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GENUSSCHEINE ALS FINANZIERUNGSMITTEL

r. lm Zusammenhang mit einem von Herm Dr. Emil Schucany im Zürcherischen Juristenverein gehaltenen Vortrag ist die Frage aufgeworfen worden, ob es nach schweizerischem Recht gesetzlich zulassig ist, Genusscheine auszugeben, um neben dem Aktien-und eventuell Obligationenkapital der Gesellschaft zusatzliche Mittel zu verschaffen. Nach dem in No. 893, Blatt II, der Morgen-ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom rr. Marz 1961 wiedergegebenen Bericht hat sich Dr. Schucany damals wie folgt geaussert:

Wahrend die Genusscheine bis vor kurzem ein verhaltnismassig bescheidenes Dasein fristeten, sind sie in letzter Zeit in ihrer Bedeutung aufgewertet worden, indem sie wirtschaftlich in grosserem Ausmass als Kapitalbeschaffungsmittel eingesetzt wurden. Nach Art. 657 OR dürfen Genusscheine ausgegeben werden an die Gründer gemass den ursprüngli-chen Statuten und zugunsten von Personen, die mit dem Unternehmen durch frühere Kapitalbeteiligung, Aktienbesitz, Glaubigeranspruch oder durch ahnliche Gründe verbunden sind. Sie waren somit vorwiegend als Trost für verlorenes Kapital zu betrachten, mit der Aussicht, bei Gesundung des Unternehmens dereinst wieder am Gewinn beteiligt zu sein. Als Kapitalbeschaffungsmittel waren sie bisher unbekannt. (Vgl.

auch Schweiz. Aktiengesellschaft, Bd. 33, S. 219 fi).

Dr. Schucany bezweifelt, dass nach dem eigentlichen Sinn des Gesetzes die Genusscheine als Mittel zur Kapitalbeschaffung betrachtet werden konnten. Er verneint auch die Wünschbarkeit dieser Entwicklung. Die Genusscheine sollten seines Erachtens

Hisslich der Rückzahlung fast· des gesamten Aktienkapitals der Gesellschaft.

Geschichtlich traten die Genusscheine zum ersten Male 1858 in Frankreich auf, als F. de Lesseps bei der Suezkanalgesellschaft rno Genusscheine, berechtigend zu 10% der zukünftigen Er-tragnisse, ausgab zugunsten einiger Kapitalisten, deren Mittel die Durchführung der Vorarbeiten des Unternehmens in wesentlichem Masse erleichtert hatten. Das Institut der Genusscheine hat sich dann vorwiegend in Frankreich und in der franzosischen Schweiz (vgl. Henri T. GuHL : Les parts de fondateur, S. n) entwickelt, wahrend die Genusscheine im deutschen Sprachgebiet noch nicht sehr lange bekannt sind, bzw. vorwiegend nur in der vom revidierten Obligationenrecht nicht mehr zugelassenen Form der « Genuss-aktie )) auftraten. Das deutsche Handelsgesetzbuch erwahnt sie nicht. Das deutsche Aktiengesetz von 1937 widmet den « Genuss-rechten )) nur zwei Bestimmungen (§ 128 Abs. l Ziff. 5 und 174 Abs. 3). Obwohl die gesetzliche Grundlage meistens fehlte, setzten sich die Genusscheine in den verschiedensten Formen und für die verschiedensten Bedürfnisse durch. Aus der schweizerischen Rechtssprechung ist vor allem bekannt der Entscheid des Bundes-gerichtes vom 15. April 1905 i.S. Association des Porteurs de bons de jouissance Jura-Simplon gegen Compagnie des Chemins de fer Jura-Simplon en liquidation et Confédération suisse (BGE 31 II 441 ff).

