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Die Behandlung der Volksinitiative durch Bundesrat und Parlament

des politischen Systems

II. Die Schweiz

3. Die Behandlung der Volksinitiative durch Bundesrat und Parlament

Die Listen mit den Unterschriften für eine eidgenossische Volksinitiative müssen gesamthaft der Bundeskanzlei übergeben werden, nachdem vorgangig die kantonalen oder kommunalen Behürden die Stimmrechtsbescheinigung der Unterzeichnenden überprüft haben545.

Der Bundesrat hat die Aufgabe, über die Volksinitiative eine Botschaft und einen Antrag zuhanden der Bundesversammlung auszuarbeiten546. Sie wird erst nach dem Zustandekommen der Initiative verfasst. Wahrend der Unterschriftensammlung entscheiden die Stimmbürger folglich frei von of-fiziellen Stellungnahmen, ob sie das Begehren unterstützen wollen oder nicht.

Die von den Behürden erwarteten Auswirkungen der Initiative haben somit erst einen Einfluss auf den Ausgang der Abstimmung, nicht aber darauf, ob das Begehren überhaupt an die Ume gelangt.

Die bundesratliche Botschaft enthalt zwar keine abschliessenden Entscheidungen über die Gültigkeit oder die Zweckmassigkeit des Begehrens.

Ihre Bedeutung sollte aber trotzdem nicht unterschatzt werden. Sie umfasst namlich nicht nur eine Untersuchung der finanziellen, rechtlichen und politischen Folgen der Volksinitiative, wobei auch Probleme bezüglich der Übereinstimmung mit dem internationalen und dem europaischen Recht erlaute1t werden, sondern beleuchtet auch den Hintergrund der Rechtslage und weist auf Ausführungsschwierigkeiten hin. Zudem aussert sich der Bundesrat zur rechtlichen Gültigkeit der Initiative. In der grossen Mehrzahl der Fa!le folgt das Parlament seiner Stellungnahme und übernimmt die Vorsch!age im Hinblick auf den weiteren Verlauf des Verfahrens. Die Botschaft ist demnach wegweisend für die Prüfung der Initiative durch das Parlament.

545 Art. 62, 68 und 71 in Verbindung mit Art. 72 BPR.

Laut Bundesgericht handelt es sich um unzu!iissigen, überspitzten Fmmalismus, wenn Unter-schriften nicht in Betracht gezogen werden, weil die Rubrik «Berufü nicht ausgefüllt ist. Dies sei nicht gerechtfertigt, weil es sich bei der angefochtenen Verfügung in erster Linie um Rentner und Hausfrauen handelte. Ebenso ist es laut Bundesgericht den Behiirden untersagt, eine Unterschrift für ungültig zu erkliiren, wenn ein Unterzeichnender die Rubriken Vor- und Nach-name verwechselt, sofem seine Identitiit ohne grèissere Umtriebe überprüft werden kann; BGE

103 la 280, 283 f.

546 Art. 23 GVG.

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Auf der Grundlage der Botschaft des Bundesrates trifft das Parlament verschiedene Entscheidungen. So füllt es vor der Abstimmung ein abschlie-ssendes Urteil über die Gültigkeit der Volksinitiative547, wogegen auf Bun-desebene keine Beschwerde erhoben werden kann548Sodann hat das Parla-ment das Recht, die Initiative den Stimmbürgem zur Ablehnung oder, was seltener geschieht, zur Annahme zu empfehlen549Schliesslich verfügt das Parlament über die Befugnis, einer Volksinitiative in Form eines ausgearbei-teten Entwurfs einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag gegenüberzu-stellen, sofem es ihr nicht zustimmt550All diese Entscheidungen benôtigen Zeit, dem durch die Vorschriften über die Fristen Rechnung getragen wird.

547 Art. 139 Abs. 3 BV. Auch in allen Kantonen entscheidet <las Parlament über die Gültigkeit von Volksinitiativen. Einzig in den Kantonen Basel-Stadt und Jura kann der Entscheid des Grossen Rates über die Verfassungsmiissigkeit einer Initiative beim kantonalen Verfassungs-gericht angefochten werden; vgl. infi'a 3. Teil, II. 1. b.

Vgl. infra 3. Teil, II. 3. zu welchem Zeitpunkt die kantonalen Parlamente die Gültigkeit einer Initiative überp1üfen müssen.

548 Das Bundesrecht sieht hingegen ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen betreffend Gültig-oder Ungültigkeiterkliirung von ka11to11ale11 !11itiative11 vor (At1. 85 Bst. a OG); vgl. infi'a 3.

