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Situationsanalyse

Für das Erwachsenenalter sind Ereignisse oder Einflussfaktoren wie der Eintritt ins Arbeitsleben, Elternschaft, Bürgerbeteiligung und die Pflege der eigenen El-tern von prägender Bedeutung. Für viele Erwachsene stellt es ein Problem dar, ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Familie herzustellen und private und

berufliche Pflichten miteinander zu vereinbaren, wobei es Frauen und Alleiner-ziehende am schwersten haben. Frauen sind im Hinblick auf ihren Zugang zum Arbeitsmarkt und die Beteiligung daran benachteiligt, während Männer hinsicht-lich ihrer Beteiligung am Leben der Familie benachteiligt sind.

Die vorherrschenden sozialen Modelle gehen in der Regel davon aus, dass Män-ner in erster Linie für bezahlte Erwerbsarbeit und Frauen primär für die unbe-zahlte Arbeit zur Betreuung der Familie zuständig sind. In manchen Ländern und Kulturen in der Europäischen Region halten traditionelle geschlechtsspezifische Normen Frauen noch immer davon ab, eine Erwerbstätigkeit anzunehmen und selbst Geld zu verdienen. Nach wie vor besteht ein gewaltiges Ungleich-gewicht bei der Verteilung der Aufgaben in Familie und Haushalt. Elternschaft wirkt sich insofern nachteilig auf die Beschäftigungssituation von Frauen aus, als viele Frauen sich für flexible Arbeitszeitregelungen entscheiden oder ganz auf Berufstätigkeit verzichten – mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre be-rufliche Entwicklung, das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen und ihre Versorgungsansprüche.

Konzepte und Angebote zur Förderung der Elternkompetenz sollten Frauen mit Kindern befähigen, über ihr Leben selbst zu bestimmen, der Gesundheit und Entwicklung ihrer Kinder zugute kommen und die Väter dabei unterstützen, ihre Elternrolle besser wahrzunehmen. Insbesondere sollte eine familienfreundliche Beschäftigungspolitik gefördert werden. Zu diesem Zweck sollten flexiblere Ar-beitszeiten eingeführt werden, ohne dies mit unsicheren Kurzzeitverträgen zu verknüpfen, und es sollte eine erschwingliche Kinderbetreuung angeboten wer-den, um Eltern dabei zu helfen, berufliche und elterliche Verpflichtungen besser miteinander in Einklang zu bringen.

Inwieweit es gelingt, Privat- und Erwerbsleben miteinander zu vereinbaren und ein optimales Gleichgewicht zwischen Arbeit und Familie zu finden, hat auch Auswirkungen auf die Fruchtbarkeitsrate und die demografische Entwicklung.

Aufgrund der Bevölkerungsalterung stehen Frauen und Männer oft vor der Dop-pelbelastung, Kinder wie auch ältere Familienangehörige betreuen zu müssen.

Paare und Einzelpersonen müssen frei und verantwortungsbewusst darüber ent-scheiden können, wie viele Kinder sie wann und in welchen Abständen haben möchten, und über die dafür erforderlichen Informationen und Möglichkeiten verfügen. Die sexuelle Gesundheit und die fortpflanzungsfähigen Jahre haben enorme Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen und Männern, doch werden in manchen Teilen der Europäischen Re-gion die Bedürfnisse in Bezug auf sexuelle und reproduktive Gesundheit teilwei-se noch als zu intim oder kulturell problematisch betrachtet, was einer sinnvollen Auseinandersetzung mit der Thematik entgegensteht.

Bei der Sexualhygiene geht es darum, das Leben und zwischenmenschliche Be-ziehungen zu verbessern, und nicht lediglich Beratung und Betreuung in Bezug auf Fortpflanzung und sexuell übertragbare Infektionen anzubieten. In diesem Zusammenhang ist die Strategie der WHO zur Förderung von sexueller

Gesund-heit und EntscheidungsfreiGesund-heit bei der Fortpflanzung (74,75) zu nennen.

