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CONVENTIO ALS SUBJEKTIVES ELEMENT DES ROMISCHEN VERTRAGSVERST ÀNDNISSES

Das Vertragsrecht der klassischen Zeit 5 tritt besonders klar in dem berühm- berühm-ten, aus der Einleitung von Ulpians Kommentierung des Ediktstitels de pactis

2. CONVENTIO ALS SUBJEKTIVES ELEMENT DES ROMISCHEN VERTRAGSVERST ÀNDNISSES

Den Weg, der zu einer conventio führt, schildert Ulpian als einen Konvergenzprozess, der ex diversis animi motibus seinen Ausgang nimmt und in einen Konsens einmündet (in unum consentire, in unam sententiam decurrere). Grundlage dieser Vorstellung ist die Differenzierung zwischen den diversi animi, die nicht in die conventio eingehen, und dem Konsens, der jeder conventio immanent ist14. Ein Konsens ist in dem Zeitpunkt erzielt, in

« Übereinkommen, Einigung, Vertrag», con tractus mit « Vertrag», pactum mit «formlo-se Vereinbarung» und obligatio mit «Schuldverhiiltnis». Damit verdeutlichen sie, dass jede dieser Bezeichnungen unterschiedliche Facetten hervorhebt: conventio das Mo-ment der Einigung und con tractus den Vertragstyp im Unterschied zur formlosen Über-einkunft des pactum.

12 Wieacker nennt das Ulpianfragment ein Beispiel flir «wahrhaft produktive Generalisie-rungen im Wortsinn, die im Geist von Celsus' ars aequi et boni die innersten Zusam-menhiinge der obligatio erfassten» (Franz WIEACKER, Romische Rechtsgeschichte 1 (Anm. 10), S. 637 f. Fn. lOO; siehe auch schon DERS., Societas. Hausgemeinschaft und Erwerbsgesellschaft, Weimar 1936, S. 275 ff.).

13 Ulpian bezieht den Begriff conventio nicht allein auf das Privatrecht, sondern auch auf offentlich-rechtliche Vereinbarungen: Conventionum autem tres sunt species. aut enim ex pub/ica causa jiu nt aut ex privata: privata a ut legitima aut iuris gentium. pub/ica conventio est, quae fit per pacem, quotiens inter se duces belli quaedam paciscuntur (D. 2,14,5 Ulpianus libro quarto ad edictum).- Zu Vermutungen, dass ein Zusammen-hang zwischen conventio und dem iuris consensus der antiken Staatsentstehungslehre besteht: Okko BEHRENDS, «Die Grundbegriffe der Romanistik. Zugleich eine Warnung vor dem l'art pour l'art», Index 24 (1996), S. 1 ff. (18 f.); BEHRENDSIKNÜTELIKUPISCHI SElLER, Corpus Iuris Civilis II (Anm. 11), S. 224 Fn. 1; dazu die Rezension von Theo MAYER-MAL Y, SZ 113, 1996, S. 451 ff. ( 453); vorher schon zu diesem Thema: Filippo CANCELLI, «luris consensu nella definizione ciceroniana di res pub/ica», in: Studi in memoria di Guido Donatuti /, Mailand 1973, S. 211-235; Theo MAYER-MAL Y, «Die Bedeutung des Konsenses in privatrechtsgeschichtlicher Sicht», in: Günther JAKOBS (Hrsg.), Rechtsgeltung und Konsens, Berlin 1976, S. 91 ff. (93); Gaetano MANCUSO,

«Potere e consenso nell'esperienza costituzionale repubblicana», Annali del Seminario Giuridico della Università di Palermo 41 (1991), S. 209-222.

!4 Zu dieser Differenzierung: BEHRENDS, Anthropologie juridique (Anm. 5), S. 351;

BEHRENDS, Lenel (Anm. 9), S. 192. Die Auffassung, die strikt zwischen den Motiven

PACTUM, CONVENTIO, CONTRACTUS

dem die Parteien den Bereich der animi verlassen und die Grenze zu einer sententia überschreiten; von diesem Moment an entfaltet der übergeordnete Wert der fides seine Wirkung. Die Konsensbildung lasst sich demnach in drei Phasen einteilen: Auf der ersten Entwicklungsstufe bestehen die Einzelwillen nebeneinander, in der zweiten nahern sie si ch gegenseitig an und in der dritten verschmelzen sie zum Konsens.

Die diversi animi umfassen die jeweiligen Motivationen, Erwartungen und individuellen Einzelwillen der künftigen Vertragspartner15 . In diesem Sta-dium sind die Willensbildungen der bei den Parteien in Bewegung und haben noch nicht den Grad an Stabilitiit und Verbindlichkeit erreicht, der notwendig ist, um sie der fides zu unterstellen.

