLI, Direkte Demokratie, 45.

(36)

Grundlagen - Geschichtliche Entwicklung

I. Geschichtliche Entwicklung

1. Von den amerikanischen Ursprüngen zur Rezeption in den Schweizer Kantonen

a. Der Grundsatz der Volkssouveriinitiit in Neue11gla11d

Die moderne direkte Demolaatie entstand in den ehemals englischen Kolo- nien Nordamerikas. Die Bürger der neu gegründeten Siedlungen, stark ge- pragt von egalitar-puritanischen Überzeugungen, wollten gemeinsam die Entscheidungen treffen, die das Gemeinwesen betrafen. Zu Beginn des 17.

Jahrhunderts ve1wirklichten sie den Grundsatz der Volkssouveranitat, der aus dem Prinzip des common assent entsprang, indem in versammelter Gemein- schaft das Volk25 seine Beamten wahlte und die grundlegenden Entscheidun- gen der Gemeinde fàllte. Die Abstimmungen und Wahlen wurden in soge- nannten town meetings durchgeführt, welche erstmals im Jahre 1632 in Cam- bridge, im heutigen Staat Massachusetts, eingeführt worden waren. Von doit verbreitete sich das Versammlungssystem auf fast alle übrigen Gemeinden Neuenglands26.

Die Gemeindeorganisation der town meetings war gewohnlich in Grün- dungsve1iragen, sogenannten covenants, veranke1t. Es handelte sich dabei noch nicht um Verfassungen im heutigen Sinne, da die Umgrenzung und Zuord- nung der politischen Macht lediglich in Ansatzen umrissen wurde27lm Bewusstsein, dass sie weiterhin Untertanen der englischen Krone waren, schwebte den Siedlern auch nicht die Gründung neuer Staatswesen vor. Den weitesten Schritt taten sie mit der Ausarbeitung der Fundamental Orders of Connecticut aus dem Jahre 163928, welche«[ ... ] nicht nur die erste geschrie- bene Verfassung der modernen Demokratie, sondern auch die erste formell vom Gesamtvolk angenommene amerikanische Verfassung warem>29

25 Das Stimmvolk ist auf keinen Fall mit der Gesamtbeviilkernng dieser Gemeinden gleichzu- setzen, da lediglich die mannlichen Bewohner <las Stimmrecht besassen und die Zensus- bestimmungen zu dieser Zeit sehr streng geregelt waren. Zudem waren Personen, die sich zu anderen Konfessionen bekannten, davon ausgeschlossen. Vgl. PAPADOPOULOS, Démocratie directe, 28, sowie SrELZENMÜLLER, 45. Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatten jedoch fast aile volljahrigen, weissen Manner das Stinumecht erhalten, weil es mm vor allem an den Besitz von Land gekoppelt war, wovon in den jungen Kolonien reichlich zur Verfügung stand.

Vgl. SrELZENMüLLER, 47.

26 SrELZENMûLLER, 41.

27 STELZENMÜLLER, 44 f.

28 Ein ahnliches Dokument war der G1ündungsvertrag der Gemeinde Aquidneck, im heutigen Staal Rhode Island, aus dem Jahre 1641; BoRGEAUD, 10 f.

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Grnndlagen - Geschichtliche Entwicklung

Heute kennen nur noch sehr kleine Gemeinden in Neuengland, an der Ostküste und im Mittleren Westen town meetings30Bereits als Tocqueville ihnen in den l 830er Jahren eine zentrale Rolle im amerikanischen Staats- recht zuschrieb31, hatten sie schon stark an Bedeutung eingebüsst32. Wegen der stetig wachsenden Bevülkernng und der zunehmenden Heterogenitat der Gemeinden war die Entscheidsuche und -findung durch die versammelten Bürger nicht mehr zeitgemass und kaum noch praktikabel33Als die engli- schen Kolonien die Unabhangigkeit von der englischen Herrschaft erlang- ten, waren die town meetings jedoch noch weit verbreitet und führten in Verbindung mit der Tradition der Gründervertrage zu den ersten Verfassungs- referenden, die in Amerika durchgeführt wurden34Allein durch die explizi- te Annahme durch das Volk erhielten die neuen Verfassungen die Legitimi- tüt, die sie über die gewohnlichen Gesetze hinaushob35.

b. Erste Ve1fassu11gsrefere11den

lm Jahre 1778 verabschiedete <las Parlament von Massachusetts eine neue Verfassung, die <lem Volk zur Abstimmung unterbreitet wurde. Nicht nur verfehlte sie die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmenden, sondem sie wurde gar von achtzig Prozent ve1worfen. Die klare Ablehnung der Vorlage ergab sich insbesondere daraus, dass sie von <lem bereits beste- henden Parlament selber verfasst worden war und nicht auf die Arbeit einer

29 LOEWENSTEIN KARL. Volk und Par/amen/ nach der Staatstheorie derjiw1zosischen National- versammlung 1789. Studien zur Dogmengeschichte der umnittelbaren Volksgesetzgebung, Mün- chen 1922, Nachdruck Aalen 1964, 50, zitiert in MôcKLI, Direkte Demokratie, 65.

