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Die Ausarbeitung der Volksinitiative

des politischen Systems

1. Die Ausarbeitung der Volksinitiative

Die kalifomischen Behôrden verfügen wahrend des gesamten Verfahrens über sehr beschrankte Moglichkeiten, in den Initiativprozess einzugreifen. Dies beginnt mit der Ausarbeitung des Begehrens, setzt sich fmt wahrend der Phase seines Zustandekommens und wird insbesondere vor und wahrend des Ab-stimmungskampfes deutlich.

Die Initianten müssen in Kalifomien kein Komitee gründen. Hinter jeder Initiative steht jedoch ein solches, da das Gesetz festhalt, dass jede Persan oder Gruppe von Personen ein Komitee bildet, wenn sie zum Zwecke einer Einflussnahme auf den Staat mehr als l '000 $ Beitrage erhalt oder ausgibt289

In der Tat ist es kaum vorstellbar, dass eine Vorlage mit weniger Geld zu-stande kommt290. Gemass § 10'243 Government Code konnen sich die Initianten an den Legislative Counsel, den Rechtsberater des Parlaments, wenden, damit er ihnen bei der Formulierung ihres Begehrens hilft. Diese Unterstützung wird gewahrt, wenn sie von 25 oder mehr Stimmbürgem beantragt wird und in den Augen des Counsels die Moglichkeit besteht, dass die Vorlage zur Abstimmung gelangen wird. Es steht den Initianten jedoch frei, ob sie diesen Dienst in Anspruch nehmen wollen, was kaum der Fall ist291Noch seltener wird die Moglichkeit genutzt, die eigenhandig ausgear-beitete Initiative durch den Secretmy of State auf allfàllige Mangel überprü-fen zu lassen292

Der Grund für die fehlende Anfrage nach Unterstützung bei der Ausar-beitung der Begehren mag sich aus dem allgemeinen, historisch bedingten Misstrauen gegenüber den Behôrden erklaren, welches das kalifomische Initiativrecht charakterisiert. Dies ist bedauerlich, da der Text der Initiative nicht mehr geandert werden darf, sobald die Unterschriftensammlung begon-nen hat. Nun zahlen Volksinitiativen in Kalifomien insbesondere seit den achtziger Jahren im Durchschnitt weit über 5'000 Worter293, was nicht

zu-289 § 82'013 Govermnent Code; SECRETARY OF STATE, Your Guide to Direct Democracy.

290 Vgl. infra 2. Teil, 1. 2. c.

291 DUBOIS & FEENEY, Jmproving, 29; CAL. COMM'N, 91 f.

292 § 12'172 Government Code.

293 An den Hauptwahlen im November des Jahres 1998 wurden dem kalifomischen Stimmvolk beispielsweise sieben Volksinitiativen vorgelegt, die nach eigenen Berechnungen im Durch-schnitt 7'100 Wiitier umfassten. Die sieben Initiativen der Primiirwahlen im Miirz 2000 ziihl-ten im Durchschnitt 6'470 Worter. Die Palme geht dabei an Proposition 21, die mit 62

Pro-Ôffnung und Reaktionen - Kalifomien

letzt wegen der grosszügigen Haltung der Gerichte zum Grundsatz der Ein-heit der Materie ermoglicht oder zumindest nicht verhindert wird294. Zudem andern sie in der Regel gleichzeitig verschiedene Gesetze und Verfassungs-artikel, da das kalifornische Recht den Grundsatz der Einheit der N01mstufe nicht kennt. Ais Folge davon sind Initiativen wegen Unterlassungen und ungenauen oder doppeldeutigen Begriffen oft schlecht ausgearbeitet oder sie erzielen gegebenenfalls nicht die gewünschte Wirkung295So enthielt beispiels-weise eine erfolglose Initiative aus dem Jahre 1972, der «Clean Environment Act», eine doppelte Verneinung, die dazu geführt hatte, dass die vorgesehe-ne zulassige Maximalhühe eivorgesehe-nes im Benzin enthaltevorgesehe-nen Schadstoffes in ein Minimum veiwandelt worden ware296. Durch eine behürdliche Überprüfung des Begehrens in diesem frühen Stadium konnte zudem eine allfiillige spa-tere Ungültigkeitserklarung des Begehrens verhindert werden.

Die Verfassung verbietet die namentliche Erwahnung einer Behürde, eines Individuums oder einer juristischen Person im Initiativtext297Diese Bestimmung wurde im Jahre 1966 in die Verfassung aufgenommen, um zu verhindern, dass mittels Initiativen natürlichen oder juristischen Personen Privilegien zugeschachert werden298. So erkliirte der kalifornische Supreme Court im Jahre 1989 eine Bestimmung von Proposition 103 für ungültig, wonach die Versicherungspramien von einer Konsumentenschutzorganisation (Consumer-advocacy C01poration) überwacht werden sollten. Es handelte sich dabei zwar um die Neuschaifung einer Behürde und nicht um den Hinweis

zent Ja-Stimmen angenommen wurde und das Jugendstrafrecht verscharfte: lhr Text bestand aus nicht weniger ais 22'624 Wiirtem. Vgl. das Beispiel für eine kalifomische Volksinitiative im Anhang, die «nurn 4'900 Wiirter umfasst.

294 Vgl. inji·a 3. Teil, I. 3. c.

295 LEE, Power to the People?, 137 f., ist der Ansicht, Volksinitiativen sollten vom Parlament über-prüft werden: «This approach would, it is hoped, avoid the troublesome technical problems posed by a measure such as Proposition 13, which was seemingly drafted without benefit of a lawyer or a grammarian. [ ... ] plagued by problems ofinterpretation, the proposition has required years of legislative and judicial interpretation, and repeated ballot measures, including three Jast November [1986], for clarification and refinement».

