• Aucun résultat trouvé

ZUM BEDINGTEN STRAFVOLLZUG NACH SCHWEIZERISCHEM RECHT

Dans le document Etudes en l'honneur de Jean Graven (Page 71-89)

von

Professor Dr. O. A. ÜERMANN, Bottmingen (Schweiz)

lm Rahmen des Recueil des Travaux der Genfer Juristenfakultat für die jahresversammlung des schweizerischen Juristenvereins von 1952 hat Prof. Jean Graven eine Monographie hierüber veroffentlicht unter dem Titel "Le système suisse du sursis conditionnel". Mein Beitrag zu der ihm gewidmeten Festschrift will daran anknüpfen, ohne vom reichhaltigen Inhalt jener Monographie selbst ein umfass-endes Bild zeichnen zu konnen. Dort galt es vor allem die Grundzüge des Systems aufzuzeigen, worauf unser Strafgesetzbuch in seiner ursprünglichen Gestalt und die vorausgegangenen Entwürfe beruhten.

Auch auf die bei der Teilrevision von 1950 vorgenommenen Aender-ungen wurde dort noch eingegangen. In der seither eingeleiteten und nun dem parlamentarischen Endstadium nahen Revision sind eben-falls wieder Beschlüsse gefasst worden, wonach die Gesetzesnormen über den bedingten Strafvollzug in bezug auf einzelne Fragen geandert oder erganzt werden sollen: hierauf wird im entsprechenden Zusammenhang dieses Beitrags hinzuweisen sein. Inhaltlich be-schrankt er sich auf den bedingten Strafvollzug gegenüber erwach-senen Delinquenten nach Art. 41 unseres Strafgesetzbuchs und bezieht sich iiberdies nur auf die Freiheitsstrafen 1. Speziell sollen hier die

1 Nicht besprochen wird der bedingte Strafvollzug bei Nebenstrafen, worauf er durch die Revision von 1950 ausgedehnt worden ist: hierüber

J.

Graven 1. c.

S. 32ff, besonders 35ff; zum bedingten Strafvollzug bei Bussen vgl. dort S. 25ff.

Bei Freiheitsstrafen kann der bedingte Strafvollzug sich besonders wohlfütig auswirken, weil mit diesen Strafen bekanntlich meist weitere nachteilige Folgen verbunden sind. Zum bedingten Strafvollzug ais Ersatz kurzzeitiger Freiheits-strafen vgl. E. Hafter, Lehrbuch des schweizerischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1946), S. 327. über die mit den Freiheitsstrafen in Frankreich gemachten Erfahrungen neuestens ]. Léauté, Les prisons (Presses universitaires de France 1968), S. 45ff; un ter aen Reformvorschliigen nennt er S. 11 Sff an erster Stelle den Ausbau des "système du sursis".

58 O. A. GERMANN

Nor men über die Voraussetzungen des bedingten Strafvollzugs und dessen Widerruf nach schweizerischem Recht besprochen und unter dem Oesichtspunkt beleuchtet werden, inwief ern ihnen eine repressive Konzeption zugrunde liegt oder ein praventiver und resozialisierender Zweck.

1

Vorerst sei kurz daran erinnert, dass die hier in Betracht komm-enden Normen unseres Strafgesetzbuchs sich grundsatzlich unter-scheiden vom franzosisch-belgischen System der bedingten Verur-teilung (condamnation conditionnelle), worauf entsprechend den Be-schlüssen der 2.Expertenkommission der amtliche Entwurf beruhte, den der Bundesrat mit seiner Botschaft 1918 der Bundesversammlung vorgelegt hat 2 Danach sollte bei Bewahrung wahrend der Probezeit auch die Verurteilung ais nicht geschehen gelten (Art. 39, Ziffer 4) und demgemass im Strafregister kein Vermerk mehr auf die Ver-urteilung hinweisen. Die Bundesversammlung hingegen hat sich für den bedingten Strafvollzug entschieden und im Fall der Bewahrung nur "Loschung" des Orteils im Strafregister vorgesehen 3 • Gewiss wird vom Richter mit der Gewahrung des bedingten Strafvollzugs für den Verurteilten, der sich in der Probezeit gut hait, ebenso der Entzug der Freiheit ausgeschlossen. Doch hatte die bedingte Verurteilung, welche von einzelnen Kantonen bereits eingeführt worden war, aus-serdem ermoglicht, auch die nachteiligen Folgen der Verurteilung zu vermeiden, die mit dem Eintrag ins Strafregister verbunden sind.

