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Vergleich der rechtlichen Ausgestaltung

II. Die rechtliche Ausgestaltung

4. Vergleich der rechtlichen Ausgestaltung

Kalifomien war zu Beginn des 19. J ahrhunde1ts stark von der schweizerischen direkten Demokratie beeinflusst worden. Es ist somit kein Zufall, dass die ka-lifomischen und Schweizer Formen der Volksinitiative verschiedene Gemein-samkeiten aufweisen. lm Bund, in den Kantonen und in Kalifomien verfügen die Stimmbürger über das Recht, Verfassungsanderungen vorzuschlagen. Die Kantone sind kraft Bundesrecht dazu verpflichtet, wahrend die amerikanische Verfassung diesbezüglich nicht in die Organisationsautonomie der Gliedstaaten eingreift. Den amerikanischen Gliedstaaten steht es somit frei, dieses Volks-recht in ihrer Verfassung zu verankem223In Kalifornien erstreckt es sich im Unterschied zur Schweiz jedoch nicht auf Totalrevisionen der Verfassung.

Alle Kantone wie auch Kalifornien gewahrleisten zudem die Gesetzesin-itiative, die auf Bundesebene trotz verschiedener Vorstèisse nie eingeführt wurde. In Kalifornien werden Gesetzesinitiativen trotz fakultativem Gesetzes-referendum immer der Volksabstimmung unterbreitet, eine Regelung, die in der Schweiz nur zwei Kantone kennen. Eine Besonderheit des kalifornischen Initiativrechts besteht darin, dass eine Initiative gleichzeitig Verfassungs- und Gesetzesanderungen verlangen kann, wahrend in den Kantonen die beiden Rechtsetzungsstufen nicht vermischt werden dürfen224

Das Initiativrecht ist in Kalifomien somit gleichzeitig enger und weiter gefasst als dasjenige des Bundes. Es ist enger gefasst, weil es Begehren auf Totalrevision der Verfassung nicht zuliisst. Und es ist weiter gefasst, weil es auch die Gesetzesstufe betreffen kann, wahrend der Bund lediglich die Verfas-sungsinitiative kennt.

221 Art. 29 Abs. 1 Ziffer 2 KV-ZH: «Ein Initiativbegehren kommt zustande, wenn es von einzel-nen Stimmberechtigten oder von Behiirden gestellt und vom Kantonsrat unterstützt wird». V gl.

ÎRECHSEL & SERDÜLT, 413 ff.

222 § 21 ff. des Zürcher Gesetzes über <las Vorschlagsrecht des Volkes vom 1. Juni 1969.

223 Vgl. supra 1. Teil, 1. 3. e.

224 Vgl. infra 3. Teil) Il. 6. b.

Grundlagen - Die rechtliche Ausgestaltung

Für die Annahme einer Initiative ist einzig auf Bundesebene eine Erschwer-nis vorgesehen, indem die doppelte Mehrheit von Volk und Standen erreicht werden muss. In Kalifomien und in allen Kantonen genügt die einfache Mehrheit der Bürger, die an der Abstimmung teilnehmen. Fôderalistische Überlegungen, die <lem Standemehr auf Bundesebene zugrunde liegen, sind weder in Kalifomien noch in den Kantonen von Belang. Femer verlangt keines der untersuchten Systeme für die Annahme ein Quorum im Hinblick auf die Stimmbeteiligung225 oder qualifizie1ie Mehrheiten. Ebenso sind Verfassungs-und gewôhnlich Gesetzesinitiativen226 keinen Karenzfristen unterworfen, wonach vom Volk abgelehnte Revisionsbegehren nicht wieder aufgenommen oder mittels Volksbegehren in Kraft getretene Bestimmungen wahrend einer gewissen Zeit nicht geandert werden dürfen227In Kalifomien sind dafür vom Volk initiierte Gesetze vor parlamentarischen Eingriffen geschützt, da sie nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Volkes geandert werden kônnen, es sei denn <las betreffende Gesetz gestehe <lem Parlament die Befugnis zu, Ânde-rungen unter gewissen Bedingungen lediglich einem fakultativen Referen-dum zu unterbreiten.