Viele soziale Veränderungen in der Europäischen Region wirken sich unverhält-nismäßig stark auf Erwachsene in verschiedenen Lebensphasen aus. Ein hoch-wertiger Arbeitsplatz mit einem hohen Grad an selbstbestimmtem Handeln und einem ausgewogenen Verhältnis von Einsatz und Belohnung ist eine wichtige Voraussetzung für Gesundheit. Für viele junge Menschen gehört Arbeitslosig-keit noch immer zu ihrer Lebensrealität, und instabile Beschäftigungsverhältnis-se sind in den ersten Berufsjahren zur Regel geworden, oftmals mit negativen Auswirkungen auf die Fertilität und die Gründung einer Familie. Für ältere Ar-beitnehmer gilt die normale Zeitschiene für den Eintritt in den Ruhestand nicht mehr; stattdessen erleben sie gegen Ende ihrer Laufbahn berufliche Instabilität

oder sehen auf die eine oder andere Weise dem Vorruhestand entgegen. Der zunehmende Eintritt von Frauen ins Erwerbsleben steht häufig in Verbindung mit atypischen Beschäftigungsformen.

Mangelnde Kontrolle über das Leben am Arbeitsplatz und in der Familie kann ge-sundheitsschädigend sein. Eine Anhäufung psychosozialer Gefährdungen kann langfristig zu größerer Belastung führen und die Wahrscheinlichkeit eines vor-zeitigen Todes erhöhen. Risikobehaftet sind sowohl Arbeitsplätze, die hohe An-forderungen an die Beschäftigten stellen, als auch solche mit stark eingeengter Eigenverantwortung der Beschäftigten. Wenn Menschen nur geringe Kontrolle über ihre Arbeit, kaum Gelegenheit zur Anwendung ihrer Fähigkeiten und kaum Entscheidungsfreiräume besitzen, leidet darunter ihre Gesundheit.

Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, Diskriminierung und Ausgrenzung vom Arbeits-markt erhöhen allesamt die Gefahr körperlicher und psychischer Störungen.

Langzeitarbeitslosigkeit gibt im Hinblick auf langfristige gesundheitliche Resul-tate Anlass zu ernster Besorgnis.

Bewährte Lösungen

Zur Förderung des Wohlergehens der Erwachsenen in der Europäischen Region ist eine Vielfalt von Lösungsansätzen erforderlich. Sozial innovative Konzepte, die die Gesellschaft in die politische Willensbildung einbeziehen, können ein Höchst-maß an Wohlbefinden herbeiführen, indem sie die Bürger in verschiedene soziale und das Wohlbefinden betreffende Themen einbinden und erstrebenswerte, das Alltagsleben der Menschen bereichernde Lösungen anbieten. Konzepte zur Ge-sundheitsförderung am Arbeitsplatz, die nicht nur Erkrankung verhüten, sondern auch ein Höchstmaß an Wohlbefinden bei den Beschäftigten bewirken, können Vorteile für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber mit sich bringen. Verbesserte Arbeits-bedingungen, einschließlich Mechanismen, die den Menschen Einfluss auf die Gestaltung und Verbesserung ihrer Arbeit geben, führen zu einer gesünderen Arbeitsumgebung und zu mehr Produktivität.

Die Regierungen sollten alles in ihren Kräften Stehende tun, um Arbeitslosigkeit (insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit), Unsicherheit, Diskriminierung und Aus-grenzung vom Arbeitsmarkt zu vermeiden. Zu den Schlüsselmaßnahmen von gesundheitlicher Bedeutung gehören aktive Arbeitsmarktprogramme, die För-derung unbefristeter Arbeitsverträge, die Anpassung der physischen und psy-chosozialen Arbeitsumwelt an die Bedürfnisse der einzelnen Arbeitnehmer, die Erhöhung des individuellen und kollektiven Einflusses der Beschäftigten auf ihre Arbeit und die Stärkung betrieblicher Gesundheitsangebote. In Anbetracht des voraussichtlich weiter steigenden Ruhestandsalters gilt es auch, die Bedürfnisse einer älter werdenden Erwerbsbevölkerung zu berücksichtigen.