Loschung (radiation) bedeutet namlich bloss Streichung im Straf-register, nicht Beseitigung (suppression). Zwar darf nach Art. 363 al. 4 eine geloschte Vorstrafe nur noch U ntersuchungsamtern und Strafgerichten mitgeteilt werden, vorausgesetzt dass die betreffende Person in dem Strafverfahren beschuldigt ist; aber dadurch erha!t der Richter Aufschluss über das Vorleben des Beschuldigten, und dieses

2 P. Logoz, Commentaire du Code Pénal Suisse, Partie générale, S. 177 /178, n. 2 ad art. 41, 2e al. Eingehend J. Oraven I.e., S. 13/14 und besonders 15-17.

Vgl. auch Yvonne Marx in Revue internationale de droit pénal 1950, S. 429ff. --Stooss hat in seinem Vorentwurf bedingten Strafvollzug vorgesehen, ais "reso-lutiv bedingten Straferlass" (Motive zum Vorentwurf 1893 S. 84) bei Oefüngnis-strafen von hochstens 6 Monaten, wenn der Tater dadurch voraussichtlich vor weitern Verbrechen bewahrt wird. Allgemein ist er in seinen "Einleitenden Bemerkungen" (S. 35) bereits von einer grundsli.tzlich praventiven Konzeption ausgegangen.

s Ziffer 4 des Art. 41. Dazu Oraven l.c., S. 19-21.

ZUM BEDINGTEN STRAFVOLLZUG 59 kann von ihm namentlich bei der Strafbemessung und der Oewahrung des bedingten Strafvollzugs in einem neuen Strafverfahren zum Nachteil des Beschuldigten berücksichtigt werden 4 • Obwohl unter dem Oesichtspunkt der spezialpraventiven Wirkung kein erheblicher Unterschied gegenüber bedingter Verurteilung bestehen mag, so bleibt also doch beim bedingten Strafvollzug durch den Vermerk im Strafregister ein Nachteil, der die vollige Resozialisierung erschweren kann.

Man mag deshalb bedauern, dass nicht die weitergehende bedingte Verurteilung dem Oesetz zugrunde gelegt wurde 5 • Doch war infolge der Widerstande gegen die Aufnahme des Instituts in das Bundesrecht die Zurückhaltung verstandlich 6 •

II

Wir wollen nun die Voraussetzungen, unter denen der bedingte Straf-vollzug nach Art. 41 unseres Strafgesetzbuchs in seiner ursprünglichen Gestalt und auf Orund der seither vorgenommenen oder angebahnten Revisionen vom Richter bei Freiheitsstrafen gewahrt werden kann, unter den eingangs erwahnten Oesichtspunkten analysieren.

1. Nach schweizerischem Strafgesetzbuch ist der bedingte Straf-vollzug grundsatzlich ausgeschlossen bei Zuchthausstrafen sowie bei Oefüngnisstrafen von mehr ais einem Jahr, selbst wenn es sich um die Tat eines Erstdelinquenten unter ganz besondern personlichen Verhaltnissen handelt und nicht anzunehmen ist, er werde jemals wieder sich strafbar machen. Das Jasst sich dadurch erklaren, dass befürchtet wird, der Ernst des Strafrechts würde in Frage gestellt, wenn selbst bei schweren Delikten vom Vollzug der angedrohten Strafe abgesehen werden konnte 7 Es wird damit eine gesetzliche Schranke zur Wahrung der repressiven Funktion und der general-praventiven Wirksamkeit des Strafrechts gesetzt. Wo die Orenze

4 Vgl. Art. 63 und nachfolgend Abschnitt Il unter Ziffer 2; aus der judika-tur des Bundesgerichts BOE 69 IV 202 und 71 IV 30.

