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Der Einfluss auf Literatur und Presse

Nicht nur diejenigen, die geschrieben und übersetzt haben, sondern auch die Leser wurden in der Deutschen Demokratischen Republik direkt oder indirekt vom Staat beeinflusst. Durch die komplexe Beziehung von Sender und Empfänger innerhalb der Kommunikation, die auch von gesellschaftlichen, sozialen und politischen Aspekten abhängt, ist es notwendig, auch den Empfänger und die äußeren Einwirkungen auf die Kommunikationsteilnehmer darzustellen.

Für diesen Zweck lohnt es sich, die Literatur und die Presse als Teil des kulturellen Lebens zu betrachten.

Die Literatur war ein wichtiger Kulturbereich. Dabei waren literarische Werke mehr als nur Kunst. Sie stellten ein Form der Lebenshilfe dar und waren ein Vermittler zwischen der einzelnen Person und der Gesellschaft (vgl. Charbon 1998:177f.). Dementsprechend war das literarische Interesse nicht nur bei Germanisten groß.

Die DDR galt als „Leseland“11 und die Bevölkerung als Literaturgesellschaft: Bibliotheken12 waren ebenso gut ausgestattet wie der Volksbuchhandel und den Bürgerinnen und Bürgern wurden kostengünstig Bücher bereitgestellt. Vor allem Kinderbücher, günstige Literaturbände und Bücher zum Marxismus-Leninismus waren in großer Zahl zugänglich. Zudem war die Leipziger Buchmesse stets ein wichtiger Termin im Jahresverlauf, der vor allem dem

11 Dieser Begriff wurde vom stellvertretenden Minister für Kultur und Leiter der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur, Klaus Höpcke, Anfang der 1980er-Jahre geschaffen (vgl. Meyer-Gosau, 2009:9).

12 Im Jahr 1988 gab es in der DDR 13 500 Allgemeinbibliotheken und 5 000 Bibliotheken in den Betrieben (vgl.

Charbon 1998:169).

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ausländischen Publikum die Literaturbegeisterung der DDR zeigen und „als Leistungsschau der Errungenschaften des DDR-Verlagswesens“ (Zeckert 2009:42) dienen sollte.

Frauke Meyer-Gosau äußert sich in ihrem Essay „Leseland? Legoland? Lummerland?

Kummerland!“ zu den Schwierigkeiten, die es im kulturellen Leben in der DDR im Bereich der Literatur gab. Während sich eine Vielzahl der Menschen als Mitglied einer literaturbegeisterten Gesellschaft sah und hinter der Bezeichnung „Leseland“ stand, sieht Meyer-Gosau in diesem Begriff eher eine zynische Täuschung als einen Euphemismus, da die Literatur der DDR systematisch mit „Außerliterarischem aufgeladen“ (Meyer-Gosau 2009:10) wurde, das in erster Linie in einem politischen Zusammenhang zu sehen war.

Bereits in der ersten Verfassung machte die Staatsführung ihren Anspruch auf Kunst und Wissenschaft deutlich:

„Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat nimmt an ihrer Pflege teil und gewährt ihnen Schutz, insbesondere gegen den Mißbrauch für Zwecke, die den Bestimmungen und dem Geist der Verfassung widersprechen.“ (Deutsche Demokratische Republik 1949 Artikel 34)

Die Entwicklung der Literaturgeschichte der DDR vollzog sich parallel zur politischen Entwicklung des Staates. Von der antifaschistischen Erneuerung des Landes mit der Hinwendung zur klassischen Literatur ging es zum Aufbau des Sozialismus. Auch hier wollte man eine Umwälzung der Ideologie erreichen (vgl. Mählert 2007:89). Dabei sollte die Partei von einer Literatur zum Wiederaufbau von Industrie und Landwirtschaft und über die Enttarnung des Klassenfeindes unterstützt werden. Ab 1961 rückte der sozialistische Alltag in den Mittelpunkt der Literatur, gleichzeitig wurde die Kritik am System aber auch lauter. Dies änderte sich auch nicht, als Walter Ulbricht von Erich Honecker abgelöst wurde. Nach der Ausweisung von Wolf Biermann resignierten viele Künstler, als ihnen so vor Augen geführt wurde, dass eine freie Meinungsäußerung nicht möglich war (vgl. Schmidt 2010:60).