Teil, II. 1. b.

549 Art. 139 Abs. 5 BV; A1i. 26 und 27 GVG. Das Parlament kann nur bei ausgearbeiteten initiativen aufTeilrevision der Verfassung und bei der Grundsatzabstimmung über eine Volks-initiative in Form der allgemeinen Anregung eine solche Abstimmungsempfehlung verabschie-den. Wird diese angenommen, so verfügt es bei der Abstimmung über die von ihm selber aus-gearbeitete Vorlage nicht über <las Recht, <lem Stimmvolk die Verwerfung zu empfehlen.

Alle vier Initiativen, die bis anhin vom Parlament zur Annahme empfohlen worden waren, wurden von Volk und Stiinden angenommen. Es handelte sich um <las Absinthverbot aus <lem Jahre 1908; die eidgenôssische Volksinitiative <für die Unterstellung von unbefristeten oder für eine Dauer von mehr ais 15 Jahren abgeschlossenen Staatsvertriigen unter <las Referen-dum (StaatsvertragsreferenReferen-dum)> aus <lem Jahre 1921; die eidgenossische Volksinitiative

<Kursaalspiele>, die im Jahre 1928 angenommen wurde; und schlieslich die eidgenôssische Volksinitiative <für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag> (1. August-Initiative) von 1993. Es ist jedoch kaum nachweisbar, wie gross der Einfluss der parlamentmischen Empfehlung hinsichtlich der Entscheidung des Stimmbürgers am Abstimmungswochenende ist. Die vier Initiativen waren in der Tat nicht sonderlich umstritten. Zudem empfahl im Jahre 2001 <las Parlament die An-nahme der Volksinitiative <für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Natio-nen (UNO)>; vgl. BBI 2001 5731.

550 A1i. 139 Abs. 5 BV; vgl. infi'a 2. Teil, II. 5.

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4. Die Abstimmungsfristen

a. Die rechtliche Ausgestaltung

Die Zeitspanne, die dem Bundesrat und dem Parlament zur Behandlung von Volksinitativen zur Verfügung steht, wurde in den letzten Jahren mehrmals verkürzt551.

Nach Inkrafttreten des Geschaftsverkehrsgesetzes (GVG) im Jahre 1962 musste der Bundesrat den eidgenôssischen Raten spatestens ein Jahr vor Ablauf der gesetzlichen Behandlungsfrist Botschaft und Antrag unterbreiten552. Diese Frist betrug bei Volksbegehren in Form einer allgemeinen Amegung drei, bei ausgearbeiteten Entwütfen vier Jahre. Anschliessend lag es im freien Ermessen der Regierung, den Zeitpunkt der Abstimmung festzusetzen.

Eine erste Ânderung des GVG, die am 1. Januar 1987 in Kraft trat, be-stimmte, dass dem Bundesrat für Antrag und Botschaft zu Volksinitiativen 24 Monate zur Verfügung stehen. Diese Frist konnte um sechs Monate ver-langert werden, sollte er sich zur Ausarbeitung eines Gegenvorschlages entschliessen. Das Parlament musste innerhalb von vier Jahren entscheiden, ob es dem Begehren zustimmt oder nicht. Diese erste Gesetzesanderung verpflichtete demnach nur den Bundesrat zu einer schnelleren Prüfung der Initiative, nicht aber das Parlament553

Seit dem 1. April 1997 muss der Bundesrat der Bundesversammlung Botschaft und Antrag spatestens ein Jahr nach Eimeichung einer Volksinitiative in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes unterbreiten554lm Falle eines Gegen-vorschlages kann diese Frist auf achtzehn Monate verlangert werden555Das Parlament hat das Recht, das Begehren zu behandeln, bevor es die Botschaft des Bundesrates erhalt. Es muss den Beschluss, ob es der Initiative zustimmt oder sie verwirft, innerhalb von dreissig Monaten fassen556Diese Frist kann um ein Jahr verlangert werden, wenn mindestens ein Rat einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag verabschiedet557. Neu ist ausserdem die Bestim-mung, dass der Bundesrat die Abstimmung über die Vorlage spatestens neun Monate nach der Schlussabstimmung in den Raten anordnen muss.

551 Vgl. für einen Überblick über die gesetzlichen Regelungen seit 1848 AUBERT, Evolution.

552 BBl 1984 II 981; Ait. 29 Abs. 1 GVG ait.

553 Gemiiss der Kommission des Nationalrates sollte vor allem der Bundesversammlung mehr Zeit zur Verfügung stehen, sich mit der Volksinitiative zu befassen; vgl. BBl 1983 IV 500.