4. Bei dieser aus der Fusion der « Compagnie des Chemins de fer de la Suisse occidentale et du Simplon J> mit der Jura-Bern-Luzern-Bahn >> entstandenen Bahngesellschaft handelte es sich allerdings um « Trost für verlorenes Aktienkapital ll, Es wurden anlasslich der Fusion den Aktionaren 170.000 Genusscheine zugeteilt « comme compensation à cette réduction et pour tenir compte à nos actionnaires actuels des chances que l'avenir aurait pu leur réserver, notamment à la perspective du percement du Simplon ll, Diese Genusscheine berechtigten zu

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des zur Verfügung stehenden Reingewinnes, nachdem auf die beiden Aktien-kategorien Dividenden von

4Yz%

und 4% verteilt worden waren.

5. Wie üblich waren die Genusscheine hier also nicht privilegiert.

Dies war schon mehr der Fall beim Suezkanalunternehmen, wo Art. 63 der Statuten, welcher von der Verteilung des Reingewinnes handelte, folgendes vorsah:

Les produits nets ou bénéfices de l'entreprise sont répartis de la manière suivante :

l. 15% au gouvernement égyptien;

2. IO% aux fondateurs ; 3.

2%

aux administrateurs;

4.

2%

pour la constitution d'un fonds destiné à pourvoir aux retraites, aux secours, aux indemnités, ou gratifications accordées, suivant qu'il y a lieu, par le conseil, aux employés ; 5. 71% comme dividende à répartir entre toutes les actions amorties

et non amorties indistinctement.

6. Allein viel wichtiger ist die Tatsache, dass diese Genuss-scheine nicht unentgeltlich ausgegeben wurden. Ami Dufour, dessen Dissertation über Le régime furidiqite des bons de jouissance (Genf 1936, S. 9 ff.) dieses Zitat entnommen ist, führt über die Entstehung der Genusscheine des Suezkanalunternehmens fol-gendes aus:

Quelques financiers et amis de M. de Lesseps, promoteur du perce-ment de l'isthme de Suez, avaient constitué en 1854 une petite société d'étude en vue de procurer au célèbre ingénieur les fonds indispensables à l'achèvement de ses études préparatoires. Lors de la création de la société définitive de Suez en 1858, ces aides de la première heure reçurent en rémunération de leurs services une part de IO% des bénéfices annuels que fournirait l'exploitation future. Ce droit de participation fut constaté et incorporé dans les titres, au total IOO, remis aux différents intéressés (d'où le nom: part de fondateur), représentant chacun une fraction, un centième de ce droit.

7. Aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass Finanzleute und Freunde des Gründers F. de Lesseps ihm die notigen Mittel für die vorbereitenden Studien zur Verfügung gestellt hatten und dass sie «en rémunération de leurs services» Genusscheine erlùelten.

Die Zuteilung von Genusscheinen war also keine unentgeltliche.

Ebensowenig ist dies der Fall, wenn an Stelle von Apport-Aktien oder ne ben solchen Genusscheine ausgehandigt werden beim Ankauf

obtient ainsi un accroissement des ressources sociales sans augmentation de la dette ni du capital à renter. Les intérêts passifs ne se trouvent pas augmentés et les nouveaux bailleurs de fonds n'ont pas à intervenir dans les affaires sociales. Ce sont évidemment là de gros avantages.

Allerdings glaubt Dufour, wie sich aus seinen weiteren Aus-führungen ergibt, mehr an die theoretischen als an die praktischen Vorteile einer solchen Emission.