Die Konsensbildung setzt vielmehr voraus, dass si ch die Individualwillen aufeinanderzuentwickeln, bis sie si ch in einem bestimmten Punkt decken und so eine feste Einheit bilden. Zur Begründung (nam) der Konzentration der conventio auf den Konsens führt Ulpian ein etymologisches Argument an, namlich die konkrete Wortbedeutung von convenire. Er parallelisiert das tat-sachliche Zusammenkommen von verschiedenen Platzen her an einem einzi-gen Ort mit der Anniiherung der Individualwillen, bis sie in einem Punkt über-einstimmen. Der Hinweis auf die Etymologie, ein gelaufiger Topos in romischen Rechtstexten16, hat hier nicht nur eine illustrierende Funktion, sondern tragt Wesentliches zum Verstandnis des Konsenses bei. Convenire und consentire werden niimlich als Bewegungsablaufe aufgefasst, die auf das Eingehen einer Verbindung abzielen und bei denen allein das erreichte Ergebnis, das Einneh-men eines gemeinsaEinneh-men Standpunktes, interessiert17.

Die dritte Stufe des Konvergierens ist erreicht, sobald sich die Individualwillen treffen. Soweit die be id en Individualwillen kongruent sind, und dem rechtlich allein relevanten Rechtsakt unterscheidet, klingt heute noch in der franzosischen Rechtssprache im Ausdruck «mobile d'un acte» an: «mobile» steht ftir die in Bewegung vorgestellte Motivationslage; «acte» ftir den im Ergebnis erzielten Rechtsakt.

15 Zum animus-Begriff: KASER, Romisches Privatrecht 1 (Anm. 10), S. 236 f. («die auf einen bestimmten Rechtszweck gerichtete Absicht des Handelnden» ); BEHRENDS, Lenel (Anm. 9), S. 192 (die «individuellen und eigennützigen Willensregungen» des Men-schen; «Motive der Parteien»); MAYER-MALY, Konsensstôrung (Anm. 4), S. 250.

16 CICERO, Topica VIII, 35-37. Zur Etymologie im romischen Recht: W!EACKER, Romi-sche Rechtsgeschiche 1 (Anm. 10), S. 654 f.; Bruno SCHMIDLIN, Die romiRomi-schen Rechts-regeln, Kôln/Wien 1970, S. 194 ff., der zutreffend hervorhebt, dass nicht selten die juristische String enz grôsser sei ais die philologische ( «Das juristische Denken lenkt die Etymologie», S. 197).

17 Vgl. BEHRENDS, Anthropologie juridique (Anm. 5), S. 351: «On est alors passé ... du stade agité des motus animi à une opinion commune et stable sur l'existence d'un contrat».

RUDOLF MEYER-PRITZL

entsteht ein Bereich der Willensübereinstimmung. Mit der Bildung des Konsenses geben die beiden Partner ihre Individualwillen nicht auf, sondem bringen sie in den gemeinsamen Willen ein, um sie nun in diesem Rahmen zu realisieren. Der Konsens stellt damit die Schnittmenge dar, die die Punkte umfasst, über die die Parteien eine Einigung erzielt haben. Ulpian differen-ziert zwischen der rechtsunerheblichen Phase der Verhandlungen und dem Zustand des Einigseins (consentiunt}'8. Consentire bezeichnet, ebenso wie das einleitende, signifikanterweise im Perfekt gebrauchte placuere, nicht die Entstehung des Konsenses, sondem das Resultat der erreichten Willensüber-einstimmung. Dass die Perfektion der Einigung die massgebliche Grundlage des Konsenses darstellt, bestatigt die Verwendung des Infinitiv Perfekt (consens isse) durch Gaius in seinen Institutionen19:

Gaius, Institutiones III, 136

!dea autem istis modis consensu dicimus obligationes contrahi, quia neque verborum neque scripturae ulla proprietas desideratur, sed sufficit eos, qui negotium gerunt, consensisse.