30 STELZENMÜLLER, 182 ff., zitiert <las U.S. Department of Commerce, Bureau of the Census, Popularly e!ected officiais, 1 und 12, wonach 87 Prozent der inunerhin 7'506 Gemeinden, in denen noch town meetings existieren, weniger ais 5'000 Einwohner ziihlen.

31 TOCQUEVILLE, Band !, 5. Kapitel.

32 Selbst in den Gemeinden, die noch town meetings durchfüh1ien, wurden nicht mehr wie ur- sp1ünglich aile Entscheidungen des Gemeinwesens von der Gesamtzahl der Stimmbürger ge- troffen. Die Erledigung der meisten Aufgaben wurde vermeh1i Volksvertretem überlassen, die für kurze Amtszeiten gewiihlt wurden.

33 Eine Ausnahme bildete Boston, wo bis zum Jahre 1822, ais die Stadt schon 43'000 Einwoh- ner ziihlte, town meetings durchgeführt wurden; STELZENMüLLER, 81 f.

34 Laut AUER, Origines, 79, bildete die Entstehung von geschriebenen Verfassungen im Zusam- menhang mit der Umsetzung des Grundsatzes der Volkssouveranitiit die Grundlage für die Entstehung des Verfassungsreferendums.

35 AUER, Référendum et Initiative, 74.

(38)

Grnndlagen - Geschichtliche Entwicklung

eigens zu diesem Zweck gewahlten Versammlung zurückging36Für diese Erkli:irung spricht, dass zwei Jahre spi:iter eine neue Fassung, ausgearbeitet von einem Verfassungskonvent, die Zustimmung der notwendigen Zweidrit- telmehrheit erhielt37.

Jeder Schritt des Verfahrens erforderte dabei die Zustimmung oder Mit- wirkung des Volkes. Es musste zuerst den Grundsatz der Ausarbeitung einer Verfassung annehmen. Danach hatte es das Recht, die Mitglieder der ver- fassungsgebenden Versammlung zu wahlen, worauf ihm schliesslich die neue Verfassung zur Annahme oder Verwerfung unterbreitet wurde. Alle wichti- gen Entscheidungen wahrend des Verfahrens wurden damit von den Stimm- bürgem getroffen. Die gewahlten Volksvertreter hatten nicht einmal das Recht, selber die Vorlage auszuarbeiten. Diese Aufgabe wurde einer eigens zu kon- stituierenden Versammlung übe1iragen. So wurde dem Parlament fast die gesamte Entscheidungsbefugnis entzogen, was auf ein tiefes Misstrauen gegenüber den regierenden Behürden hindeutet38Aufgrund der politischen, rechtlichen und sozialen Bedeutung der Totalrevision einer Verfassung ken- nen die meisten amerikanischen Gliedstaaten auch heute noch ein ahnliches Verfahren39Die Kontrolle durch das Volk soll weit, die Macht der Behôr- den eng gefasst sein.

Diese ersten in einem grosseren Staatswesen durchgefühlien Volksabstim- mungen über die Verfassung von Massachusetts wurden innerhalb der town meetings organisie1i, in denen die versammelte Gemeinde über die Vorlage beraten konnte, und sogar das Recht hatte, selber Vorschli:ige einzubringen40

Die Abstimmung über den Verfassungstext des Staates war somit die Fort- führung der unmittelbaren Gesetzgebung durch die Stimmbürger in den

36 AUER, Référendum et Initiative, 71 f. Ein weiterer Grnnd für die Verwerfung scheint im Feh- len eines Grundrechtskataloges (Bill of Rights) bestanden zu haben. Ebenso CRONIN, 41, und LOBINGIER, 342.

37 MôcKLI, Direkte Demokratie, 66.

38 AuER, Référendum et Initiative, 73 f.

39 Zwischen 1960 und 1980 wurden in 17 Gliedstaaten nicht weniger ais 23 verfassungsgebende Versammlungen gewiihlt. «The state constitutional convention is the most revered of the state institutions for constitutional change. Steeped in the themy of popular sovereignty and origi- nating during the revolutionaiy era, the convention has been described as the <greatest institu- tion of government which America lias produced> and as uniquely <embracing the significance of the American Revolution»>; MAY, 155. Für Kalifomien vgl. il1fi·a 3. Teil, I. 4.