554 Ait. 29 Abs. 1 Bst. a GVG.

555 Art. 29 Abs. 2 GVG.

556 Art. 27 Abs. 1 GVG.

557 Art. 27 Abs. 5bis GVG.

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Eine Volksinitiative in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes gelangt demnach heute spiitestens 39 Monate nach ihrer Einreichung zur Abstimmung.

Wird ihr ein Gegenvorschlag gegenübergestellt, kann die Zeitspanne um weitere zw6lf Mona te verlangert werden. Es handelt si ch dabei auf Bundes-ebene - entgegen früherer Sichtweise - um Verwirkungsfristen und nicht um einfache Ordnungsfristen558. Folglich muss der Bundesrat die Abstimmung über das Volksbegehren vor Ablauf dieser Zeit anordnen, unabhangig davon, ob die Beh6rden sich zu einer Empfehlung oder zu einem Gegenvorschlag durchringen konnten559.

Die Behandlungsfristen, die den kantonalen Beh6rden zur Verfügung ste-hen, variieren betrachtlich. Sie ki:innen von «mi:iglichst rasch» im Kanton Appenzell-Ausserrhoden560 bis zu fünf Jahren im Kanton Basel-Stadt561 dau-ern562. In den meisten Kantonen kann die Frist verlangert werden, wenn das

558 Vgl. BBI 1999 876; BBl 1984 II 981; BBl 1983 IV 497; AUBERT, Evolution, 7.

559 Bei einer Volksinitiative in Form einer allgemeinen Anregung muss die Bundesversammlung innert zwei Jahren beschliessen, ob sie ihr zustimmt oder nicht (Art. 26 Abs. 1 GVG); stimmt sie zu, arbeitet sie innerhalb von zwei Jahren eine Teilrevision der Bundesverfassung im Sin-ne des Begehrens ans (Art. 26 Abs. 2 GVG) und legt sie Volk und Stiinden vor; lehnt sie ab, so unterbreitet sie <las Begehren der Grundsatzabstimmung des Volkes (Art. 26 Abs. 3 GVG).

560 Art. 55 Abs. 3 KV-AR.

561 § 25 Abs. 1 des Gesetzes betreffend Initiative und Referendum des Kantons Basel-Stadt vom 16. Januar 1991. Bei Ausarbeitung eines Gegenvorschlages kann die Fris! gemiiss § 25 Abs.

2 um ein Jahr verliingert werden

562 Die folgenden Angaben betreffen die Behandlungsfristen von ausgearbeiteten Verfassungs-initiativen:

lm Kanton Aargau sind Initiativen innert 24 Monaten der Abstimmung zu unterbreiten (§ 69 Abs. 1 Gesetz über die politischen Rechte); Basel-Land: zwei Jahre (§ 78 Abs. 3 Gesetz über die politischen Rechte); Bern: Die Initiativen sind «0hne Verzug» zu behandeln (Art. 59 Abs.

4 KV-BE); Freiburg: drei Jahre (Art. 207a Abs. 1 Loi sur l'exercice des droits politiques);

Genf: <lem Parlament stehen 18 Monate zur Behandlung zur Verfügung (Art. 67 A KV-GE);

Graubünden: die Regierung unterbreitet die Initiative mit Botschaft innert eineinhalb Jahren

<lem Grossen Rat, worauf diesem gesetzlich keine Frist gesetzt ist (Art. 54 Abs. 1 Gesetz über die Ausübung der politischen Rechte); Jura: zwei Jahre nach der Gültigkeitserkliirung, die sechs Monate nach Einreichung erfolgen muss (Art. 90 Abs. 1 und 2 Loi sur les droits politiques);

Luzern: der Entscheid über die Gültigkeit erfolgt «olme Verzug», worauf der Regierungsrat den Abstimmungstag bestimmt (§ 141 und 23 Stimrnrechtsgesetz); Neuenburg: 2 Jahre für die Behandlung durch <las Parlament, worauf innerhalb von sechs Monaten die Abstimmung erfolgen muss (Art. 109 Abs. 1und2 Loi sur l'exercice des droits politiques); Nidwalden: die Abstimmung erfolgt ein Jahr nach Einreichung (Art. 55 Abs. 1 KV-NW); Obwalden: Abstim-mung innerhalb von zwei Jahren (Art. 60 Abs. 2 KV-OW); St. Galien: ein Jahr nach Einrei-chung; die Frist kann bei einem Gegenvorschlag um ein Jahr verliingeri werden (Art. 48 Abs.

