• Aucun résultat trouvé

Dirk Langer * / Jörg Rosenow **

Abstract – The liberalization of the insurance services market in the EU and Switzerland has made it easier to adapt insurance cover to the needs of the individual customer. However, it has become increasingly difficult for consumers to make informed choices without the expert advice of an in-termediary. The EU Insurance Mediation Directive of 9 December 2002 (2002/92/EC) and the new Swiss Act on the Regulation of Private Insurance Companies (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG), which entered into force January 1, 2006, aim in particular at protecting those customers. A com-parison between those bodies of law shows that the VAG provides for more transparency regarding the independence of intermediaries. Its rules on the supervision of independent intermediaries are largely compatible with the EU Directive. In contrast, the Swiss rules on intermediaries which are tied to insurance companies fall short of the European minimum standard. In Switzerland, such intermediaries are exempt from registration because their actions engage their respective insurance companies. Unlike their European neighbours, Swiss customers are not entitled to information about the qual-ity of advice they may legitimately expect. They will also find it much more difficult to successfully sue the intermediary for professional negligence. Un-like their European colleagues, Swiss intermediaries do not have a duty to provide the customer with written information on the basis of their advice.

The existence of such a duty will be crucial when it comes to enforcing the rules on contractual liability for the intermediary’s professional negligence.

I. Einleitung

Das Versicherungsrecht ist einer der wenigen Bereiche, in denen der schwei-zerische Gesetzgeber den Schutz der Konsumenten in letzter Zeit ausgebaut

* Dr. iur. (Universität Genf ), Rechtsanwalt in Genf.

** Assessor, Ministerialbeamter in Berlin.

Dieser Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Meinung der Autoren wieder.

Dirk Langer / Jörg Rosenow

hat1. Am 17. Dezember 2004 hiess das Parlament zahlreiche Änderungen des Versicherungsvertragsgesetzes2gut und beschloss ein neues Versicherungs-aufsichtsgesetz3. Erklärtes Ziel dieser Neuregelung war ein Ausbau des Konsumentenschutzes4.

Beide Autoren haben – Dirk Langer als Bernd Stauders Assistent und Doktorand von 1997 bis 2002, Jörg Rosenow im Rahmen zweier vom Deut-schen AkademiDeut-schen Austauschdienst (DAAD) finanzierten Forschungsauf-enthalte – vom Jubilar gelernt, wie nützlich das Recht der Europäischen Ge-meinschaft und seine Umsetzungen in den Nachbarstaaten für eine kritische Analyse des geltenden schweizerischen Rechts sein kann. Wir freuen uns, dass die Neuordnung des schweizerischen Versicherungsrechts vor dem Hintergrund europäischer Entwicklungen uns die Gelegenheit gibt, die von ihm erlernte Methode im Folgenden auf einen Bereich anwenden zu können, dessen Bedeutung er sich stets bewusst war, dem er sich jedoch wegen seiner zahlreichen anderen Verpflichtungen nicht im gewünschten Mass hat wid-men können. Wie bei früheren Veröffentlichungen konnten wir auch dies-mal auf die von ihm im Centre de droit de la consommation (CEDOC) an der Universität Genf zusammengetragene einzigartige Materialsammlung zurückgreifen.

Seit dem 1. Januar 2006 unterstehen nicht nur die Versicherungsunter-nehmen, sondern auch die von diesen beauftragten Vermittler (Agenten) sowie die als unabhängige Vermittler auftretenden Personen und Unterneh-men (Makler)5der Aufsicht des Bundesamts für Privatversicherungen (BPV).

Maklermüssensich vor Aufnahme ihrer Tätigkeit in das vom Bundesamt ge-führte Vermittlerregister eintragen lassen (Art. 43 Abs. 1 VAG). Dazu müssen sie nachweisen, dass sie ausreichend qualifiziert sind und sich gegen Haf-tungsansprüche für ihre Tätigkeit abgesichert haben (Art. 44 VAG). Agenten können sich unter denselben Voraussetzungen freiwillig eintragen lassen (Art. 43 Abs. 2 VAG). Agenten wie Makler sind verpflichtet, den Kunden über

1 Dagegen hat der Bundesrat am 9. November 2005 die Verbesserung des Konsumentenschutzes im elektronischen Geschäftsverkehr und im Kaufrecht abgelehnt. Am 21. Dezember 2005 wurde auch der Entwurf zur Revision des – weitgehend funktionslosen – Konsumenteninformations-gesetzes abgelehnt.

