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DIE KLASSISCHE SUBSUMTIONSSTRENGE- AM BEISPIEL DER GLADIATORENMIETE

Es geht in diesem Beitrag des Niiheren um das Problem, wie das romi- romi-sche Recht daraufreagierte, wenn mit einer Gefahrübernahme in einem

2. DIE KLASSISCHE SUBSUMTIONSSTRENGE- AM BEISPIEL DER GLADIATORENMIETE

Der folgende Gaius-Text bewahrt uns die klassische Lehre in der Tat in be-sonderer Klarheit.

Gaius III 146

... si gladiatores ea lege ti bi tradiderim, ut in singulos, qui integri exierint, pro sudore denarii XX mi hi darentur, in eos vero singulos, qui occisi aut debilitati fuerint, denarii mille, quaeritur, utrum emptio et venditio an locatio et conductio contrahatur. et magis placuit eorum qui integri exierint, locationem et conductionem contractam videri, at eorum, qui occisi aut debilitati sunt, emptionem et venditionem esse; idque ex accidentibus apparet tamquam sub condicionefacta cuiusque venditione aut locatione. iam enim non dubitatur, quin sub condicione res veniri aut locari possint.

(Wenn ich dir Gladiatoren unter der Vertragsbestimmung übergebe, dass mir für jeden einzelnen, der unverletzt die Arena verHisst, «für den Kampfschweiss» 20 Denare gegeben werden, dagegen für jeden einzel-nen, der getotet oder verstümmelt worden ist, 1000 Denare, fragt es sich, ob ein Kauf oder eine Miete zustandekommt. Und es hat sich diè An-sicht durchgesetzt, dass es sich bei denen, welche die Arena unverletzt ver lassen, jeweils um eine Miete handelt, dagegen bei denen, die getOtet oder verstümmelt werden, jeweils ein Kauf vorliegt. Und es wird aus dem, was dann jeweils eintritt, klar, dass gewissermassen für jeden Gla-diator jeweils unter der [entsprechenden] Bedingung entweder ein Kauf oder eine Miete vorgenommen wurde. Man bezweifelt ntimlich schon nicht mehr, dass Sachen unter Bedingung verkauft oder vermietet wer-den konnen.)

Man ste Ile sich zur Veranschaulichung einen Vertrag zwischen einem Eigen-tümer einer Gladiatorenschule und einem Munizipalmagistrat v or, der seine Heimatstadt mit Gladiatorenspielen erfreuen mochte und zu diesem Zwecke Kiimpfer anmietet10. Was die von den Parteien getroffene Abrede bezweckt, 10 Vgl. die umfassende, auch Rechtsfragen einschliessende Erorterung dieser

fremdarti-gen und abstossenden (durch die Rechtlosigkeit der Sklaven, Kriegsgefanfremdarti-genen und zum Tode Verurteilten ermoglichten) Einrichtung Georges VILLE, La Gladiature en occident des origines à la mort de Domitien, Rom 1981. Der Autor nennt unsere Stelle (S. 274 Anm. 102), vermutet richtig, dass die von Gaius erliiuterte Vertragsgestaltung in die Republik zurückgeht, nachdem er zuvor wahrscheinlich gemacht hat, dass sich auch Cicero einmal über Atticus an dem eintriiglichen Geschiift mit Gladiatoren betei-ligt hat (S. 271). Cicero wies Atticus darauf hin, dass man die Gladiatoren, statt sie weiterzuverkaufen, wegen ihrer in einem Auftritt bewiesenen Qualitiit besser vermie-tet hiitte, weil schon durch zwei Vermietungen der Kaufpreis wieder hereingekommen

