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des politischen Systems

5. Die Abstimmungskampagne

a. Vorbemerkungen

Ais Grnndbedingung für eine pluralistische Gesellschaft muss garantiert sein, dass die verschiedenen Meinungen verbreitet und aufgenommen werden konnen, was in den USA durch die Rechte des First Amendments der amerikanischen Verfassung gewahrleistet wird403Dieses Freiheitsrecht bat gerade in politischen Belangen zentrale Bedeutung404, denn die Abstim-mungskampagne und damit der Informationsfluss an das Stimmvolk wird in

402 Taxpayers v. Fair Political Practices, 274 Cal Rptr. 812 f., Justice Mosk, concurring and dissenting.

403 First Amendment U.S. Cst.: «Congress shall make no law respecting an establishment ofreligion or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press;

or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the government for a redress of grievances». Vgl. allgemein BRUGGER, 220 ff., zur Funktion der Meinungsiiussernngsfrei-heit ais Grnndbedingung für demokratischen Dialog und politische Kontrolle.

404 Vgl. BARRON & DIENES, 474: «Political speech is at the core ofFirst Amendment concems».

HOTIELIER, Liberté d'expression, 9. Für die Rechtsprechung vgl. beispielsweise Mills v. Alabama, 384 U.S. 214, 219 (1966): «Whatever differences may exist about interpretations of the First

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Kalifomien in erster Linie von Privatpersonen geführt. Sie kônnen sich daher auf das First Amendment berufen, wenn sie versuchen, andere Bürger für ihre Anliegen zu gewinnen, oder wenn sie die Stiirken und Schwachen der Vorlagen diskutieren.

Intervention en des Parlaments oder der Regierung im Abstimmungskampf sind in Kalifomien positivrechtlich nicht vorgesehen. Zwar werden den Bür-gem Argumente für und wider eine Initiative von amtlicher Seite übermit-telt. Verantwmtlich zeichnen sichjedoch Behôrden, die von Gouvemeur und Parlament weitgehend unabhangig agieren und deren Funktion sich darauf beschrankt, die verschiedenen Standpunkte unparteiisch darzulegen. Da das Gesetz nicht vorsieht, dass offizielle Stellungnahmen des Parlaments oder der Exekutive den Stimmbürgem zugestellt werden, ist kaum zu befürchten, dass die Meinungsbildung der Stimmbürger durch den Staat beeinflusst, respek-tive verfâlscht wird. Die Gefahr der Dominanz des Entscheidfindungspro-zesses durch eine staatliche Monopolisierung des ôffentlichen Meinungsaus-tausches ist somit wegen der untergeordneten Rolle der Behôrden inexistent.

Hingegen stellt sich die Frage, ob nicht durch einseitig eingesetzte Mittel von Privatpersonen der Diskurs dominiert und dadurch die Meinungsbildung der Stimmbürger verzerrt werden kann, was das Abstimmungsresultat ver-fâlschen würde. In Anbetracht der für die Kampagnen aufgewendeten und stiindig ansteigenden Geldbetrage haben sowohl der amerikanische Kongress als auch das kalifomische Parlament und die Bürger Kalifomiens Bestim-mungen verabschiedet, wonach dieser Geldfluss wenn nicht eingeschrankt so <loch transparent gestaltet werden soll. Bis zu welchem Grade Regulie-rungen der Abstimmungskampagne im Sinne von Spendenbegrenzungen und Offenlegungspflichten vor dem First Amendment stand halten, ergibt sich aus einer Reihe von Gerichtsentscheiden.

Die folgenden Abschnitte widmen sich diesen Problemen, indem zuerst die amtlichen Informationen an die kalifomischen Stimmbürger und ihre rechtliche Ausgestaltung untersucht werden. Danach legen wir die Interventionsmôglichkeiten von Behôrdenmitgliedem und Privaten im Ab-stimmungskampf dar. Und schliesslich wird die Zuliissigkeit von Spenden-beschriinkungen und Offenlegungspflichten anhand der Rechtsprechung der amerikanischen Gerichte analysiert.

Amendment, there is practically universal agreement that a major purpose ofthatAmendment was to protect the free discussion of govemmental affairs. This of course includes discussions of candidates, structures and forms of govemment, the manner in which govemment is operated or should be operated, and ail such matters relating to political processes».