3 Gesetz über Referendum und Initiative); Schaffhausen: der Grosse Rat verfügt über eine Behandlungsfrist von sechs Monaten; sechs Monate nach Beschlussfassung wird <las

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Parlament einen Gegenvorschlag ausarbeitet. Bei Fehlen einer ausdrückli-chen Regelung563 urteilte das Bundesgericht, dass es sich bei den Ab-stimmungsfristen auf kantonaler Ebene um Ordnungsfristen handelt564 Die-se Die-seien jedoch von gewisDie-ser politischer Bedeutung und gegebenenfalls konne beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen formeller Rechtsver-weigernng eingereicht werden.

b. Die Auswirkungen

Trotz der Verkürzung der Fristen beansprncht die Prüfung einer Initiative auf Bundesebene auch heute noch geraume Zeit. Dadurch werden gegebenenfalls die Erfolgschancen eines Volksbegehrens gemindert. Auf diese Problematik weist Delley565 im Zusammenhang mit der Initiative <fùr einen wirksamen Mieterschutz> hin, die am 24. Juli 1973 zustande gekommen war. Der Bun-desrat verlangerte seine Prüfungsfrist mit den Argumenten, einerseits seien die Auswirkungen eines Gesetzes zur Fôrdernng des Baugewerbes abzuwaiien.

Anderseits sei darauf zu hoffen, dass im Gefolge des Rückganges der Rezession mehr leerer Wohnraum zur Verfügung stehen werde. «Le

gouver-ren der Abstimmung unterbreitet; bei Ausarbeitung eines Gegenvorschlags kann die Fris! um 18 Monate verHingert werden (Art. 77 Wahlgesetz); Solothurn: die Volksabstimmung findet spiitestens zwei Jahre nach der Einreichung statt (Art. 32 KV-SO); Thurgau: ein Jahr Behandlunsfrist für das Parlament; die Frist kann um ein Jahr verliingert werden bei Ausar-beitung eines Gegenvorschlages 66 und 69 Gesetz über das Stimm- und Wahlrecht); Tes-sin: die Volksabstimmung findet spatestens zwei Jahre nach der Einreichung statt (Art. 46 KV-Tl); Uri: die Volksabstimmung findet spatestens anderthalb Jahre nach der Einreichung statt (Art. 28 Abs. 3 KV-UR); Waadt: die Volksabstimmung findet spiitestens zwei Jahre nach der Einreichung statt, wobei der Grosse Rat die Frist um zwei Jahre verliingem darf (A1i. 27 Abs.

1 KV-VD); Wallis: die Volksabstimmung findet spiitestens drei Jahre nach der Einreichung statt, wobei der Grosse Rat die Fris! um ein Jahr verliingem darf (Art. 33 Abs. 2 KV-VS);

Zug: die Volksabstimmung findet spiitestens eineinhalb Jahre nach der Einreichung statt, wobei ausnahmsweise die Frist um sechs Monate verliingert werden darf (Art. 35 Abs. 4 und 5 KV-ZG); Zürich: die Volksabstimmung findet spiitestens drei Jahre nach der Einreichung statt (A1i.

17 Gesetz über das Vorschlagsrecht des Volkes).

563 lm Kanton Genf handelt es sich beispielsweise um Verwirkungsfi"isten. Art. 67 A Abs. 2 KV-GE hait fest: «Ces délais sont impératifs; en cas de recours au Tribunal fédéral, ils sont suspendus jusqu'à droit jugé». V gl. auch Art. 90 Abs. 3 KV-TI: «La votazione sull 'iniziativa per la revisione parziale deve aver luogo in agni caso al più tardi entra due anni dalla pubblicazione ne! Foglio ufficiale del risultato della domanda». In acht weiteren Kantonen, in denen die Verfassung seit <lem Jahre 1977 totalrevidiert wurde, sah man von der Verankerung von Verwirkungs-fristen ab; vgl. BBI 1999 886.

s<H BOE 104 la 240, 243 f.; BOE 101 Ia 492, 494; BOE 100 Ia 53, 56.

565 DELLEY, L'initiative, 102 ff.

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nement fait donc l'aveu explicite qu'il attend une évolution conjoncturelle favorable à une relativisation des exigences contenues dans l'initiative»566.

Die Initiative wurde am 25. Septernber 1977, mehr als vier Jahre nach ihrem Zustandekommen, von Volk und Stiinden ve1worfen.

Ein weiteres Beispiel liefert die Initiative <zur F6rderung des offentlichen Verkehrs>, die am 2. April 1986 zustande gekommen war,jedoch erst am 3.

