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Ein pactum zur Grundstücksherausgabe an einen Dritten

1. Der problematische Text

Formlose pacta erzeugen nach romischem Recht bekanntlich keine Klagen, wahl aber Einreden. Pacta zugunsten Dritter waren überdies nach klassi-schem Recht noch weniger einklagbar ais Stipulationen. A/teri cavere nemo potest1• Dennoch verabredete zuweilen ein Eigentümer mit dem Besitzer, die Sache einem Dritten herauszugeben. Auf welche W eise das beschrankte juri-stische Instrumentar diesem praktischen Bedürfnis gerecht zu werden ver-mochte, ergibt si ch aus einem kurzen, jedoch nicht Ieicht zu verstehenden Fragment des Frühklassikers Proculus.2

1 Wesenberg, Vertrl!ge zugunsten Dritter (1949) behande1t unter dem pactum de non petendo S. 66ff. unseren Text nicht. Rein defensiv wirken für Dritte nur mitbegünstigend in rem konzipierte pacta, welche auBer dem Schuldner auch seinen Bürgen und Erben schützen; D. 2,14,21,5: Kaser, Das rômische Privatrecht [künftig RP] I (2. Aufl. 1971) 642 A. 10, 658 A. 24, 664 A. 42; Mannino, L'estensione al garante delle eccezioni del debitore principale (1992). Die Unterscheidung vom pactum in personam ist eine Auslegungsfrage; genannt wurde eine Person oft nur demonstrationis causa: D. 2,1 4, 7,8.

Die exceptio doli ergl!nzte zuweilen ein wôrtlich zu eng konzipiertes pactum zugunsten weiterer Personen; s. Wacke, SZ 90 (1973) 234-249. Einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall nl!hert si ch in der wirtschaftlichen Funktion (aber nicht in der juristi-schen Konstruktion) das fideicommissum a debitore relictum; dazu Wacke, TRG 39 (1971) 257ff.

2 Den Text stellte ich im Wintersemester 1972/73 in Tübingen einem Promovenden ais Aufgabe zur schriftlichen Bearbeitung. lm Sommersemester 1997 diskutierte ich im Rahmen einer Digesten-Übung die Probleme mit den Kolleginnen Marita Giménez Candela (Gastprofessorin aus Palma de Mallorca), Francesca Lamberti (HumboldtStipendiatin), sowie mit meinem Wissenschaftlichen Mitarbeiter Assessor Richard Bohr. -Bruno Schmidlin, dem Freunde und Kollegen, widme ich den nachstehenden Beitrag mit allen guten Wünschen in aufrichtiger Verehrung.

ANDREAS W ACKE

D. 2,14,36 (Proculus libro 5. epistularum):

Si cum fundum meum possides, convenisset mihi tecum, ut eius possessionem Attio traderes. vindicantem eum fundum a te non aliter me conventionis exceptione exclu di debere, quam (a) si aut iam tradidisses, aut (b) si tua causa id inter nos convenisset et per te non staret quo minus traderes.

Der Text ist beispielhaft fur den Abstand, der zwischen Verstehen der Wôrter und Begreifen des Inhalts bestehen kann. Übersetzt hat man die einfachen Satze ziemlich schnell; - die Fragen nach dem W arum sind aber viel schwie-riger zu beantworten, sie verlangen gründliches Nachdenken.

(Proculus im 5. Buch seiner Briefe):

A1s du mein Grundstück im Besitz hattest, kam ich mit dir überein, da/3 du den Besitz daran auf Attius übertragst. Wenn ich dieses Grundstück von dir vindiziere, dürfe ich nur dann aufgrund der Einrede der form1osen Überein-kunft zurückgewiesen werden, (a) wenn entweder du den Besitz schon über-geben hast, oder (b) wenn die Abrede zwischen uns3 deinetwegen getroffen wurde und es nicht an dir lag, da/3 du den Besitz (noch) nicht übergeben hast.

Die rechtssatzfdrmig kompakte Aussage enthalt keine Begründung und wirkt mangels konkreter Fakten merkwürdig abstrakt, inhaltsarm und gewisserma-Ben blutleer. Man erfahrt nicht, welche praktischen Palle Proculus im Auge gehabt haben kann. Eine genauere Sachschilderung dürfte irgendwann weg-gefallen sein,4 sei es schon bei der Abfassung des Berichts über sein Gutach-ten (in indirekter Rede), sei es anlaBlich einer spateren kürzenden Bearbei-tung.

Die Parteien eines Vindikationsprozesses waren übereingekommen, daB die Streitsache - ein Grundstück- einem Dritten5 herausgegeben werde. Die exceptio conventionis (oder pacti)6 soU den Beklagten nach der ersten

Vari-3 Das in der von Behrends/Knütei/Kupisch/Seiler herausgegebenen Übersetzung vor 'dei-netwegen' eingefügte 'nur' findet keine Entsprechung im lateinischen Original und ist zu streichen. Sinngerecht erscheint aber die Ergilnzung 'noch' vor 'nicht übergeben hast'.

