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VORKLASSISCHE AUSLEGUNGSFREIHEIT lM NEGOTIUM BONA FIDE CONTRACTUM LEIHE

Es geht in diesem Beitrag des Niiheren um das Problem, wie das romi- romi-sche Recht daraufreagierte, wenn mit einer Gefahrübernahme in einem

3. VORKLASSISCHE AUSLEGUNGSFREIHEIT lM NEGOTIUM BONA FIDE CONTRACTUM LEIHE

Ulpian 28 ad edictum D 13,6,5,3

Commodatum autem plerumque salam utilitatem continet eius cui commodatur, et ideo verior est Quinti Mucii sententia existimantis et culpam praestandam et diligentiam, et si forte res aestimata data sit, amne periculum praestandum ab eo, qui aestimationem se praestaturum recepit.

(Die Leihe dient meist allein dem Nutzen dessen, dem geliehen wird, und daher ist die Ansicht des Q. Mucius richtiger, der meint, dass der Entleiher sowohl für fahrllissige wie für sorgfaltswidrige Schlidigungen

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einstehen muss, und dass, wenn etwa die Sache zu einem Schatzwert hingegeben worden ist, von dem, der sich verpflichtet hat30 , den Sch!itz-wert zu leisten, fUr alle Gefahr eingestanden werden muss.)

Die Stelle erlaubt dank der engen V erwandtschaft zwischen Miete und Leihe einen vollstiindigen Vergleich mit dem im Vorstehenden erorterten Fall der Gladiatorenmiete. Man kann einen Gladiator ebenso gut verleihen wie ver-mieten. Zugleich ist die Absprache einer Gefahrübernahme in beiden V ertrii-gen gleichermassen sinnvoll. Wir brauchen den zur Veranschaulichung der Gladiatorenmiete gebildeten Sachverhalt nur dahin abzuwandeln, dass der Inhaber einer Gladiatorenschule mit dem Magistrat, der die Spiele geben will, befreundet und daher bereit ist, seine Kiimpfer unentgeltlich zur Verfügung zu ste lien, aber gleichwohl das Risiko, dass sie getôtet oder dauernd kampf-untauglich werden, nicht tragen mochte. Er wird dann seinem Freunde die Gladiatoren gerne leihen, aber doch auf einer Risikoübernahme bestehen.

Bedenkt man dies und erkennt so die voile Parallelitiit beider Stellen, sieht man, dass man sich bei Mucius im Vergleich zu den Institutionen des Gaius dogmatisch in einer anderen Welt befindet. Von dem Gedanken, dass ein bedingter Austausch von Sache und Geld notwendig einen Kauf darstellt, ist keine Spur zu sehen. Die Übernahme der Gefahr ist nichts ais eine einver-stiindliche Konkretisierung der Leistungspflichten in einem negotium contractum.

Wieso Mucius so denkt, ist nicht schwer zu erkliiren, wenn man sich seiner Lehre einer von der bona .fides «durchstromten», in ihren Rechtsver-hiiltnissen von grossen Richtern geordneten societas vitae erinnert, in der alle Vertriige (ausser denjenigen des strikten Rechts) ihren Platz finden31Das

30 Qui ... recepit. Wir haben hier einen wertvollen Beleg ftir das vorklassische receptum, die formlose Garantieübernahme in einem bona-fides-Verhiiltnis. Es bleibt zu untersu-chen, ob die vom Priitor in selbst!indiger Regelbildung geschützten Garantieübernahmen des klassischen Edikts (receptum nautarum, receptum arbitri, receptum argentarii) in der vorklassischen Jurisprudenz nicht anders aufgefasst wurden, niimlich ais formlose Verpflichtungsübernahmen im Rahmen entweder einer locatio conductio (in der Ge-stalt des Beherbergungsvertrags, der Stallmiete und des Befôrderungsvertrags) oder eines Auftrags (der zwischen dem arbiter ex compromisso und den Streitparteien zu-standekam) oder der darlehensrechtlichen Geschiiftsbesorgung.