Die verschiedenen Initiativformen sind in den Kantonen weiter ausgebaut und facettenreicher ais diejenigen des Bundes. Wie schon im letzten Jahr-hundert kônnten die Kantone den Aus- und Umbau der direkten Demokratie aufBundesebene vorweggenommen haben, sollte der einstweilen

zurückge-225 Vgl. Art. 75 Abs. 4 der italienischen Verfassung, wonach für die Annahme eines abrogativen Referendums eine Stimmbeteiligung von mehr ais fünfzig Prozent der Stimmberechtigten er-forderlich ist.

226 Nur die Kantone Graubünden, St. Galien und Wallis kennen solche Sperrfristen; Vgl. Art. 3 Abs. 1 Ziff. 2 KV-GR: «Ausserdem sind vom Grossen Rat auf Begehren von wenigstens 3'000 stimmberechtigten Kantonseinwohnem der Volksabstimmung zu unterbreiten: Vorschliige zur Aufhebung oder Ânderung von Gesetzen und grossriitlichen Verordnungen, welche schon mindestens zivei Jahre in Kraft gesta11de11 haben». Kursiv angefügt. Art. 49 Abs. 2 KV-SG:

«Initiativbegehren auf Aufhebung oder Abiinderung eines Gesetzes konnen erst drei Jahre nach Jnkrafttreten desselben gestellt werden». Kursiv angefügt; vgl. ZBI 1992, 18. Vgl. Art. 33 Abs. 1 KV-VS: «Quatre mille citoyens actifs peuvent demander l'élaboration, l'adoption, la modification ou l'abrogation d'une loi, d'un décret ou de toute décision susceptible de réfé-rendum, à l'exception des lois, décrets et décisions votés par le peuple depuis moins de qua-tre ans, des décisions déjà exécutées et des décrets dont la validité est inférieure à un am>.

Kursiv angefügt.

227 Sperrfristen für Ve1fassu11gsinitiativen würden Art. 51 Abs. 1 BV verletzen; vgl. KôLZ, Spenji'isten, 172-178; HANGARTNER & KLEY, 794; SALADIN, Ko111111e11tar ad Art. 6 BV, Nr. 68.

So hiilt denn auch Art. 59 Abs. 3 des St.Galler Gesetzes über Referendum und Initiative ausd1ücklich fest, die Sperrfristen giilten nicht für Verfassungsinitiativen.

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wiesenen Reform der Volksrechte228 denn tatsachlich Erfolg beschieden sein.

Allein im Hinblick auf die verschiedenen Ausgestaltungen des lnitiativrechts kônnen aus den Kantonen Erfahmngen geschôpft werden in bezug auf fast aile Vorschlage, die in diesem Zusammenhang vorgebracht wurden. Die Vorlage des Bundesrates sah im Hinblick auf <las Initiativrecht die folgen-den wesentlichen Neuerungen vor229:

1. Die Einfühmng der Einheitsinitiative in der Form der allgemeinen Anre-gung. In verschiedenen Kantonen wurde die Einheitsinitiative bereits ein-geführt.

2. Eine Aufgabenteilung bei der Beurteilung der Gültigkeit von Volks-initiativen zwischen Bundesgericht und Bundesversammlung. Die Über-prüfung von Volksinitiativen ist überall Aufgabe der kantonalen Parlamen-te230, deren Entscheid vor <lem Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 85 Bst. a OG)231 .

3. Die gleichzeitige Unterbreitung zweier Volksinitiativen zum gleichen Thema mit einem gemeinsamen Gegenvorschlag der Bundesversammlung.

Die Gegenüberstellung von Volksinitiativen zum gleichen Gegenstand mit oder ohne Gegenentwurf existiert bereits im Kanton Zug232. lm Jahre 1995 wies der Bundesrat in seinem Kommentar zu diesem Vorschlag denn auch ausdrücklich auf die Regelung dieses Kan tons hin233 .