Marz 1991 der Abstimmung unterbreitet wurde. Innerhalb dieser fünf Jahre batte sich die verkehrspolitische Situation in der Schweiz durch die Annah-me der Bahn 2000 im Jahre 1987 und die Verwerfung des <Bundesbeschlusses über die Ve1fassungsgrundlagen für eine koordinierte Verkehrspolitik> am 12.

Juni 1988 erheblich geandert567Nachdem einige Forderungen bereits um-gesetzt worden waren, wahrend andere nicht mehr gleich aktuell waren wie wahrend des «sauren Regens» Mitte der achtziger Jahre, wurde die Initiati-ve Initiati-verworfen568Auch der am 14. Oktober 1991 eingereichten Initiative <S.o.S.

- Schweiz ohne Schnüffelpolizei> wurde wahrscheinlich die lange Frist zum Verhangnis. Lanciert als Reaktion auf die Fichenaffaire, welche das politi-sche System der Schweiz Ende der achtziger Jahre erschüttert batte, konnte sie am Abstimmungsdatum vom 7. Juni 1998 nur noch wenige Stimmbür-ger für die Abschaffung der politischen Polizei hinter sich scharen569.

Die «Verschleppung» einer Initiative kann somit den Initianten zum Nach-teil gereichen. Bleibt ein Begehren zu lange hangig, so büsst es an Aktuali-tat ein oder bewegt die Gemüter nicht mehr im gleichen Ausmass wie zum Zeitpunkt seines Zustandekommens. Zwei Volksbegehren setzten sich zum Ziel, dies zu andem570. Die Volksinitiative d'ür die Beschleunigung der di-rekten Demokratie> forde1te, dass die Behôrden Volksbegehren in Form ei-nes ausgearbeiteten Entwurfes innerhalb von zwülfMonaten nach ihrer Ein-reichung zu behandeln hatten. Sie wurde am 12. Marz 2000 klar verworfen571 Ironischerweise handelte es sich um die erste Initiative, die gemass der

566 DELLEY, L'initiative, 104.

567 Vgl. KRIESI, Système, 103.

568 Sie erhielt lediglich 37.1 Prozent der Stimmen sowie eineinhalb Standesstimmen; BBI 1991 II 646.

569 Sie wurde mit 75.4 Prozent Nein-Stimmen und olme eine Standesstimme klar verworfen; BBI 1998 4363.

570 Ein erster Versuch wurde bereits im Jahre 1989 untemommen, ais das Volksbegehren <gegen die Verschleppung von Volksinitiativem lanciert wurde; vgl. BBl 1989 I 1505. Sie kam je-doch nicht zustande; vgl. BBI 1990 III 1189.

571 Die Initiative erhielt nur dreissig Prozent Ja-Stimmen und keine Standesstimme; BBl 2000 2990.

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Regelung vom 1. April 1997 behandelt wurde, weshalb die Abstimmung bereits zwei Jahre und drei Monate nach ihrem Zustandekommen durchge-führt wurde572Von den gleichen politischen Kreisen wurde eine weitere Initiative angekündigt mit <lem noch radikaleren Ziel, die Behandlungsfristen auf sechs Mona te zu verkürzen573

Die langen Schweizer Abstimmungsfristen erkliiren sich damit, dass sich die Behôrden eingehend mit den Volksinitiativen zu befassen haben574Die Pliifung der Initiativen von Amtes wegen - sowohl auf die Gültigkeit als auch auf die Zweckmiissigkeit - benë>tigt Zeit. Innerhalb der vorgeschlagenen zwülf oder sechs Monate sind Entscheidungen des Parlaments über die rechtliche Gültigkeit kaum moglich. Auch die Abstimmungsempfehlung und vor allem die Ausarbeitung eines direkten oder indirekten Gegenvorschlages wiiren weit-gehend illusorisch. All diese Einflussmoglichkeiten sind grnndlegender Be-standteil des politischen Systems der Schweiz. Erst die langen Abstimmungs-fristen ermôglichen faktisch die Ausarbeitung von glaubhaften und ausge-feilten Gegenvorschliigen, denn allein das Vemehmlassungsverfahren dau-ert in der Regel bis zu acht Monaten575. Die Fristen wurden innerhalb eines Jahrzehnts zweimal verkürzt. Weitere Verkürzungen konnten die Funktions-weise der heutigen Kontrolle durch Regiernng und Parlament vor der Ab-stimmung in Frage stellen. Vor allem wiire kaum mehr mit Gegenvorschlii-gen zu rechnen, für die ein parlamentarisch abgestützter Konsens gesucht und gefunden werden muss.