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ist nicht schwer zu begreifen: Es ist eine Miete mit einer besonderen Rege-lung ftir den FaU, dass die Gladiatoren durch den vertragsgemassen Einsatz sterben oder unbrauchbar werden. Daher soli der Untemehmer im ersten Fall, der zuerst genannt wird und offenbar- begütigend oder realistisch- als der Normalfall angesehen wurde, einen Mietzins bekommen, im zweiten Fall da-gegen das Fünfzigfache, also offenbar eine Art W ertpauschale. Die erste Moglichkeit wurde von der erfolgreichen Meinung als- bedingte- Miete, die zweite Moglichkeit als- bedingter- Kauf gedeutet. Die beiden auf das glei-che Lebensverhaltnis bezogenen Regelungen storen einander nicht, sondem bilden durch die jeweilige Bedingung klare Alternativen. Entweder kommt die eine oder die andere Vertragsgestaltung zum Zuge. Je nachdem wie die Bedingung ausgefallen ist, liegt hinsichtlich eines jeden einzelnen Gladiators entweder ein Kauf oder eine Miete vor. Mi ete ist gegeben, wenn der Gladiator unverletzt die Arena verlassen hat, Kauf, wenn er im Kampf verstümmelt oder todlich verletzt wurde. lm zweiten Fall kommt der Kauf, der bei Bedingungseintritt eine in der W elt vorhandene Kaufsache und damit einen lebenden Sklaven fordert, im Todeszeitpunkt zustande und damit nach der auch sonst bezeugten Auffassung der klassischen Juristen (vgl. Anm. 11 am Ende) noch v or dem Eintritt des Todes. Diesem Verstandnis entspricht auch der brutale Sinn des Ganzen. Der Untemehmer der Gladiatorenschule mochte mit dem verstümmelten und tüdlich verletzten Gladiator nichts mehr zu tun haben. Um ihn mag sich sein Kunde kümmern. Das Ergebnis ist klar: Der Kunde soli in Hohe des vereinbarten Preises das Risiko von Tod und Ver-stümmelung tragen.

Gaius folgt bei dieser Konstruktion ersichtlich nicht der dem heutigen Denken naheliegenden Vorstellung, dass die beiden Vertrage- mit ihren alter-nativen Bedingungen- als Regelungen von Anfang an nebeneinander stehen.

Vielmehr sieht Gaius, wie das aut amEnde des Textes klar macht, es so, dass vor Bedingungseintritt unbekannt ist, welcher der beiden moglichen Vertrage geschlossen ist. Erst nach Bedingungseintritt erweist es si ch, welche der bei-den Alternativen :fiir bei-den jeweiligen Gladiator gilt. In dieser nachtraglichen Klarung, welche V ertragsform :fiir das Rechtsgeschaft gilt, liegt, wie oft be-merkt worden ist, eine Art Rückwirkung 11 .

w!lre (Cicero, ad Att. 4,4a,2: si locare voluisses, duobus his muneribus liberasses).

V gl. auch Theo MAYER-MAL Y, Locatio conductio, Wien!München 1956, S. 72 ff. Anthony THOMAS, Gaius and the Gladiators, Homenaje Sanchez del Rio y Peguero 1967,

s.

151-156.

Il Vgl. - nach einem ersten Hinweis bereits in SZ 42 (1922), S. 435 Anm. 2- Gerhard BESELER, SZ 47 (1927), S. 357: «Zwei Vertr!lge unter entgegengesetzten Bedingungen mit Bedingungsrückwirkung». Treffend veranschaulicht Beseler dort mit erdachten

FESTE REGELUNGSSTRUKTUR ODER AUSLEGUNGSFÂHIGES PFLICHTENVERHÂLTNIS Diese Ansicht entspricht, wie wir gleich noch etwas naher sehen werden, nicht mehr ganz der Art, in der diese Einordnung ursprünglich konzipiert worden ist. Sie ist bereits im Sinne einer media sententia gemildert. Es han-delt sich schon um eine vermittelnde Meinung, wenn Gaius lehrt, dass die Einordnung des negotium bonafide gestum erst nachtraglich durch eine von der klassischen Begrifflichkeit gesteuerte Auslegung geklart wird. Die unge-milderte klassische Ansicht sah darin demgegenüber von Anfang an zwei bedingte V ertrage.