Die Nützlichkeit der Ausgabe von Genusscheinen gegen Geld wird auch bezweifelt von Pierre Vidal (Les rapports des actionnaires et des porteurs de parts de fondateur dans les sociétés anonymes, Thèse Paris r92r, S. rr). Er meint, dass sich eine Gesellschaft durch Ausgabe von Obligationen oder Vorzugsaktien das nèitige Geld beschaffen kèinne, und führt dann fort:

En outre il est permis de se demander si l'émission des parts de fon-dateur (contre espèces) est licite. Nous ne voyons pas de raisons d'en douter. Il n'existe pour une société aucune restriction au droit de con-tracter des dettes.

rr. Etwas eingehender wird die Zulassigkeit der Ausgabe von Genusscheinen gegen Einlage diskutiert von Henri Guhl (Les parts de fondateitr dans les sociétés anonymes, Thèse Lausanne 1923, S. r4 und 62 ff.) Auf Seite 62 finden sich folgende Ausführungen:

Attribution de parts de fondateurs contre espèces. Nous voici bien loin de la conception primitive des parts de fondateur, certains auteurs prétendant, en effet, qu'il est possible - et licite - d'émettre des parts de fondateur contre espèces. La question est extrêmement délicate à résoudre, surtout que nous n'avons aucun exemple pratique à l'appui de cette thèse. Nous croyons néanmoins le procédé licite, attendu qu'il n'existe pas de motif juridique pour condamner cette opération. Si une part de fondateur peut être attribuée en rémunération d'apports ou de services rendus à la société, services qui pourraient être payés en argent, pourquoi donc cette même part ne pourrait-elle pas être attribuée ou cédée contre espèces?

Henri Guhl zitiert sodann eine Reihe von franzèisischen Autoren, die alle die Zulassigkeit der Ausgabe von Genusscheinen gegen Bareinlagen bejahen, worunter schweizerischerseits noch Ed.

FoLLIET (Le bilan dans les sociétés anonymes, 6. Aufl.. S. 290). Er anerkennt das Interesse der Gesellschaft, solche Genusscheine

auszugeben an Stelle von Obligationen «parce qu'elle n'aura pas son budget grevé du remboursement du montant du titre ni du service lourd et régulier des intérêts à payer», fürchtet jedoch

«qu'elles puissent être la cause d'abus» und stimmt Dr. Schucany insofern zu, als er feststellt, cc qu'on s'est complètement écarté de la destination originaire de la part de fondateur».

12. Sodann wird die Legalitat der Ausgabe von Genusscheinen gegen Einlagen auch bejaht von Claudio Caroni. In seiner 1932 erschienenen Lausanner Dissertation erwahnt er auf S. 14 nicht nur die Tatsache, dass Gesellschaften Genusscheine gegen bar ausgeben « onde procurarsi dei capitali senza caricarsi di un onere d'interessi troppo pericoloso » oder zum Zwecke der Vermeidung der Überfremdung <1 per evitare il pericolo della scalata (Über-fremdung) e mantenere cosi in poche mani la gestione della società », sondern er bejaht auch auf S. 98 ff. ausdrücklich die Zulassigkeit eines solchen Vorgehens.

Ferner erklart Schwill in seinem Aufsatz «Der Genusschein » in der « Schweiz. Aktiengesellschaft », Bd. 7, S. 128 ff, dass der Genusschein ein gutes Finanzierungs- und Sanierungsmittel sei.

Endlich ist auf den Aufsatz von Professor Peter Jaggi in der Schweiz. Aktiengesellschaft (Sept. 1961) zu verweisen. Prof Jaggi aussert sich dahin, dass zwar der Gesetzgeber beim Erlass des revidierten Obligationenrechtes nicht an die Verwendung des Genusscheines zur Kapitalbeschaffung gedacht hat, die Kapital-beschaffung durch Ausgabe von Genusscheinen in jeder Hinsicht aber rechtlich einwandfrei sei.

13. Aus dieser Übersicht ergibt sich, dass die Auffassung von Dr. Schucany, dass der Genusschein bisher vorwiegend verwendet wurde als cc Trost für verlorenes Kapital », nicht richtig ist. Der Genusschein hat gewiss in erheblichem Masse auch diese Rolle gespielt und sie wird ihm auch weiter beschieden sein. Daneben aber setzten sich die Genusscheine, wie ait Bundesrat Hoffmann in seinem Bericht an das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement von 1923 bemerkt, auch ohne gesetzliche Grundlage cc in den ver-schiedensten Formen und für die verver-schiedensten Bedürfnisse durch ». Es sei nochmals hingewiesen auf die ausserst interessanten

Auszüge aus Gesellschaftsstatuten, die Pierre von Wolff im Anhang zu seiner Dissertation über die Genusscheine wiedergibt.