4 Vgl. Hugo Krüger, Beitrage zur Lehre von der exceptio doli (1, 1892) 99 A. 11, 100f.

5 'Attius', von Kaser, Labeo 18 (1972) 360 und SZ 98 (1981) 112 A. 121 verilndert in Atticus. Ais Blankettname begegnet Attius jedoch in den Digesten über 20mal. Ein Prilfekt Atticus wird namentlich erst in Subskriptionen spatantiker Kaiserkonstitutionen Ende des 4. Jh. ôfters erwahnt. In der einzigen Digestenstelle D. 50,16,234,2 (Ojilius ad Atticum ait) ist der bekannte gemeinsame Freund Ciceros gemeint.

6 Nach Sargenti, Svolgimento dell'idea di contratto etc., Jura 39 (1988) 47 ist dies der früheste Beleg für den Ausdruck conventio. Eine exceptio conventionis begegnet noch bei Labeo D. 2,14,2 und Celsus D. 2,14,33 = Pomp. D. 23,4, 10; Celsus-UlpianD. 2,14,51

EIN FACTUM ZUR GRUNDSTÜCKSHERAUSGABE AN EINEN DRITTEN

ante schützen, wenn er dem Dritten den Besitz bereits übergab. Nach Besitz-übergabe an Attius wiire der Beklagte zur rei vindicatio aber gar nicht mehr passiv legitimiert. Er besitzt nicht mehr. In der mit dem Vindikationskliiger abgestimmten Herausgabe an Attius Iiegt auch keine dolose Preisgabe des Besitzes. Da der Kliiger einwilligte (volenti non fit iniuria), greift die Regel dolus pro possessione est7 nicht ein. Mangels Passivlegitimation des Beklag-ten wiire die gegen ihn erhobene Vindikation schon von Rechts wegen abzu-weisen. Es fragt sich, wozu er des Einredeschutzes überhaupt bedarf. 8 Der Kliiger müBte sein Herausgabepetitum gegen Attius richten. V or allem des-halb herrscht ziemliche Ratlosigkeit un ter den meisten Interpreten. Denkbar wiire allerdings der Fall, daB tu dem Attius den Besitz einraumte, daB ego aber bestreitet, dazu seine Einwilligung erteilt zu haben und dem tu ein dolo desinere possidere vorwirft9. Hatten die ProzeBparteien ferner ihr Überein-kommen erst wiihrend des Verfahrens apud iudicem geschlossen, dann hiitte eine exceptio pacti nachtriiglich nur mittels einer in integrum restitutio in die Klageformel eingeschaltet werden kônnen.10 Leichter zu erkliiren ist der Text und 39,1,1,10: H. Krüger 134f. Man hiilt sie fur identisch mit der spater üblicherweise sogenannten exceptio pacti conventi.

7 D. 50,17,131; 6,1,22; Wimmer (u. A. 19) 14f.

8 So schon die Glosse zu a te: qualiter habet 1ocum exceptio, cum ipso iure non teneatur:

nec enim possidet, vel dolo, vel cul pa desit possidere? Âhnliche Zweifel bei H. Krüger (wie A. 4); Honoré, TRG 40 (1972) 565 (Rez. Krampe, u. A. 36); ausfiihrlich Kaser, Labeo 18 (1972) 360 (Rez. Schipani); ebenso Siber, Die Passivlegitimation bei der rei vind. (1907) 12, der den Text deshalb verdachtigt. Gegen ihn alle neueren Interpreten:

Krampe (u. A. 36) 51 m. weit. Nachw.; Schipani, Responsabilità perla cosa oggetto di azione reale (1971) lOOff., 105f.: Kein Zusammenhang mit dem ante !item contestatam dolo desinere possidere bzw.liti se offerre; anders Kaser, Restituere ais Prozel3gegenstand (2. Aufl. 1968) 226.

9 Dies ein origineller Einfall von Horak, SZ 90 (1973) 407 (Rez. zu Krampe, u. A. 36).

Die Passiv legitimation des Beklagten rich tet si ch alle in nach den Tatsachenbehauptungen des Klligers. Dem iudex obliegt die Überprüfung des Zustandekommens der Vereinba-rung, ihrer Gültigkeit und der Erftillung der Bedingung. Sibers Textverdlichtigung (vom Klliger gebilligte Herausgabe an Attius sei niemals dolose Besitzentliul3erung) nimmt vom Standpunkt eines allwissenden Betrachters aus das erst vom iudex zu prüfende Ergebnis vorweg, ist darum allzu scharfsinnig. Horaks Vorschlag werden wir im folgen-den jedoch nicht wei ter verfolgen. Das Schwergewicht der Argumentation des Pro ku lus liegt auf der Auslegung des Paktums bezüglich seiner Reichweite (seines Schutzum-fangs), wenn sich unvorhergesehen ein Traditionshindernis herausstellt. Die Ausle-gung ist eine Rechtsfrage, keine Beweisfrage (ftir die sich die iuris consulti weniger zustandig ftihlten).

10 Aus erst nach der litis contestatio eintretenden Umstlinden kann der actio keine neue exceptio entgegengehalten werden: Kaser/Hackl, Das rômische Zivilproze13recht (2. Aufl.

1996) 298 m. Lit. (abweichend Justinian: S. 585). Entsteht nach einem apud iudicem geschlossenen Vergleich (Lit. bei Kaser/Hackl 298 A. 20) nachtraglich Streit über

des-ANDREAS W ACKE

bei Annahme einer vorprozessualen Einigung11 über die Herausgabe an den Dritten, v or (oder splitestens bei, s. u. A. 3 7) der litis contestatio.