Bevor wir aber darauf eingehen, muss uns zunachst der Gaius-Text noch etwas beschaftigen. Gai us macht mit der W en dung magis placuit, die eine unterlegene Gegenmeinung voraussetzt, deutlich, dass si ch die

Bedingungs-Fallen, dass nach Gaius vor Bedingungseintritt nicht klar ist, ob die Gladiatoren gemietet oder gekauft sind. Ebenso Giuseppe GRosso, SteD 9/19 (194311944), S. 290 f., der von

«evidente retroattività» spricht, jedoch den wichtigen Passus idque ex accidentibus apparet rel!., obwohl er sich gedanklich anschliesse (è nella scia della retroattività), ais Glossem anzuzweifeln wagt. V gl. die zusammenfassende Eri:irterung bei Antonio MAS!, Studi sulla condizione ne! diritto romano, Milano 1966, S. 151 ff. Siehe auch noch August BECHMANN, Der Kaufnach gemeinem Recht. Teil 2, Erlangen, Leipzig 1884, S. 408 und MAYER-MAL Y, Locatio conductio (Anm. 10), S. 72 ff.- Der Angriff, den Werner PLUME, «Der bedingte Rechtsakt nach den Vorstellungen der romischen Klassi-ker», SZ 92 (1975), S. 69-129, S. 123 f. gegen die Auffassung einer rückwirkenden Kliirung gerichtet hat, vermag nicht zu überzeugen, ebensowenig wie Plumes unhistori-sche Generalthese, dass die Ri:imer den Rechtsakt ais bedingt angesehen hatten. Diese letztere These übertriigt die Lehre vom «aktionalen Formalismus», die Plumes Lehrer Fritz SCHULZ, Geschichte der romischen Rechtswissenschaft, Weimar 1961, S. 28 ff.

fUr die archaische ri:imische Jurisprudenz entwickelt hat und die dort auch fruchtbar ist, auf deren wissenschaftliche Epoche. Das ist methodisch verfehlt. Der eigentlichen ri:i-mischen Rechtswissenschaft, die mit dem Beginn der Rechtsliteratur einsetzt, ist in ihren verschiedenen Richtungen nur beizukommen, wenn man sich ais Rechtshistoriker um die geistigen Voraussetzungen bemüht, von denen sie ausging. Das gilt nicht zuletzt fUr die Bedingungslehre. Vgl. dazu einstweilen meine Bemerkungen unten Anm. 14 und Anm. 28. Plumes Feststellungen, dass im Gladiatorenfall Gaius nicht die Sorge beschiiftigt habe, welches materielle Rechtsverhiiltnis bestanden hat, dass es ihm viel-mehr nur um die Klassifizierung und die vom Ausgang des Kampfes abhiingige (!) Einordnung des Geschiifts gegangen sei, durch das Sklaven fûr den Gladiatorenkampf überlassen worden seien, treffen zu, reproduzieren aber auch nur das schon von Beseler hervorgehobene Verhiiltnis von offengelassener Anfangssituation und rückwirkender Kliirung. Plumes Behauptung, dass im Palle der Ti:itung es sicher nicht die toten Skia-ven waren, die Kaufgegenstand wurden, triffi ebenfalls zu, rechtfertigt aber seine An-griffe auf die Rückwirkung genauso wenig. Die Sklaven wurden vielmehr im Moment des Todes, d.h. ais gerade noch Lebende, Kaufgegenstand. Nach der gleichen Auffas-sung erkliirte das klassische Recht eine Stipulation fûr wirksam, wenn die Bedingung im Zeitpunkt des Todes des künftigen Schuldners oder Gliiubigers eintreten soli te. Denn dann wurde die Stipulation noch unter Lebenden wirksam. War die Bedingung dagegen auf den Zeitpunkt nach dem Tode des künftigen Schuldners oder Gliiubigers gestellt, war die Stipulation unwirksam. Vgl. einerseits Inst. 3,19,13, andererseits Inst. 3,19,15.