14. Indessen stellt sich nun die Frage, inwieweit der Gesetz-geber im neuen Obligationenrecht in die bestehenden Verhaltnisse eingegriffen hat, lag ihm doch daran, diese Materie zu regeln, weil

« für die Schaffung von Genusscheinen wirklich ein Bedürfnis besteht ». Andererseits glaubte man, cc dass in einer unbeschrankten Zulassung eine ernste Geführde erblickt werden müsste ». Vielleicht stand man noch etwas unter dem Eindruck der Missbrauche, die sich bei der Panama-Canal-Gesellschaft ereignet hatten, wo die zu einem Nominalwert von Fr. 5000.- herausgegebenen Genuss-scheine nach einer wilden Spekulation - der Kurs wurde bis auf Fr. 30.000.-getrieben - sich recht bald als Non-Valeur erwiesen.

Vielleicht aber war man sich auch etwas des Verrufes bewusst, in welchen das Institut der Genusscheine eine Zeitlang in Frank-reich geraten war, (vgl. darüber von WOLFF, a.a. O. S. 3 ff.) ; Schwill (a.a. O. S. 128) ist der Auffassung, dass man mit den Genusscheinen zuviel Aufhebens gemacht habe.

15. Sicher ist immerhin, dass man anlasslich der gesetzlichen Regelung der Institution der Genusscheine Schranken ziehen wollte. Zwar hatten die Genusscheine in sehr verschiedenen Formen und zu sehr verschiedenen Zwecken jahrzehntelang existiert, ohne dass ihre Legalitat je bezweifelt wurde (vgl. dafür z.B. das Gutachten vom IO. August 1889 der Herren Rott, Bundesrichter, Dupraz und Forster betr. die Genusscheine der Jura-Simplon-Bahn, teilweise publiziert bei Fuhrmann, Genussaktien itnd Genuss-scheine, Diss. Zürich 1907, S. 62 ff. und das Gutachten von Professor Meili von 1903 cc Die Rechtsstellung der Genitsscheine der ] ura-Simplon-Eisenbahngesellschaft und der Rückkauf der Bahn durch den Bund »).

16. Der schweizerische Gesetzgeber befasste sich mit den Genusscheinen zum ersten Mal in Art. 25 des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben vom 4. Oktober 191'7. Danach sind, wie sich aus dem 1930 erschienenen Kommentar von Amstutz und Wyss ergibt (Note l zu Art. 25 des Gesetzes), Genusscheine

Gewinn-anteilsrechte, die weder mit einer Kapitalbeteiligung (Anteil am Grund- und Stammkapital) verbunden sind, noch dem Berechtigten Mitgliedschaftsrechte verleihen. Das Beteiligungsrecht beschriinke sich mithin auf den Anteil am Gewinn oder (und) am Liquidations-ergebnis ; ausnahmsweise gewiihre es überdies ein Vorzugsrecht zum Bezuge neuer Anteile. Amstutz und Wyss anerkennen sodann in ihren weiteren Bemerkungen, dass es Genusscheine mit und ohne bestimmten Nenn- oder Rückkaufswert gebe und dass sie ent-geltlich oder unentent-geltlich ausgegeben werden konnen, und dies wiederum zu den verschiedensten Zwecken (Sondervorteile zu-gunsten der Gründer, Vergütung für Apports, deren Bewertung Schwierigkeiten bereite, usw.).