Zwar waren auch fùr den Abschluss von Konsensualvertragen bestimmte Formeln üblich; bei der emptio venditio beispielsweise die Frage emptus mihi esta fundus Cornelianus tot milibus? und die Antwort esto20Doch hatte dieser Austausch von Frage und Antwort keinerlei konstitutive Wirkung, son-dem lediglich eine deklaratorische21. Für die Konsensualkontrakte hebt Pau-lus hervor, dass sie nicht durch Wortformen, sondem durch die erzielte Willens-übereinstimmung zustandekommen:

D. 45,1,35,2 Paulus libro duodecim ad Sabinum

Si in locando conducendo, vendendo emendo ad interrogationem quis non responderit, si tamen consentitur in id, quod responsum est, valet 18 SCHMIDLIN, Berner Kommentar (Anm. 7), N 5 der Vorbemerkungen zu Art. 3-10 OR;

Bruno SCHMIDLIN, «Les deux modèles de la formation du contrat en droit naturel et en droit pandectiste», in: Incontro Giovanni Pug/iese, Mail and 1991, S. 33; Andreas W ACKE,

«Errantis voluntas nul/a est. Grenzen der Konkludenz stillschweigender Willenserkla-rungen», Index 22 (1994), S. 267 ff. (286: Die Klassiker werden «consensus ... ais

<Einigseim verstanden haben»).

19 In den Institutionen Justinians ist die besondere Akzentuierung der Perfektion der Eini-gung verlorengegangen: ... sed sufficit eos qui negotium gerunt consentire (IJ 3,22,1).

20 Zur Form des Kaufabschlusses: Joseph Georg WOLF, Error im romischen Vertrags-recht, Koln/Graz 1961, S. 35 ff.

21 SCHMIDLIN/CANNATA, Droit privé romain II (Anm. 7), S. 110; SCHMIDLIN, Les deux modèles (Anm. 18), S. 33 f.

PACTUM, CONVENTIO, CONTRACTUS

quod actum est, quia hi contractus non tarn verbis quam consensu confirmantur.

Ais Bezugspunkt des Konsenses nennt Paulus id quod actum est. Wie die von Pringsheim zusammengestellten Texte zeigen22, konnte sich quod actum ebenso auf den Parteiwillen wie auf den objektiv-typischen Vertragsinhalt beziehen23.

Mit id quod actum est wird das bezeichnet, was der beiderseitigen Parteiab-sicht entsprach, so wie sie in den Konsens Eingang gefunden hat24. Bereits Mayer-Malyund Behrends haben unter Hinweis aufD. 44,7,3,1 die Verbin-dung zwischen id quod actum est und der Willenseinigung der Parteien auf-gezeigt25. Ergiinzend sei eine weitere Stelle aus Ulpians Ediktkommentar ge-nannt, die den Zusammenhang zwischen id quod actum est und dem in der conventio enthaltenen Konsens verdeutlicht:

D. 19,1,11,1 Ulpianus libro trigesimo secundo ad edictum

Et in primis sciendum est in hoc iudicio id demum deduci, quod praestari convenit: cum enim sit bonae fidei iudicium, nihil magis bonae fidei congruit quam id praestari, quod inter contrahentes actum est. quod si nihil convenit, tune ea praestabuntur, quae naturaliter insunt huius iudicii potes tate.

Id quod inter contrahentes actum est bezieht si ch auf das, worüber die Par-teien in der conventio übereingekommen sind (quod praestari convenit), d.h.

22 Fritz PRINGSHEIM, «Id quod actum est», SZ 78, 1961, S. 1 ff.

23 Sven Erik WUNNER, Contractus. Sein Wortgebrauch und Willensgehalt im klassischen romischen Recht, Koln/Graz 1964, S. 180; Heinrich HoNSELLffheo MAYER-MAL Y/Walter SELB, Rom isches Recht, 4. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York!London/Parisffokyo 1987, S. 89; KASER, Romisches Privatrecht 1 (Anm. 10), S. 236.

24 WUNNER, Contractus (Anm. 23), S. 181 (« ... die Bemühung, den rechtlichen Gehalt der vertraglichen Abmachung vom Willen der Parteien her zu verstehen» ); BEHRENDS, Anthropologie juridique (Anm. 5), S. 355; BEHRENDS, «Feste Regelungsstruktur oder auslegungsfli.higes Pflichtenverhiiltnis» (in diesem Band, S. 43 Anm. 18: «was die Par-teien wirklich gemeint hab en»); W ACKE, Errantis voluntas nu lia est (Anm. 18), S. 286.

25 D. 44,7,3, 1 Paulus libro secundo institutionum: Non salis autem est dantis esse nummos etjieri accipientis, ut obligatio nascatur, sed etiam hoc anima dari et accipi, ut obligatio constitua/ur. itaque si quis pecuniam suam donandi causa dederit mihi, quamquam et donantis fuerit et mea fiat, tamen non obliabor ei, quia non hoc inter nos actum est.

Dazu: MAYER-MALY, Konsensstorung (Anm. 4), S. 250 f.; BEHRENDS, Anthropologie juridique (Anm. 5), S. 355 (Fn. 71: «dans ce fragment ... 1' animus, le consentement sur la cause et l'id quod actum sont traités comme des synonymes»); PRINGSHEIM, Id quod actum est (Anm. 22), S. 79.

