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Die Ausbildungsinhalte und deren Strukturierung im Diplomstudiengang

Von Beginn an bemühte man sich in der Ausbildung, auf die Bedürfnisse der Praxis einzugehen und die Studenten optimal auf das Arbeitsleben vorzubereiten. Ein Ergebnis dieser Bemühungen und der Zusammenarbeit von Theorie und Praxis in Gremien wie dem Arbeitskreis Sprachmittlung beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, in dem auch

21 Eine detaillierte Übersicht zum Ausbildungsinhalt befindet sich im Anhang unter Punkt 1. „Im Zuge der Ausbildung zum Fachübersetzer vermittelter Lehrinhalt am Beispiel der Technischen Universität Dresden“.

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Otto Kade entscheidend mitarbeitete, war 1974 der erste, für alle Institute verbindliche Studienplan für Diplomsprachmittler. Dieser bildete die Grundlage für eine höhere Qualität der vierjährigen bzw. fünfjährigen22 Ausbildung in zwei Arbeitsfremdsprachen.

Zum Wintersemester 1983/84 wurde ein neuer Stundenplan eingeführt, um das Studium an die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung anzupassen. Es fand eine engere Verbindung von theoretischen und praktischen Aspekten statt und der Umfang und die Vermittlung der zweiten Arbeitsfremdsprache wurde an die der ersten Fremdsprache angeglichen (vgl. Salevsky 1984:119). Insgesamt konnten 43 Fremdsprachen, darunter auch afrikanische und asiatische Sprachen, an den Sektionen der Universitäten gelernt werden (vgl. Salevsky / Schmitz 1986:121). Das Sprachenangebot war an die philologischen Institute der Einrichtungen geknüpft, sodass in Greifswald beispielsweise die skandinavischen und in Berlin die afrikanischen Sprachen unterrichtet wurden und sprachliche „Knotenpunkte“ auf dem Gebiet der DDR entstanden (vgl. Schmitz 05.04.2012).

Während des Studiums wurden Sprachkenntnisse und Fertigkeiten im Übersetzen und Dolmetschen vermittelt. Neben der fachlichen Ausbildung belegten alle Studenten die Fächer

„Marxismus-Leninismus“ und „Körperliche Erziehung“ (vgl. Schmidt 2012:38). Diese Studieninhalte wurden auf die Fachsemester eins bis acht aufgeteilt23. Ein weiterer Bestandteil war ein mehrwöchiges Betriebspraktikum, das, wenn die Möglichkeit bestand, bereits am künftigen Arbeitsort absolviert wurde. Den Abschluss des Studiums bildete die Diplomarbeit (vgl. Wotjak 2007:XIV).

Mithilfe dieses Studieninhalts sollten die Absolventen Kenntnisse über das Wesen und die Funktion der Sprache, über die Wechselbeziehung zwischen Sprache und Gesellschaft und die wirksame Nutzung von Sprache erhalten. In den Lehrveranstaltungen zur Sprach- und Übersetzungswissenschaft wurden wissenschaftliche Grundlagen gelegt, sodass die sprachmittlerische Tätigkeit bewusster ausgeübt und besser erfasst werden konnte und Studenten selbst in der Lage waren, Impulse für die Weiterentwicklung von Theorien zu geben (vgl. Salevsky / Schmitz 1986:122). Des Weiteren hatte die Universität die Pflicht,

22 Wenn es sich bei einer der Arbeitsfremdsprachen um eine Sprache handelte, die nicht in der Schule erworben werden konnte, wie zum Beispiel Chinesisch oder Arabisch, dauerte das Studium fünf Jahre. Neben dieser

„Nichtschulsprache“ wurde eine der „traditionellen Weltsprachen“ gewählt (vgl. Salevsky 1986:118f.).