17. Rezipiert wurden die Genusscheine im Zivilrecht in der Schweiz erst im Entwurf zum revidierten Obligationenrecht von 1919 (Bericht 1920, S. ro8 ff.) und zwar in der klaren Begrenzung als bedingter Gliiubigeranspruch, der keine Mitgliedschaft an der Gesellschaft verleiht (Art. 716). Der Entwurf Hoffmann (1923, Art. 673) macht sich diese Einschriinkung ebenfalls zu eigen (Bericht 1923, S. 44). Darüber hinaus bestimmt das geltende Recht (Art. 657, Abs. 2 und 4 OR in der Fassung gemiiss BG vom r. April 1949 betreffend die Abiinderung der Vorschriften des Obligationen-rechtes über die Gliiubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen, in Kraft seit r. Januar 1950), dass zugunsten der Gründer der Gesell-schaft Genusscheine nur auf Grund der ursprünglichen Statuten geschaffen werden dürfen und dass die Berechtigten eine Gemein-schaft bilden, die den Vorschriften über die Gliiubigergemein-schaft bei Anleihensobligationen untersteht. Genusscheine kéinnen aber nach geltendem Recht ausser zugunsten der Gründer auch für solche Personen ausgegeben werden, die mit dem Unternehmen durch frühere Kapitalbeteiligung, Aktienbesitz, Glaubigeranspruch oder durch iihnliche Gründe verbunden sind. Die stiinderiitliche Kommission stellte dabei fest, dass zum Kreise dieser Personen auch Angestellte oder Arbeiter gehéiren konnen (Amtl. Stenogr.

Bull. Stiinderat, lJ. Juni 1935, S. 365).

Dieser Gesetzestext hat samit einen ausgesprochen exemplativen Charakter (Siegwart, Note 13 zu Art. 657/8 OR). Damit

Genuss-scheine ausgegeben werden ki::innen, ist es keineswegs erforderlich, dass man Aktionar oder Glaubiger ist bzw. war, sondern es genügt, dass man ahnlich wie ein Aktionar oder Glaubiger mit dem Unter-nehmen verbunden ist, z.B. auch als Angestellter oder Arbeiter.

Dasselbe ergibt sich aus dem Referat des Prasidenten der standerat-lichen Kommission, Dr. E. THALMANN, (vgl. Schweiz. Aktiengesell-schaft, Bd. IV, S. z ff, insbesondere S. ro). Dr. Thalmann führte folgendes aus:

In den Art. 656 bis - 659 bringt der Entwurf die Kodifikation der Genusscheine. Die Genusscheine (bons de jouissance, parts de fonda-teur) waren bisher im Gesetz nicht erwahnt, aber durch die Rechts-praxis anerkannt, obwohl sie in der Schweiz nicht gerade eine grosse Verbreitung gefunden haben. lm Anschluss an die Praxis gestaltet der Entwurf den Genusschein als Glaubigerrecht und nicht als Mitglied-schaftsrecht. Dem Genusschein kann kein Stimmrecht verliehen werden, sondern lediglich ein Anspruch auf Anteil am Reingewinn oder am Liquidationsergebnis oder Bezug neuer Aktien oder auf alle diese Vorteile. Die Ausgabe von Genusscheinen bedarf der Aufnahme in die Statuten. Für eine nachtragliche Ausgabe von Genusscheinen ist für den Generalversammlungsbeschluss das gleiche Quorum vorgeschrieben wie ±ür die Erweiterung des Geschaftsbereiches der Gesellschaft, Fusion etc. Die Ausgabe von Genusscheinen an die Gründer kann nur auf Grund der ursprünglichen Statuten beschlossen werden. Genusscheine konnen im übrigen ausser für Gründer für solche Personen ausgegeben werden, die mit dem Unternehmen aus besondern Gründen, wie beispiels-weise frühere Kapitalbeteiligung oder Glaubigeranspruch, verbunden sind oder waren. Die Genusscheininhaber bilden von Gesetzes wegen eine Glaubigergemeinschaft wie Obligationare. Hiefür gelten die beson-dern Bestimmungen mit der Ausnahme, dass für Beschlussfassungen einfache Mehrheit gilt, soweit bei der Ausgabe der Genusscheine nicht etwas anderes bestimmt wurde.

