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Kinder inmitten häuslicher Gewalt

von SABINE BRUNNER

Maj, siebenjährig, spricht nur noch mit ihrer Mutter - schon seit längerer Zeit. Kein Wort zu anderen Erwachsenen, weder in der Schule, noch im Frauenhaus, noch mit der Beraterin. Fragt man sie etwas, lächelt sie freundlich, wird sie bedrängt, versteckt sie sich hinter der Mutter Wir wissen; Der Vater hatte ihre Mutter geschlagen, diese sich schliesslich von ihm getrennt Was geht in Maj vor? Wann spricht sie wieder?

Häusliche Gewalt betriffi Kinder exis-tenziell. Auch wenn sie selbst keine Ge-walt erleben, befinden sie sich mitten im Gewaltgeschehen. Zu erleben, dass das eigene Zuhause nicht sicher ist, dass etwa die Mutter vor dem Vater Angst hat, Stteit, Schläge, DemoUemngen mit-zuerleben, Drohungen zu hören - all dies in einem Alter in dem jedes Erleb-nis die Persönlichkeit mitprägt, kann massive Stömngen vemrsachen. Den-noch verheren nicht nur die Eltem, son-dem auch Fachpersonen die Situation der Kinder, die in diesem KUma auf-wachsen müssen, immer vsdeder aus den Augen. Vertiefte Studien zur Bettoffen-heit von Kindem werden im deutsch-sprachigen Bereich erst seit wenigen Jahren durchgeführt. UnterschiedUche Sichtweisen der Fachpersonen aus Opfer-unterstützung, Vormundschaftsbehör-den, Zivilgerichten etc. erschweren ein einheithches Vorgehen. Existierende Be-ratungsangebote werden ungenügend genutzt. In den letzten Jahren ist das Thema Kinder bei häushcher Gewalt vermehrt ins Bhckfeld der fachUchen Auseinandersetzungen gerückt. Das äus-sert sich etwa in der Einfühmng von Kin-desverttetungen und Kinderanhömngen in Zivilverfahren, am Agava-Kongress von 2007 zum Thema «Wenn Kinder Opfer von Gewalt sind...» wie auch in der in-tensiveren Zusammenarbeit der invol-vierten Fach- und Beratimgsbereiche.

Der folgende ÜberbUck über das Thema aus psychologischer Perspektive soU da-zu beittagen, die Situation der Kinder in-mitten häusUcher Gewalt besser zu vstehen und Handlungsansätze zu er-kennen.

1. Forschungsergebnisse

Aktuelle Forschungsergebnisse legen dar, dass bereits das Miterleben von Part-nergewalt die kindUche Entwicklung massgebUch beeinttächtigt (Kindler 2006).

Häushche Gewalt entsteht oft bereits bei der FamiUengründung und scheint in Partnerschaften mit Kindem am in-tensivsten und häufigsten zu sein (Kave-maim 2006). Eltem meinen manchmal, dass die Kinder die Gewalt nicht mitbe-kommen, aber ein Bericht von Hagemann-White von 1981 (in Kavemann 2006) zeigt auf, dass die Annahme der Mütter,*

sie hätten die Kinder aus dem Gewalt-geschehen heraushalten können, sich im Gespräch mit den Kindem selbst als Illusion erweist. Kleinkinder reagieren gemäss einer Studie von Cummings &

Davis (2002) bereits bei wenigen aggres-siven KonfUkten mit Sttesssymptomen.

Eine hohe Stteithäufigkeit der Eltem scheint nach Grych 8i Fincham (1990) und Parke et al. (2001) mit einer tieferen sozialen Kompetenz der Kinder und Ju-gendhchen in der Schule und vermehr-tem störendem und aggressivem Verhal-ten einherzugehen. Seith (2007) konnte in einer intensiven Befragung von Kin-dem und Jugendhchen aufzeigen, dass bei ihnen Bedürfriisse nach Schutz, Si-cherheit und die Möghchkeit, sich einer vertrauten Person mitteilen zu können, im Vordergmnd stehen. Die Kinder dach-ten dabei sehr differenziert über häusli-che Gewalt nach. Insbesondere wogen viele Kinder und Jugendliche intensiv ab, wie ihre eigenen Bedürfriisse nach Hilfe und Unterstützung mit den Inte-ressen der FamiUe vereinbar seien. Sie fragten sich, wann sie sich illoyal ver-halten, oder befürchteten negative Konse-quenzen, wenn sie Hilfe suchen würden - etwa eine Heimplatziemng oder einen Gefängnisaufenthalt ihres Vaters. Sechs von zehn Schülerinnen würden es be-grüssen, wenn das Thema in der Schule bearbeitet vmrde und ihre Lehrerinnen sie auch persönhch unterstützen könn-ten.

2. Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf Kinder und Jugendliche

2.1 Negative Auswirkungen auf die psychische Befindlichkeit

Lange wurde bestritten, dass Kinder von der Paargewalt ihrer Eltem bettof-fen sind, da sie selbst ja nicht Opfer von Gewalt geworden sind. Dass sie als Zeu-gen der Gewalt in einem Klima von Angst, Machtausübung und Unsicher-heit aufwachsen müssen, wird erst seit wenigen Jahren diskutiert. Verschiedene Studien (vgl. Kindler 2006 und Sttasser 2006) kommen zum Schluss, dass ein Grossteil der Kinder Entwicklungsstö-mngen und spezffische Beeinttächtigun-gen der psychischen Gesundheit (post-ttaumatische Belastungsstömngen) ent-wickeln, wenn sie häusUcher Gewalt aus-gesetzt sind. Das Miterleben von Gewalt, bei der v^dchtige Grenzen überschritten werden, ist prinzipiell für jeden Men-schen einschneidend. SpezieU bei Kin-dem kann es schnell zu einer Überflu-tung mit Angstgefühlen kommen. Sie bekommen Angst um sich, um die Ge-schwister, um den einen Eltemteil, vor dem anderen Eltemteil. Die Symptome reichen von Schlaf- und Essstömngen, Einnässen und Einkoten, gehäuften Krank-heiten, Sprechstömngen, Rückzug, Ent-wicklungsstömngen, Verhaltensstömn-gen (aggressives oder depressives Verhal-ten), Schulproblemen bis hin zu suizi-dalen Gedanken und Handlungen.

2.2 Negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung

Die schwierigen Erfahrungen wirken sich je nach Entwicklungsstand des Kin-des unterschiedUch aus. Im Vorschulal-ter wird Gewalt als existenzielle Bedro-hung erlebt, Kinder sind in diesem Alter ihren Ängsten stark ausgesetzt, sie werden zwischen Allmachts- und Ohnmachts-gefühlen hin- und hergeworfen. Im Pri-marschulalter kommen die Schuldge-fühle dazu. Kinder befürchten, durch ei-genes Fehlverhalten die Gewalt ausge-löst zu haben. Fragen von Recht, Un-recht und LoyaUtät beschäftigen sie. Im Jugendalter verschärft häusUche Gewalt

die Spannung zwischen

Ablösungswün-Frauenfragen 2.2008 Questions au féminin Questioni femminili i '^g

Kinder inmitten häuslicher Gewalt

sehen einerseits und Bindung bzw. Ver-antwortung gegenüber Eltem. JugendU-che leiden dann oft stark unter Gefüh-len wie Wut, Schuld, Scham.

Anhaltende oder massive Erlebnisse von häuslicher Gewalt führen auch zu Problemen in der Eltem-Kind-Beziehung und in der Erziehungstätigkeit der El-tem. Kinder sehen in ihren Eltem, die in Gewalt verwickelt sind, keine oder nur noch bedingt positive Vorbilder Sie lemen am ModeU, Gewalt als eine Mög-hchkeit zum Umgang mit KonfUkten an-zusehen. Der Aufbau moraUscher Wer-te wie Respekt und Wertschätzung und auch die Entwicklung einer gesunden Identität werden erschwert. Eine liebe-voUe, vertraute Beziehung sowohl zum Gewalt ausübenden Vater als auch zur Gewalt erleidenden Mutter ist weniger gut möghch.

2.3 Ressourcen

In jedem Alter verfügen Kinder und Ju-gendhche auch über eine starke Anpas-sungsfähigkeit. So entwickeln sie indi-vidueU verschiedene Sttategien, mit häuslicher Gewalt zurecht zu kommen.

Sie wenden sich etwa vermehrt Gleich-altrigen zu, verbünden sich mit Ge-schwistem, suchen Hilfe bei Drittperso-nen, denken sich Helden aus, die ihnen beistehen, entwickeln innere Neben-welten etc. Die Fähigkeit zum Nachden-ken und die früh entstehende morali-sche Haltung befähigt Kinder bereits im Kindergartenalter, die Geschehnisse zu reflektieren.