5 Auch Logoz hat ais Berichterstatter im Nationalrat seinem Bedauern über den Beschluss der Kommissionsmehrheit Ausdruck gegeben: Stenographisches Bulletin NR 1928 S. 163.

6 Vgl. Oraven I.e.; zum geschichtlichen Werdegang, besonders im schweizer-ischen kantonalen und Bundesrecht Hafter I.e., S. 328ff. Bei den seitherigen Partialrevisionen blieb das System des bedingten Strafvollzugs unangefochten.

7 Vgl. Logoz I.e., S. 179, n. 5 bb.

60 O. A. GERMANN

Iiegen soli, die dementsprechend gezogen wird, hangt neben der Wirksamkeit der übrigen gesetzlichen Schranken und Richtlinien vom Vertrauen ab, das dem richterlichen Ermessensentscheid entgegenge-bracht wird.

Die Teilrevision von 1950 hat an dieser Schranke nichts geandert.

Auch in der seither angebahnten Partialrevision wurde weder von der zunachst dafür zustandigen Expertenkommission Oruppe A noch im Entwurf des Bundesrats ein abweichender Vorschlag gemacht. Dage-gen hat nun die Nationalratskommission mit grosser Mehrheit den Beschluss gefasst, auch für Oefangnisstrafen bis zu maximal 2 Jahren sei der bedingte Strafvollzug ais zu!assig vorzusehen, ebenso für Zuchthausstrafen von gleicher Dauer. Dabei konnte sie sich auf die günstigen Erfahrungen stützen, die nach der Kriminalstatistik wahrend vielen Jahren gemacht worden sind: obwohl die Oerichte von der Oewahrung des bedingten Strafvollzugs im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen ausgiebig Oebrauch gemacht hatten, war die Zahl der Palle, in denen die Verurteilten wahrend der Probezeit sich be-wahrten, relativ sehr hoch. - Bleibt es bei dieser Erweiterung der Anwendbarkeit des bedingten Strafvollzugs, so bedeutet dies eine sehr erhebliche Reduktion der Schranke, die das Oesetz aus Rücksicht auf die repressive und generalpraventive Funktion der Strate auf-gerichtet hat, zugunsten des spezialpraventiven Zwecks, der dem bedingten Strafvollzug zugrunde Iiegt: die noch nicht der Kriminalitat verfallenen Delinquenten vor ail den nachteiligen Folgen einer Frei-heitsstrafe zu bewahren mit dem Ansporn, ihren Vollzug durch Be-wahrung wahrend der Probezeit zu vermeiden 8 • Das ist zugleich das beste Mittel, sie moglichst wenig ihrer Umwelt zu entfremden und ihnen den Wiederanschluss ais voll anerkannte Olieder der Oe-sellschaft zu erleichtern, die sogenannte Resozialisierung.

Ais Hilfe für Delinquenten, die weniger selbstandig sind oder leicht beeinflussbar oder aus irgendwelchen innern oder aussern Oründen besondern Schwierigkeiten ausgesetzt sind, dient die vom schweizerischen Strafgesetzbuch schon in seiner ursprünglichen Gestalt vorgesehene Schutzauf sicht wahrend der Probezeit (patro-nage), mit der auch bestimmte Weisungen für das Verhalten des Betreuten verbunden werden konnen, die diesen vor Oefahren be-wharen oder ihm das Fortkommen erleichtern, z.B. in Bezug auf

s über die kritische Situation des noch nicht eigentlich verdorbenen Delin-quenten, der erstmals eine Freiheitsstrafe zu gewartigen hat, vgl. Vouin et Léauté, Droit pénal et Criminologie (195û) S. 342. - Der Nationalrat hat in-zwischen der Ausdehnung auf Oefüngnisstrafen bis 2 j. zugestimmt, aber nicht auf Zuchthausstrafen.