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konstruktion in seinen Augen gegen eine abweichende Meinung durchsetzen musste. Eine solche Gegenmeinung ist in den Quellen auch erkennbar, niim-lich als Ansicht des vorklassischen Juristen Q. Mucius Scaevola p.m. Er hat (vgl. den folgenden Abschnitt) die Gefahrübernahme in einem Leihvertrag, dem unentgeltlichen Gegenstück der Miete, einfach ais eine bezifferte Gefahr-übernahme eingeordnet, die den Haftungsmassstab erhôht. Der für die unter-gegangene Sache zu zahlende Geldbetrag war nach dieser Auffassung kein Kaufpreis, sondern schlicht eine Schadenspauschale. Grundlage dieser An-sicht war die Auslegungsfreiheit, welche die vorklassische Jurisprudenz im Bereich der bona fides hatte. Denn nach den Regeln der bonae fidei interpretatio konnte eine bezifferte Gefahrübernahme in ein negotium bona fi de contractum, das eine Sachüberlassung enthielt, einfach als Nebenabrede

aufgenommen werden.

Dass es sich bei der von Gai us vorausgesetzten Gegenansicht um diese vorklassische Auffassung handelt, wird vom Gai us-Text selbst beleuchtet, niimlich durch die Beschaffenheit der Zweifel, die es nach Gaius zu überwin-den galt, um sich der Bedingungskonstruktion anschliessen zu kéinnen. Sie betrafen die Frage, ob V ertriige wie die emptio venditio und die locatio conductio überhaupt bedingbar sei en. Hinter diesen Zweifeln steht der allge-meine Satz, dass bona-fides-V erhiiltnisse überhaupt nicht durch Bedingun-gen beschriinkt werden kéinnen. Seine Überwindung hat auch sonst deutliche Spuren hinterlassen, im Auftragsrecht und insbesondere im Gesellschafts-recht, wo si ch Justinian noch ausführlich über die entsprechende Kontroverse ausliisst12

!2 Daher versichert Paulus 32 ad edictum D 17,1,1,3 zum Auftragsrecht mandatum ... et sub condicione con trahi potest, in voiler Parallele zu entsprechenden Âusserungen zum Recht der Geldvertrage (Paulus 34 ad edictum D 19,2,20 pr sicut emptio ita et locatio sub condicione jieri potest; lnst. 3,23,4 emptio tarn sub condicione quam pure contrahi potest). Nicht anders zum Gesellschaftsrecht: Paulus 32 ad edictum D 17,2, 1 pr. Societas coiri potest ... vel sub condicione. Hier gibt es sogar eine Reformkonstitution, die sich - noch einmal nachdrücklich - fur die in hochklassischer Zeit bereits herrschend ge-wordene Ansicht der Bedingbarkeit ausspricht, um das Wiederaufleben eines solchen Streits in der Zukunft zu verhindern: CJ 4,37,6 (a. 531) De societate apud veteres dubitatum est, si sub condicione contrahi potest: put a «si ille consul jieret» societatem esse contractam. sed ne simili modo apud posteritatem sicut apud antiquitatem huiusmodi causa ventiletur, sancimus societatem contra hi passe non solum pure, sed etiam sub condicione: voluntates etenim legitime contrahentium omnimodo conservandae sunt.

Es ware ganz falsch, die Betonung, die Justinian dem Vertragswillen gibt, ihm zuzu-schreiben. Sie ist ais der durch Auslegung zu ermittelnde Vertragswille das Kernelement des hochklassischen, in entscheidendem Masse von Julian vorbereiteten Kompromis-ses, an den Justinian nur anknüpft.