Am 17. März 1951 beschloss das Zentralkomitee der SED, dass die Kunst der Politik untergeordnet sein soll, was Proteste auslöste und zur Ausreise von Künstlern und Studenten

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führte. 1950 wurde der Deutsche Schriftstellerverband13 gegründet, dessen Veranstaltungen und Handlungen jedoch auch vom Staat kontrolliert wurden. Die Verlage der DDR waren lizenziert und das 1954 gegründete Kulturministerium14 übernahm die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel. Eine Aufgabe war dabei die Vergabe von Druckgenehmigungen15, wodurch die Politik direkt bestimmen konnte, was in welchem Umfang veröffentlicht wurde und welche Schriften der Öffentlichkeit verwehrt bleiben sollten. So galt in der DDR: „[…]

jeder durfte schreiben, aber nur bestimmtes wurde veröffentlicht“ (Charbon 1998:175).

Vertuscht wurden die nicht vergebenen Druckgenehmigungen, die nichts anderes waren als die Folge von staatlicher Zensur, häufig mit Papier- oder Devisenmangel: „Die Zensur bestimmte, was gedruckt wurde und was nicht – Letzteres häufig mit Papier- oder Devisenmangel kaschiert.“ (Golz 2009:2). Im gleichen Maße waren öffentliche Lesungen eingeschränkt (Meyer-Gosau 2009:12).

Die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur galt als

„literaturpolitische Superbehörde“ und „ökonomische Planzentrale“ (Lokatis 2009:23) für das Buchwesen. Wie die meisten Lebensbereiche war auch das Verlagswesen zentralisiert und unterlag dem System der Planwirtschaft. Die literarischen Erzeugnisse, die ebenfalls in Jahresplänen erfasst wurden, wie beispielsweise 1978, als im „Plan zur langfristigen Entwicklung der sozialistischen Kultur und ihrer materiell technischen Basis“ festgelegt wurde, dass die Buchneuerscheinungen von 5 900 auf 7 200 gesteigert werden sollten (vgl.

Henschel 2002:89). Die 78 lizenzierten Verlage in der DDR, bei denen zahlreiche Lektoren, Übersetzer und Zensoren beschäftigt waren, wurden wie die Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft (LKG), die Buchhandlungen und Bibliotheken von der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel gesteuert. Neben Zensurentscheidungen,

13Der Schriftstellerverband wurde am 04.06.1950 im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands gegründet und am 22.05.1952 zum selbständigen Künstlerverband. Der Verband unterlag dem Ministerium für Kultur, von dem er auch finanziert wurde. Der Schriftstellerverband war eine politische Organisation und trug dazu bei, die Kulturpolitik der SED umzusetzen. Mitglieder konnten nicht nur Autoren, sondern auch Herausgeber, Kritiker, Literaturwissenschaftler und Übersetzer werden, wenn ihre Kandidatur angenommen wurde. Für eine Kandidatur mussten zwei Mitglieder des Verbandes für den Bewerber bürgen und die Veröffentlichung von eigenen Arbeiten musste nachgewiesen werden. Als Mitglied war man sozial abgesichert (Krankenversicherung, Altersversorgung oder Ferienplätze), verpflichtete sich aber, die sozialistische Gesellschaft zu gestalten und den sozialistischen Realismus zu akzeptieren (vgl. Theil 2002:5).

14 Die offizielle Bezeichnung lautete Ministerium für Kultur.

15 Diese Genehmigung musste nicht nur für Romane eingeholt werden, sondern für sämtliche Drucksachen, also auch für Broschüren, Eintrittskarten oder Kochbücher (vgl. Lokatis 2009:27).