2 Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG), vom 2. April 1908, SR 221.229.1.

3 Bundesgesetz betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichts-gesetz, VAG), vom 17. Dezember 2004, SR 961.01.

4 Botschaft zu einem Gesetz betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versiche-rungsaufsichtsgesetz, VAG) und zur Änderung des Bundesgesetzes über den Versicherungsver-trag, vom 9. Mai 2003, BBl 2003 3789 ff.

5 Zu den Begriffen des Agenten und des Maklers im schweizerischen Recht siehe unter II. B., Text bei Fn. 45-51.

Konsumentenschutz bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen ihr Verhältnis zu dem bzw. den Versicherungsunternehmen zu informieren, deren Versicherungen sie vermitteln. Sie müssen dabei auch mitteilen, wer für Fehler bei der Vermittlung haftet (Art. 45 VAG). Durch eine Neufassung von Art. 34 VVG wurde klargestellt, dass ein Versicherungsunternehmen dem Versicherungsnehmer für alle von ihm beauftragten Versicherungsver-mittler ohne Entlastungs- und Freizeichnungsmöglichkeit haftet6.

Laut der vom Bundesrat in der Botschaft vorgelegten Begründung orien-tiert sich die Regelung der Aufsicht über die in der Schweiz tätigen7 Versi-cherungsmittler „weitgehend“ an der Richtlinie 2002/92/EG8. Auch die am 1. Januar 2007 in Kraft tretende neue Regelung über die Informations-pflichten der Versicherer in Art. 3 VVG lehne sich an geltenden Vorschriften der Europäischen Union an9.

Im Zuge der Deregulierung des europäischen Versicherungsmarktes wurden die Versicherungsunternehmen von der Verpflichtung befreit, ihre Versicherungsbedingungen von der Aufsichtsbehörde genehmigen zu lassen10. Damit wurde auch für den Versicherungssektor die umfassende Produktfreiheit realisiert11. Ziel war die Förderung der Produktvielfalt, um so dem Interessenten die Auswahl aus einem optimal auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Angebot zu ermöglichen12. Das Zusammenspiel von An-gebot und Nachfrage kann eine hoheitliche Vorabkontrolle aber nur dann ersetzen, wenn der Interessent seine Entscheidung auf rationaler Grund-lage treffen kann. Die EU hat deshalb dem Versicherungsunternehmen

6 Art. 34 VVG lautet jetzt : „Gegenüber dem Versicherungsnehmer hat der Versicherer für das Ver-halten seines Vermittlers wie für sein eigenes einzustehen.“

7 Vermittler, die in der Schweiz nur ansässig, aber ausschliesslich im Ausland tätig sind, unter-liegen nicht dem VAG, sondern den Regeln des Tätigkeitsstaats, häufig also einer nationalen Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG.

8 Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung, ABl. EG 2003 L 9/3 (im Folgenden Richtlinie, RL).

9 Botschaft (Fn. 4), 3868. Abschnitt 5 der Botschaft enthält eine Liste der entsprechenden Rege-lungen des Gemeinschaftsrechts mit Kennzeichnung derer, mit denen das geltende schweize-rische Recht bereits in Einklang stehe.

10 Zur Reichweite des europarechtlichen Verbots einer systematischen Vorabkontrolle „im alten Stil“ vgl. EuGH 11.5.2000, Rs. C-296/98, Slg. 2000, I-3025 ff.

11 Zusammenfassende Darstellung bei Anton K. Schnyder, Systembildung und Systemlücken im Europäischen Versicherungsvertragsrecht, in : Stefan Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, Tübingen 2000, 613-624.

Das Verbot produktbezogener Beschränkungen im Versicherungssektor wurde unlängst vom EFTA-Gerichtshof klar bestätigt (Entscheidung vom 25.11.2005, Rs. E-1/05, abrufbar unter <www.

eftacourt.lu>).

