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DIE BEZIFFERTE GEF AHRÜBERNAHME FÜR SA CHEN DER RES UXORIA ZWISCHEN KLASSISCHER

Es geht in diesem Beitrag des Niiheren um das Problem, wie das romi- romi-sche Recht daraufreagierte, wenn mit einer Gefahrübernahme in einem

4. DIE BEZIFFERTE GEF AHRÜBERNAHME FÜR SA CHEN DER RES UXORIA ZWISCHEN KLASSISCHER

KAUFRECHTSKONSTRUKTION UND VORKLASSISCHER

HAFTUNGSÜBERNAHME

a) Die klassische Regelung

Die hoch- und spatklassischen Que lien werden von dem Satz beherrscht, dass Mitgiftsachen, die der Ehemann mit einem bezifferten Wert entgegennimmt, als von ihm gekauft anzusehen sind. Der Ehemann schuldet in diesem Fall am Ende der Ehe der Ehefrau nicht eine Sache, sondem einen Kaufpreis, der folgerichtig auch nicht mit der actio rei uxoriae, sondem mit der actio venditi geltend gemacht wird. Diese Klage wirdjedoch nicht eher erhoben als die actio rei uxoriae und erftillt wirtschaftlich die gleiche Funktion wie diese (vgl. C 3,33,6 a. 230 soluto matrimonio restituenda ... aestimatio). Die Ehe-frau konnte jedoch im Fall der res aestimata fur den Fall der Beendigung der Ehe mit einem festen Kaufpreis rechnen.

In der Zeit der Interpolationistik war man sich nicht ganz einig, ob man diese im Mitgiftrecht auftauchende Kaufrechtsdogmatik fur klassisch oder unklassisch zu halten habe. Die meisten haben sie, wie Beseler, durch Interpolationsbehauptunge.n den Byzantinem zugesprochen42Volterra hat dagegen, wie es scheint, die Klassizitat der Kaufrechtsdogmatik verteidigt43.

42 Vgl. Gerhard BESELER, «Miscellanea», SZ 45 (1925), S. 257 ff., der entsprechenden Interpolationsannahmen Haymanns folgt. Nach ihm etwa Arnold EHRHARDT, Justa causa traditionis, Berlin/Leipzig 1930, S. 91 ff. (93), der das Eindringen byzantinischer Leh-ren diagnostiziert, und Emilio ALBERTARIO, «lnterpolazioni in D 20,4,9,3 (Appunti sulla aestimatio dotis)», in: Studi di Diritto Romano 1, Milano 1933, S. 401-406 mit der in der Interpolationistik hliufig anzutreffenden Substituierung der vorklassischen durch die justinianische Jurisprudenz: Die in den Quellen mehrfach auftretende Vorstellung, dass die nach striktem Recht dem Ehemann zugeordnete res za:oria naturrechtlich der Ehefrau zusteht, wird demgemliss Justinian zugeschrieben.

43 Edoardo VOLTERRA, In tema di «aestimatio dotis», Rendiconti lstituto Lombardo 66 (1933), S. 1014 ff., zitiert nach Burdese (unten Anm. 44), S. 167 Anm. 3 (der Beseler zu Unrecht ais jemanden nennt, wei cher der im Text wiedergegebenen Ansicht Volt erras nahesteht).

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Hans Julius Wolff und nach ihm insbesondere Burdese versuchten einen Mit-telweg, erkannten klassische Ansatze an, schrieben aber Justinian die dogma-tische Festigung und legislative Verallgemeinerung dieser Ansatze zu und knüpften an diese Annahme viele Interpolationsbehauptungen44. Kaser hat nach dem Abklingen der interpolationistischen Phase den Versuch untemom-men, die Kaufrechtsdogmatik zu einer bloss Einzelfalle betreffenden Kasui-stik herabzustufen45, um diese Überlieferung mit seiner bekannten Überzeu-gung von dem wesentlich fallrechtlichen Charakter der romischen Entscheidungskunst in Einklang zu bringen. Diese aus der Freirechtsbewegung stammende Auffassung, die Kaser nicht sel ber begründet, aber seinem Werk zugrundegelegt hat, konnte systematische Begrifflichkeiten in den Entschei-dungen der Klassiker nur als Teil eines topischen und beweglichen Systems anerkennen, nicht dagegen als emstgemeinte Regelbildung.