31 V gl. Cicero, de officiis III 17,69 societas est ... latissime quidem quae pate at, omnium inter omnes, interior eorum, qui eiusdem genlis sint, propior eorum qui eiusdem civitatis, itaque mai ores aliud ius gentium, aliud ius civile esse voluerunt, quod civile, non idem continuo gentium, quod autem gentium, idem civile esse debet ... 70 ... Q. quidem Scaevola pontifex maximus, summam vim esse dicebat in omnibus iis arbitriis, in qui bus adderetur EX FIDE BONA, jideique bonae nomen existimabat manare latissime, idque versari in tut elis, societatibus, fiduciis, mandatis, rebus emplis venditis, conductis locatis, qui bus vitae societas contineretur; in iis magis esse iudicis statuere, praesertim cumin plerisque

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commodatum erscheint spiiter geradezu ais ein Musterfall solcher Rechtsver-hiiltnisse der von der bona fides beherrschten und aufwechselseitige Hilfe angelegten Menschheitsgesellschaft. Ein bekannter Text, den der Jurist Pau-lus zum commodatum geschrieben hat, macht das in sehr schi:iner Weise deut-lich. Er fûhrt aus, dass bei der Leihe wie bei anderen von ihm ausdrücklich in Parallele gesetzten unentgeltlichen Verhiiltnissen der societas vitae-er nennt die negotiorum gestio und das mandatum - niemand zu solcher natur-rechtlichen Menschenhilfe verpflichtet ist, aber jeder ersatzpflichtig wird, der eine einmal begonnene Hi! fe dies er Art nicht vollendet32. Ich ha be an anderer Stelle gezeigt, dass das Insistieren auf dem Tiitigwerden- im Unterschied zu dem konsensualen Einverstiindnis, das die klassische Obligation in Kraft setzt, die dann schon ais solche zur Tiitigkeit verpflichtet- der vorklassische Ge-sichtspunkt des negotium bonafide contractum ist33 und als solcher letztlich der societas-vitae-Lehre des Mucius entstammt.

Für Mucius stellte si ch daher allein die Frage, ob der iudex, der in einer von der bona fides beherrschten actio commodati zu entscheiden hatte, eine solche Abrede anerkennen kanne oder nicht. Es versteht sich, dass es unter dieser Fragestellung keinen Grund ge ben konnte, eine solche A brede nicht fur zweckdienlich zu halten. Wer vertraglich den Nutzen einer Sache übemeh-men will, sollte nach Treu und Glauben auch ihre Gefahr übemehübemeh-men kôn-nen. Mit einer solchen Abrede wird jemandem ein V orteil gewiihrt, der seiner-seits einen V orteil gewiihrt hat. Die Übemahme der Gefahr geht zwar über

essent iudicia contraria, quid quemque cuique praestare oporteret. Vgl. dazu auch den schônen Text Cicero, de officiis I 7,22 ut placet Stoicis, quae in terris gignantur, ad usum hominum omnia creari, homines autem hominum causa esse generatos, ut ipsi inter se aliis a/ii prodesse passent, in hoc naturam debemus ducem sequi, communes utilitates in medium adferre, mutatione officiorum, dando accipiendo, tum artibus, tum opera, tum facultatibus devincire hominum inter homines societatem. Das Stichwort beneficium ist naturrechtlich. V gl. im folgenden das Fragment des Paulus unten Anm. 32 und die Âusserung Papinians unten Anm. 62.

32 Paulus 29 ad edictum D 13,6, 17,3 Si eut autem voluntatis et officii ma gis quam necessitatis est commodare, ita modum commodati finemque praescribere eius est qui beneficium tribuit. cum autem id fecit, id est postquam commodavit, tune finem praescribere et retro agere atque intempestive usum commodatae rei auferre non officium tantum impedit, sed et suscepta obligatio inter (dantem accipientemque) [F, dandum accipiendumque]. geritur enim negotium invicem et ideo invicem propositae sunt actiones, ut appareat, quod principio beneficii ac nudae voluntatis fuerat, converti in mutuas praestationes actiones civiles. ut accidit in eo qui absentis negotia gerere inchoavit: neque enim impune peritura deseret: suscepisset enim fort assis alius, si is non coepisset: voluntatis est enim suscipere mandatum, necessitatis consummare. Es folgen Beispiele. Die scharfen Grenzen zwischen den Vertr!igen sind in dieser natur-rechtlichen Perspektive weniger wichtig ais der gemeinsame Geist der bona fides.

33 Vgl. dazu BEHRENDS, Die bona fides im mandatum (Anm. 1), S. 56 ff.

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das aus dem vorkiassischen Kaufrecht bekannte Naturrechtsprinzip des cuius commodum eius et periculum hinaus, da der Entleiher ja nicht die Früchte der geliehenen Sache bekommt34. Aber da der Entleiher die gegebene natürli-che Besitzverteilung freiwillig andert, wenn er einem anderen unentgeltlich den Nutzen seiner Sachen gewiihrt, ist kein Grund ersichtlich, warum der Entleiher das bene.ficium der gewiihrten Nutzung nicht durch das bene.ficium der Gefahrübemahme soli beantworten konnen. So etwa muss Mucius argu-mentiert haben.