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b. Die ojfizielle11 Informationen

Die kalifomische Rechtsordnung im Hinblick auf die den Stimmbürgem vermittelten offiziellen Info1mationen ist durch drei Grundsatze gekennzeich-net. Zum einen müssen die Mitteilungen und Stellungnahmen unparteiisch, objektiv und neutral sein405 . Zum anderen soli die strikte Wahrung der Chan-cengleichheit unter den Befürwortern und Gegnem einer Vorlage gewahrt sein406. Schliesslich muss die Verwendung von offentlichen Geldem für Abstimmungskampagnen von Gesetzes wegen vorgesehen sein407.

Diese Bedingungen sind ohne Zweifel erfüllt bei der kraft Gesetz den Unterschriftenlisten beigegebenen Zusammenfassung der Ziele einer Volks-initiative408. Ti tel und Zusammenfassung werden zudem in den Abstimmungs-erliiuterungen (ballot pamphlet) aufgeführt, die jedem registrierten Stimm-bürger zwischen drei und fünf Wochen vor der Abstimmung zugeschickt werden, und die vom Secretary of State ausgearbeitet werden409 . Der Legis-lative Analyst verfasst zudem eine neutrale Analyse der Auswirkungen der Initiative, wobei er gleichzeitig auf die finanziellen Folgen einer Annahme

405 Vgl. Stanson v. Mott, 17 Cal. 3d 206, 217 (1976): «A fundamental precept ofthis nation's democratic electoral process is that the government may not <take sides> in election contests or bestow an unfair advantage on one of several competing factions. A principal danger feared by our coun!Iy's founders lies in the possibility that the holders of govemmental authority would use crucial power improperly to perpetuate themselves, or their allies, in office; the selective use of public funds in election campaigns, of course, raises the spectre of just such an improper distortion of the democratic electoral process».

406 V gl. Stanson v. Mott, 17 Cal. 3d 206, 219: «[ ... ] this court has also held on a number of occasions that the First Amendment precludes the govemment from making public facilities available to only favored viewpoints; once a public forum is opened, equal access must be provided to ail competing factions».

407 Vgl. Stanson v. Mott, 17 Cal. 3d 206, 213 ff.: «We start with the general principle that expen-ditures by an administrative official are proper only insofar as they are authorized, explicitly or implicitly, by legislative enactment. Contrary to defendant's contention below, such execu-tive officiais are not free to spend public funds for any <public purpose> they may choose, but must utilize appropriated funds in accordance with the legislatively designated purpose». Ebenso League of Women Voters v. Countywide Crim. Justice Coordination Corn., 203 Cal. App. 3d 529, 542 (1988).

408 Vgl. supra 2. Teil, I. 1.

409 § 9081 ff. Elections Code; die Erliiuterungen des Secretmy of State kiinnen, müssen aber nicht identisch sein mit denjenigen, die der Attorney General den Unterschriftenlisten beigibt.

Die Abstimmungserlauterungen werden zudem auf Tonband gesprochen und auf Anfrage zu-gestellt 9082.5 Elections Code). Es ist ausserdem vorgesehen, dass sie auflntemet verbrei-tet werden (§ 9082.7 Elections Code).

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hinzuweisen hat410Daran anschliessend dürfen die Befü1worter und Gegner der Vorlage ihre Argumente darlegen. Gefolgt werden diese Stellungnahmen von Repliken. Zwecks Übersichtlichkeit wird der eigentliche Initiativtext, der sich über mehrere Seiten erstrecken kann, seit dem Jahre 1990 an den Schluss der Abstimmungserliiuterungen «verbannt»411

Die Ausarbeitung der offiziellen Informationen verteilt sich demnach auf verschiedene Behorden, die alle unabhiingig von Parlament und Regierung handeln. Die Titelgebung und die Zusammenfassung auf den Unterschriften-listen sind Aufgabe des Attorney Generals, der weitgehend unabhiingig agiert412. Die Gesamtverantwortung für die Abstimmungserliiuterungen ob-liegt dem Secretmy of State, dem von keiner anderen Behôrde Anweisun-gen erteilt werden413Schliesslich wird die Artalyse der Initiative durch den Legislative Analyst verfasst, der zwar dem Parlament als Rechtsexperte <lient, aber laaft Gesetz zu einer neutralen Haltung verpflichtet ist (impartial analysis )414

Die Erliiuterungen geben nicht die offizielle Meinung der Behôrden wie-der. Sie enthalten eine unparteiische Darlegung der Forderungen und Ziele des Begehrens sowie die Argumente für und wider die Initiative. Letztere werden von den Initianten selber sowie von interessierten Gruppierungen verfasst, worunter gegebenenfalls auch einzelne Behôrdenmitglieder in nicht offizieller Funktion zu ziihlen sind. Diese handeln dann aber in eigener Ver-antwortung und nicht als Repriisentanten des Staates.