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In den Kategorien der vorkiassischen Jurisprudenz ist jener allgemeine Satz verstandlich und foigerichtig: Wer bona fides schuidet, schuidet sie un-bedingt. Eine von der bona fides gepragte Schuid ist mit einer forme lien Be-dingung unvertraglich, so sehr, dass ein bedingtes bonamfidem praestare ein Widerspruch in si ch ist. Man kann nicht widerspruchsfrei sagen: Sie konnen sich auf mich ver lassen und hinzufùgen, aber nur, wenn ein bestimmtes, ver-traglich festgeiegtes, zukünftiges Ereignis eintritt. Denn mit einer solchen Âusserung sagt man in Wahrheit: Bevor das zukünftige ungewisse Ereignis eingetreten ist, konnen sie si ch nicht auf mich veriassen. Es handelt si ch, modem gesprochen, um einen performativen Widerspruch. Für das vor-kiassische Denken würde, wer so spricht, den Versuch mach en, sich den Ge-boten des von der bona fides beherrschten ius gentium zu entziehen und si ch auf das Gebiet ius strictum zu retten, das seinen Eigennutz und seine Freiheit schützt. Dies kann er jedoch nach vorkiassischem Recht nur erreichen, wenn er sich der Formen des strikten bürgerlichen Rechts bedient. Sie werden in der vorklassischen Lehre ais Zusatze zum ursprünglichen Naturrecht aufge-fasst und haben ais soiche den Zweck, Freiheit und Eigennutz auch gegen-über Ansprüchen der soziaien Rücksichtnahme zu sichem 13 . Zugunsten des-sen, der diese strikten Regeln beachtet, sind sie wirksam. Wer dagegen im Bereich der bona fides bieibt, kann sich den gesellschaftlichen Anforderun-gen nicht entziehen. Dies ist der dogmatische Grund, warum eine Bedingung im Bereich der bona fides für das vorkiassische und altsabinianische Denken nicht moglich war14. Wenn im Bereich der bona fides Voraussetzungen und

13 Vgl. die entsprechende Lehre der maiores einschliesslich Q. Mucius Scaevola bei Ci-cero, de officiis III 17,69 (siehe den Text unten Anm. 31) und zu der Lehre von den prosthekai Johannes VON ARNIM, Stoicorum Veterum Fragmenta III Nr. 323, S. 80.

14 Das vorklassische Recht kannte die Bedingung nur ais Regelung des stadtbürgerlichen ius strictum. Ihre Geschichte, auf die hier nicht naher eingegangen werden kann, ist gerade deshalb besonders lehrreich. Wir dürfen namlich annehmen, dass das griechi-sche W ort prosthelœ ( das Hinzugefùgte ), mit dem bezeichnet wurde, was das stadt-bürgerliche Recht dem Naturrecht hinzuftlgte (vgl. oben Anm. 13), in der vorklassischen Jurisprudenz durch das lateinische Wort condicio (das Hinzugesagte) wiedergegeben wurde. Da dem Naturrecht ein giittlich-pantheistischer Ursprung zugeschrieben wurde, war dadurch das strikte Recht ais das spezifisch menschliche Recht gekennzeichnet. Es war das Recht, das die condicio humana der antiken Staatenwelt, deren Erfassung Ziel des vorklassischen Rechtssystems war, von dem goldenen Zeitalter des reinen Natur-rechts schied. V gl. dazu einstweilen meinen Beitrag «Gesetz und Sprache» ( oben Anm. 2), S. 186 ff. und meine Untersuchung «Tiberius Gracchus und die Juristen sei-ner Zeit», in: Klaus LmG und Detlef LIEBS (Hrsg.), Das Profil des Juristen in der europaischen Tradition, Ebelsbach 1980, S. 41 ff. und S. 51 ff. Das klassische Recht wurde demgegenüber ais reines ius humanum konzipiert (vgl. Cicero, Partitiones oratoriae 37,129). Folgerichtig entwickelte es daher auch eine einheitliche Bedingungslehre.