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Druckgenehmigungen und der Verteilung von Papierkontingenten war die Hauptverwaltung für verschiedene Literaturpreise zuständig – gemeinsam mit dem Ministerium für Staatssicherheit, was die politische Einflussnahme auf die Kunst verdeutlicht – und konnte des Weiteren Ausreiseanträge und Devisenprivilegien bewilligen, Rezensionen beeinflussen und über Auflagenhöhen Verkaufschancen steuern (Lokatis 2009:24).

Auf die Verhältnisse im Staat reagierten die Künstler unterschiedlich. Während die einen aus Angst vor einer Bestrafung Selbstzensur an ihren Werken verübten oder Ereignisse nach dem Wunsch der Partei dargestellt haben, widmeten die anderen ihre Werke aus Überzeugung dem Staat und sahen sich als „Mitautoren“ der sozialistischen Wirklichkeit (vgl. Charbon 1998:165). Wiederum andere äußerten ihre Kritik versteckt in ironischen oder verschlüsselten Bemerkungen oder standen offen zu ihrer Kritik und fanden sich damit ab, in geringen Auflagen16 oder gar nicht veröffentlicht zu werden.

Die Literatur wurde zu einer

„Ersatzöffentlichkeit, […], die je länger, desto entschiedener gegen die ‚parteilich‘

ausgewählten Themen und Meldungen der Medien wie auch gegen deren Desinformationsbestrebungen auftrat [...].“ (Meyer-Gosau 2009:12)

Entsprechend den unterschiedlichen Reaktionen von Schriftstellern wurden sie von der SED in linientreue Autoren, die sowohl in der DDR als auch in der BRD veröffentlichen durften, und andere – kritischere – Autoren unterteilt, die stärker von der Staatssicherheit und der Partei beobachtet wurden, weil sie ihre Werke zum Beispiel im Ausland veröffentlichen wollten (vgl. Schmidt 2010:62).

Neben dem Ministerium für Kultur, das die wichtigste staatliche Kontrolleinrichtung des literarischen Lebens war, nahm also auch das Ministerium für Staatssicherheit Einfluss auf die Literaturgesellschaft der DDR. Während das Kulturministerium aktiv das Buchwesen durch

„einen mehrstufigen Zensurierungsprozess“ (Meyer-Gosau 2009:13) beeinflusste, bei dem Änderungen und Kürzungen in Manuskripten vorgenommen, Papiermengen zugeteilt oder Bücher als sogenannte Schmorfälle bis zu mehreren Jahren zurückgehalten wurden

16 Diese Bücher zählten zu der sogenannten Bückware. Als Bückware wurde Mangelware bezeichnet, „die nur für besondere Kunden oder gegen ‚eine kleine Aufmerksamkeit, einen kleinen Aufpreis‘ von dem Verkäufer unter dem Ladentisch hervorgeholt wurde“ (Wolf 2000:35).

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Gosau 2009:13), kümmerte sich das Ministerium für Staatssicherheit in erster Linie um die Vertreter der Literaturszene.

Von den Beschlüssen des Kulturministeriums erfuhr der Großteil der Bevölkerung nichts, die Entscheidungen der Staatssicherheit (z. B. Ausweisungen) blieben hingegen seltener verborgen.

Konflikte mit der Staatsführung hatten weitreichende Konsequenzen. Die Strafrechtsordnung wurde in der Hinsicht geändert, dass ungenehmigte Buchveröffentlichungen im Westen als staatsfeindliche Hetze galt und dementsprechend bestraft wurde. Neben Zensurmaßnahmen wurden Schriftsteller auch mit dem Ausschluss aus dem Schriftstellerverband oder der Partei bestraft (vgl. Henschel 2002:55).

