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Schattenbericht zum dritten Bericht der Schweiz über die

Umsetzung des Übereinkom-mens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) (2008)"

3.4. Art. 2 zu Ziff. 7: Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen Frauenhäuser

Die 17 in der Schweiz bestehenden Frauenhäuser sind nach teilweise über dreissig Jahren kontinuierhcher Entta-buisiemngs- und Aufbauarbeit als nicht ersetzbare Institutionen im sozialen Ge-füge anerkannt. Trotzdem ist ihre Finan-zierung alles andere als gesichert und Je nach Kanton sehr uneinheitlich.

Pohtische Vorstösse für eine Beteili-gung des Bundes an der Finanzierung der Frauenhäuser und zur Verbessemng der interkantonalen Zusammenarbeit scheiterten seit den 1990er Jahren im-mer wieder Der Bund überlässt die Fi-nanziemng den Kantonen. Diese sind aber weder zur Errichtung noch zur fi-nanziellen Sicherstellung verpfUchtet.

Die poUtischen Chancen, eine Verpflich-tung der Kantone zur Finanziemng von Frauenhäusem einzuführen, wurden in den letzten Jahren verpasst: In den neu-en Verfassungsbestimmungneu-en zum Fi-nanzausgleich zvnschen den Kantonen wurde die Errichtung oder Finanziemng von Einrichtungen für gewaltbettoffene Frauen nicht unter den Aufgabenberei-chen aufgehstet, in denen eine interkan-tonale Zusammenarbeit für obhgato-risch erklärt werden kann. Und bei der Verabschiedung des neuen Gewaltschutz-artikels im ZivUgesetzbuch (Art. 28b ZGB) wnirde die Einfühmng einer dies-bezügUchen ausdrückUchen Verpflich-tung der Kantone vom Parlament abge-lehnt. Gmndlagen für die Unterstützung der Frauenhäuser sind die Umsetzung des Eidgenössischen Opferhilfegesetzes (OHG), kantonaler Sozialhilfegesetze und weiterer Erlasse. Wo die Regelungen des OHG nicht (mehr) greifen, müssen die Gemeinden um Finemziemng angefragt werden. Diese wiedemm stützen sich auf kantonale Sozialhilfegesetze ab, die einen grossen Interpretationsspiehaum offen lassen. Im Kontext steigender So-zialausgaben werden dabei die Opfer häushcher Gewalt vermehrt zum

Spiel-Frauenfragen 2.2008 I

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Die Bekämpfung der Gewalt an Frauen. Die Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses und Stellungnahme der Schweiz

ball im Stteit um die Zuständigkeit zwi-schen kantonaler Opferhilfestelle und kommunaler Sozialbehörde.

Mangels regelmässiger finanzieller Absichemng etwa über Subventionen oder Leistungsverttäge sind Frauenhäu-ser für ihre Finanziemng heute vor al-lem auf die Einnahmen für die einzelnen Aufenthaltstage ihrer Klientinnen (so ge-nannte Kostgeldeinnahmen) angewiesen.

Die über die kantonalen Opferhilfestel-len finanzierte BeteiUgung der Behörden an diesen Kostgeldern schwankt dabei von Kanton zu Kanton sehr stark. Die Be-urteilung, ob und für wie lange einer ge-waltbettoffenen Frau der Aufenthalt in einem Frauenhaus finanziert wird, fäUt wiedemm in erster Linie in den Zustän-digkeitsbereich der kommunalen Sozial-behörden und hängt damit auch sehr stark von der individueUen Einschät-zung, dem Fachwissen und der Haltung der zuständigen Mitarbeiterinnen einer Gemeinde ab.

Gleichzeitig sind die Kostgelder per se eine sehr schwankende EirmahmequeUe und damit eine prekäre Finanziemngs-gmndlage, die durch andere, private EinnahmequeUen ergänzt werden muss.

Eine Folge davon ist, dass Frauenhäuser mehr Zeit für die Suche nach privaten Unterstützungsgeldem einsetzen müs-sen - Zeit, die für die konkrete Bera-tungsarbeit wie auch für Interventions-und Präventionsarbeit fehlt.'*

Cewaltschutzgesetze

Gewaltschutzgesetze sind zwar zu be-grüssen, sind aber in keinem Kanton hin-reichend griffig, um gewaltbetroffenen Frauen in JederSituation genügend Schutz zu bieten. In einigen Kantonen sind zu-dem die Gewaltschutzartikel sehr mini-mal ausgestaltet und gehen nicht nüt einer umfassenden Interventions- und Präventionssttategie einher Ungenü-gend ist die Wegweisungsmassnahme auch in Famihensystemen, wo der Kon-ttoU- und Dominanzanspmch des Täters unmittelbar durch andere männhche Famihenmitglieder übemommen wird.