Diese einfachen Zusammenhiinge sind bisher dadurch verunkiart wor-den, dass eine sehr verbreitete, von Arangio-Ruiz vergeblich scharf getadelte Lehre das bonae

fi

dei iudicium ftir jünger erkiart ais Mucius, ohne zu beden-ken, dass Mucius uns ais der grosse Verfechter eines durchgehenden bona-.fides-Prinzips bezeugt ist und ohne zu veranschiagen, dass das Textstück,

das ich zitiert habe und in dem

Q.

Mucius zitiert ist, aus der für die actio commodati gut begiaubigtenformula in ius concept a mit bona:fides-Kiausef35

34 Für den Satz emptione perfecta periculum et commodum rei venditae est emptoris wird vorklassischer Ursprung bewiesen durch eine entsprechende veteres-Entscheidung zum Weinkauf (Uipian 28 ad Sabinum D 18,6,1,4), aber auch durch das Vorhandensein ei-ner abweichenden Lehre in der Servius-Schule. Denn nach der Lehre des Servius ging die Gefahr erst nach Übergabe oder im Fall des Annahmeverzuges des Kiiufers über.

Vgl. Paulus 3 Alfeni epitomarum D 18,6,13 und 15 mit Julian 3 ad Urseium Ferocem D 18,6,14 (13) und African 8 quaestionum D 19,2,33. Auf diese Überlieferung, in der sich eine (aus der Auseinandersetzung mit Servius entstandende) media sententia Juli-ans verbirgt, ist zurückzukommen.

35 Zutreffend Otto LENEL, Das Edictum perpetuum, 3. Aufl., Leipzig 1927, S. 253, dessen Urteil um so mehr Gewicht hat, ais es sich gegen (heute nicht mehr überzeugende) textkritische Zweifel behaupten musste. Insbesondere die Worte (Gaius IV 47): similes etiam commodati formulae sunt deuten, unbefangen gewürdigt, darauf, dass das commodatum wie das in Vergleich gestellte depositum eine Formel mit Klausel exjide bona hatte. Dies wird bestiitigt durch Paulus 6 ad Sabinum D 17,2,38 pr., wo das commodatum mit mandatum und depositum unter die bonae ji dei iudicia specialia ge-ziihlt wird, d.h. unter solche, welche die bona fides im Phiinotyp haben und nicht nur, wie die actio rei uxoriae, die Gaius IV 62 zu den bonae ji dei iudicia stellt und die auf aequius melius )autet, dem Genotyp nach. Dazu meine Abhandlung «Die Wissenschafts-lehre im Zivilrecht des Q. Mucius Scaevola pontifex», Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Gottingen. Phil.-Hist. KI. 1. Nr. 7 (1976), S. 285 ff. (S. 295 f.). Auch Ulpian 28 ad edictum D 13,6,3,2 (vgl. Lenels plausiblen Rekonstruktionsversuch a. a. O.

S. 253 Anm. 2) ist ein Zeuge, da es der vorklassischen Tradition entspricht, wenn dort das commodatum zu den bonae ji dei iudicia gestellt und dieser gesamten Gruppe die stricti iuris iudicia entgegengestellt werden. Dass Gaius IV 62 (im Gegensatz zum Katalog Inst. 4,6,28) die actio commodati nicht nennt, erkliirt Lenel mit dem Alter des von Gaius benützten Katalogs. Da von den in das klassische Edikt zurückgekehrten bona-fides-Verhiiltnissen die actio depositi und die actio negotiorum gestorum genannt werden und der Vorgang im wesentlich einheitlich erfolgte ( vgl. unten Anm. 3 7), erscheint es jedoch richtiger anzunehmen, dass der Katalog des Gaius einfach nur unvollkommen

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stammt, und schliesslich auch ohne zu beachten, dass die in factum konzi-pierten Forme ln erst mit dem neuen Edikt des Servius auftauchen.