Zu Buchverboten kam es allerdings kaum, da man der Veröffentlichung kritischer Bücher zuvor kam. Nach eindeutigen Hinweisen des Ministeriums für Kultur nahmen die Verlage das Manuskript zurück, um Problemen vorzubeugen. So wurde unerwünschte Literatur nicht von höherer Stelle verboten, sondern einfach nicht gedruckt (vgl. Lokatis 2009:28). Die für die Veröffentlichung notwendige Druckgenehmigung wurde vom Zensor jedoch nicht erteilt, nachdem er das Manuskript gelesen hatte – dafür blieb meist keine Zeit –, sondern lediglich auf der Grundlage des eingereichten Druckgenehmigungsantrages (vgl. Lokatis 2009:24). Das Lesen der Manuskripte erfolgte nur stichprobenhaft. Diese Stichproben genügten jedoch, weil in den Verlagshäusern bereits zensuriert wurde. Da auch die Änderungswünsche der Hauptverwaltung dem Verlag übermittelt wurden, der dann für die Durchführung zuständig war, blieben die Zensuroperationen des Kulturministeriums so fast unsichtbar.

Im Laufe der Zeit wurden die Kriterien, nach denen ein Manuskript zugelassen wurde, toleranter und objektiver. Dennoch fand eine strenge und systematische Kontrolle der Belletristik statt:

„Was die Effektivität der Buchzensur angeht, definierte die DDR unangefochten das Weltniveau. Dass man in dieser Hinsicht selbst das große Vorbild, die sowjetische Zensur, übertreffen konnte, lag sowohl an der notorischen preußisch-bürokratischen Gründlichkeit als auch an den ungleich schwierigeren Arbeitsbedingungen in einem geteilten Land mit faschistischer Vergangenheit, welche die DDR-Zensur zur unablässigen Verfeinerung ihrer Methoden und zur effektiven Zentralisierung zwangen.“ (Lokatis 2009:25)

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Wenn es jedoch auch wirtschaftliche Aspekte zu beachten galt, wie zum Beispiel Devisen oder bereits angefallene Kosten, fiel die Kontrolle geringer aus, was aber nicht zu offensichtlich sein durfte. Aus diesem Grund wurden alle Argumente gegen die Veröffentlichung dokumentiert, um zu beweisen „dass sie [Lektoren und Zensoren] es sich nicht leicht gemacht und Vorsicht hatten walten lassen“ (Lokatis 2009:26). Zensurerfahrene Lektoren verfügten über ausreichend „Mittel“, wie zum Beispiel kommentierende Nachwörter oder die Genehmigung einer kleineren Auflage, um Buchprojekte zu ermöglichen.

Die Zensurpraxis wurde zum Ende der 1980er-Jahre nach der Devise: „Erst drucken, dann diskutieren.“ gelockert (vgl. Charbon 1998:177) und schließlich in den letzten Jahren der DDR für die Belletristik abgeschafft. Das Druckgenehmigungsverfahren wurde zum 01.

Januar 1989 aufgehoben und damit die öffentlichen Äußerungen in der „Wendezeit“

beeinflusst (vgl. Lokatis 2009:27).

Die Medienlandschaft der DDR wurde ebenso wie andere Gesellschaftsbereiche von der SED durchorganisiert. Seit der Gründung des Amtes für Literatur im Jahr 1951 und des Staatlichen Rundfunkkomitees im Jahr 1952 wurde versucht, die Presseerzeugnisse zu verwalten und deren Inhalte zu bestimmen (vgl. Pappert 2003:85), auch wenn dies nicht der Verfassung entsprach, in der es hieß: „Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ist gewährleistet“ (Deutsche Demokratische Republik 1968, Artikel 27, Abschnitt 2).

Die DDR war bemüht, im Bereich der Presse für jede Zielgruppe eine sozialistische Zeitschrift zu publizieren. So gab es neben dem Leitorgan „Neues Deutschland“17 u. a. 40 verschiedene Tageszeitungen in den Bezirken sowie eine Modezeitschrift („Sibylle“) oder fünf Zeitschriften für Kinder und Jugendliche. Auf diese Weise sollte der Sozialismus näher an die Bürger herangetragen und in ihren Alltag einbezogen werden.