Die Entfühmngsgefahr für die Kinder ist m vielen Situationen mit der Wegwei-sung oder Inhaftiemng des Täters nicht beseitigt. Zudem brauchen die meisten Opfer professioneUe Unterstützung und ein KUma von Ruhe und Sicherheit, um wieder psychische StabiUtät zu erlan-gen. Frauenhäuser spielen deshalb wei-terhin eine zenttale RoUe in interdis-ziplinären Interventionsstrategien.

Prekäre Situation von gewalt-betroffenen Migrantinnen

Cewaltbetroffene Frauen mit unsiche-rem oder vom Mann abhängigem Auf-enthaltsstatus befinden sich weiterhin in einer besonders prekären Situation, weil sie befürchten müssen, im Falle ei-ner Trennung vom (gewalttätig gewor-denen) Ehemann ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu verheren. Das führt dazu, dass diese Frauen die vorhande-nen Unterstützungsangebote und Kla-gemöghchkeiten oft gar nicht in An-spmch nehmen und erst recht nicht ei-ne Anzeige bei der PoUzei einreichen.

Pohtische Bemühungen, einen im Bim-desrecht verankerten Aufenthaltsan-spmch für gewaltbettoffene Migrantin-nen zu schaffen, scheiterten. Auch im neuen AuC [Ausländergesetz] vmrde le-diglich eine Kann-Bestimmung eingeführt.

Diese macht ein Bleiberecht zudem vom Grad der «Integration» abhängig. Mass-stab hierfür sind die Integration im Ar-beitsmarkt (bei Frauen, die sich um Haus-halt und gemeinsame Kinder kümmem, meist nicht gegeben) und die soziale und gesellschaftliche Integration. Oft sind auch Schweizer Kinder von einer Ausreise-pfhcht bettoffen, da der ausländischen Mutter der Verbleib in der Schweiz ver-weigert wird und die minderjährigen Kinder der Mutter ins Ausland folgen.

Empfehlungen:

• Der Kampf gegen Gewalt an Frauen bedarf heute nicht unbedingt neuer Normen, sondem vor allem der konse-quenten Anwendung der bereits vorhan-denen Bestimmungen. Dies güt nicht nur für den Bereich der Gewalt in Ehe und Partnerschaft, sondem auch für die se-xuelle Ausbeutung von Kindem und Ab-hängigen, die Verbreitung von Pomo-grafie, den Menschenhandel sowie jede Form von Ausbeutung im wirtschaftU-chen Bereich.

• Für die Umsetzung der verbesserten Sttaf- und Zivihechtsnormen müssen genügend personelle und finanzielle Ressourcen bei den zuständigen Behör-den bereitgesteUt und deren Angehöri-ge fortlaufend weiterAngehöri-gebUdet werden.

• Wenn heute anerkannt ist, dass häus-Uche Gewalt keine Privatsache, sondem eine geseUschafthche Problematik ist, für die der Staat Verantwortung ttägt, muss auch die Finanzierung von Frauen-häusern, die eine fachkundige stationä-re Betteuung von Gewaltopfem gewähr-leisten, als StaatUche Aufgabe anerkannt werden.

• Frauenhäuser müssen weiterhin als zentrale Institution in interdisziplinä-ren Interventionssttategien anerkannt werden, mit ihrer spezifischen RoUe in der Gewaltschutzprävention, in der Kri-senintervention und in der nachhalti-gen Unterstützung von Gewaltopfem.

• Cewaltschutzgesetze dürfen nicht als Vorwand gebraucht werden, um auf um-fassendere Massnahmen und auf inter-diszipUnäre Interventionssttategien zu verzichten.

• Frauenhäuser müssen als zenttale Ins-titution in solchen Interventionssttate-gien anerkannt werden.

• Im Bereich der Aufenthaltsbestim-mungenfür Ausländerinnen müssen kla-re, niederschwelUge Kriterien sowie Kon-ttoUmechanismen eingeführt werden, damit gewaltbetroffene Migrantinnen auch tatsächhch ein Aufenthaltsrecht erhalten. Kantonale Ausländerbehörden müssen vermehrt für die Thematik der häushchen Gewalt sènsibihsiert und ge-schultwerden. Besondere Sttategien zum Schutz gewaltbettoffener Migrantinnen dürfen aber keinesfalls mit kulturaUsti-schen, rassistischen Argumentationen und Massnahmen verbunden werden.