23 Eine genaue Semesterübersicht befindet sich im Anhang unter Punkt 2. „Semesterübersicht“.

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auch die Persönlichkeit der Studenten auszubilden und deren Kenntnisse in Literatur, Kultur, Geschichte und Allgemeinwissen zu erweitern. Die Absolventen sollten

„über gründliche linguistische Kenntnisse, ein sicheres fachspezifisches Können sowie eine gute kulturelle und polytechnische Allgemeinbildung verfügen und in der Lage [sein], ihr Wissen selbständig anzuwenden und ständig zu erweitern.“ (Salevsky / Schmitz 1986:120)

Außerdem mussten sie in der Lage sein, sprachmittlerische Probleme wissenschaftlich darzustellen und zu lösen, Hilfsmittel zu erarbeiten und wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen.

Das erwähnte Betriebspraktikum wurde im sechsten oder achten Semester absolviert und dauerte vier Wochen. Bei diesem Praktikum handelte es sich um ein sprachmittlerisches Fachpraktikum, in dem typische Aufgaben übernommen wurden. In speziellen Praktikumsbetrieben wurden die Studenten dabei von Mentoren fachgerecht betreut:

„Einen bedeutenden Platz in der Ausbildung nehmen Praktika ein, da sie den Studierenden unmittelbar an die spätere berufliche Tätigkeit heranführen und gleichzeitig einen erheblichen erzieherischen Einfluß ausübe.“ (Salevsky / Schmitz 1986:123)

Die Studenten hatten in allen Fächern Prüfungen abzulegen. Dabei waren die Prüfungsfächer der Abschlussprüfungen: Übersetzungstheorie, Theorie und Praxis der Sprache der Gegenwart, Geschichte, Literatur und Landeskunde. Die Hauptprüfung im letzten Studienjahr bestand aus Teilprüfungen in den Fächern Marxismus-Leninismus, Theorie und Praxis des Übersetzens sowie Theorie und Praxis des Dolmetschens. Für die Zulassung zur Prüfung in Theorie und Praxis des Übersetzens musste eine Hausübersetzung angefertigt und für ausreichend bewertet werden. Wenn die Hauptprüfung bestanden wurde, lag als letzte Prüfung die Verteidigung der Diplomarbeit vor den Studenten (vgl. Salevsky / Schmitz 1986:123).

In der DDR war die Diplomsprachmittlerausbildung, wie bereits zur ersten Institutsgründung festgelegt, eine eigenständige Disziplin, sodass man beispielsweise nicht aus dem Lehrerstudium in das Sprachmittlerstudium wechseln konnte, zudem letzteres auch durch eine

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Eignungsprüfung zulassungsbeschränkt war. Bei dieser Eignungsfeststellungsprüfung wurden mündliche und schriftliche sprachliche Fähigkeiten in der Muttersprache sowie die Kenntnisse in den Schulfremdsprachen überprüft. Ein Auslandsaufenthalt wurde vor dem Studienantritt jedoch nicht vorausgesetzt (vgl. Salevsky / Schmitz 1986:120)24. Die tatsächliche Kombination der studierten Arbeitsfremdsprachen stimmte allerdings nicht immer mit dem geprüften Sprachen überein:

„Ich hatte die Eignungsprüfung in Englisch sehr gut bestanden. Der Prüfer sagte zum Abschluss: ‚Ich weiß nicht, was ich Sie noch fragen soll‘. […] In Russisch war ich so gut, wie das bei dem Russisch-Lehrniveau in meiner Oberschulklasse möglich war. […] Im Vergleich zu meinen Kommilitonen hätte ich in Russisch durchaus ‚im Mittelfeld‘ mithalten können.

[…] Mir wurde dann Französisch als Zweitsprache ‚verordnet‘. Ich musste Französisch vollkommen neu lernen. Dies geschah – so glaube ich – nicht, weil ich in Russisch nicht so gut bestanden hatte wie in Englisch, sondern weil Französisch-Studenten fehlten.“ (M. G.

Brief 29.11.2011)25.