40 Die Stimmbürger scheinen sich keineswegs gescheut zu haben, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Die Menge der Vorschliige venmmiiglichte eine eindeutige Ausziihlung der Stim- men; PETERS RONALD. The Massachusetts Constitution of 1780: A Social Compact, Amherst 1978, 23, zitiert bei AUER, Référendum et Initiative, 72 f.

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Grundlagen - Geschichtliche Entwicklung

Gemeinden. Nicht zufàllig wurden die neuen Verfassungen nur in Neueng- land <lem Volk unterbreitet und nicht in den übrigen Staaten, denen die town meetings fremd waren41

Die Unionsverfassung aus <lem Jahre 1787 übemahm keines der direkt- demokratischen Rechte, wie sie in Neuengland entstanden waren. Dafür fanden sie in derji-m1Zosischen Revolution starken Widerhal142Beeinflusst von den amerikanischen Erfahrnngen hielt Art. 6 der Déclaration des Droits de l'Homme et du Citoyen vom 26. August 1789 fest: «La loi est l'expression de la volonté générale. Tous les citoyens ont le droit de concourir personnel- lement, ou par leurs représentants, à sa formation»43. Der Grnndsatz der Volkssouveranitat sollte nun zum ersten Mal auch in Europa in grossem Umfang umgesetzt werden. Dies geschah im Jahre 1793 mit <lem Gironde- Entwurf sowie der Montagnarde-Verfassung44, die beide ein obligatorisches Verfassungsreferendum vorsahen45Als eigentliche Neuheit gegenüber den bereits in einigen Neuenglandstaaten eingeführten Volksrechten gewahrlei- stete der Gironde-Entwurf die Volksinitiative aufVerfassungsstufe46. Ebenso sah die Montagnarde-Verfassung in Art. 115 ein solches Volksrecht v01A7 41 Bis zum Jahre 1821 traten 26 neue Verfassungen in Kraft. Dem Volke wurden jedoch ledig-

lich diejenigen der Neuenglandstaaten Massachusetts (1778 und 1780), New Hampshire (1778 1781und1784), Connecticut (1816) und Maine (1819) unterbreitet; vgl. LOBINGIER, 338.

42 Die Diskussionen über die amerikanischen Verfassungen wurden durch John Adams und Benjamin Franklin begünstigt, die zu Beginn der l 780er Jahre in Frankreich weilten. Frank- lin liess im Jahre 1783 aile amerikanischen Verfassungen in die franzêisische Sprache über- setzen, wodurch sie einem breiten Publikum zugiinglich wurden; vgl. BoRGEAUD, 21.

43 Vgl. ebenso Art. 33 des Verfassungsentwurfes der Nationalversammlung vom 15. und 16. Fe- bruar 1793: «Un peuple a toujours le droit de revoir, de réformer, et de changer sa constitution.

Une génération n'a pas le droit d'assujettir à ses lois les générations futures, et toute hérédité dans les fonctions est absurde et tyrannique». Und vor allem das Dekret vom 21. September 1792: «La Convention nationale déclare: 1. qu'il ne peut y avoir de Constitution que celle qui est acceptée par le peuple».

44 Sie verdankte ihre Ausarbeitung in erster Linie Condorcet und Paine; vgl. BoRGEAUD, 206.

45 Daneben sah die Montagnard-Verfassung ein fakultatives Gesetzesreferendum vor (Art. 59).

Für die Ausliisung standen jedoch nur vierzig Tage zur Verfügung, was die Ausübung unge- mein erschwert halte; vgl. KôLz, Ve1:fasszmgsgeschiclzte, 84 ff.

46 Titre III section 2 art. 2: «Les citoyens français se réuniront aussi en assemblées primaires pour délibérer sur les objets qui concernent l'intérêt général de la République [ ... ) lorsqu'il s'agit, soit de requérir le Corps législatif de prendre un objet en considération, soit d'exercer sur les actes de la représentation nationale la censure du peuple, suivant le mode et d'après les règles fixées par la Constitution>>. KôLZ, Quel/enbuch, 38. Der Gironde-Entwurf kannte neben der Verfassungsinitiative auch die Gesetzesinitiative. Auf der anderen Seite war ihm

<las Gesetzesreferendum fremd; vgl. KôLZ, Ve1:fassu11gsgesc/ziclzte, 84 ff.

47 Art. 115: «Si dans la moitié des départements, plus un, le dixième des assemblées primaires de chacun d'eux régulièrement f01mées, demande la révision de l'acte constitutionnel, ou le

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