Der Blick auf die Quellen ergibt demgegenüber das gleiche Bild wie der bei der Gladiatorenmiete. Es handelt sich, soweit die klassische Tradition ungemildert auftritt, um eine als unweigerlich angesehene Subsumtion: Da eine Vereinbarung, eine Sache gegen Geld einem anderen zum Zwecke der Übereignung zu übergeben, nun einmal ein Kauf ist, so ist, sofern nur die Ehe, für welche die res aestimata hingegeben worden ist, wirklich geschlos-sen wurde, wie Ulpian sagt, ein «wahrer Kauf» ge ge ben, und zwar aus Grün-den, die wir im Vorgriff schon kurz erwahnt haben und gleich naher erlautem werden, ein Kauf, der nicht durch den Eintritt der Gefahr bedingt, sondern unbedingt ist. Der dotalrechtliche Zweck des «Kaufes» drückt si ch nur darin aus, dass die Geltendmachung des Kaufpreises bis zum Zeitpunkt der Been-digung der Ehe aufgeschoben ist.

Ulpian 34 ad Sabinum D 23,3,10,4

Si ante matrimonium astimatae res dotales sunt, haec aestimatio quasi sub condicione est: namque hanc habet condicionem <<si matrimonium

44 Hans Julius WOLFF, «Zur Stellung der Frau im klassischen rômischen Dotalrecht», SZ53 (1933), S. 331 ff.; Alberto BURDESE, «Aestimatio dotis», in: Studi in onore di Emilio Betti, Vol. II, Milano 1962, S. 167-207. Die Monographie Alfred SOLLNER, Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, Kôln/Wien 1969, S. 133 berührt die Frage nur ganz kurz und ohne eigene Stellungnahme.

45 KASER, Romisches Privatrecht 12, S. 340: «Das Verh!!ltnis wird in einzelnen Beziehun-gen, besonders beim Eigentumserwerb an den Dotalsachen und bei der Eviktionshaftung, mit dem Kaufverglichen, ohne dass doch ein solcher (soweit er nicht vorliegt) geradezu unterstellt worden ware.» Dazu heisst es in der Fussnote 41: «Causa traditionis:

Pomp. D 19,2,3; causa usucapionis: Paul. vat. 111; D 41,9,2; Eviktion: Paul. vat. 105;

Ulp. D 23,3,16.» Der Versuch ist methodisch kennzeichnend: Eine klassische Formen-lehre wird der Tendenz nach in Kasuistik aufgelôst, wenn auch in Kasuistik mittlerer Abstraktionsstufe. Jede Festlegung und Regelbildung ist damit vermieden.

FESTE REGELUNGSSTRUKTUR ODER AUSLEGUNGSFÂHIGES PFLICHTENVERHÂLTNIS jùerit secutunw; secutis igitur nuptiis aestimatio. rerum perficitur et fit

vera venditio.

(Wenn vor der Ehein Geld geschatzte Mitgiftgegenstande bestellt wor-den sind, dann steht das Schatzungsgeschaft gewissermassen unter ei-ner Bedingung. Es hat namlich folgende Bedingung: «Wenn die Ehe gefolgt sein wird». Ist daher die Ehe gefolgt, vollendet sich die Schat-zung der Sachen und es kommt zu einem wahren Kauf.).

Die Aussage ist formell: Eine durch Eheschliessung perfekt gewordene aestimatio rerum ist ein Kauf. Das ist guter klassischer Stil und entspricht den klaren Regeln und der konsequente Regelanwendung fordemden Metho-de Metho-des Servius. Der «wahre Kauf» ist methoMetho-dengerecht Metho-der regelrechte Kauf, namlich bestimmt nach der (Cicero, Brutus 41, 152) «regulam qua vera et fa/sa iudicarentur». Wenn die interpolationistische Methode solche

Einord-nung einfach zu tilgen wagte46, so folgte das freirechtlicher Voreingenom-menheit, also dem Wunsch, verbindliche Begrifflichkeit dem Klassiker abzu-sprechen und der Schule, insbesondere der byzantinischen und nachklassischen Schule, zuzuschreiben. Solche Versuche haben heute, abgesehen davon, dass sie mit anregenden Beobachtungen verbunden sein konnen, nur noch histori-sches Interesse.