296 Vgl. MINGER, 887.

297 Art. 2 § 12 Cal. Cst.: «No amendment to the Constitution, and no statute proposed to the electors by the Legislature or by initiative, that names any individual to hold any office, or names or identifies any private corporation to perform any function or to have any power or duty, may be submitted to the electors or have any effect».

298 lm Jahre 1950 wurde bereits eine Verfassungsanderung angenommen, die es verbot, Einzel-personen ein Amt zu verschaffen. lm Jahre 1964 wurde diese Regel durch <las Verbot der Nennung von juristischen Personen erganzt. lm Jahre 1966 wurden die beiden Bestimmun-gen in einen Artikel verknüpft.

Ôffnung und Reaktionen - Kalifornien

auf eine bereits bestehende. Dennoch war diese Klausel des Begehrens unzulassig, weil die Initianten ansonsten die Moglichkeit hiitten, Behürden nach ihren Vorstellungen und Vorgaben zu schaffen299.

Bevor die Unterschriftensammlung beginnen kann, muss der Initiativtext

<lem Justizminister (State Attorney General) unterbreitet werden. Er gibt der Initiative einen Titel und fasst sie in weniger als hundert Worten zusammen300.

Das Finanzdepartement und die parlamentarische Budgetkommission (Joint Legislative Budget Committee) haben die Aufgabe, mogliche Auswirkungen des Begehrens auf die Steuem abzuschiitzen. Ali diese Angaben müssen von Gesetzes wegen auf den Unterschriftenbogen vermerkt werden301 , wodurch verhindert werden soli, dass die Stimmbürger in die Irre geführt werden302.

Die moglichst neutralen Informationen über die Volksinitiative konnen be-reits wahrend der Phase der Unterschriftensammlung einen gewissen Einfluss auf die Meinungsbildung der Stimmbürger ausüben303 .

Insbesondere <lem Titel der Initiative wird grosste Aufmerksamkeit ge-schenkt, da er auf den Unterschriftenbogen klar hervortritt und in der spiite-ren Abstimmungskampagne den Stimmbürgem «verkauft» werden soli. Die

«Califomia Civil Rights Initiative», welche die affirmative action abschaff-te304, liefert ein Beispiel für einen Tite!, der für die Initianten besonders vorteilhaft war. Anders verhielt es sich mit Proposition 186, die im Jahre 1994

<las Gesundheitswesen ref01mieren wollte. Der Tite! «Single Payer Health Care» verleitete die Bürger zur Annahme, «Single Payer» bedeute mehr Staatsintervention, was kaum Stimmen einbrachte305. Professionelle Vermarkter von Initiativen betreiben denn auch bei den Behürden ein aktives Lobbying,

299 Calfa1m Ins. Co. v. Deukmejian, 48 Cal. 3d 805, 831 ff. (1989).

300 Art. 2 § 10 d Cal. Cst. sowie §§ 9002 ff. und 9050 ff. Elections Code. Ausserdem müssen die Initianten einen Obolus von 200 $ hinterlegen, der jedoch bei Zustandekommen der Initiative zmückerstattet wird.

301 §§ 9008 und 9014 Elections Code.

302 Diese Bestimmung wird ihrem Zweck nicht immer gerecht. lm Jahre 1979 wurde eine Initiati-ve von Ve1mietem und Baulowen eingereicht, welche die Begrenzungen der Mietzinsen abschaf-fen wollte. Da sie den Tite! «Rent Control» erhielt, gingen begreiflicherweise viele Stimmbür-ger davon aus, dass es eine Vorlage für mehr Mieterschutz sei; vgl. LowENSTEIN & STERN, 190.

303 Um jegliche Bedenken in bezug auf die Objektivitiit und Neutralitiit auszuriiumen, übertriigt das Gesetz die Aufgabe der Ausarbeitung dieser Erliiuterungen <lem Legislative Counsel, wenn der Attorney General selber die Initiative lancie1i hat; § 9003 Elections Code.

304 Proposition 209 wurde an den Hauptwahlen des Jahres 1996 mit 54.6 Prozent Ja-Stimmen an-genommen; vgl. für eine Besprechung des darauffolgenden Rechtsstreits infi'a 3. Teil, I. 5. c.

305 SHULTZ, 46. Problematisch war auch der Tite! «Pollution Initiative» für den okologischen «Clean EnvironmentAcb> im Jahre 1972. Die Gegner der Initiative zogerten nicht, sich ais «Vote No on Pollution» zu bezeichnen. Aufgrund eines Gerichtsentscheides wurde der Tite! in «Clean

damit ihre Begehren günstig «getauft» werden306Auch Beschwerden vor Gericht sind keine Seltenheit307Titel und Zusammenfassung müssen jedoch gemass kalifomischer Rechtspraxis nicht jeden einzelnen Aspekt der Initia-tive erlautem. Es genügt, wenn sie das Hauptziel des Begehrens im wesent-lichen darstellen308. Ausserdem gehen die Gerichte von der Vermutung der Richtigkeit der Angaben des Justizministers aus309Dies beeintrachtigt die Aussichten der Gegner oder Befürworter einer Initiative erheblich, die An-gaben und Info1mationen der Behürden erfolgreich anzufechten.

Titel, Zusammenfassung und Wortlaut der Initiative werden danach <lem Parlament übermittelt. Dort kônnen die zusilindigen Kommissionen von Senat und Reprasentantenhaus ôffentliche Anhôrungen über <las Begehren abhal-ten. Sie dürfen den Inhalt jedoch in keiner Weise verandem310