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Umstiinde vereinbart wurden, unter denen die Leistung geschuldet sein sollte, dann wurden sie von der vorklassischen Methode nicht als verselbsUindigte formale Bedingungen gedeutet, sondem als Voraussetzungen der Leistungs-pflicht, die als sole he unmittelbar von der bonae fidei interpretatio erfasst wurden.

Die siegreiche Meinung geht mit ihrem strengen Subsumtionsschema letzt-lich auf die Servius-Schule zurück. Dass Gaius sie ais hochklassischer Sabinianer mitsamt der neuen Bedingungslehre ais die nunmehr richtige mit-teilt, hat seinen Grund darin, dass Julian, der zur Zeit des Gaius die sabinianische Schule leitete, dem Grundsatz nach die tatbestandliche Strenge der klassischen Vertragslehre des Servius in die sabinianische Schule rezi-piert hat. Die Diskussion, die Julian im Zuge dieser Rezeption mit den Schrif-ten des Servius geführt hat, ist in den Que lien auch noch an einigen Stellen erkennbar15Zwar batte Julian von der eigenen Schule die Theorie des negotium gestum als Grundlage allen Vertragsrechts bewahrt und sich da-durch eine grôssere Auslegungsoffenheit bewahrt. Aber die verbindliche Fra-ge, welche die Auslegung in der sabinianischen Rechtsschule beherrschte, war seit Julian, ob das negotium gestum eine der Vertragsformen erzeugte, die in der geschlossenen Zahl der vom Ediktssystem des Servius anerkannten Vertragsfiguren vorkamen16• Das augenfàlligste Ergebnis dieser folgenrei-chen Rezeption waren die Gaius-Institutionen. Sie sind eine Frucht jener W ende, die Julian in der von ihm geleiteten Schule durchgesetzt hat. Daher steht dieses Lehrbuch bei den Austauschvertragen nicht mehr auf dem altsabinianischen Standpunkt, demzufolge kraft der verkehrsrechtlichen bona fides alle Tauschvertrage klagbar sind, sondem fordert in Übereinstimmung mit der klassischen Figurenlehre eine Gegenleistung in Geld. (vgl. Gai us III 141: pretium in numerata pecunia consistere debet; Gaius III 142, 144 ).

15 Besonders bezeichnend ist die Überlieferung, dass Julian auch die Entscheidung des Servius Sulpicius bei African 8 quaestionum D 19,2,35, 1 kommentiert hat, in der Servius aus dem Tausch der Nutzungsteîle zwischen Miteîgentümern unter der Voraussetzung eines für beide Leistungen bestîmmten certum pretium zweî Pachtvertrage macht. V gl.

dazu bereîts oben Anm. 8. Es gîbt noch weîtere solche Julian-Servius Diskussionen, die haufig in unmittelbaren oder modifizierten Rezeptionen enden. Vgl. z.B. Julian 44 dig D 41,5,2,2, African 7 quaest D 44,7,3, African 8 quaest D 19,2,35,1 und unten Anm. 40 zum Utilitatsprinzip. Gelegentlich steht aber an ihrem Ende auch ein nicht weniger lehrreicher Dîssens. Vgl. z.B. Servius bei Marcellus 13 dig D 46,3,67 mît Julian 18 dîg D 12,1,20.

l6 Vgl. naher dazu BEHRENDS, Die bona fides îm mandatum (Anm. 1), S. 33 ff. Dass Julian, obwoh1 Sabînianer, vom Boden der (die einfachen Tauschvertrage ablehnenden) Vertragstheorie des Edikts De pactis argumentiert, beweisen seine Stellungnahmen bei Ulpian 4 ad edictum D 2,14,7,2 und Julian 14 digestorum D 19,5,3.