Die Parteien konnten selbstverstandlich Abweichendes vereinbaren.

Wurde z. B. trotz aestimatio vereinbart, dass die Sache selbst zurückgegeben werden kanne, war, wie Papinian feststellt, kein Kauf gegeben47. Denn in diesem Fall bezweckte die vereinbarte traditio nicht die ftir den Kaufwesent-liche Übereignung.

War die Ehe noch nicht geschlossen, war die mit der venditio gleichge-setzte aestimatio noch nicht perfekt, vielmehr, wie Ulpian in dem dem oben

46 BURDESE, Aestimatio dotis (Anm. 44), tilgt nicht nuret fit vera venditio, sondern fUhrt eine entsprechend entschlossene Operation auch am § 5 aus (vgl. seine Bemerkung S. 183: «non esiterei ... a ricostruire il brano genuino eliminando ogni accenno alla cornpravendita» und die Veranschaulichung der DurchfUhrung dieses Vorsatzes Anm. 48).

47 Papinian 4 responsorum D 23,3,69,7 Cum res in dotem aestimatas soluto matrimonio reddi placuit, summa declaratur, non venditio contrahitur. (Wenn vereinbart wurde, dass die in Geld geschlitzten und ais Mitgift bestellten Sachen [selbst] nach Auflosung der Ehe zurückgegeben werden soli en, wird nur die [fUr die Gefahrabrede massgeben-de] Geldsumme bestimmt, aber kein Kauf zustandegebracht); vgl. Javolen und Labeo in Jav. 6 ex post Labeonis D 23,4,32 pr. und Scaevola2 resp D 24,3,50; ferner CJ 5,12,21 (a. 294). Eine Sonderstellung nimmt die Vereinbarung der Rückgabe von mancipia tantidem aestimata, d.h. von anderen Sklaven gleichen Werts, fUr die Labeo in zwei Fragmenten zitiert wird (Javolen 6 ex post Labeo D 24,3,66,3; Pomponius 14 ad Sabinum D 23,3, 18). Sie sind eine Art Tausch und konnen schon daher kein Geldkauf gewesen sein. BURDESE, Aestimatio dotis (Anm. 44) S. 170, spricht von permutatio dotis und folgert im übrigen S. 176 aus dieser Überlieferung mit Recht, dass Labeo die klassische Einordnung der aestimatio dotis grundslitzlich vertrat.

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zitierten Fragment folgenden § 5 ausftihrt (vgl. dessen Text Anm. 48), ein bedingter Kauf. Ging daher die Sache v or Eheschliessung bei der Frau unter, traf sie die Preisgefahr, d.h. der Ehemann schuldete ihr nichts, auch wenn spiiter die Ehe geschlossen wurdé8. Diese Bedingung triigt dem Umstand Rechnung, dass der «Kauf» eine Gefahrtragungsregelung nur ftir die Ehe und daher von ihrem Zustandekommen abhiingig war. Mit der Bedingung des Gladiatorenkaufes, derzufolge die Verwirklichung der Gefahr den Kaufbe-dingte, hat sie nichts zu tun.

Dass diese Bedingung bei dem «Kauf» der in Geld geschiitzten Dotalsachen fehlte, erkliirt sich aus demjavor dotis, der anriet, der Ehefrau nicht nur die Gefahr des zufalligen Unterganges, sondem auch die Nachteile der gewohnlichen Abnutzung und Verschlechterung abzunehmen. Diese dem Ehemann nachteilige Auslegung der aestimatio bei Dotalsachen wird in den Quellen auch deutlich ausgesprochen. Ulpian stellt fest, dass eine solche Vereinbarung dem Interesse des Ehemannes nicht nur deswegen widerspricht, weil er haftet, wenn le bende Dotalgegenstiinde, Sklaven oder Tiere, ohne sei-ne Verschulden sterben ( das ist die gewohnliche Gefahr ), sondem auch dann, wenn Kleider abgenützt werden49. Es geht also, wie Hermogenian bestiitigt,