Maßnahmen der sozialen Sicherung in Form aktiver arbeitsmarktpolitischer Maß-nahmen und auf die Rückkehr ins Arbeitsleben gerichteter Interventionen kön-nen in Zeiten des konjunkturellen Abschwungs und steigender Arbeitslosigkeit gesundheitliche Schutzeffekte haben (111). An der Sterblichkeitsentwicklung in der EU in Rezessionszeiten während der letzten drei Jahrzehnte lässt sich ablesen, dass die Länder einen Anstieg der Selbstmordraten verhindern können, wenn sie mindestens 200 US-$ pro Person und Jahr für aktive Arbeitsmarktprogramme ausgeben, die darauf ausgelegt sind, den Menschen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz einzuräumen und bestehende Arbeitsplätze zu sichern.

In Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen werden unter anderem fol-gende politische Maßnahmen ergriffen: Förderung nachhaltigen umweltverträg-lichen Wirtschaftswachstums; Weitergabe von Wissen und Qualifikationen; Erhö-hung der Beschäftigungsfähigkeit, insbesondere von jungen Menschen; stabilere Beschäftigungsverhältnisse für die Schutzbedürftigsten; verminderte Expositi-on gegenüber ungesunden Arbeitsbedingungen und der damit verbundenen

Krankheits- und Verletzungsgefahr; und Beherrschung von Gesundheitsrisiken durch Durchsetzung innerstaatlicher Vorschriften und Bereitstellung guter be-triebsinterner Gesundheitsangebote.

In Ländern mit hohem Einkommen werden unter anderem folgende politische Maßnahmen ergriffen: Aufrechterhaltung einer hohen Beschäftigungsrate durch umweltverträgliches, nachhaltiges Wirtschaften; Aufrechterhaltung der Normen für menschenwürdige Arbeit und soziale Sicherung; Entwicklung standardisier-ter Instrumente für Überwachung und Risikomanagement; und Anwendung bekannter Methoden zur Verbesserung der Sicherheit und Gesundheitsverträg-lichkeit von Tätigkeiten unter vorrangiger Berücksichtigung von Risikogruppen, einschließlich der Arbeitslosen.

Bei der Herbeiführung eines Gleichgewichts zwischen Arbeit und Familie können eine Reihe unterstützender Maßnahmen zum Tragen kommen, unter anderem familienbedingter Sonderurlaub, verbesserte Kinderbetreuung, eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, die Abschaffung von Bedingungen, die zu einem Lohn-gefälle zwischen Männern und Frauen führen, die Abstimmung von Schul- und Arbeitstag und die Überprüfung von Ladenöffnungszeiten. Beschäftigungspoli-tische Maßnahmen sollten auch darauf hinwirken, dass sich Männer und Frauen berufliche Auszeiten zum Zweck der Kinder- und Altenbetreuung gerechter tei-len. An den zwischen den Ländern bestehenden Unterschieden lässt sich erse-hen, was sich mit einer unterstützenden Sozialpolitik erreichen lässt.

In der Lissabon-Strategie der EU (112) wurde anerkannt, wie wichtig es ist, die Chancengleichheit unter allen Aspekten voranzubringen. Die bessere Vereinbar-keit von Familien- und Berufsleben ist ein Leitsatz der Europäischen Beschäfti-gungsstrategie und bildet einen Bestandteil des Prozesses zur Armutsbekämp-fung und Förderung sozialer Integration in der Europäischen Union. Von Belang sind hier auch Resolutionen der WHO, die auf globaler Ebene und auf Ebene der Region auf gesellschaftliche Integration und Gleichheit zwischen den Geschlech-tern abzielen oder sich mit Armut und Gesundheit befassen (113).