Die Studenten wurden bereits früh in Arbeitskreisen oder Veranstaltungen zur Vorbereitung der Diplomarbeit in die Forschung mit einbezogen. Im Unterschied zu anderen Ländern berechtigte der Studienabschluss in diesem Fach zu einer Promotion „gleich ob als Forschungsstudium im Anschluß an das Diplomstudium oder aber in Form einer planmäßigen, außerplanmäßigen oder Frauensonderaspirantur in späteren Jahren“

(Salevsky / Schmitz 1986:119).

Eine weitere Besonderheit war, dass die Übersetzer- und Dolmetscherausbildung nicht wie in anderen Einrichtungen getrennt, „sondern als beide Disziplinen einschließendes Studium […], dafür aber bisher noch ohne obligatorisches (als Ergänzung vorgesehenes) nichtphilologisches

‚Sachfach‘“ (Salevsky / Schmitz 1986:119) angeboten wurde.

Beim Übersetzen stand zunächst ein übersetzungsbezogener Sprachvergleich, der mit der praktischen Übersetzertätigkeit verbunden werden sollte, im Mittelpunkt und es wurde nach einer Übersetzungsgrammatik gesucht. Im Dolmetschunterricht wurde vor allem daran gearbeitet, Automatismen auszubilden und das Gedächtnis und die Notationstechnik für das

24 Dass sich die Zulassung trotz bestandenem Eignungstest nicht immer einfach gestaltete, zeigen verschiedene Dokumente im Anhang unter Punkt 3 „Zulassung zum Studium“.

25 Der Brief befindet sich im Anhang unter Punkt 4 „Brief von M. G.“.

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Konsekutivdolmetschen zu trainieren. Es wurde auch eine Einführung in das Simultandolmetschen gegeben:

„Sie muß natürlich den Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Studenten angepaßt werden. Für eine Ausbildung zum professionellen Simultandolmetscher indes ist erstens nicht jeder Sprachmittler geeignet und brauchte er zweitens eine ausreichende praktische Erfahrung in den anderen Arten und Formen des Übersetzens und Dolmetschens. Dieses Problem zeigt deutlich, daß die Sprachmittlerausbildung an den Hochschulen objektive Grenzen hat und bestimmte Anforderungen nur in der Einheit von Aus- und Weiterbildung erfüllt werden können.“ (Salevsky 1986:122)

Die Frage des Sachfaches wurde ausgiebig diskutiert und nicht grundlegend abgelehnt. Aus praktischen Gründen und wegen der möglichen Fachübersetzerausbildung wurde jedoch kein Sachfach verpflichtend eingeführt.

Dies war nicht die einzige Frage, die sich den Lehrverantwortlichen stellte. So war man sich nicht sicher, wie beide Arbeitsfremdsprachen gleichmäßig vermittelt werden und ob dies wünschenswert ist. Es wurde überlegt, ob eine Sprache zu Beginn des Studiums intensiver gelernt werden oder ob die Ausbildung in beiden Sprachen gleichzeitig erfolgen sollte und somit beide Sprachen als gleichrangig angesehen werden. Für die „Nichtschulsprachen“

wurde die erste Methode gewählt, ansonsten erfolgte der Unterricht parallel (vgl.

Salevsky / Schmitz 1986:121).

Die Sprachkenntnisse waren essentiell und konnten sich auch als Problem erweisen. So wurde es als Schwierigkeit gesehen,

„daß die sprachmittlerische Ausbildung bereits im 2. Jahr beginnt, woraus folgt, daß die Arbeit mit der Sprache (beim Übersetzen und Dolmetschen) stets noch von der Arbeit an der Sprache (Normgerechtheit) begleitet wird und damit die Fachausbildung belastet […].“

(Salevsky / Schmitz 1986:122)

Ein weiterer – auch heute noch – kritischer Punkt war die Übersetzungsarbeit in die Fremdsprache, die durch die zunehmend bessere Sprachbeherrschung der Schulfremdsprachen in der Arbeitswelt von Sprachmittlern für Russisch und Englisch verlangt wurde und woran diese auch gemessen wurden: „Es erhebt sich allerdings die Frage, ob die Ausbildung den Erwerb dieser Qualifikation im vollen Umfang garantieren kann“

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(Salevsky / Schmitz 1986:122).