ZUM BEDINGTEN STRAFVOLLZUG 61 Berufsausübung, Aufenthalt, Verzicht auf Alkohol (Art. 41, Ziffer 2, in Verbindung mit Art. 47 und 379). Auch hier hat die neue Partial-revision angesetzt, um die Schutzaufsicht oder "Bewahrungshilfe", wie sie nach einem Beschluss der Nationalratskommission genannt werden soli,

f

ür den Betreuten no ch wirksamer und diskreter zu gestalten; darauf ist hier nicht naher einzugehen. Erwahnt sei nur noch, dass die Weisungen sich auch auf die Deckung des Schadens beziehen konnen, der durch das Delikt entstanden ist. Auf den zumut-baren Schadenersatz gegenüber dem Opfer ais ausdrückliche Vor-aussetzung für den bedingten Strafvollzug wird noch gesondert hin-zuweisen sein (nachfolgend Unterabschnitt 3). Die vom Richter für die Probezeit erteilten Weisungen sind im Urteil festzuhalten; wird ihnen trotz fürmlicher Mahnung zuwider gehandelt, so kann dies einen Widerrufsgrund bilden (Ziff. 3 des Art.41).

Betreffend die hier besprochene Schranke für die Gewahrung des bedingten Strafvollzugs in Bezug auf Strafen, welche die vom Gesetz bestimmte Grenze (ein Jahr Gefangnis, nach dem Beschluss der Nationalratskommission 2 Jahre) überschreiten, bedarf es noch einer Prazisierung. Massgeblich ist für diese Schranke die vom Richter nach den Normen des Gesetzes für das vorliegende Delikt zuge-messene Strafe, ohne Rücksicht auf einen allfalligen Abzug der Unter-suchungshaft, da dieser Abzug an der Schwere des Delikts nichts andert 9 Dem entsprach die judikatur des Bundesgerichts von Anfang an 10• Selbst für eine kürzere Zusatzstrafe kann der bedingte Straf-vollzug nicht gewahrt werden, wenn sie zusammen mit der Grund-strafe hi:iher ist ais die vom Gesetz gezogene Grenze 11 • -- Hingegen ist umgekehrt der bedingte Strafvollzug unter den gesetzlichen Vor-aussetzungen auch dann zu gewahren, wenn die Strafe durch Unter-suchungshaft bereits vollstandig getilgt ist 12

2. Eine weitere gesetzliche Schranke bezieht sich auf Vordelikte des Tii.ters. Der bedingte Strafvollzug ist nach Art.41 ausgeschlossen, wenn der Tater innerhalb der letzten 5 Jahre vor Verübung des neuen

9 Ebenso Oraven I.e., S. 42, Fussnote 2.

10 BOE 68 IV 103.

n BOE 76 IV 74ff. Dasselbe gilt im Fall einer 2. Zusatzstrafe: BOE 80 IV lüff.

12 So mit Rücksicht auf die weitern Folgen des bedingten Strafvollzugs, namentlich die vorzeitige Lôschung des Urteils im Strafregister nach Art. 41 Ziffer 4, zutreffend BOE 81 IV 209ff, Urteil von 1955 (entgegen einem Urteil von 1943, BOE 69 IV 151ff). Für die Zuliissigkeit schon Logoz I.e. S. 181 oben, im Anschluss an ein U rteil des Militiirkassationsgerichts. V gl. au ch Hafter I.e., S. 333.