12 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 20 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung [Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG], ABl. EG 1992 L 360/1.

Dirk Langer / Jörg Rosenow

Informationspflichten auferlegt, die das Informationsgefälle zwischen An-bieter- und Nachfrageseite ausgleichen sollen13.

Dieses traditionelle „Informationsmodell“ des Gemeinschaftsrechts, wo-nach behördliche Kontrolle durch die Pflicht zur Information der Marktgegen-seite ersetzt wird, stösst im Versicherungsmarkt auf Grenzen. Versicherungs-verträge haben seit Wegfall der Vorabkontrolle einen Grad an Komplexität erreicht, der selbst einschlägig vorgebildete Akademiker überfordert14. Infor-mationen über die Versicherungsprodukte allein können daher nicht die für eine rationale Entscheidung des Interessenten nötige Grundlage schaffen.

Die im Zuge der Umsetzung der so genannten dritten Richtliniengeneration15 eingetretene Produktdiversifizierung dürfte angesichts eines aktuellen Ur-teils des EFTA-Gerichtshofes vom 25. November 2005 in Zukunft sogar noch zunehmen. In dem Urteil überträgt der Gerichtshof die aus der Warenver-kehrsfreiheit bekannte „Labelling“-Doktrin16auf das Versicherungsrecht und stellt fest, dass jede staatliche Einschränkung der Produktgestaltungsfreiheit der Anbieter unzulässig ist, sofern die verfolgten Ziele auch mittels adäqua-ter Verbraucherinformation erreicht werden können17. Die Möglichkeiten der Migliedstaaten des EWR, inhaltliche Anforderungen an Versicherungspro-dukte zu normieren, werden derart erheblich eingeschränkt.

Angesichts der Undurchschaubarkeit des Versicherungsmarktes kann die Bedeutung einer gründlichen Beratung gar nicht überschätzt werden. In der Literatur wird deshalb gefordert, eine solche durch unabhängige, opti-mal qualifizierte Vermittler sicherzustellen. Informationen über die fachliche Qualifikation und die Unabhängigkeit des Vermittlers, also seinen „Status“, sollen die bestehenden Defizite bei der Produkttransparenz kompensieren18.

13 Zu den Informationspflichten im Bereich der Lebensversicherung siehe Erwägungsgrund 52 sowie Art. 36 (konsolidiert) i.V.m. Anhang III der Richtlinie 2002/83/EG vom 5. November 2002 über Le-bensversicherungen, ABl. EG 2002 L 345/1. Zur Schadenversicherung siehe Erwägungsgrund 19 so-wie Art. 31 und 43 der dritten Richtlinie Schadenversicherung [Richtlinie 92/49/EWG vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357 EWG, ABl. EG 1992 L 228/1]. Zu den beim Versicherungsvertragsschluss zu beachtenden Informa-tionspflichten ausführlich Martin Ebers, Die Reform des VVG vor dem Hintergrund des Gemein-schaftsrechts. Überlegungen zur Umsetzung der Informations- und Beratungspflichten in : Jürgen Basedow / Dieter Rückle / Ulrich Mayer, Lebensversicherung – Betriebliche Altersversorgung – VVG-Reform – Grenzüberschreitende Versicherungsleistungen in der Krankenversicherung – Han-del mit gebrauchten Versicherungspolicen, Beiträge zur 13. Wissenschaftstagung des Bundes der Versicherten, Versicherungswissenschaftliche Studien Bd. 26, Baden-Baden 2004, 123-149.

14 Markus Rehberg, Transparenz beim Vertrieb von Finanzprodukten, WM 2005, 1011-1019, m.w.N.

15 Nachweise in Fn. 12 und 13.

16 Grundlegend ist das viel diskutierte „Reinheitsgebot für Bier“-Urteil des EuGH vom 12.03.1987, Rs. 178/84, Slg. 1987, 1227 ff.

17 Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs vom 25.11.2005, Rs. E-1/05 (Nachw. in Fn. 11).

18 Rehberg (Fn. 14), WM 2005, 1011 ff.