3. Kinder als Zeugen von Gewalt versus misshandelte Kinder

In Fachkreisen wird bezüghch der Ausvdrkungen der Gewalterfahmngen oft nicht unterschieden, ob die Kinder selbst misshandelt oder ledigUch Zeu-gen von häusUcher Gewalt geworden sind. Es ist anzunehmen, dass die Be-einttächtigungen der Kinder in beiden Fällen ähnhch ausfallen. Zahlen darü-ber, wie oft Kinder bei häushcher Gewalt auch selbst misshandelt werden, diver-gieren stark. Seith (2007) kommt in ih-rer Studie zum Schluss, dass zehn Pro-zent der Kinder, die Zeugen von Gewalt waren, auch selbst misshandelt v^oirden.

Kavemaim (2006) gibt keine Zahl an, folgert aber aus ihrer Sichtung ver-schiedener Studien, bei häushcher Ge-walt bestehe eine hohe Wahrschein-hchkeit, dass die Kinder selbst auch misshandelt werden.

Kinder können ganz unterschiedlich ins elterliche Gewaltgeschehen einbe-zogen werden. Mütter berichten, dass sie sich zum Schutz vor dem gewaltbe-reiten Ehemann ins Kinderzimmer ret-ten. Kleine Kinder werden auf dem Arm der Mutter von Schlägen gettoffen. Un-geborene Babys erleben Fusstritte in den mütterhchen Bauch, grössere Kinder, welche es wagen, in den elterUchen Kon-fUkt einzugreifen, werden selbst geschla-gen. Auch sind Kinder oft vielfältigen Drohungen ausgesetzt: Aussagen, dass bald Schläge ausgeteilt werden, dass der Gewalttäter sich umbringt, die Mutter umbringt, die Kinder umbringt, die Kin-der entführt etc. Ständige Drohungen verstören manchmal mehr als direkte physische Gewalt.

Überdies ist anzunehmen und aus Frauenhausberichten auch bekannt, dass Frauen, welche Gewalt durch ihren Part-ner erleben, teilweise dazu neigen, die-se an ihre Kinder weiterzugeben.

4. Häusliche Gewalt und Besuchsrecht der Väter

Viele Ehen und Partnerschaften, in welchen häushche Gewalt ausgeübt wird, werden aufgelöst. Die Behörden müssen sich daraufhin mit der Besuchsregelung beschäftigen. Dabei stellt sich die Frage, ob die Kinder - die vieUeicht selbst schon ttaumatisiert sind - genügend Schutz er-fahren, wenn sie sich bei Vätem aufhal-ten, die in der Partnerschaft Gewalt an-gewendet haben. Interventionsstellen sind hier eher skeptisch, zumal nach der Trennung oft auch Gewalttätigkeiten mnd um die Besuche der Kinder entste-hen. Vormundschaftsbehörden und Zi-vilgerichte vertreten eher die Haltung, bei häusUcher Gewalt sei die Beziehung der Eltem massgebend. Ist diese been-det, gilt auch der Schutz des Kindes nor-malerweise als wieder hergesteUt. Das Recht von Vater und Kind auf Kontakt steht für die Behörden dann im Vorder-gmnd. Sie untersuchen eher, ob der Va-ter die Kinderbetteuung genügend ge-währleisten kann. Sind Kinder nicht un-mittelbar selbst bedroht, besteht aus Sicht der Behörden kein Anlass, die Be-suchssituation zu hinterfragen, weder in der rechüichen Beurteilung noch bei vormundschaftUchen Massnahmen. Aus-sagen der Kinder, welche sich negativ zum gewalttätigen Vater und dem Be-suchsrecht bei ihm äussem, werden oft nicht emst genommen. Eher wird in sol-chen Fällen davon ausgegangen, dass die

Mütter ihre Kinder beim Wahmehmen der väterUchen Besuchstage mangelhaft unterstützen (vgl. Eriksson 2006). Fami-üenimterstützende Institutionen wie Kin-der- und Jugendpsychiatrische Dienste halten sich aus der Frage, ob die Kinder bei einem Vater, der häusliche Gewalt ausgeübt hat, genügend Schutz erhalten, oft heraus und konzentrieren sich auf ihren eigenüichen Auftrag, psycholo-gisch-psychiatrische Hilfestellungen für die Kinder und die elterUche Erziehung zu leisten. So nehmen Fachleute diver-gente Haltungen ein und geraten sich aufgmnd des explosiven Themas nicht selten selbst in die Haare.