Jene Lehre, von der Arangio-Ruiz gesagt hat, sie sei ein reines Phantasie-produkt36, beruht denn auch auf einem, wie man heute sagen kann, recht naiven post hoc pro pt er hoc. Weil in den Ediktkommentaren in den bekann-ten Dubletbekann-ten die formulae in factum conceptae v or den auf ex bona fi de Iautendenformulae in ius conceptae stehen, sallen die faktischen Formeln die genetischen Vorlaufer der zivilrechtlichen Formeln sein. Es sollte aber eigentlich klar sein, dass eine Reihenfolge in einem Normtext als solche keine genetische Abhangigkeit bekundet, sondem nur (wenn mit spiiteren Umstel-lungen nicht zu rechnen ist) die Reihenfolge wiedergibt, in der die Teile in den jeweiligen Text aufgenommen worden sind. Dies ist auch hier so. lm fragli-chen Text, im klassisfragli-chen Edikt und seiner Kommentierung, sind die an erster Stelle stehenden in factum konzipierten Formeln in der Tat die iilteren. Sie sind aber historisch gesehen die jüngeren, niimlich nicht alter als dieser Text, das klassische Edikt selbst, das mit der Jurisprudenz des Aquilius Gallus und des Servius Sulpicius auftritt und damit erheblichjünger ais die bona-fides-Forme ln der vorklassischen Jurisprudenz ist.

Die in factum konzipierten Forme ln waren das Hauptmittel, mit dem die neue Jurisprudenz, deren geistiges Zentrum das Edikt war, das vorklassische Naturrecht verdrangte. Der von ihnen gewiihrte Schutz, der nicht auf das ius gestützt war, war denn auch keineswegs naturwüchsig, sondem von einer anspruchsvollen Rechtsquellenlehre getragen. Hinter ihm stand die Vorstel-lung, dass das gerichtliche imperium ais staatliche Befehlsgewalt befugt war, dem System des ius überall durch Ergiinzung, Unterstützung und Berichti-gung zu Hilfe zu kommen, wo dies im Dienst der naturalis aequitas, dem Leitwert des zivilisierten Zusammenlebens, erforderlich erschien.

Die Tatsache, dass die bona-fides-Formeln im Edikt an zweiter Stelle stehen, erkliirt sich also keineswegs aus ihrem jüngeren Alter. Sie erkliirt sich vielmehr daraus, dass sie dem klassischen Edikt ursprünglich fehlten und erst spiiter in das Edikt zurückgekehrt sind. Sie nehmen im klassischen Edikt des-wegen den zweiten Platz ein, weil der erste Platz bereits besetzt war. Die Tatsache, dass

im

kaiserzeitlichen Edikt in mehreren Fiillen den Verheissungen (IUDICIUM DABO) der in factum konzipierten Klage ohne Verheissungs-edikt die in das ius der bona fides konzipierten Formeln folgen, bekunden

aktualisiert worden ist. Daher darf er auch aus dem Katalog Inst. 4,6,28, soweit dieser klassische Tradition verwendet, erg!inzt werden.

36 Il mandata in diritto romano (1949) S. 46: «è una mera fantasia che i giudizi di buona fede nascenti dai contratti consensuali siano stati storicamente preceduti daformulae in factum conceptae. »

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daher eine gewisse- die ursprüngliche Reinheit des servianischen Edikts ab-mildernde- Koexistenz des klassischen und vorklassischen Rechts.

Der Jurist, der diese Rückkehr initiierte und diese Teilrezeption im Rab-men der neuen klassischen Jurisprudenz durchsetzte, war übrigens Labeo. Er batte zwar ais Sohn eines Servius-Schülers die Lehren dieser Schule so er-folgreich an die Prokulianer vermittelt, dass er (trotz des handgreiflichen Ana-chronismus) ais eine Art Gründer dieser Schule gelten konnte (vgl. Pomponius lb sg enchiridii D 1,2,2, 44 und 47). Dieser Rechtsgelehrte, der nicht ohne Grund in seiner Zeit den Ruf grosser Selbstandigkeit und Reformfreudigkeit genoss, hat aber zugleich in das vermittelte Recht mehrfach eingegriffen. Sein hier erôrterter Eingriff, die Zurückflihrung der alten bonae fi dei formulae in das klassische Edikt, ist ftir die Leihe, aber auch ftir andere entsprechende Verhà'ltnisse, daran erkennbar, dass er in den entsprechenden Kommentaren ais der alteste Kommentator der «prokulianischen» Tradition zitiert wird37.