Somit erhalten die Stimmbürger zwar amtliche Erliiuterungen zu Volks-initiativen. Diese geben ihnen aber keinerlei Anhaltspunkte, ob das Parla-ment oder der Gouverneur eine Initiative befürworten oder ablehnen. In glei-cher Weise wie diese sich nicht über die Gültigkeit oder die Zweckmiissigkeit

410 § 9087 Elections Code.

411 § 9086 Elections Code.

412 A1i. 5 § 13 Cal. Cst.: «Subject to the powers and dulies of the Governor, the Attorney Gene-ral shall be the chief law officer of the State». Seine Unabhiingigkeit ergibt si ch nicht zuletzt daraus, dass er gemiiss Art. 5 § 11 Cal. Cs!. unmittelbar vom Volk gewiihlt wird.

413 Vgl. § 12'172.5 Government Code: «The Secretaiy of State is the chief elections officer of the state, and shall administer the provisions of the Elections Code». Auch der SecretmJ' of State wird gemiiss Art. 5 § 11 Cal. Cs!. unmittelbar vom Volk gewiihlt.

414 § 9087 Elections Code. DieAbstimmungserliiuterungen werden im übrigen zwanzig Tage, bevor sie gedruckt werden, verôffentlicht, woraufjeder Stimmbürger in Sacramento Beschwerde er-heben kann, sie seien iJTeführend oder enthielten falsche Angaben; § 9092 Elections Code.

Gegen die Erliiuternngen der Primiirwahlen von 1990 wurden beispielsweise zehn solche Klagen eingereicht; vgl. CAL. COMM'N, 242.

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von Volksbegehren aussem, dütfen sie auch keinen Beitrag für die Entscheid-findung der Stimmbürger leisten. Vielmehr soll das Einwirken auf die Wil-lensbildung der Bürger den interessierten Kreisen aus der Zivilgesellschaft überlassen bleiben. Der Staat ist lediglich darum besorgt, dass im Rahmen der amtlichen Information strikte Paritat herrscht: Eine unparteiische Analy-se client als Überbau für die Argumente der Gegner und Befürworter, denen gleichrangig Platz eingeraumt wird, sich zu Wort zu melden.

lm Vordergrund der kalifornischen Abstimmungserlauterungen steht da-mit der Grundsatz der Paritiit, der durch die Gleichberechtigung der gegne-rischen Seiten, gekoppelt mit der Moglichkeit einer Replik, gewahrleistet wird.

Anlass zu Kritik an den Abstimmungserlauterungen bietet deshalb in der Regel nicht eine ungerechtfertigte Beeinflussung der Stimmbürger durch Befürworter oder Gegner einer Vorlage, ganz zu schweigen durch die Beh6rden, sondern vielmehr die Lange der ballot pamphlets und die Tatsache, dass sie für den Stimmbürger kaum verstandlich sind.

c. Die Bedeutung der Abstimmungserliiutenmgen

Die Nützlichkeit der Abstimmungserlauterungen für die Meinungsbildung der Stimmbürger, immerhin eine der beeindruckendsten staatlichen Bemühun-gen für staatsbürgerliche Bildung und Massenkommunikation415, ist wegen deren Umfang beschrankt. Seit dem Jahre 1974 umfassten die amtlichen Erlauterungen nur einmal weniger als 46 Seiten. lm Durchschnitt betrugen sie mehr als 76 Seiten. Die Erlauterungen zu den Primarwahlen von 1990 erstreckten si ch über 110 Seiten, den en si ch Zusatzinformationen von fünf-zehn Seiten anfügten. Bei den Hauptwahlen im November desselben Jahres wurden gar 143 Seiten mit einem Zusatz von 79 Seiten versandt416, was Prof Eule zur Annahme verleitete, bei den Abstimmungserlauterungen handle es sich um das neue Telefonbuch von Los Angeles417.