RUDOLF MEYER-PRITZL

worüber sie einen Konsens erzielt haben26 . Der Konsens und id quod actum est haben in diesem Kontext die gleiche Bedeutung. Es fâllt auf, dass bei der Beschreibung des Konsenses immer wieder die Praposition inter gebraucht wird: In D. 19,1,11,1 heisst es intercontrahentes actum est und inD. 2, 14,1 pr.

inter eos placuerunt. Diese wiederholte Verwendung von inter contrahentes, die sich in zahlreichen weiteren Que lien nachweisen lasst27, zeigt ebenso wie die Prapositionen ex ... in in D. 2,14,1,4, dass der Konsens nicht auf dem Austausch der Individualwillen von einem Vertragspartner zum anderen ba-siert, sondern auf der zwischen den Parteien erzielten Einigung. In dem Brenn-punkt, der zwischen beiden Seiten entsteht, werden die Individualwillen, so-weit sie kongruieren, gebündelt und fixiert. Entscheidendes Merkmal des Konsenses ist die von den Pareien erkannte und ihnen damit bewusste Willens-übereinstimmung. Die Einigung bezieht sich demzufolge nicht auf die ausseren Verlautbarungsakte28, sondern auf die inneren Will en der Vertragspartner29.

Einen derartigen Konsens, der die Treuebindung der fides auslost, bezeichnet Ulpian ais conventio30 .

26 Zu diesem Fragment: PRINGSHEIM, Id quod actum est (Anm. 26), S. 62 f., der den cum-Satz ftir nachklassisch hiilt.

27 Weitere Beispiele: D. 2,14,40,3 (Papinianus libro primo responsorum: ... cum inter contrahentes id actum sit ... ); D. 2,14,58 (Neratius libro tertio membranarum: ... inter nos constituantur .. .); D. 8,5,20,1 (Scaevola libro quarto digestorum: ... quod actum inter contrahentes esset .. .); D. 17,1,38 pr. (Marcellus libro singulari responsorum: ...

quod inter contrahentes actum esset .. .); D. 18,5,5 pr. (Iulianus libro quinto decimo digestorum: ... si convenisset inter eos .. .); D. 20,4,12,4 (Marcianus libro singulari ad formulam hypothecariam: ... quid inter eos actum sit .. .); D. 44, 7,3, 1 (Paulus libro secundo institutionum: ... quia non hoc inter nos actum sit .. .); D. 45,1,41 pr. (Ulpianus libro quinquagensimo ad Sabinum: ... quid inter nos actum est .. .); D. 45,2,8 (Uipianus Iibro primo responsorum: ... quid inter contrahentes actum sit .. .).

2& So aber WIEACKER, Societas (Anm. 12), S. 90; Gerhard DULCKEIT, «Zur Lehre vom Rechtsgeschiift im klassischen rômischen Recht», in: Festschrift Fritz Schulz /,Weimar 1951, S. 148 ff. (153 ff.); Julius Christian VAN ÜVEN, «D. 2,14,1,3: Quid dixit, quid sensit Pedius?», JURA 4, 1953, S. 114 ff.; Silvio PEROZZI, Istituzioni di diritto romano Il, 2. Aufl., Rom 1928, S. 30 ff.

29 Ebenso: K.ASER, Rom isches Priva/recht /(Anm. 10), S. 237; WUNNER, Contractus (Anm.

23), S. 134 ff., 181 und passim; MAYER-MALY, Konsensstôrung (Anm. 4), S. 251;

SCHMIDLIN/CANNATA, Droit privé romain Il (Anm. 7), S. 107 ff.; BEHRENDS, Anthro-pologie juridique (Anm. 5), S. 350 f.; Martin SCHERMAIER, Materia, Wien/Kôln/Wei-mar 1992, S. 127 (mit scharfer Polemik gegen Fritz Sturm).

Dass der Konsens auf dem inneren Willen basiert, ergibt sich auch daraus, dass die Quellen regelmiissig von putare, sentire, credere oder existimare sprechen, wiihrend das objektiv Erkliirte unerwiihnt bleibt, so dass es den Juristen auf die Willensiiusserung offenbar nicht ankam; vgl. WUNNER, Contractus (Anm. 23), S. 145; WACKE, Errantis voluntas nulla est (Anm. 18), S. 286.

30 D. 2,14,1,3 Ulpianus Iibro quarto ad edictum: ad omnia pertinens, de quibus negotii contrahendi transigendique causa consentiunt; D. 50,12,3 pr. Ulpianus libro quarto

FACTUM, CONVENTIO, CONTRACTUS

3. DER ÜBERGANG EINER CONVENTIO IN PROPRIUM