Die von Labeo bewirkte Rückkehr jener vorklassischen bona-fides- Verhalt-nisse in das Edikt war im übrigen keine unkonditionierte, sondern strebte eine Versôhnung mit dem klassischen Geist des Individualismus an: Die bona fides wurde bei Labeo- mit F olgen, die auch noch bei dem grosszügiger auslegen-den Julian greifbar sind- von einem gesellschaftlichen Naturrechtsprinzip, das eine objektive Pflicht zur Rücksichtnahme auffremde Interessen postu-lierte, zu einem individualistischen Verpflichtungsgrund, der an eine bewusste Verantwortungsübemahme anknüpfte38.

Die Massigung, welche die wiederaufgegriffenen bona-fides- Verhaltnis-se auf dieVerhaltnis-se W eiVerhaltnis-se am En de in bei den Schulen erfuhren, zeigt si ch auch in

37 Vgl. Uipian 28 ad edictum D 13,6,3,11 und 2, wo Labeo an eine vorkiassische Fall-betrachtung des bona-fides- Verhaitnisses Leihe anknüpft, mit Otto LENEL, Palingenesia /, Sp. 580 f. mit Anm. 6; sie he fern er die foigende Anmerkung. Wie LENELS Palingenesie (I, Sp. 505; II, S. 455 f.) zur negotiorum gestio zeigt, hat Labeo sowohi das kiassische Verheissungsedikt der formula in factum concepta ais auch (unter ande-rem in dem zitierten Fragment) die auf ex bona fi de ausiautendeformu/a in ius concepta kommentiert.

38 Dies zeigt si ch sehr deutlich in der Debatte zur Eingriffsgesch!iftsftihrung; Uipian 10 ad edictum D 3,5,5,5 (3). Labeo kann hier wegen der auf ein eigenes, nicht auf ein frem-des Geschaft gerichteten Willensrichtung frem-des Geschaftsflihrers eine negotiorum gestio nicht anerkennen. Ein Kritiker, vermutlich Julian, findet dagegen konsequent die vom Eingriffsgesch!iftsftihrer betatigte, gezieit rechtsfeindliche, Gesinnung verpflichtender ais die fremdnützige Gesinnung des echten Geschaftsftihrers (immo magis!); er steht damit zwar der vorkiassischen, einen objektiven Wert darstellenden bona fides naher, gibt aber, da er Schadigungsvorsatz (dolus) fordert, das Prinzip einer individuellen Zurechnung bei naherer Betrachtung nicht preis. Zu Julians trotz aller Ausiegungs-freiheit voiuntaristisch und individualistisch bieibenden Haitung gegenüber der Frage, wann ein pflichtenbegründendes Rechtsgeschaft (negotium) vorliegt, vgl. zuietzt meine Bemerkungen Index 25 (1997), S. 37 ff.

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unserer Stelle. Denn Uipian stimmt Mucius von einer eigenen, seibstandigen Warte zu. Der Grund, den er angibt, erweist sich schon durch die Art, wie er formuliert: Die Leihe dient meist allein dem Nutzen dessen, dem geliehen wird, und daher ist die Ansicht des

Q.

Mucius richtiger-nicht ais derjenige, der fur Mucius bestimmend war. Tatsachlich ist das von Ulpian angeftihrte Utilitatsprinzip, da es an den Eigennutz einen hôheren Pflichtenstandard knüpft, seinem Wesen nach alles andere ais naturrechtlich. Dem vorkiassischen Na-turrecht der societas vitae entsprach es, den hochsten Pflichtenstandard gera-de in gera-den aitruistischen Verhaltnissen gera-der Menschenhilfe anzunehmen, ibn dagegen in den eigennützigen Verhaitnissen des ius strictum herabzusetzen.

Zum Mandat ist denn auch überliefert, dass die vorkiassische Jurisprudenz voile Sorgfalt forderte, die klassische Jurisprudenz dagegen nur Fehlen von dolus39 . Dagegen finden wir die aiteste Fassung des Utilitatsprinzips beim Servius-Schüler Alfenus und in einer Entscheidung, die mit Recht in der Re-gel seinem Lehrer zugeschrieben wird. Sie legt kennzeichnenderweise die Vertragslehre des Ediktkommentars De pactis zugrunde und zeichnet die im gegenseitigen Interesse abgeschiossenen Vertrage, die emptio venditio (den zur Besitzverschaffung verpflichtenden und Übereignung bezweckenden Geld-kauf), die locatio conductio (die befristete Überlassung von Sachen oder Arbeit zur Nutzung oder von Sachen zur Bearbeitung fur Geld) und die societas (Gesellschaft) dadurch aus, dass in ihr ein hôherer Sorgfaltsstandard ver-langt wird40Dahinter steht allem Anschein nach die Vorstellung, dass diese