Dr. Thalmann war also deutlich der Auffassung, dass die im Gesetzesentwurf enthaltene Aufzahlung von Fallen der Verbunden-heit mit der Gesellschaft nur beispielsweise erfolgte.

I8. Gewiss enthalt Art. 657 OR zum Teil auch zwingendes Recht, so z.B. wenn er die Ausgabe von Genusscheinen zugunsten der Gründer - gemeint sind besondere Vorteile, die nur den Gründern zukommen - nur auf Grund der ursprünglichen Statuten gestattet, oder wenn er den Genusscheinberechtigten die

Ein-raumung von Mitgliedschaftsrechten verweigert, oder wenn er

«von Gesetzes wegen » die Genusscheinberechtigten zu einer Gemeinschaft gruppiert ahnlich der Glaubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen. Allein in wesentlichem Masse handelt es sich auch bei Art. 657 OR um dispositives Recht, zumal die Mehr-zahl der Rechtssatze im Obligationenrecht nicht zwingenden Charakter haben (von TuHR-SIEGWART, Bd. l, S. 235). Der zwin-gende Charakter eines im Obligationenrecht enthaltenen Rechts-satzes ist daher nicht zu vermuten, indem die in Art. 19 OR statuierte Freiheit der Abfassung von Vertragen auch auf die Statuten von Kürperschaften anwendbar ist. Auch hier ist noch Raum für den im Privatrecht allgemein geltenden Grundsatz der freien Gestaltung der Rechtsverhaltnisse innerhalb der Schranken des Gesetzes (BGE 80 II 132; F. v. Steiger: « Formulare über Gesellschaftsstatitten », 2. Aufl., S. 7).

19. Sehr deutlich kommt dieser auch im Kèirperschaftsrecht vorhandene freiheitliche Charakter des schweizerischen Privat-rechtes zum Ausdruck bei Gerwig. In seinem « Schweiz. Genossen-schaftsreclit » führt er auf S. 175 folgendes aus :

Der grossere Teil der Rechtsordnung, der grossere Teil auch des Genossenschaftsrechtes ist... au ch heu te noch dispositives Recht. Auch das revidierte Gesetz Iasst der Autonomie der Verbande einen breiten Spielraum und will nur in jene Lücken treten, die Satzung und Verbands-beschlüsse übrig lassen. Aber so, wie auch im Vertragsrecht bestimmte, für die Parteien besonders folgenschwere Vereinbarungen einer bestimm-ten qualifizierbestimm-ten Form bedürfen, welche einerseits die Parteien auf die Tragweite ihres Schrittes aufmerksam machen und andererseits Prazision und Klarheit verbürgen soll, so verlangt auch das Genossenschaftsrecht in Art. 833 OR, dass ein Abgehen von gesetzlichen Vermutungen und vom dispositiven Gesetzesinhalt bei besonders wichtigen Fragen, ebenso eine Statuierung von im Gesetz nicht vorgesehenen, das Mitglied stark beanspruchenden Pflichten allein den Statuten, dem Grundgesetz, vorbehalten sind und dass hiefür blosse Beschlüsse, auch solche der Generalversammlung, nicht genügen würden.

20. Es ergibt sich daraus, dass was in Art. 19, Abs. 2 OR für den Inhalt der Vertrage vorgeschrieben ist, auch auf die Statuten einer Aktiengesellschaft anwendbar ist.

Die Statuten dürfen also :

a) keiner Vorschrift widersprechen, die das Gesetz ais unabander-lich hinstellt ;

b) keine Bestimmung enthalten, von der man sagen kann, dass sie gegen die offentliche Ordnung verstosst ;

c) keine Regelung aufweisen, die einen Verstoss gegen die guten Sitten oder das Recht der Personlichkeit in sich schliesst.