4. Die ErhOhung der Unterschriftenzahl von 100'000 auf 150'000; für Einheitsinitiativen sollten 100'000 Unterschriften genügen. In nicht we-niger als sieben Kantonen traten zwischen <lem Jahre 1970 und 1996 ein-schneidende Àndemngen der Unterschriftenzahlen in Kraft. In zweien

228 Dem Nichteintreten des Nationalrates auf die bundesriitliche Vorlage über die Reform der Volks-rechte am 9. Juni 1999 schloss sich der Stiinderat am 30. August 1999 an. Die Vorlage wurde an die Staatspolitische Kommission des Parlamentes gewiesen, um danach im Jahre 2000 wieder aufgenommen zu werden. Vgl. Amtl. Bull. S 1999, 611-612 sowie Tagesanzeiger vom 10.

Juni und vom 31. August 1999. Dies geschah im Frühjahr 2001; vgl. NZZ vom 5. April 2001.

229 BBI 1997 I 436 ff.

230 ÜRISEL, Initiative et Référendum, 247 f.

231 Vgl. infra 3. Teil, II. 1. b.

232 Art. 95bis-95novies des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen des Kantons Zug vom 23.

Januar 1969.

233 REFORM, 214 sowie 238 f.

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wurden sie gesenkt234, in fünf anderen wurden sie hingegen drastisch erh6ht235 ( wobei diese Erschwerung nicht unbedingt Auswirkungen auf die Anzahl Volksinitiativen hatte236 ).

5. Die Einführung des Initiativrechts für acht Kantone. In verschiedenen Kantonen haben die Gemeinden das Recht, Initiativen einzureichen237, was mit dem Initiativrecht der Kantone auf Bundesebene bis zu einem gewis-sen Grad vergleichbar ware.

Die Schweizer Kantone bilden damit für die Eidgenossenschaft eine Art Versuchsfeld, das ihr für die meisten Vorschlage einer Umgestaltung, Beschnei-dung oder Erweiterung des Initiativrechts Ideen, Anstèisse und Erfahrnngen liefern kann238.

Weder in Kalifornien noch in der Schweiz scheinen sich die Stimmbür-ger mit Volksrechten anfreunden zu kèinnen, die eine verstarkte Beteiligung des Parlaments voraussetzen. Volksinitiativen in der Form der allgemeinen Anregung werden in der Schweiz kaum eingereicht. Ebenso verhielt es sich in Kalifornien mit der indirekten Initiative, auf die deshalb ohne viel Ge-genwehr verzichtet werden konnte. Vielleicht wird aus diesem Grund im Kanton Jura, der einzig die Einheitsinitiative in der Form der allgemeinen Anregung kennt, über die geringste Anzahl Initiativen abgestimmt239

Auch im Hinblick auf die Bedingungen für das Zustandekommen finden sich Parallelen zwischen Kalifornien und der Schweiz auf Bundesebene.

Ursprünglich war in beiden Systemen keine Frist für die Unterschriftensamm-lung vorgesehen. Die heute geltenden achtzehn Monate Sammelfrist in der Schweiz sind jedoch viel weniger einschneidend als die im Jahre 1973

ein-234 lm Kanton Aargau müssen für Verfassungsinitiativen seit dem Jahre 1982 statt 5'000 nur noch 3'000 Unterschriften gesammelt werden. lm Kanton Wallis wurde die Unterschriftenzahl im Jahre 1994 gar von l 2'000 auf 6'000 halbiert.

235 In den Kantonen Zürich, Zug und Basel-Stadt wurden die Unterschriftenzahlen für Verfassungs-initiativen im Jahre 1979 resp. 1991und1975 verdoppelt. lm Kanton Thurgau wurde sie im Jahre 1990 von 2'500 auf 4'000 erhoht, im Kanton Tessin im Jahre 1970 von 7'000 auf 10'000.

236 TRECHSEL, Feuenverk, 83-94.

237 Vgl. Anhang, Tabelle 4: «Das lnitiativrecht in den Kantonem>.

238 Vgl. auch HANGARTNER & KLEY, 525: «Die Kantone sind eigentliche Experimentierstiitten der direkten Demokratie. Die Kleinheit der Verhiiltnisse erlaubt Neuemngen, die in einem grosseren Gemeinwesen kaum gewagt würden. Der Bund hat aile seine Volksrechte von kantonalen Vorbildem übemommen».

