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4.3 Linguistische Aspekte und deren Umsetzung in der Synchronfassung

4.3.5 Dialekte, Sprachvarietäten und Akzente

In diesem Kapitel sollen nur kurz die Probleme aufgezeigt werden, die sich durch die Verwendung von Dialekten, Varietäten oder Akzenten für die Synchronisation ergeben.

Sprachvarietäten sind Teilmengen einer Einzelsprache. Zu diesen Teilmengen gehören unter anderem die Standardsprache, Soziolekte und auch Dialekte (Wikipedia-8 2010).

Analog zur englischen Terminologie sollen mit dem Terminus Akzent (accent) Unterschiede be-zeichnet werden, “die sich lediglich auf die Aussprache beziehen” (Herbst 1994:90).

Dialekte und Akzente dienen laut Herbst (1994:90f.) dazu, einen Sprecher regional, sozial und eth-nisch einzuordnen. Die verschiedenen Varietäten können insofern als bedeutungstragende Elemente eines Textes betrachtet werden, als durch ihre Verwendung nicht nur bestimmte Konnotationen und Assoziationen ausgelöst werden, sondern mit ihnen auch gewisse Klischeevorstellungen verbunden sind (Herbst 1994:90).

Während sich Akzente, insofern sie nicht aus dem Land der Ausgangs- oder Zielkultur stammen, bei der Synchronisation ohne grosse Schwierigkeiten reproduzieren lassen, gehen Varietäten der Ausgangssprache verloren (Kurz 2006:56). Grund dafür ist, dass bei den Varietäten keine direkte Äquivalenz gegeben ist. Das heisst zumindest im Falle von Sprachen wie Deutsch und Englisch, dass auf die Verwendung regionaler Dialekte bei der Synchronisation verzichtet werden muss, da diese unlösbar mit den entsprechenden Gegenden verknüpft sind (Herbst 1994:96-97). Deshalb wird laut Herbst (1994:98) auch fast ausnahmslos in die Standardsprache synchronisiert, denn “(d)er Standard ist die einzige Varietät, die – im Falle einer Übersetzung – als frei von regionalen und sozialen Konnotationen empfunden wird”.

Probleme bei der Synchronisation ergeben sich, wenn die regionale Herkunft einer Person für das Filmverständnis entscheidend oder Grundlage für die Komikgenerierung ist. Da eine direkte Äqui-valenz aus den genannten Gründen nicht in Frage kommt, muss in diesem Fall nach anderen sprach-lichen Mitteln gesucht werden, um die implizit über den Dialekt gelieferten Informationen zu über-tragen (Herbst 1994:104-108). Herbst (1994:107ff.) stellt folgende Methoden indirekter Äquivalenz vor: Verbalisierung, Veränderung der Stilebene oder Anpassung der Stimmqualität und Sprechwei-se4.

In der englischen Originalversion von “The Simpsons” gibt es mehrere Figuren, die sich durch die Verwendung einer bestimmten Varietät regional und sozial einordnen lassen. So sprechen beispiels-weise C. Montgomery Burns, Homers Chef im Atomkraftwerk, und Tingeltangel-Mel, der Assistent von Krusty, dem Clown, britisches Englisch. Im Deutschen wird der semantische Verlust durch den Wegfall der Originalvarietät mit dem Gebrauch einer höheren Stilebene der Standardsprache kompensiert.

Ganz anders ist es im Fall von Hausmeister Willie, der im Original einen schottischen Akzent hat. Dieses Merkmal wird durch kein anderes sprachliches Mittel zum Ausdruck gebracht. In der folgenden Passage (A.13.4) stellt sich dadurch für die Synchronisation ein besonderes Problem, weil Willies Akzent thematisiert wird.

Willie: I have some information ye might be interested in. But it won’t be easy to hear.

Bart: Because of your stupid accent?

Willie: Nach-nae!

Willie: Ich hab eine Information für dich, die dich vielleicht interessieren könnte. Aber es wird nicht angenehm sein, das zu hören.

Bart: Weil ihre Stimme so hässlich ist?

Willie: Äh, nein!

4Die verschiedenen Methoden werden bei Herbst (1994:107ff.) genauer beschrieben.

Eine direkte Übernahme (identity/exotism) in der deutschen Version würde zu einem sinnlosen Dialog führen. Der Übersetzer hat diese Schwierigkeit sehr geschickt umschifft, indem er Willies in diesem Fall besonders krächzende Stimme zum Gegenstand der Diskussion macht.

Weniger Schwierigkeiten bereiten, wie schon erwähnt, ausländische Akzente. In Szene A.12.7 redet der Restaurantbesitzer Luigi mit einem typisch italienischen Akzent. Das “italienische Englisch”

mit den bekannten intonatorischen Merkmalen kann in diesem Fall problemlos mit einem direkten Äquivalent, dem “italienischen Deutsch”, übertragen werden, da die Konnotationen in etwa gleich bleiben. Auffallend ist jedoch, dass im Gegensatz zum englischen Original in der Synchronfassung auch italienische Wörter wie “tavola”, “vino” oder “pane” vorkommen. Eine mögliche Erklärung ist, dass wir in Europa eher mit der italienischen Sprache und dem italienischen Wortschatz im Bereich Essen vertraut sind. Das Einfügen italienischer Wörter ist m.E. eine gute Idee und trägt wesentlich zur Authentizität bei.