62 O. A. GERMANN

Delikts in der Schweiz oder im Ausland wegen eines vorsatzlichen Vergehens oder Verbrechens eine Freiheitsstrafe verbüsst hat. Der Ausschluss wird also nicht schon dadurch begründet, dass der Tater in den letzten 5 J ahren sich ein solches Delikt zuschulden kommen liess und deshalb rechtskraftig verurteilt worden ist; er muss dafür eine Freiheitsstrafe verbüsst haben. Offenbar soli danach erst die Tatsache, dass auch der Vollzug einer Freiheitsstrafe den Tater nicht auf die Dauer von weitern Delikten abzuhalten vermochte, die Gewahrung des bedingten Strafvollzugs für das neue Delikt aus-schliessen 13 . Dadurch unterscheidet sich das schweizerische Recht von vielen aus!andischen Gesetzen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Beschluss der Expertenkommission, die mit der Vorberatung der Teilrevision von 1950 betraut war: danach sollte der bedingte Strafvollzug für das neue Delikt stets schon ausgeschlossen werden, wenn der Tater sich innerhalb der vorangegangenen 5 Jahre bereits durch ein vorsatzliches Vergehen oder Verbrechen eine Freiheitsstrafe zugezogen hatte (en-couru); diesem Beschluss entsprach auch der amtliche Gesetzesent-wurf mit Botschaft des Bundesrats vom 20.6.194914 • Jedoch hat der Standerat damais jenem Beschluss nicht zugestimmt, aus der Er-wagung, dadurch würde der bedingte Strafvollzug zu stark einge-schrankt und darin !age auch eine Abweichung vom System, welches dem schweizerischen Recht zugrunde liege 15 • Der Nationalrat hat sich dann dem Beschluss des Standerats, der die Prioritat hatte, ange-schlossen 16• Tatsachlich hat das schweizerische Strafgesetzbuch für den Entscheid über den bedingten Strafvollzug vor allem auf die Person des Delinquenten abgestellt und deshalb den Richtern ein weitgehendes Ermessen eingeraumt, worauf nachher noch einzugehen sein wird. U eberdies hat es grosses Gewicht auf den erzieherischen Zweck des Strafvollzugs gelegt, insbesondere bei Zuchthaus- und Gefangnisstrafen, für welche dieser Zweck nach dem in Art. 37 an die Spitze gestellten Grundsatz massgeblich sein soli: dem entsprechend hat es nicht nur in Art. 41, sondern z.B. auch in Art. 42 und in Art. 67 die schwereren Rechtsfolgen vom Misserfolg des früheren Strafvollzugs abhangig gemacht. Insofern ware der Ausschluss des bedingten Straf-vollzugs durch eine generelle Gesetzesnorm auf Grund einer bloss

1a Vgl. dazu Logoz I.e., S. 181; Graven I.e., S. 45ff.

14 Graven I.e., S. 47, Fussnote 1.

15 Vgl. Graven I.e., S. 47, unter Hinweis auf das stenographisehe Bulletin des Stiinderats 1949 S. 579/580.

16 Graven I.e., S. 47, Fussnote 2"

ZUM BEDINGTEN STRAFVOLLZUG 63 verwirkten aber nicht vollzogenen Vorstrafe dieser Art ein den Orund-gedanken des schweizerischen Strafgesetzbuchs widersprechender Rückschritt gewesen.

Hingegen hat die seither angebahnte Revision betreffend den Aus-schluss des bedingten Strafvollzugs infolge von verbüssten Vorde-likten eine Regelung vorgesehen, die man aus den gleichen Oründen ais einen Fortschritt bezeichnen darf, der auch durchaus im Rahmen des Systems unseres schweizerischen Strafgesetzbuchs bleibt. Wiihrend von der Expertenkommission in Bezug auf die Voraussetzungen des bedingten Strafvollzugs nach Ziffer 1 des Art.41 noch gar kein Vor-schlag zur Revision gemacht worden war, hat der Entwurf des Bundesrats den Ausschluss des bedingten Strafvollzugs infolge von vorsiitzlichen Vordelikten innert der letzten 5 Jahre auf die Palle be-schriinkt, in denen der Tiiter dafür "eine Zuchthausstrafe oder eine Oefüngnisstrafe von mehr als 3 Monaten verbüsst hat". Die gedruckte Botschaft des Bundesrats hatte dazu lediglich bemerkt, daduch konnten Hiirtefalle vermieden werden. Angeregt worden ist die Be-schriinkung durch die Konferenz der Konkordatskantone der Nord-west- und Innerschweiz 17• Diese Beschriinkung wurde sowohl vom Standerat als auch von der Kommission des Nationalrats, die sich bisher damit zu befassen hatten, grundsiitzlich gutgeheissen. Meines Erachtens ist das sehr erfreulich; denn nach den Erfahrungen im Strafvollzug kann eine Oefiingnisstrafe von kürzerer Dauer ais 3 Monaten den ihr vom Oesetz zugeschriebenen Zweck erzieherischer Einwirkung überhaupt nicht erfüllen, sodass die mangelnde Wirksam-keit in solchen Fiillen kein zureichender Orund sein kann, gegenüber dem Tiiter nur deshalb den bedingten Strafvollzug von vornherein durch das Oesetz auszuschliessen. Die Nationalratskommission hat sogar beschlossen, die Orenze für die Zuliissigkeit des bedingten Straf-vollzugs trotz eines vorsiitzlichen Vordelikts innert der letzten 5 Jahre noch weiter zu ziehen, indem er nur ausgeschlossen sein sol!, wenn der Verurteilte innerhalb dieses Zeitraums dafür "eine Zuchthaus- oder eine Oefiingnisstrafe von mehr ais 6 Monaten verbüsst hat" 18