48 Ulpian 34 ad Sabinum D 23,3,10, 5 Inde quaeri potest, si ante nuptias mancipia aestimata deperierint, an mulieris damnum sit, et [hoc consequens est dicere: nam cum sit condicionalis venditio, pendente autem condicione mors contingens exstinguat venditionem.] consequens est dicere mulieri perisse [quia nondum erat impie ta venditio, quia aestimatio venditio est]. (Von daher kann man fragen, ob dann, wenn die mit Schfitzbetrag ais Mitgift bestellten Sklaven vor Eheschliessung untergehen, dies ein Schaden der Frau ist. Und es ist fo1gerichtig, dies so zu vertreten. Denn da der Kauf bedingt ist, ein wiihrend der Bedingungsschwebe eintretender zufalliger Tod aber den Kauf erloschen liisst, ist es folgerichtig zu vertreten, dass die Sklaven zu1asten der Frau untergehen, weil der Kauf noch nicht zustandegekommen ist, weil die Hingabe unter Schiitzbetrag ein Kauf ist). Die eckigen Klammern signalisieren die (von mir nicht geteilten) Interpo1ationsannahmen Burdeses, der diese Textteile den Kompilatoren zu-weisen wollte. Die stilistischen Aufililligkeiten des Textes, das zweimalige consequens und das zweimalige quia, deuten nicht auf inhaltliche Eingriffe, sondern sind Folgen der fùr die Bildung der Fragmente notwendigen Textkomprimierung. Die Annahme, dass die Kompilatoren mit solchen Interpolationen Justinian ehren wollten, der gesagt hat (C 5, 13,1 ,9 c): aestimatarum enim rerum maritus quasi emptor et commodum sentiat et stipendium subeat et periculum expectet (hinsichtlich geschatzter Sachen ist der Ehe-mann gewissermassen ein Kaufer und empilingt die Vorteile und trligt die Gefahr) (vgl. BURDESE, Aestimatio dotis [Anm. 44, S. 184 mit Anm. 83]) verkennt, dass Justinian mit einer solchen Feststellung nichts Neues schafft, sondern lediglich die von ihm über-nommene Lehre des klassischen Rechts bekraftigt.

49 Ulpian 34 ad Sabinum D 23,3,10 pr. Plerumque interest viri res non esse aestimatas idcirco, ne periculum rerum ad eum pertineat, maxime si animalia in dotem acceperit vel vestem, qua mulier utitur; evenit enim, si aestimata sit et eam mulier adtrivit, ut nihilo minus maritus aestimationem eorum praestet. quotiens igitur non aestimatae res

FESTE REGELUNGSSTRUKTUR ODER AUSLEGUNGSFÂHIGES PFLICHTENVERHÂLTNIS

auch die gewohnliche Abnutzung der Dotalsachen auf die «Gefahr» des Ehe-mannes50. Dass eine solche Regelung, soweit sie über die echte «Gefahr-tragungsregelung», wie wir sie aus der Gladiatorenmiete kennen, hinausgeht, die Ehefrau begünstigt, ist evident. Durch die aestimatio soUte die Ehefrau generell vor der Gefahr geschützt werden, am Ende der Ehe teilweise -ohne Mitgift dazustehen.

Der «wahre Kauf» hatte allerdings auch Vorteile für den Ehemann. So hielt das durch hoch- und spatklassische Milderung noch deutlich durchschei-nende klassische Recht die Ehefrau, getreu dem für den klassischen Geldkauf geltenden Grundsatz in pretia emptionis et venditionis naturaliter licere contrahentibus se circumvenire51, an einer ungünstigen Bewertung der Dotalsache fest, indem ihr wie jedem anderen für sich selbst verantwortlichen Menschen eine Informationspflicht aufgebürdet wurde. Die der Ehefrau ge-genüber freundlicheren Grundsatze, die Ulpian in seinem Sabinus-Kommen-tar erortert und die dem Ehemann, wenn der Mitgiftsklave noch lebt, nur die Wahl geben, der Ehefrau entweder den Sklaven selbst zurückzugeben oder ihr die iusta (!) aestimatio zu leisten, und die den Ehemann im Fall des Todes des Sklaven wenigstens wegen dolus haften lassen wollen, ste lien demgegen-über typische Versuche dar, zwischen dem klassischen Recht und der vor-klassischen bonae