Eng verbunden mit der Verwendung von Varietäten, Dialekten und Akzenten ist der Gebrauch anderer Sprachen in Filmen und Fernsehserien. In den untersuchten Simpsonsfolgen kommt dieses Phänomen allerdings äusserst selten vor. Zu den wenigen Beispielen gehören Homers italienischer Operngesang in Episode 02, der sowohl im Original als auch in der Synchronfassung untertitelt wurde, das koreanische Lied in Folge 07, das die Zuschauer wohl absichtlich nicht verstehen sollen, oder die nichtssagenden französischen Äusserungen ebenfalls in Episode 07. Aufgrund der Seltenheit dieser Erscheinung ist es wenig zielführend, diesen Aspekt im Rahmen der vorliegenden Arbeit näher zu beleuchten5.

Diskussion

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Beispielanalyse von Kapitel 4 im Hinblick auf die Ziele dieser Arbeit diskutiert. Die aufgezeigten Zusammenhänge sollen helfen, die verschiedenen Aspekte in den Gesamtkontext einzuordnen.

5.1 Medienspezifische Einschränkungen

Wie bereits im Theorieteil erwähnt, wird das Übersetzen komischer Texte durch das Medium Film und die spezifischen Erfordernisse der Synchronisation zusätzlich erschwert. Die Faktoren der drit-ten Dimension, wie beispielsweise die Lippensynchronität oder die Bild-Ton-Einheit, führen aber nicht in allen Bereichen zu gleich starken Einschränkungen.

Wie aus der Analyse hervorgeht, stellt die quantitative Lippensynchronitätkein sehr grosses Hindernis dar. Sie wurde fast ausnahmslos erreicht. Um Raum zu schaffen und allfälligen Konflikten aus dem Weg zu gehen, wurden Dialogpassagen an verschiedenen Stellen ins Offverlegt.

In Bezug auf die qualitative Lippensynchronität hat sich gezeigt, dass diese nur begrenzt erforderlich ist. Asynchronien bei Vokalen mit extrem runder Lippenstellung im Satzinnern oder bei bilabialen und labiodentalen Konsonanten fallen beim ’normalen’, einmaligen Anschauen kaum auf. Ausserdem wird das Publikum seine Aufmerksamkeit sicherlich in erster Linie auf die bunt gestalteten Bilder richten. Kleine Unstimmigkeiten bei der qualitativen Lippensynchronität haben daher keinen negativen Einfluss auf das Filmvergnügen.

Ein weiteres Indiz dafür, dass die qualitative Lippensynchronität als vernachlässigbar betrachtet werden kann, ist die Tatsache, dass Form und Inhalt im Zweifelsfall ein höherer Stellenwert beige-messen wird. Das zeigt sich beispielsweise beim synchronisierten Lied in Szene A.5.2 (Kapitel 4.2.3).

Etwaige Mängel bei der Synchronfassung dürfen also nicht mit der Forderung nach qualitativer Lip-pensynchronität begründet werden.

Ähnliches gilt auch für Probleme im Zusammenhang mit derBild-Ton-Einheit. Letztere ist zwar äusserst wichtig für die Aufrechterhaltung der Illusion, determiniert jedoch die Übersetzung, bis auf wenige Ausnahmen wie beispielsweise die Szenen in Kapitel 4.1.2.1, nicht in so hohem Masse wie angenommen. Manchmal können Redundanzen zwischen Bild und Ton sogar zur Lösungsfindung (Szene A.14.3) beitragen.

Wird der Sinn über den verbalen visuellen Kanal konstituiert, so bietet sich in erster Linie das Untertitelungs-Verfahren an (Kapitel 4.1.2.2). Hier wirken sich Einschränkungen wie Zeit- und Platzmangel oft stark auf die Übersetzungsentscheidungen aus. Deshalb fallen Witze und Allusio-nen auf Schildern und T-Shirts, die meist ausführlicher Erklärungen bedürfen würden, häufig weg (Omission). Ausserdem haben Untertitel den Nachteil, dass der Zuschauer sehr viel lesen und eine Fülle von Informationen gleichzeitig verarbeiten muss.

Aus den vorangegangenen Überlegungen lässt sich schlussfolgern, dass medienspezifische Einschrän-kungen, die durch die verschiedenen Arten der Synchronität gegeben sind, eine wesentlich geringere Rolle spielen als angenommen. Asynchronien führen in der Regel nicht zu Missverständnissen, die so gross wären, dass die Zuseher dem Handlungsverlauf nicht mehr folgen können. Wichtiger ist hingegen die Bild-Ton-Einheit, die in jedem Fall eingehalten werden sollte. Schwierigkeiten bei der Übertragung ins Deutsche ergeben sich aber im Allgemeinen weniger aufgrund von medienspezifi-schen Anforderungen als aufgrund von sprach- oder kulturspezifimedienspezifi-schen Unterschieden zwimedienspezifi-schen den USA und Deutschland bzw. der Schweiz.