11 Hinweis von Sti.i.nderat Zellweger ais Berichterstatter in der Sitzung vom 14.3.1967, Amtliches Bulletin StR 1967 S. 56.

18 Auf eine andere von der Nationalratskommission noch vorgesehene Aen-derung soli hier nur noch kurz hingewiesen werden, da sie nach den Oesichts-punkten, die für diesen Beitrag ais wegleitend bezeichnet wurden, kaum wesent-lich ist: Wahrend das Oesetz den in der Schweiz verbüssten Freiheitsstrafen auch im Ausland verbüsste gleichstellt, soli dies ausdrücklich beschriinkt werden auf solche, die den Orundsatzen des schweizerischen Rechts (nach dem franzo-sischen Text dem "ordre public") nicht widersprechen.

64 O. A. GERMANN

3. Ziffer 1 des Art. 41 setzt ais weitere Bedingung voraus, dass der Verurteilte den durch sein Verbrechen oder Vergehen verursachten Schaden in dem gerichtlich oder durch Vergleich festgestellten Um-fang ersetzt hat, soweit ihm dies zuzumuten war. Diese Bedingung entspricht der erforderlichen Rücksicht gegenüber <lem Opfer und ist ein Zeichen der Reue, ohne welche vom Delinquenten kaum erwartet werden konnte, dass er künftig sich nicht mehr eines kriminellen Ver-haltens schuldig machen wird 19 An der Voraussetzung solchen Schadenersatzes wurde seither durch die Partialrevisionen nichts geandert.

4. Ist der bedingte Strafvollzug nicht bereits durch eine der ge-nannten gesetzlichen Bedingungen ausgeschlossen, so "kann" ihn der Richter anordnen, "wenn Vorleben und Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde durch diese Massnahme von weitern Ver-brechen oder Vergehen abgehalten". Dies ist die massgebliche Richt-linie für den Ermessenssentscheid der Richter. Sinngemass Iiegt darin der eigentliche Grund für die Rechtfertigung des bedingten Strafvoll-zugs, wie schon

J.

ÜRAVEN in seiner Monographie hervorhob 20 • Auf die repressive Funktion der Strafe wird danach verzichtet, wenn ihre Praventivwirkung gegenüber dem Verurteilten Erfolg verspricht, zunachst bedingt wahrend der Probezeit und nach deren Ablauf end-gültig, wenn sein Verhalten <lem entspricht, was ais Voraussetzung dafür von ihm erwartet werden muss; damit wird auch seine Reso-zialisierung erleichtert, indem er den nachteiligen Folgen des Kontakts mit den Strafgefangenen nicht ausgesetzt wird und infolge der Loschung des Eintrags im Strafregister nicht ais vorbestraft gilt.

Ob die praventive Wirkung des Strafurteils mit bedingt aufge-schobenem Vollzug Erfolg verspricht, hangt von der Person des Ver-urteilten ab. Die Schwierigkeit solcher Feststellungen liegt nicht nur darin, dass sie sich auf komplexe Vorgange des individuellen Innen-lebens beziehen; damit haben die Strafrichter sich auch beim Schuld-urteil zu befassen. Hier kommt noch dazu, dass die Feststellungen ais Grundlage für ein Urteil über künftiges Verhalten dieser Person dienen sollen. Eine solche Prognose stellt an die Richter ganz be-sondere Probleme 21 • Erfahrung mit Menschen aller Art, namentlich

19 Naheres darüber im folgenden Unterabschnitt 4. über den Zusammen-hang mit dem zumutbaren Schadenersatz vgl. auch Oraven I.e. S. 49.