Dass es sich bei Art. 657 OR um dispositives Recht handelt, wurde bereits ausgeführt. Die Ausgabe von Genusscheinen gegen Einlage und ihre Privilegierung gegenüber den Aktien bedeutet aber auch keinen Verstoss gegen die offentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten oder gardas Recht der Personlichkeit. Bekanntlich hat der Aktionar nach Art. 660 OR Anspruch auf einen verhfiltnis-massigen Anteil am Reingewinn und Liquidationsergebnis nur, soweit die Statuten nichts anderes bestimmen. Dasselbe gilt in Art. 652 OR beim Bezugsrecht auf neue Aktien.

2r. Einer unabanderlichen Vorschrift des Gesetzes wird also nicht widersprochen, wenn die Rechte des Aktionars auf Rein-gewinn, Liquidationserlos und Bezug neuer Aktien zugunsten der Genusscheininhaber eingeschrankt werden. N och weniger erfolgt dadurch ein Verstoss gegen die offentliche Ordnung, die guten Sitten oder das Recht der Personlichkeit.

Zulassig ware also z.B. folgende statutarische Regelung : Die Gesellschaft kann durch Beschluss des Verwaltungsrates Namen-Genusscheine im Gesamtbetrag von nom. Fr. r ooo 000.-,

eingeteilt in rooo Genusscheine von nom. je Fr. rooo.-, an mit dem Unternehmen verbundene Personen ausgeben. Die Genuss-scheine unterliegen den folgenden Bedingungen :

a) Der Erwerbspreis pro Genusschein betragt Fr. r 000.-.

b) Die Namen der Genusscheininhaber werden in einem vom Verwaltungsrat zu führenden Register eingetragen.

c) Aus einem etwaigen Reingewinn bezahlt die Gesellschaft an die Genusscheininhaber eine Vorzugsdividende bis zu

5%

des Nominalwertes der Genusscheine. Der Verwaltungsrat kann,

auch wenn ein Reingewinn vorhanden ist, in einem oder hochstens zwei aufeinanderfolgenden Jahren die Nicht-Aus-schüttung von Genusschein-Dividenden beschliessen, sofern im nii.chstfolgenden J ahre die rückstii.ndigen Betrii.ge mit den laufenden Betrii.gen nachbezahlt werden. lm übrigen hat die Dividende keinen kumulativen Charakter. Der Dividenden-anspruch der Genusscheininhaber geht in jedem Falle dem-jenigen der Aktionii.re vor.

d) lm Falle der Gesellschafts-Liquidation berechtigt jeder Genuss-schein zu einem Liquidationsanteil von Fr. r 050.-. Der Liquidationsanteil der Genusscheininhaber geht dem Liquida-tionsanteil der Aktionii.re vor.

e) Die Gesellschaft ist berechtigt, durch Verwaltungsratbeschluss Genusscheine jederzeit zum Preise von Fr. 1050.-per Genuss-schein aus freien Reserven der Gesellschaft zurückzukaufen.

So wenig die im speziellen Teil des Obligationenrechtes gesetzlich geregelten Vertragstypen exclusiven Charakter haben, so wenig ist dies hinsichtlich der Genusscheine der Fall, ganz abgesehen davon, dass sich das Gesetz über deren entgeltliche oder unentgeltliche Ausgabe gar nicht ausspricht. Es verlangt jedoch in zwingender

So wenig die im speziellen Teil des Obligationenrechtes gesetzlich geregelten Vertragstypen exclusiven Charakter haben, so wenig ist dies hinsichtlich der Genusscheine der Fall, ganz abgesehen davon, dass sich das Gesetz über deren entgeltliche oder unentgeltliche Ausgabe gar nicht ausspricht. Es verlangt jedoch in zwingender