Die Sprache der Medien war dabei darauf ausgerichtet, eine ideale sozialistische Welt darzustellen. Die wirklichen Entwicklungen wurden nur beiläufig erwähnt.

17 Die Tageszeitung war das Zentralorgan der SED und erschien zum ersten Mal am 23.04.1946. „Neues Deutschland“, die zweitgrößte Tageszeitung der DDR, wurde direkt von der Partei gelenkt und sollte deren Politik dementsprechend positiv darstellen und „dafür sorgen […], dass ‚das Panier der Partei sauber und blank ist‘, wie Wilhelm Pieck und Otto Grothewohl [sic] in ihrem Geleitwort zur ersten Ausgabe formulierten“ (Neues Deutschland).

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„Die Bürgerinnen und Bürger sollten in den Tageszeitschriften, im Radio, im Fernsehen, in den Büchern, in der Oper, in den Museen und im Theater sozialistische Kultur zu sehen und zu hören bekommen. Die zahlreichen vor allem wirtschaftlichen Probleme, die die DDR vorzuweisen hatte, sollten keine Rolle spielen.“ (Schmidt 2010:12)

Dies entsprach weitestgehend Lenins Prinzip der Parteilichkeit der Presse, nach dem die Medien den Auftrag erhielten, als Propagandist, Agitator und Organisator zu wirken, die Lehren des Marxismus-Leninismus zu verbreiten, aktuelle Geschehnisse im Sinne des Kommunismus zu interpretieren und die Massen zum Aufbau des Sozialismus zu motivieren (vgl. Baumann 2004:286).

Insgesamt wurden die Textsorten in den eigenen Zeitschriften immer monotoner und ausländische Exemplare waren, wenn überhaupt, nur inoffiziell zu erhalten und zählten somit ebenfalls zur sogenannten Bückware:

So wurde die Gefährlichkeit von ‚Mickey-Maus‘-Heften wie folgt begründet: ‚Sogenannte Jugendzeitschriften wie Mickey-Maus und andere. Mit diesen Schriften soll insbesondere unsere Jugend von der gesellschaftlichen Arbeit abgehalten werden. Hiermit wird das Ziel verfolgt, in der DDR sogenannte Jugendklubs zu bilden, um so die Jugend von Eintritt in die FDJ und dem Verband der Jungen Pioniere abzuhalten. Damit wird praktisch der erste Schritt getan, um unsere Jugend für die verbrecherischen Machenschaften der westlichen Machthaber zu gewinnen‘.“ (Lokatis 2009:29)18

In diesem Zitat werden das Machtinteresse und die Angst der SED, Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren, deutlich. Während Textsorten wie Marktberichte immer seltener erschienen, konzentrierte man sich auf Kommentare, Leitartikel oder Kolumnen, mit denen die öffentliche Meinung gefestigt werden sollte (vgl. Schmidt 2010:73):

„Daher wurden meist Artikel verfasst, die die Hervorhebung der Errungenschaften der DDR und die gleichzeitige Abwertung von Geschehnissen aus dem Nichtsozialistischen Weltsystem zum Thema hatten.“ (Schmidt 2010:74)

Einen besonderen Stellenwert hatte die Berichterstattung über das Ausland. Hier wurde entgegen der Verfassung (vgl. Artikel 27 der Verfassung) mit großer Akribie versucht, die

18 Siegfried Lokatis, 2009:29, aus „Bericht zur Ein-, Aus- und Durchfuhr von Druckerzeugnissen“, 15.07.1959.

BArch Berlin-Lichterfelde DL 203, 294, AZKW, HA 2.

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günstigste Darstellung für sich und die verfolgte Politik zu finden.