• Die Kantone müssen ihren Ermessens-spielraum bei der Umsetzung dieser aus-ländertechtUchen Bestimmungen unbe-dingt soweit wie möghch zugunsten der bettoffenen Frauen ausnützen.

• Damit eine Übersicht im foderahsti-schen System gewährleistet ist, muss das Bundesamt für Statistik in Zusam-menarbeit mit dem Bundesamt für Poh-zei regelmässig aussagekräftige Daten zuhanden der Justizbehörden, weiterer kantonaler Behörden sowie der Parla-mente zusammenstellen.

Anmerkungen

1 www.admin.ch/ch/d/sr/0_108/tndex.html.

2 Der erste/zweite und der dritte Staatenbe rieht der Schweiz sowie die Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses sind auf

www.ebg.admin.ch/themen/00007/00070/

index.html?lang=de abmfbar.

3 3. Staatenbericht, S. 42 ff.

4 http;//www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/

index/themen/19/03/02.html.

5 Es handelt sich hierbei um eine Gesamtzahl, welche die voUendeten und versuchten Tötungs-deUkte einscMiesst.

6 http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/

iiidex/themen/19/03/03.html.

Frauenfragen 2.2008 Questions au féminin Questioni femminili 112

Die Bekämpfung der Gewalt an Frauen. Die Empfehlungen des CEDAVy-Ausschusses und Stellungnahme der Schweiz

7 http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/dé/

indéx/thèmen/19/63/01/key/bèràtungsfaeUe/

Ol html.

8 Broschüre «Stopp! HäusUche Cîeviràlt» der Schweizerischen KoordinationssteUe für Verbre-chensprävention 2003,

http;//wvtrvv.kriminalpravention.ch/l/

downloads/de/haeusliche_gewalt_de.pdf.

9 Eva V\^ss, Gegen Gewalt; Interventionspro-jeWté in'den:Kantonen St..GaUen und AppenzeU Ausserrhoden; Erste. Erfahrungen mit der Um-setzung der polizeiUchen Wegweisung (Evalua-tion im Auftrag der FachsteUe gegen Gewalt des Eidgenössischen Büros, für die Gleichstellung von Frau und Mann), 2005;

http://wvirw.againstviolence.ch/d2/

dokiimenté/sdilussbéricht_sg%20.pdf.

10 Stand JuU 2006.

11 ComeUa Kranich Schneiter/ Marlene Eggen-berger / Ursula Lindauer, Gemeinsam gegen häusUche .Gewalt: eine Bestandesaufiiahme im Kanton Zürich (im Auftrag von IST Interventions-steUe gegen häusUche Gevwlt des Kantons Zürich), Zürich etc. 2004.

12 Parlamentarische Initiative «Schutz vor Ge-walt im Famiüenkreis und in der Partnerschaft», Bericht der Komnüssion für Rechtsfragen des Na-tionalrates, 18.-Aügust 2005. BBI 2005 6871 ff.

13 Theres Egger, Bedarfsanalyse Frauenhäuser;

Zusammenfassung der Vorstudie, im Auftrag der FachsteUe 'gegen. Gewalt des Eidgenössischen Büros fur.die GieichsteÜung von Frau und Marm, November 2004.

14 http://www.bj.admin.ch/bj/dé/home/

themen/gesellschaft/öpferhilfe.html.

15 http:7/www.bfs.adinin.ch/bfs/portal/de/

index/themen/t 9/03/01 .html.

16 http://www.bj.admin.ch/bj/de/home/

themeii/gesellschaft/gesetzgebüng/ ' opfierhilfegesetz.htnil,

17 http://virvirw.inaeimer.org/schweiz/

linkberatiLiiig$steUen.html.

18 vgl. z.B.' Susanne Lorenz/ Christian Anglada/

Pierte Awahzinb/ PhiUppe Bigler, Eine Verhal-tensäiideriihg bei'Mähhem fördern, welche Ge-walt in der FamiUe'ausüben; Modalitäten und Rahmenbedingungen der Intervention, Lausanne (Service Violence et FamilUe) 2004.

19;http'://wv)w.against-violence.ch.

20 Stand 2006.

21 ' http://www.ebg.admin.ch/themen/OO069/

00089/00093/index.html?lang=de.

22 http://www.krinunalpraevention.ch/l/

fr/5violènce/520ciimpagné_stop_:violencé_

domestique.php.