Der epische Umfang der offiziellen Erlauterungen erklart sich mit zwei Gründen. Einmal erstrecken sich die den Stimmbürgern unterbreiteten Gesetzestexte über Dutzende von Seiten. 59 respektive siebzig Seiten der beiden erwahnten ballot pamphlets des Jahres 1990 bestanden allein aus dem Text der Vorlagen, weshalb im Durchschnitt lediglich knapp siebzehn Prozent

415 MAGLEBY, Direct Legislation, 138.

416 Vgl. DUBOIS & FEENEY, Lawmaking, 171.

417 Vgl. EuLE, Judicia/ Review, 1508; vgl. auch kritisch gegenüber der Lange der im November 1988 versandten Abstimmungserliiuterungen und Gesetzestexte HIRTE, 377 f.

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der Stimmbürger den Wortlaut von Volksinitiativen durchlesen418Sodann werden Abstimmungen nicht mehrere Male pro Jahr durchgeführt. Über alle Vorlagen wird an den Primar- und Hauptwahlen entschieden, die alle zwei Jahre durchgeführt werden. Dies zieht wiederum die Abstimmungserlau-terungen in die Lange.

Noch mehr Probleme als der Umfang der Abstimmungserlauterungen wirft deren Verstandlichkeit auf. Gemass Magleby, der die amtlichen Erlauterun-gen zwischen 1974 und 1980 analysierte, sind die meisten Stimmbürger gar nicht in der Lage, diese Informationen zu verstehen419In der Zwischenzeit wurden zwar verschiedene Àndernngen eingeführt, um diesen Schwierigkeiten Abhilfe zu schaffen. Das Gesetz sieht beispielsweise vor, dass der Legisla-tive Analyst ein Komitee von fünf Personen mit der Überprüfung der Ver-standlichkeit betraut420Die Vorschlage des Komitees sind jedoch nicht bin-dend und der Legislative Analyst gibt der Genauigkeit der Sprache noch immer Vonang gegenüber ihrer Verstandlichkeit421Die jüngste Analyse der Lesbar-keit der Abstimmungserlauterungen ergab, dass sie noch immer einen Schwie-iigkeitsgrad aufWeisen, der zumindest einige Jahre Studium an der High School voraussetzt422Damit sind die Erlauternngen für grosse Segmente der Bevôl-kerung faktisch nicht zuganglich. Zumindest wurden gegenüber den Studi-en von Magleby VerbesserungStudi-en erzielt, dStudi-enn statt einer Schulbildung bis zur achtzehnten Stufe ist heute für die Verstandlichkeit «nurn noch eine Ausbil-dung bis zur zwèilften notwendig. Zum Vergleich: Für das Verstandnis der Washington Post ist im Durchschnitt eine Schulbildung von 9.2 Klassen erforderlich423

Wegen ihrer Lange und Kompliziertheit sind die amtlichen Erlauterun-gen für die Stimmbürger als Informationsquelle von beschrankter Bedeutung.

So zitiert Mocldi eine Studie, aus der hervorgeht, dass nur 21 Prozent der

418 V gl. DUBOIS & FEENEY, Lawmaking, 172. Aus diesem Grund werden die Initiativtexte heute erst ganz am Schluss der Erliiuterungen aufgeführt.

419 V gl. MAGLEBY, Direct Legislation, 118 f.; 139: «Given these readability scores, the vast majority of voters who received the handbook could not effectively use it».

420 § 9087 Elections Code. Dieses Komitee muss sich aus mindestens einer zweisprachigen Per-son, einem professionellen Schriftsteller und einem Piidagogen (educational specialist) zu-sammen setzen; Vgl. auch § 9084 Elections Code: «The ballot pamphlet shall contain al! of the following: [ ... ] (e) Tables of contents, indexes, art work, graphies and other materials that the Secretary of State determines will make the ballot pamphlet easier to understand or more useful for the average voter».

421 Vgl. CAL. COMM'N, 239.

422 V gl. CAL. COMM 'N, 241.

423 DUBOIS & FEENEY' Lawmaking, 176.

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Bürger das Abstimmungsbüchlein für die Entscheidfindung zu Rate ziehen424

Gemiiss Magleby liest weniger als ein Drittel der Stimmbürger das offizielle ballot pamphlet425, womit es weit weniger Beachtung findet als Fernseh-werbung oder Zeitungen426Trotzdem kann es bei weniger bekannten oder weniger umkiimpften Vorlagen die einzige Informationsquelle der Bürger darstellen.