Es galt innerhalb der Partei die Devise: „Was den Klassenkampf fördert, werden wir mit aller publizistischen Freiheit propagieren, was ihn indes hemmen will, hat keinen Anspruch auf Freiheit“ (Spiegel-Verlag 1968:46).

„Der Spiegel“ hat sich mit dieser Thematik 1968 in einem Artikel auf kritische Art beschäftigt. Dabei wurde konstatiert, dass es zwar keine offizielle Zensur der Presse gab, aber dennoch nicht von Pressefreiheit gesprochen werden konnte: „Es gibt keine förmliche Pressezensur in der DDR. Das SED-Regime kann darauf verzichten – dank perfekter Mechanismen zur Steuerung der veröffentlichten Meinung“ (Spiegel-Verlag 1968:44). Daher könnten die Tageszeiten eher als Regionalstellen der SED gesehen werden anstatt als unabhängige Presseorgane. So erhielten sie inhaltliche und formelle Weisungen für alle politischen Nachrichten, sodass sich die einzelnen Meldungen nicht stark voneinander unterschieden, was ein Beispiel zum Besuch von DDR-Ministerpräsident Stoph in der Mongolischen Volksrepublik (MVR) unterstreicht:

„,Begeisterndes Willkommen in der MVR‘ (‚Sächsische Zeitung‘, Dresden), ‚Begeistertes Willkommen in der Mongolischen VR‘ (‚Leipziger Volkszeitung‘), ‚Begeisterndes Willkommen in der Mongolischen VR‘ (‚Neuer Tag‘, Frankfurt/Oder).“ (Spiegel-Verlag 1968:46)

Worüber in den Zeitungen und Nachrichten berichtet wurde, entschied die „Kommission für Agitation“ im SED-Politbüro. Die Weisungen wurden an die zuständigen Presse- und Rundfunkstellen, wie dem staatlichen Presseamt, der Staatsagentur ADN oder dem staatlichen Fernsehfunk, sowie den Bezirksstellen der Partei (vgl. Spiegel-Verlag 1968:47) weitergeleitet.

So wurde die Nachrichtenauswahl im Land bestimmt und Inhalte für Leitartikel bzw.

Kommentare vorgegeben. Bis auf die Nachrichtenagentur ADN, bei der auch Übersetzer beschäftigt waren, und der Sprachendienst Intertext durfte niemand Informationen von westlichen Pressestellen konsultieren. Diese Informationen wurden ebenfalls „vorsortiert“ und lediglich „dienliche“ Informationen an die Redaktion weitergeleitet. Unerwünschte Berichte blieben unter Verschluss (vgl. Spiegel-Verlag 1968:48).

Ein weiterer Punkt, der kritisch dargestellt wurde, war die Ausbildung der Journalisten, die von der SED gestaltet wurde. Durch die parteitreuen Pressevertreter – „Der sozialistische

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Journalist ist Parteifunktionär.“ – konnte bei Nachrichtenbeiträgen und Artikeln auf Zensur verzichtet werden, schließlich konnte man sich sicher sein, dass keine kritische Berichterstattung erfolgt (vgl. Spiegel-Verlag 1968:48).

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der Staat in alle Bereiche der schriftlichen Kommunikation aktiv eingegriffen und so die Kommunikation beeinflusst hat. Auch wenn die Einflussnahme in diesem Bereich in erster Linie auf Autoren und Ausgangstexte abzielte, waren letztendlich alle Kommunikationsteilnehmer und damit ebenso Übersetzer und Empfänger betroffen. Zudem fällt die Übersetzertätigkeit in alle soeben beschriebenen Bereiche. Bevor jedoch dargelegt werden soll, wie sich das praktische Berufsleben und die wissenschaftliche Tätigkeit gestalteten und die Ausbildung aufgebaut war, wird kurz das

„Arbeitswerkzeug“ der Übersetzer – die Sprache – in der DDR vorgestellt werden.