5. Schutzmöglichkeiten der Kinder Kinder, die häusUcher Gewalt ausge-setzt sind, können heute auf verschiede-nen Ebeverschiede-nen Schutz und Hilfe erhalten.

Auf rechtUcher Ebene sind Behörden wie die PoUzei verpfUchtet, den Vormund-schaftsbehörden Meldung zu erstatten, wenn ihnen selbst häushche Gewalt ge-meldet wird, bei der Kinder involviert sind. Der 2007 in Kraft getretene neue Gewaltschutzartikel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB Artikel 28b) kann auch für den Schutz von Kindem ange-wendet werden. Das Recht der Kinder auf Anhömng im Scheidungsverfahren gibt ihnen die Möghchkeit, eine allfälU-ge Bedrohung durch häusliche Gewalt anzusprechen. Ist die Gewalt akut, bie-tet die zeithch begrenzte poUzeiUche Wegweisung eines Gewalttäters aus sei-nen eigesei-nen vier Wänden in vielen Kan-tonen Schutzmöghchkeiten nicht nur für die bettoffenen Partnerinnen, son-dem auch für die involvierten Kinder In allen Kantonen gibt es Opferhilfestellen mit teilweise auf Kinder und JugendUche speziaUsierten FachsteUen. Kinderschutz-gmppen und FachsteUen für Kinderschutz garantieren die interdiszipUnäre Zusam-menarbeit verschiedener Fachpersonen.

Und schUessUch nehmen Fraüenhäuser seit jeher auch die Kinder der gewaltbe-ttoffenen Mütter auf und bieten stationä-re Unterstützung für Kinder Es besteht also nicht eigentUch ein Mangel an Schutz-möghchkeiten und Beratungsangeboten.

Mangelhaft ist aUenfalls die Vemetzung der verschiedenen Angebote oder das Wissen um die spezieUe Situation der Kinder inmitten häusUcher Gewalt. Be-ratungsangebote werden von Kindem vielfach nicht wahrgenommen, weil sich Fachpersonen oder auch die Erziehungs-berechtigten zu wenig dämm bemühen.

Frauenfragen 2.2008 1 Questions au féminin I Questioni femminili I -yg

Kinder inmitten häuslicher Gewalt

6. Was hilft Kindern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind?

Erfahmngen aus Forschung und Pra-xis zeigen, dass es Kinder gibt, die sich ttotz widriger Umstände gesund entwi-ckeln, beständige Leistungen zeigen und sich nach belastenden Erfahrungen rasch erholen. Diese Phänomene werden heu-te unheu-ter dem Stichwort Resihenz disku-tiert und erforscht (vgl. Zander 2008).

Auf der personalen Ebene ttagen emo-tionale, kognitive und soziale Kompe-tenzen der Kinder dazu bei, dass sie sich auch in schwierigen Situationen gut entwickeln können. Erfahmngen der Selbstvwrksamkeit stärken das Kind und verringem Gefühle von Ohnmacht, Schuld und Versagen nachhaltig. Auf der sozia-len Ebene sind aufriierksame, interessier-te Dritinteressier-te wertvoU. Das heisst Menschen, welche sich echt für das Schicksal und die Situation des Kindes interessieren, welche verlässUch zur Verfügung stehen und vertraut sind. Wenn die Eltem in ei-ne Gewaltdynamik verstrickt sind, kön-nen sie diese RoUe oft nicht mehr genü-gend ausfüUen. Andere Personen - etwa Lehrerinnen, AusbildungsverantwortU-che, Therapeutinnen, Kinderärzünnen, Grosseltem und andere Verwandte, Nach-barn oder auch Freundinnen - werden deshalb umso wichtiger Kinder sind meist in ein grosses soziales Netz eingebun-den, das viele Ressourcen in sich ttägt.

Interessierte Dritte können Kinder unterstützen

1. beim Mitteilen und Einordnen von Erfahmngen

2. beim Wahmehmen eigener Gefühle 3. beim Ausloten eigener Bedürfriisse 4. beim Erkennen eigener

Handlungs-möglichkeiten

5. beim Planen und im Umgang mit Zeit

6. beim Umgang mit Widersprüchen (vgl. Simoni 2007)

7. Lücken schliessen

Fachpersonen, die die Situation der Kinder beurteilen und / oder helfend ein-greifen woUen, sollten konsequent die Sichtweise des Kindes einzunehmen. Je-de Situation ist individuell zu beurtei-len. Es sollen nur Lösungen angesttebt werden, die im Alltag auch praktikabel sind. Kinder sollen dabei immer auch selbst gefragt werden, was sie zur Situa-tion meinen und was sie v^rünschen. Sie sind bereits im Vorschulalter fähig, kla-re eigenständige Meinungen zu äussem.