Vor allem hat das ballot pamphlet in der Folge jedoch Bedeutung für die Gerichte. Bei der Auslegung von Volksinitiativen werden die offiziellen Erliiuterungen gewohnlich als Âquivalent der parlamentmischen Entstehungs-geschichte einer Vorlage betrachtet427.

d. Die I11terve11tionen der Behorden im Abstimmungskampf

Regierung und Parlament verfügen bei der Ausarbeitung der offiziellen Abstimmungserliiuterungen über keinen Spielraum, die Willensbildung der Stimmbürger zu beeinflussen. Haben sie nun das Recht, sich wiihrend der eigentlichen Kampagne zu Wort zu melden und sich dabei auf die Mei-nungsiiusserungsfreiheit zu berufen? Die generelle Zuliissigkeit von

«Government Speech», obwohl vom First Amendment nicht erfasst, kann wohl bejaht werden428, nicht zuletzt weil einzig der Staat über die Mittel verfügt,

424 Vgl. MôCKLI, Direkte Demokratie, 189.

425 MAGLEBY, Direct Legislation, 136 ff. Dusors & FEENEY, Lawmaking, 167 f., führten zwar eine Umfrage durch, aus der hervorgeht, dass es von 69 Prozent der Stimmbürger konsultiert wird.

Der Fragebogen war jedoch an den Schluss der Erliiuterungen angefügt, mit der Bitte, dass die Stimmbürger ihn ausfüllen und auf eigene Kosten zurück senden. Die Antworten waren folg-lich kaum repriisentativ, da davon auszugehen ist, dass die Bürger, die diese Mühen auf sich nahmen, politisch motiviert und deshalb eher dazu geneigt waren, die Erliiuterungen zu studieren.

426 Vgl. Dusors & FEENEY, Lawmaking, 178; ebenso CAL. COMM'N, 245 ff., die aber eine Umfra-ge zitiert, wonach die offiziellen AbstimmungserliiuterunUmfra-gen nach den Zeitungsartikeln ais In-formationsquelle für die Stimmbürger am meisten Bedeutung haben. Gemass dieser Umfrage beziehen die Stimmbürger ihre Informationen aus einer ausserordentlich grossen Anzahl von Quellen, was zur Vorsicht gegenüber der Aussagekraft gemahnen sollte: für 73 Prozent sind Zeitungen eine wichtige Informationsquelle, für 69 Prozent das ballot pamphlet, für 61 Pro-zent das nationale Femsehen, für 60 ProPro-zent das Jokale Femsehen, für 55 ProPro-zent Patteilosungen, für 50 Prozent Familie und Freunde, usw.

427 V gl. SCHACTER, 123. Bei den dreissig Klagen gegen Initiativen in Kalifomien, die von ihr un-tersucht wurden, zogen die Richter sechzehn Mal die offiziellen Abstimmungserliiuterungen für ihre Urteilsfindung heran; ScHACTER, 121 ff.

428 ÎRIBE, 807: «But non of this means that govemment cannot add its own voice to the many that it must tolerate, provided it does not drown out private communication». V gl. auch Miller v. Califomia Corn. on Status ofWomen, 151, Cal. App. 3d 693, 701 (1984): «If the government cannot address controversial topics it cannot govern>>.

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gewisse Informationen zugiinglich zu machen und zu verbreiten429. Dadurch wird der «free marketplace of ideas» um eine Stimme vermehrt, was jedoch gleichzeitig die Gefahr birgt, dass die anderen verstummen. Der Staat kann sich niimlich nicht nur auf seine überragenden materiellen Mittel stützen, sondern seine Mitteilungen, Informationen und Âusserungen gebieten auf ideeller Ebene gegebenenfalls über mehr Vertrauenswürdigkeit und Respekt als diejenigen anderer Meinungstriiger, was diese im übrigen aus Furcht vor der staatlichen Autoritiit dazu veranlassen kann, ihre eigenen Meinungen zu verschweigen430Schon früh hatten die kalifomischen Gerichte zu bestim-men, unter welchen Bedingungen staatliches Eingreifen in Wahl- und Ab-stimmungskiimpfe zuliissig ist.

lm Jahre 1927 batte eine staatliche Behéirde von Los Angeles 12'000 $ zu Propagandazwecken für die Volksabstimmung über eine Staatsanleihe eingesetzt. Durch das einseitige finanzielle Eingreifen des Staates wurden gemiiss kalifomischem Supreme Court die andersdenkenden Stimmbürger benachteiligt431Und vor allem konnte sich die Aufwendung offentlicher Gelder zu solchen Zwecken auf keine gesetzliche Grundlage stützen432.