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dei interpretatio zu vermitteln52. Die klassische Ansicht

in dotem dantur, et me li ores et deteriores mulieri jiu nt. (In den meisten Fallen ist der Ehemann daran interessiert, dass die Sachen nicht mit einem Schfitzwert übergeben werden, damit die Gefahr der Sachen nicht ihn trifft, insbesondere wenn er Lebewesen ais Mitgift entgegennimmt oder ein Kleidungsstück, das die Ehefrau tragt. Es kommt namlich dazu, dass dann, wenn das Kleidungsstück zu einem Schatzwert hingegeben ist und die Ehefrau es abnützt, der Ehemann nichtsdestoweniger den Schatzwert sol-cher Sachen leisten muss. Wenn dagegen Sachen ohne Schatzwert hingegeben werden, dann werden sie zugunsten oder zulasten der Ehefrau besser oder schlechter).

50 Hermogenian 2 iur epit D 24,3,51 Aestimatae res usu etiam mulieris periculo mariti deteriores e.fjiciuntur. (In Geld geschëitzte Dotalsachen werden auch durch Gebrauch der Ehefrau auf Kosten des Ehemannes verschlechtert.)

51 Pomponius bei Ulpian 11 ad edictum D 4,4,16,4; bestatigend Paulus 34 ad edictum D 19,2,22,3. Der Kontext bei Ulpian sind die Wiedereinsetzung des Minderjahrigen und des naheren die Gesichtspunkte, nach denen diese in integrum restitutio begrenzt werden muss. Tatsachlich wollte Marcellus, wie die folgende Anmerkung zeigt, auch die minderjahrige Ehefrau, die auf diese natürlicherweise zulassige Weise durch eine Preisvereinbarung übervorteilt worden war, von der Restitution ausschliessen.

52 Ulpian 34 ad Sabinum D 23,3, 12,1 Si mu lier se dicat circumventam min oris rem aestimasse ... quod si decessit (sc. servus), Marcellus ait magis aestimationem praestandam, sed non iustam, sed eam quae jacta est: quia boni consulere mulier debet, quod fuit aestimatus; ceterum, si simpliciter dedisset, procul dubio periculo eius moreretur, non mariti. idemque et in minore circumventa Marcellus probat. plane si emptorem habuit mu lier iusti pretii, tune dicendum iustam aestimationem praestandam idque dumtaxat uxori minori annis praestandum Marcellus scribit. (Tragt die Ehefrau

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konnte fur ihre Lôsung die Vertragsfreiheit anfuhren. Mehr als den vereinbar-ten Wert hatte der Ehemann der Ehefrau fur den F all der Beendigung der Ehe nicht in Aussicht gestellt.

Ging die Sache unter, bevor die Ehefrau sie dem Ehemann übergeben hatte, stellt sich kaufrechtlich eine Gefahrtragungsfrage. Die hierzu von Ulpian bewahrten Entscheidungen orientieren sich an dem in hochklassischer Zeit allgemein anerkannten Grundsatz perfecta emptione periculum est emptoris53 Der Verkaufer hatte nach diesem Grundsatz seinen Kaufpreis verdient, wenn er sich, obschon noch im Besitz der Sache, als treugemasser Verkaufer be-wahrt hatte. Daher ver lor die Ehefrau den Kaufpreisanspruch, wenn die res aestimata unterging, wahrend sie mit der Übergabe im (Schuldner-)Verzug war, sich also einer Pflichtverletzung schuldig gemacht hatte54. War die

Ehe-v or, dass sie, da getiiuscht, die Sache zu niedrig bewertet ha be, ... so sagt Marcellus, der Ehemann müsse, wenn der Sklave gestorben sei, richtigerweise den Schiitzbetrag leisten, aber nicht den [vom Marktwert bestimmten] richtigen, sondem denjenigen, der durch die Vereinbarung bestimmt wurde, weil die Ehefrau mit dem Wert, der geschiitzt wurde, zufrieden sein muss [vgl. HEUMANN-SECKEL, Handlexikon s.v. consulere 4].