23 Peter Giger, Die poUzeiUche Präyentions-kampagne «Stopp! HäusUche (Gewalt», in: Frauen-fragenl.2b05,S.,41 ff.

24 Silvia Steiner, HäusUche Gewalt; Erschei-nungsformen, Ausmass und Bewältigungssttate-gien m der Stadt Zürich; Zürich 2004.

25 Eva W^ss, Gegen häusUche Gewalt. Interven-tionsprojekte in den Kantonen St. GaUen und Ap-penzeU' Ausserthoden; Erste Erfahrungen mit der Umsetzung der poUzeiUchen Wegweisung -Evaluation, Bern 2005; ComeUa Kranich Schnei-ter/ Marlene Eggenberger/Ursula Lindauer, Ge-meinsam gegen häusUche Cîewalt; eine Bestan-desaufiiahme. im Kanton. Zürich, Zürich 2004;

Peter Frei, Wegweisung und Rückkehrverbot im St. galUschen Pohzeigesetz: Eine Bestandesauf-nahmé. Èrfehrungen im ersten Jahr aus juristi-scher Perspektive, in; AktueUe Juristische Praxis 5/2004, S. 547 ff.; Corinna Seith, ÖffentUche In-terventionen gegen häusliche (îewalt. Zur RoUe von PoUzei, Sozialdienst und Frauenhäusem, Frankfiirt/Main 2003.

26 Beatrice Büttner/ Sonja Perrenj Rainer Hor-nung, HäusUche Gewalt in den Printmedien der Deutschschweiz. DarsteUung häushcher Gewalt im Jahr 2002 in sâmtUchen.grôsserén Printme-dien der Deutschschweiz, (im Auftrag der Stif-tung Frauenhaus Zürich),:2004.

27 Eidgenössische Kommission fiir Frauenfra-gen, «Frauenfrâgen» 1.2005, HäusUche Gewalt undMigratiön.

28 Katharina Belser, HäusUche Gewalt kommt in aUen Kreisen vor - nur in manchen vieUeicht et-was häufiger, Frauenfragen 1.2005, S. 9; vgl.

auch Silvia Steiner. HäusUche Gewalt, Erschei-nungsformen, Ausmass und poUzeiUche Bewäl-tigungssttategien in der Stadt Zürich 1999-2001, Zürich etc. 2Ô04.

29 Vgl. etwa das Empowerment-Projekt der Mi-grantinnenwerkstatt wisdonnä: JuUa Betschart-Velazquez, SeiisibiUsierung und WeiterbUdung zu häusUcher Giswalt und Migration, in; Frauen-fragen 1,2005, S. 45 ff.; vgl. auch die Kampagne

«Stopp: häusUche Gewalt».

30 Z.B. das Fraueninformationszentrum Zürich;

Violetta, Wohngemeinschaft für gewaltbettoffe-ne Migraritingewaltbettoffe-nen in Zürich;

31 Vgl. Erster/zweiter Bericht, N.. 94 ff, 579 ff.

32 Annemarie Sancar/ Hildegard Hungerbühler/

Beatriz Pavia KeUer, Migrantinnen im Kanton Bem - eiiie Uritersuchtmg im Auftrag der Kantona-len FachsteUe für die GieichsteÜung von Frauen und Männem, Bem 2001; Carola Reetz, Wer schlägt, bleibt: Zur rechthchen Sittiation gewalt-bettoffener Migrantinnen, in; Frauenfragen 1.2005. S. 29 ff.; Ghristina Hausammann, Mig-rantinnen: Aufenthaltsrécht imd häusUche Ge-walt, Übersicht über die Rechtslage und Emp-fehliingen der Kantonalen Fächkommissiön für GleichsteUungsfragen des Kantons Bem an die kantonalen PoUzeibehörden; Maja Minder, Häus-Uche Gewalt im Migrationskontext; ProfessioneU angehen - Kompetenz statt KulturaUsierung, in;

Frauenfragen 1.2Ö05, S. 22 ff.

33 NGO Schattenbericht zum dritten Bericht der Schweiz über die Umsetzung des Übereinkom-mens zur Beseitigimg jeder Förin von Diskrimi-nierung der Frau (CEDAVV) Herausgegeben von

f>JGO-Köordination post Beijing Schweiz. Amnes-ty Intemational, Schweizer Sektion, Bem 2008.

S. 11 ff.

www.postbeijing.ch/cms/upload/pdf/

Cedaw-Schattenbericht-2008.pdf.

34 Büro BASS; Bedarfsanalyse Frauenhäuser, Bem. Nov. 2004.

Frauenfragen 2.2008 Questions au féminin Questioni femminili '"113

Thème principal: Violence domestique: état des lieux