20 I.e. S. 18.

21 Hierüber eingehend und kritisch H. Schultz, Strafrechtliche Bewertung und kriminologische Prognose, Schweizerische Zeitschrift Hir Strafrecht /Revue pénale suisse, weiterhin abgekürzt RPS 75 (1959), S. 245ff, besonders 250ff.

ZUM BEDINGTEN STRAFVOLLZUG 65 auch strafüillig gewordenen, und darauf gestiltzte Fahigkeit intuitiven Verstandnisses ist dafilr ebenso wichtig wie kriminologische Kennt-nisse 22 Wie schwierig solche Prognosen sind, obwohl sie von vorn-herein nur auf ein Urteil über die Wahrscheinlichkeit künftigen straf-baren Verhaltens abzielen konnen, ergibt sich z.B. aus den Aussagen qualifizierter Personen, die sich auf Grund langjahriger Erfahrung im schweizerischen Strafvollzug über die ganz analoge Prognose zur Frage der bedingten Entlassung geaussert haben. Sind diese skep-tisch, obwohl dort die Verurteilten noch zusatzlich wahrend ihrer Strafverbüssung beobachtet werden konnten, so darf die Tatsache gewiss umso hoher geschatzt werden, dass die Prognose der Richter für den bedingten Strafvollzug an Personen, mit denen sie meist nur ganz kurze Zeit in unmittelbaren Kontakt gekommen sind, off enbar meist zutreff end war, da weit mehr als die Htilfte der von schweiz-erisc!zen Oerichten bedingt verurteilten Delinquenten sich in der Probezeit bewiihrten, wie sich aus der Kriminalstatistik der letzten

10-15 J ahre mit grosser Regelmassigkeit entnehmen liisst.

Wenn nun durch die sich dem Abschluss nahernde 2. Partial-revision der Rahmen richterlicher Ermessensbefugnis entsprechend den bisher gefassten Beschlüssen erweitert wird, braucht sich das Verhaltnis der Palle, in denen bei bedingtem Strafvollzug die Ver-urteilten ihre Probezeit mit Erfolg bestehen, gegenüber den Fallen des Misserfolgs durchaus nicht weniger günstig zu gestalten. Delikte, die nach clem Gesetz mit 1-2 Jahren Gefiingnis zu bestrafen sind, konnen namlich ebenso wie weniger schwere durchaus ein-maliger Art sein, z.B. auf eine ganz besondere Konfliktsituation zurückzufilhren, so dass nach der Person des Taters auch hier er-wartet werden kann, er werde sich keines Verbrechens oder Verge-hens mehr schuldig machen, namentlich wenn aus seinem Verhalten seit der Tat ebenfalls positiv darauf zu schliessen ist. Vordelikte des

22 Dass zur Ausbildung des Kriminalisten mindestens die Kenntnis der Ergebnisse der modernen Kriminologie mit ihren vielseitigen Forschungen gehort (Kriminalbiologie, Kriminalpsychologie, Kriminalsoziologie), wurde seit Jahr-zehnten in der Schweiz anerkannt und auch in unserm akademischen Unterricht berücksichtigt. Hierüber RPS 67 S. 7ff und 76 S. 202ff. - J. Oraven kommt das besondere Verdienst zu, für ihre Pflege die Revue internationale de Criminologie

22 Dass zur Ausbildung des Kriminalisten mindestens die Kenntnis der Ergebnisse der modernen Kriminologie mit ihren vielseitigen Forschungen gehort (Kriminalbiologie, Kriminalpsychologie, Kriminalsoziologie), wurde seit Jahr-zehnten in der Schweiz anerkannt und auch in unserm akademischen Unterricht berücksichtigt. Hierüber RPS 67 S. 7ff und 76 S. 202ff. - J. Oraven kommt das besondere Verdienst zu, für ihre Pflege die Revue internationale de Criminologie

Dans le document Etudes en l&#039;honneur de Jean Graven (Page 71-89)