Der Unterricht im Übersetzen in die Fremdsprache wurde auch gegeben, um den Studenten eine breite Grundlage zu bieten, damit diese nach ihrem Abschluss gleichermaßen den Beruf des Dolmetschers ergreifen konnten. Zudem war dieser Ausbildungsaspekt notwendig, da in der DDR nicht genügend fremdsprachige Muttersprachler lebten, die diese Aufgabe übernehmen konnten (vgl. Schmitz 05.04.2012).

Man fragte sich auch, ob eine Einführung in die Fachsprache oder die Terminologielehre in ein Übersetzerstudium gehörten oder diese Fächer als eigenständige Disziplinen gesehen werden sollten.

Auslandsaufenthalte während des Studiums erfolgten zunächst nur in sozialistische Staaten, häufig in der Form eines Hochschulferienkurses. In die DDR kamen jedoch auch Studenten aus Großbritannien oder Frankreich, sodass ein kultureller Austausch und der Kontakt zu Muttersprachlern auch für Studenten mit westlichen Arbeitssprachen möglich waren. 1975/76 gelang es den Verantwortlichen für die Weiterbildung schließlich, bei der SED die Genehmigung für Aufenthalte in Frankreich (Grenoble), Großbritannien (Cambridge26) und Spanien (Madrid) zu erhalten (vgl. Schmitz 08.07.2011).

Nach dem erfolgreichen Studienabschluss erfolgte der direkte Übertritt in die Arbeitswelt:

„Mit der Immatrikulation wird dem Studenten (selbstverständlich nach erfolgreichem Abschluß) ein seiner Ausbildung entsprechender Arbeitsplatz garantiert. Verständlicherweise muß er dabei in Kauf nehmen, daß er sich unter diesen Voraussetzungen die Fachrichtung (Sprachkombination) nicht immer frei wählen kann.“ (Salevsky / Schmitz 1986:120)

Zu den Einsatzstellen der Diplomsprachmittler gehörten der Staatsapparat, der Fremdsprachendienst Intertext, gesellschaftliche Organisationen, volkseigene Kombinate und Betriebe, wie zum Beispiel das „Schwermaschinenbau-Kombinat Ernst Thälmann“ (SKET), und wissenschaftliche Einrichtungen. Die ersten Kontakte zu Vertretern dieser potentiellen Arbeitsstellen konnten die Studenten noch vor Studienbeginn beim „Tag der offenen Tür“ der

26 Für Großbritannien hatte man eigentlich eine „Arbeiteruniversität“ wie Birmingham gewählt, um bei der Genehmigung nicht auf Widerstand zu stoßen. Mit dem beginnenden Eurokommunismus war der SED eine solche Universität jedoch zu riskant, sodass sie eine konservative Einrichtung wie Oxford oder Cambridge bevorzugte (Schmitz 08.07.2011).

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Universität knüpfen (vgl. Salevsky / Schmitz 1986:121). Durch die zentralistische Verwaltung der Universitäten wurde die Zusammenarbeit zwischen den Ausbildungsstätten und den Betrieben bzw. staatlichen Einrichtungen, „darunter besonders dem Zentralen Fremdsprachendienst Intertext27 mit regionalen Büros“ (Wotjak 2007:XIV), erleichtert.

Die Ausbildung sollte stets effektiver gestaltet werden, was nur in der Praxis und in verschiedenen Gremien wie Berufsverbänden, Arbeitskreisen oder der Arbeitsgruppe Sprachmittler erreicht werden konnte. So unterstützten sich die Universitäten und die Vereinigung der Sprachmittler durch Vorträge, Gasthörerschaften und die wissenschaftliche Betreuung gegenseitig (vgl. Salevsky / Schmitz 1986:124).