Hat sie den Sklaven im übrigen ohne Schiitzbetrag hingegeben, dann stirbt der Sklave ohne Zweifel auf ihre Gefahr, nicht auf die des Ehemannes. Und dies billigt Marcellus auch bei einer [hinsichtlich der Preisvereinbarung] übervorteilten Minderjiihrigen. Wenn freilich die Ehefrau einen Kiiufer zum marktgerechten Preis an der Hand hatte, dann mUsse ihr der marktgerechte Schiitzbetrag geleistet werden, und dies sei, wie Marcellus schreibt, nur einer minderjiihrigen Ehefrau zu gewiihren.) Der Hochklassiker Marcellus will also die minderjiihrige Ehefrau nur schützen, wenn sie durch den Nachweis eines mi:iglichen Kiiufers einen konkreten Vermi:igensschaden in Gestalt eines entgangenen Gewinnes nachweisen kann, nicht schon im Regelfall. Die Entscheidung des Marcellus ist gewiss streng, aber nicht etwa darum interpoliert (vgl aber BURDESE, Aestimatio dotis [Anm. 44], S. 199). Ulpian selbst spricht der Ehefrau in dem hier nicht wiederge-gebenen Schlussteil des Textes unter Berufung auf Cervidius Scaevola, der anschei-nend Marcellus kritisiert hatte, jedenfalls gegenüber dem (hinsichtlich des zu niedri-gen Preises) dolosen Ehemann den angemessenen Preis zu. - lm ebenfalls hier weggelassenen Anfang des Textes unterschied Ulpian fùr den Fall, dass der Sklave noch lebte (also eine auf die Sache bezogene Abwicklung noch mi:iglich war; - hier bestand aus Ulpians Sicht anscheinend weitgehend Einigkeit, da eine Kontroverse nicht mitgeteilt wird) danach, ob die Übervorteilung der Ehefrau nur zu einer nachteiligen Bewertung des Sklaven oder auch zur Hingabe gerade dieses Sklaven gefùhrt hatte. lm zweiten Fall gewiihrte er eine Klage auf Rückgewiihr des Sklaven selbst, im ersten gab er dem Ehemann ein Wahlrecht: Er konnte der Ehefrau entweder den Sklaven selbst zurückgeben oder musste ihr die iusta aestimatio leisten.

53 Vgl. oben Anm. 34.

54 Ulpian 34 ad Sabinum (Biume; F. ad edictum) D 23,3,14 Si rem aestimatam mulier in dotem dederit, deinde ea moram faciente in traditione in rerum natura esse desierit, actionem (sc. venditi) eam habere non puto. (Hat eine Ehefrau eine in Geld geschiitzte Sache ais Mitgift bestellt und ist die Sache darauf untergegangen, wiihrend sie mit der Übergabe in Verzug war, dann meine ich, dass sie keine Klage hat.) Die Auslegung ist vernünftig, weil der ursprüngliche Grund des periculum est emptoris die

Pflichterftll-FESTE REGELUNGSSTRUKTUR ODER AUSLEGUNGSFÂHIGES PFLICHTENVERHÂLTNJS

frau dagegen, ais die Sache unterging, nicht im Verzug, batte sie in Anwen-dung der allgemeinen Regel bei Beendigung der Ehe einen Kaufpreisanspruch, so wie wenn sie die Sache übergeben batte und der Ehemann die Sache hatte nutzen kônnen55.