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Mit dieser Wendung der sabinianischen Rechtsschule war die klassische Subsumtionsstrenge- auch Max Kaser spricht in bezug auf das klassische Vertragssystem zutreffend von «juristischer Subsumtion»17- praktisch zur Alleinherrschaft gekommen. Hatten die Parteien sich über den Austausch von Waren und Preis geeinigt, dann war dieses einverstiindliche Handeln, dieses id quod actum est, wie Servius es nennt18, oder dieses negotium contractum, wie Julian (und Gai us) in F ortsetzung der vorklassischen Tradition es in der Regel vorziehen zu sagen19, eben ein Kauf. Diese Subsumtion des die ent-sprechenden Merkmale aufweisenden Sachverhalts un ter die entsprechende Merkmale fordemde Regel, wie sie uns als Kennzeichen der Methode des Servius beschrieben wird (vgl. oben Anm. 4) hat etwas Unweigerliches. Man darf nur nicht vergessen, dass das bei Servius no ch ganz deskriptiv gemeinte id quod actum est seit der hochklassischen Zeit in der Art einer naturrechtlich aufgeladenen Verkehrsbeziehung gedeutet wurde, mit der Folge, dass das festgehaltene klassische Verhaltnis zwischen der tatsachlichen conventio der Parteisphare und dem rechtssystematischen nomen contractus nicht mehr ein-fach als forrnale Subsumtion eines Falles unter eine Regel aufgefasst, son-dem als durch Auslegung zu klarendes Verhaltnis von verkehrsrechtlichem, pflichtentriichtigen Naturrechtstatbestand und individualistisch gepriigter Rechtsfolge verstanden wurde. Daher rührt auch die berühmte Denkforrn des ex con trac tu nascitur obligatio (vgl. nur Gai us III 88). Femer wurden durch diesen Vorgang alle priitorisch geschützten Verhiiltnisse, die spiiter sogenann-ten pacta praetoria, in das ius rezipiert, so dass bei Ulpian selbst das pactum conventum, das nur eine Einrede erzeugt und dessen Faktizitiit Paulus noch mit klassischer Schiirfe betont, ganz gegen die ursprüngliche klassische

17 KASER verwendet diesen Ausdruck (Rom isches Privatrecht 12, S. 581 ), wo er die Durch-brechung des klassischen Systems mit Hilfe der seit Labeo bezeugten actio praescriptis verbis in den Blick nimmt. Anerkennenswerte AnsprUche insbesondere aus Tausch-verhiiltnissen mit einseitiger Vorleistung- dieser der im Grundsatz zutreffend erkannte Zweck der Klageart - sollten «nicht an Schwierigkeiten der juristischen Subsumtion scheiterm>. Vgl. zu der Frage auch oben Anm. 9.

18 Zur Herkunft dieser deskriptiven Formel aus der Schule des Servius vgl. Fritz PRINGSHEIM, «Id quod actum est», SZ 78 (1961), S. 1-91, (S. 18 ff., 43). Die Formel bezeichnet das, was die Parteien wirklich gemeint haben, und fordert dazu auf, die Parteivorstellungen danach auszulegen, was sie von der vertragsrelevanten Welt der Objekte und den Vereinbarungsstrukturen der Ebene der conventio in ihr Bewusstsein aufgenommen hab en.

19 Vgl. etwa Gaius III 91 und Julian 39 dig D 12,6,33 Das negotium gestum oder negotium contractum dieser Tradition bildet die Grundlage einer verkehrsrechtlichen bonae jidei interpretatio, entweder unmittelbar oder kraft exceptio; dass dies in der vorklassischen Tradition steht, zeigt die mucianische exceptio EXTRA QUAM SI !TA NEGOTIUM GESTUM EST UT EO STAR! NON OPORTEA TEX FIDE BONA (Cicero, ad A tt. 6, 15).

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Konzeption, die der pratorischen Regelbildung die Qualitat ius vorenthielt, als dem ius gentium zugeordnet erscheint20

Der klassische Subsumtionsstil war damit trotz der Milderung im we-sentlichen von der sabinianischen Rechtsschule rezipiert. Das zeigt sich nicht

Der klassische Subsumtionsstil war damit trotz der Milderung im we-sentlichen von der sabinianischen Rechtsschule rezipiert. Das zeigt sich nicht