Auch wenn in der Beratung im Augen-bhck Lücken festzustellen sind, müssen nicht unbedingt neue BeratungssteUen aufgebaut werden. Vielmehr sollen die-jenigen Fachpersonen, welche bereits in Kontakt mit den Kindem sind, ihr Hin-tergrundwissen und ihre Handlungskom-petenz im Bereich häusliche Gewalt ver-bessem. Lehrerinnen, Lehrmeisterinnen oder Fachpersonen der Kinderanimation, welche Bescheid wissen über die verhee-rende Ausvdrkung von häusUcher Ge-walt auf Kinder, können massgebliche Unterstützung bieten. Dazu benötigen die betteffenden Fachpersonen ausrei-chende Ressourcen.

Das Thema häusUche Gewalt muss in die Grundausbüdung aUer pädagogischen, sozialen, medizinischen und juristischen Bemfe integriert werden. Damit kann gewährleistet werden, dass Unterstüt-zung überall dort stattfindet, wo Kinder bereits eingebunden sind. Allgemein soUen Erwachsene ermutigt und er-mächtigt werden, sich zuständig zu füh-len und kompetent zu handeln, wenn sie mit gewaltbettoffenen Kindem kon-frontiert werden.

Die verschiedenen Fachbereiche soll-ten sich ihrer unterschiedUchen Ansät-ze bewusst sein und eine fortlaufende interdiszipUnäre Diskussion darüberfüh-ren, ohne dabei in Abwertungen und Schuldzuschreibungen zu verfallen.

Bei der Festlegung der Betteuungsre-gelungen^ soll Priorität haben, was für das einzelne Kind gut ist. Das nach der UN-Kindertechtskonvention den Kindem zustehende Recht auf Anhömng soU in allen Bereichen emst genommen wer-den (s. dazu auch «und-Kinder» Nr 69).

Mit einem konsequenten Bhck auf das Kind können Fachleute verhindem, selbst in die Dynamik des Stteits zu ge-raten.

Amelies Vater hat über viele Jahre ihre Mutter bedroht und geschlagen. Als ihre Mutter sich vom Vater trennt, ist Amélie neun Jahre alt. Die Betreuungsregelung sieht vor, dass Amélie jedes zweite Wo-chenende ihren Vater besucht und ouch bei ihm übernachtet. Amélie geht zwar zum Vater, weigert sich aber, bei ihm zu über-nachten, da sie am Abend bei ihm jeweils in Angstzustände gerät. Da der Vater sich Amélie gegenüber Jiirsorglich verhält, tun sich die Fachpersonen zunächst schwer da-mit, die Betreuungsregelung zu ändem.

Erst als sie ihren Blick au/Amelies Ängste richten, erkennen sie, dass dem Kind Über-nachtungen beim Vater im Moment nicht

zugemutet werden können. Da Amélie als Zeugin der väterlichen Gewalt psychische Belastungen erfahren hat, wird es die Er-ziehungsaufgabe des Vaters in den nächs-ten Jahren sein, das Vertrauen von Amélie zurückzugewinnen, indem er sie regelmäs-sig, verlässlich und Hebevoll durch den Tag betreut und keine Gewalt mehr anwendet.

Anmerkungen

1 Da die Statistiken klar erkennen lassen, dass in übenviegender Mehrheit der FäUe (99%, Seith

& Kavemaim 2007) die häusUche Gewalt eine Mäimergewalt gegen Frauen ist, konzentriere ich mich im Folgenden darauf

2 Der hier verwendete Begriff der Betreuungs-regelung umfasst alle Vereinbarungen bezügUch der Betreuung eines Kindes und nicht nur. virie beim juristischen Begriff der Besuchsregelung, die zivilgerichtliche Verfügung der Besuchstage beim nicht sorgeberechtigten Eltemteil.

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Sabine Brünner, licphlLi Ist klinische Psycholo-gin. Am Marie Mèlerhpfer Institut für das Kind Ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin züständig fürCutachten und Kinderrechte. Zuvorarbeitete sie viele Jahre als Beraterin bei derOpferhIlfe bei-der Basel und unterstützte dort hauptsächlich Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen waren.

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Schwerpunkt: Häusliche Gewalt: eine Bestandesaufnahme

Gewalt nachhaltig eindämmen - Arbeit mit