39 V gl. einerseits Ciceros aus sein er Lehrzeit bei vorklassischen Juristen stammende Âusserung pro S. Roscio Amerino 39,113 ... etiam neglegentia in crimen manda ti ...

vocatur (vgl. 40, 116 Recte igitur maiores ... ) mit meinen Bemerkungen, Die bona fides im mandatum (Anm. 1), S. 57, andererseits Max KASER, Das Romische Privat-recht l, 2. Aufl., München 1971, S. 579 und S. 512. Die von Kaser genannten Ausnah-meflille, in denen der Mandatar auch in der Kaiserzeit für cu/pa haftete, beruhen auf vorklassischen Einflüssen. Sie wider1egen das Utilitiitsprinzip schon deswegen nicht, weil es nicht induktiv gewonnen ist, sondem priiskriptiv wirken will; es ist also nicht aus der Erfahrung gebildet, sondem will wirken ais Lehrsatz eines neuen Systems.

40 Alfenus 5 digestorum a Paulo epitomatorum D 19,2,31 in re, quae utriusque causa contraheretur, culpam deberi (in Vertragsverhliltnissen, die um beider Parteien willen vereinbart werden, wird ftir Fahrliissigkeit eingestanden). lm Ergebnis übereinstim-mend der Julian-Schüler African 5 quaestionum D 30,108, 12: in contractibus fidei bonae servatur, ut, si quidem utriusque contrahentis commodum versetur, etiam cu/pa, sin unius, dolus malus tantum praestetur. Julianisch ist hier nur die Kategorie der bonae-fidei-Kontrakte, welche das Kontrahieren selbst von einer konsensualen Einigung zu einem (Rechtsfolgen liussemden) Geschlift nach Treu und Glauben erhebt. Vgl. Ulpian lb sg regularum D 44,7,25,1: ex contractu actio est, quotiens quis sui lucri causa cum aliquo contrahit, velu ti emendo vendendo locando conducendo et celeris similibus (eine Klage aus Vertrag steht zu, wenn jemand um seines Gewinnes will en mit einem ande-ren einen Vertrag schliesst. z.B. bei Kauf, bei Miete, Pacht, Dienst- und Werkvertrag

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Vertrage ais zentraie Institute des Marktes und der Wirtschaft besonders wich-tig sind und daher eine besonders anspruchsvolle Ausstattung hinsichtlich des Pflichtenrahmens rechtfertigen. Die Fassung, die Uipian hier und an einer anderen bekannten Ste Ile (Uipian 29 ad Sabinum D 50, 17,23) dem Utilitats-prinzip gibt, argumentiert dagegen mit der Interessiertheit des Einzeinen und verandert eine objektivierende Regei, die zweiseitige auf Gewinnerzieiung gerichtete Vertragsinstrumente für so wichtig erkiart, dass in ihnen für cul pa gehaftet werden muss, zu einer individuellen Regei, derzufoige derjenige, der aus Eigennutz an ein Geschaft herangeht, für culpa zu haften hat. Daher kann Ulpian das Prinzip auch an beiden Stellen auf den Entleiher anwenden.

Bei der ursprünglichen Fassung des Utilitatsprinzips batte dem nicht nur die fehiende Gegenseitigkeit, sondern auch die Tatsache entgegengestanden, dass das commodatum im reinen Ediktsystem nicht einmai ais zivilrechtlicher Ver-trag angesehen wurde, sondern nur durch das Edikt geschützt war41•

Der Umstand, dass die von der bona fides geschützte Leihe zwar seit Labeo aus dem vorkiassischen Recht in das Edikt zurückgekehrt und daher auch im System des Ediktkommentars De pactisais Reaivertrag aufgenom-men worden war, aber doch in ihm keinen angestammten Piatz einnahm, kônnte schliesslich auch erkiaren, warum es Ulpian ieichtfiei, sich für die

Der Umstand, dass die von der bona fides geschützte Leihe zwar seit Labeo aus dem vorkiassischen Recht in das Edikt zurückgekehrt und daher auch im System des Ediktkommentars De pactisais Reaivertrag aufgenom-men worden war, aber doch in ihm keinen angestammten Piatz einnahm, kônnte schliesslich auch erkiaren, warum es Ulpian ieichtfiei, sich für die