239 Vgl. Anhang, Tabelle 7: «Anzahl Volksinitiativen, über die in den Kantonen zwischen 1970 und 1999 abgestimmt wurde».

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geführten 150 Tage in Kalifornien. In acht Kantonen untersteht <las Sammeln von Unterschriften nach wie vor keiner Frist. In den übrigen variiert sie zwischen sechzig Tagen und achtzehn Monaten240

Die Anzahl Unterschriften ist in der Schweiz in einer festen Zahl gere-gelt, wiihrend sie sich in Kalifornien nach der Stimmbeteiligung der letzten Gouverneurswahl richtet. Dies erübrigt Verfassungsiinderungen wie in der Schweiz auf Bundesebene, wo die Unterschriften von 50'000 auf 100'000 verdoppelt wurden. Für einen Vergleich der Unterschriftenzahlen muss in der Schweiz die Nationalratswahl herangezogen werden, da die Exekutive nicht vom Volk, sondern vom Parlament gewiihlt wird (Art. 175 Abs. 2 BV). Eine weitere Besonderheit des kalifornischen Systems erschwe1i eine Gegenüber-stellung, denn stimmberechtigt ist nur, wer sich registrieren liisst. Das be-deutet, dass nicht alle potentiell stimmberechtigten Bürger <las Recht haben, an Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen. Unter diesen Vorbehalten er-gibt sich folgende Tabelle für die Bedingungen, die an das Zustandekom-men von Volksinitiativen gestellt werden.

Tabelle 1: Die Bedingungen für das Zustandekommen von Volksinitiativen in der Schweiz auf Bundesebene und in Kalifornien

Unterschriften In Prozent der In Prozent der Sammelfrist in absoluten Gesamtzahl Stimmen der

Zahlen Stimmbe- letzten Wahlen rechtigter

Schweiz 100'000 2.15 Prozent241 5 Prozent242 18 Monate ( ca. 548 Tage) Kalifornien Verfassung:

4.6 Prozent243 8 Prozent 150 Tage

670'816 ( ca. 5 Mona te)

Gesetz:

2.9 Prozent244 5 Prozent 150 Tage

419'260 (ca. 5 Monate)

Quelle: eigene Analyse.

240 Vgl. Anhang, Tabelle 4: «Das Initiativrecht in den Kantonem>.

241 Bei der Nationalratswahl von 1999 waren 4'616'255 Schweizer stimmberechtigt.

242 An der Nationalratswahl vom Oktober 1999 nahmen rund 2'005'500 Bürger teil.

243 Gesamthaft waren bei der Abstimmung und Primarwahl vom 7. Marz 2000 rund 21'190'000 Kalifomier stimmberechtigt. Davon liessen sich 14'676'000 ins Stimm- und Wahlregister ein-tragen. Auf die Gesamtzahl der potentiel! stimmberechtigten Beviilkerung entsprechen die 4.6 Prozent demnach noch 3.17 Prozent. Vgl. http://www.ss.ca.gov/elections.

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Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass für eine eidgenôssische Verfassungs-initiative prozentual gleich viele Unterschriften gesammelt werden müssen wie in Kalifornien für eine Gesetzesinitiative, wenn man sich auf die An-zahl Stimmbürger bezieht, die an der letzten eidgenôssischen Wahl teilge-nommen haben. Für Verfassungsinitiativen sind die Anfordernngen in fornien jedoch hôher gesteckt. Auch wenn man nur diejenigen Bürger Kali-forniens einbezieht, die sich ins Stimm- und Wahlregister eintragen liessen, sind die Prozentzahlen gemessen an der Gesamtbevôlkernng hôher als im Bund. Das Zustandekommen einer Initiative ist jedoch in Kalifornien vor allem wegen der nur auf 150 Tage begrenzten Zeit schwieriger als in der Schweiz, wo rnnd 550 Tage zur Verfügung stehen.

244 Die 2.9 Prozent beziehen sich auf die registrierten Stimmberechtigten. Auf die Gesamtzahl der potentiell stimmberechtigten Bev6lkerung entspricht diese Zahl 1 .98 Prozent.

Grundlagen - Politologische Betrachtungen