Auch im Fall der Rechtsmiingel gilt vertrautes Kaufrecht. Wird die unter Schatzbetrag gegebene Mitgiftsache evinziert, kann der Ehemann von der Ehefrau das duplum verlangen. Allerdings musser nach Ulpian, der insofem auf die bona-fides-Wertungen der actio rei uxoriae rekurriert, nach Eheschei-dung das eingeklagte duplum zurückgeben. Es sei - so Ulpian mit einem ersichtlich vermittelnden Argument- eben kein einfacher Kauf, sondem ein Kaufum des Frauengutes willen56. Man kann sich vorstellen, dass ein die Rechtsform des Kaufs strenger handhabender Klassiker gesagt haben wird, dass der Ehemann nach wie v or nur den einfachen Preis schulde; das Straf-duplum müsse ihm verbleiben, da es nicht ais Mitgift, sondem ais Busse ftir die Eviktion gezahlt sei. Ulpians Zeitgenosse Paulus lehrt die kaufrechtliche lung durch den Verk!iufer ist. Der Verk!iufer im Verzug hat nicht alles getan, was die bona fides von ihm verlangt; daher kann er auch die Gegenleistung nicht verlangen.

Ulpians vorsichtiges puto setzt aber voraus, dass einige Juristen anderer Ansicht wa-ren, moglicherweise deswegen, weil der Satz periculum est emptoris typischerweise voraussetzt, dass der K!iufer die Sache nicht sofort abnimmt, sich also selbst in einer Art Gl!iubigerverzug befindet. Für Labeo ist tats!ichlich die Lehre überliefert, dass im Kauf Gl!iubigerverzug Schuldnerverzug ausschliesst. V gl. das Zitat Pomponius 31 ad Quintum Mucium D 18,6,18 (17).

55 Pomponius 14 ad Sabinum D 23,3,15 Quod si per eam non stetisset, perinde pretium aufert ac si tradidisset, quia quod evenit [Mommsen: venit] emptoris periculo est. (Wenn aber die unterlassene Übergabe nicht bei ihr !ag, dann kann sie den Kaufpreis ebenso verlangen, wie wenn sie übergeben h!itte, weil das, was geschehen ist [verkauft ist], auf Gefahr des K!iufers geht.)

56 Ulpian 34 ad Sabinum D 23,3,16 Quotiens res aestimata in dotem datur, evicta ea virum ex empto contra uxorem a gere et quidquid eo nomine fuerit consecutus, [ dotis]

<rei uxoriae> actione soluto matrimonio ei praestare oportet. quare et si duplumforte ad virum pervenerit, id quoque ad mulierem redigetur, quae sententia habet aequitatem, quia non simplex venditio sit, sed [dotisj <rei uxoriae> causa, nec debeat maritus lucrari ex damna mulieris: su.fficit enim maritum indemnem praestari, non etiam lucrum sentire. (Immer dann, wenn eine in Geld gesch!itzte Sache ais Mitgift bestellt wird, muss nach Eviktion der Sache der Ehemann gegen die Ehefrau klagen und was immer er deswegen erlangt hat, nach Auflosung der Ehe aufgrund der Mitgiftklage zurückge-ben. Auch wenn dadurch der Ehemann das Doppelte [des Kaufpreises] erlangt hat, wird auch das der Ehefrau gutgebracht. Diese Ansicht entspricht der Gerechtigkeit, weil es kein einfacher Kauf ist, sondem einer zu Mitgiftzwecken; und der Ehemann solle nicht aus dem Schaden der Ehefrau einen Gewinn ziehen. Es genügt n!imlich, dass

<rei uxoriae> actione soluto matrimonio ei praestare oportet. quare et si duplumforte ad virum pervenerit, id quoque ad mulierem redigetur, quae sententia habet aequitatem, quia non simplex venditio sit, sed [dotisj <rei uxoriae> causa, nec debeat maritus lucrari ex damna mulieris: su.fficit enim maritum indemnem praestari, non etiam lucrum sentire. (Immer dann, wenn eine in Geld gesch!itzte Sache ais Mitgift bestellt wird, muss nach Eviktion der Sache der Ehemann gegen die Ehefrau klagen und was immer er deswegen erlangt hat, nach Auflosung der Ehe aufgrund der Mitgiftklage zurückge-ben. Auch wenn dadurch der Ehemann das Doppelte [des Kaufpreises] erlangt hat, wird auch das der Ehefrau gutgebracht. Diese Ansicht entspricht der Gerechtigkeit, weil es kein einfacher Kauf ist, sondem einer zu Mitgiftzwecken; und der Ehemann solle nicht aus dem Schaden der Ehefrau einen Gewinn ziehen. Es genügt n!imlich, dass