Bedingung für staatliche Abstimmungspropaganda ist demnach zum einen das Vorliegen einer gesetzlichen E1miichtigung und zum andem die Wahrung der Gleichbehandlung der widerstreitenden Interessen.

Diese Rechtsprechung wurde im Jahre 1976 bestiitigt, als ein kaliforni-scher Steuerzahler Beschwerde erhob, eine Behéirde habe die Abstimmungs-kampagne für eine Staatsanleihe mit mehr als 5'000 $ unterstützt. Wieder-um schickte das Gericht den allgemeinen Grundsatz voraus, nur eine aus-driickliche gesetzliche Grundlage erlaube die Verwendung offentlicher Gel-der zu Propagandazwecken433Eine im Gesetz implizit enthaltene Erlaubnis genüge nicht434Darüber hinaus verwies das Gericht auf Entscheide aus anderen Gliedstaaten, die staatliches Eingreifen in Abstimmungskiimpfe

429 VgJ. CASTELLO, 674.

430 Vgl. CASTELLO, 676.

431 Mines v. Del Valle, 201 Cal. 273, 287 (1927): «To use said public funds to advocate the adoption of a proposition which was opposed by a large number of said electors would be manifestly unfair and unjust to the rights of said last-named electors».

432 Mines v. Del Valle, 201 Cal. 273, 288.

433 Stanson v. Mott, 17 Cal. 3d 206, 213 (1976).

434 Stanson v. Mott, 17 Cal. 3d 206, 220: «Nothing in either section 512 of the Public Resources Code or in any other legislative provision ofwhich we are aware purp01is to sanction election campaign expenditures by the Department of Parks and Recreation; in the absence of such explicit authorization, we conclude that defendant could not properly authorize the depaiiment to spend public funds to campaign for the passage of the bond issue». Kursiv angefügt.

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ebenfalls für unzuliissig erklfüt hatten. Àhnlich wie der kalifomische Supreme Court bereits in Mines v. Del Valle hatte auch der hôchste Gerichtshof von New Jersey geurteilt, die Propagandatiitigkeit mit offentlichen Mitteln be-nachteilige die gegnerische Seite. Diese konne in gleicher Weise einen An-spruch auf diese Gel der geltend machen435Da der Staat si ch unparteiisch verhalten muss, darf er keine offentlichen Gelder ve1wenden, um seinen Standpunkt über eine Vorlage zu verbreiten436

Das Prinzip der Gleichbehandlung der divergierenden Interessen durch die Behorden verbietet damit grundsiitzlich ein staatliches Eingreifen in den Abstimmungskampf'137Das Gericht unterschied jedoch zu Recht zwischen Propagandatatigkeit (campaign expenditures) und der Verbreitung von Infor-mationen (informational activities)438. Propaganda ist auf die Beeinflussung der Stimmbürger ausgerichtet, ihre politische Meinung in einem bestimm-ten Sinn zu bilden, was beispielsweise durch die Verwendung offentlicher

435 Vgl. Citizens to Protect Pub. Funds v. Board of Education, 13 N.J. 172, 98 A. 2d 673, 677 (1953): «The board made use of public funds to advocate one side only of the controversial question without affording the dissenters the opp011unity by means of the financed medium to present their side, and this imperilled the propriety of the entire expenditure. [ ... ) The expenditure is then not within the implied power and is not lawful in the absence of express authority from the Legislature». Zitiert in Stanson v. Mott, 17 Cal. 3d 206, 217, wo das Ge-richt ausserdem darauf hinweist, dass ein Eingreifen des Staates in Abstimmungs- oder

435 Vgl. Citizens to Protect Pub. Funds v. Board of Education, 13 N.J. 172, 98 A. 2d 673, 677 (1953): «The board made use of public funds to advocate one side only of the controversial question without affording the dissenters the opp011unity by means of the financed medium to present their side, and this imperilled the propriety of the entire expenditure. [ ... ) The expenditure is then not within the implied power and is not lawful in the absence of express authority from the Legislature». Zitiert in Stanson v. Mott, 17 Cal. 3d 206, 217, wo das Ge-richt ausserdem darauf hinweist, dass ein Eingreifen des Staates in Abstimmungs- oder