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Academic year: 2022

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Texte intégral

(1)

Die natürliche Deduktion

Einführungskurs Logik, Universität Bern, Frühlingssemester 2009

handout zur Sitzung vom 24.3.09

Philipp Keller philipp.keller@unige.ch

Punkte vom letzten Kurs

1. Eine atomare aussagenlogische Interpretation weist jeder atomaren Formel einen Wahrheits- wert zu. Für jede atomare aussagenlogische Interpretation definieren wir eine aussagenlogische Interpretation, die allen Formeln der SpracheLeinen Wahrheitswert zuweist.

2. Eine solche aussagenlogische Interpretation entspricht einer ‘logischen Möglichkeit’ bzw. einer Zeile in einer Wahrheitswerttabelle.

3. Die semantischen Begriffe “Tautologie”, “Kontradiktion”, “Erfüllbarkeit” und “logische Folge- rung” können mittels des Begriffs “aussagenlogische Interpretation” definiert werden.

4. Eine Menge von Formeln ist erfüllbar gdw. wenn es eine Interpretation gibt, die alle Formeln dieser Menge wahr macht.

5. Ein syntaktischer Kalkül (ein axiomatischer Kalkül, ein Kalkül der Baummethode oder der na- türlichen Deduktion) wird “korrekt” genannt gdw. alle seine Theoreme Tautologien sind.

6. Ein solcher Kalkül wird “vollständig” genannt gdw. sich alle Tautologien in ihm ableiten lassen.

7. Die Baummethode ist ein Konsistenztest: Sie erlaubt uns festzustellen, ob eine Menge von Sät- zen konsistent ist. Ist die entsprechende Menge konsistent, erlaubt sie uns auch, eine Interpre- tation zu finden, die alle Sätze dieser Menge wahr macht.

8. Eine Formelϕmit der Baummethode beweisen heisst zeigen, dass sich alle Zweige des Baumes fürp¬ϕqschliessen.

9. Weil die Baummethode korrekt ist, erlaubt sie uns ebenfalls festzustellen, ob eine Formelϕeine Tautologie ist:ϕist eine Tautologie gdw. sich alle Zweige des Baumes fürp¬ϕqschliessen.

10. Die Baummethode erlaubt es auch, einen Schluss auf seine Gültigkeit zu überprüfen: Wir über- prüfen dazu, ob die entsprechende Implikation eine Tautologie ist.

Annahmen

In einem axiomatischen Kalkül beweisen wir, indem wir die richtigen Substitutionsinstanzen von Axiomen bilden und dann die Schlussregeln in der richtigen Reihenfolge darauf anwenden. Ist unsere Schlussregel der Modus PonensMP, reduzieren wir dabei die Komplexität der Formeln.

Bei der Baummethode gehen wir umgekehrt vor: Indem wir eine Interpretation suchen, die die Aus- gangsformel wahr macht, lösen wir diese sukzessive in ihre Teile auf.

Die Schlussform derreductio ad absurdumentspricht keinem dieser Modelle, weil sie auf Annahmen basiert. In der natürlichen Sprache ist eine Annahme die Äusserung eines Satzes ohne assertorische Kraft (Frege würde sagen: ohne Behauptungsstrich). Die Methode der natürlichen Deduktion ist da- durch charakterisiert, dass wir in ihr Annahmen machen können.

Beispiel einerreductio:

1 p→q Prämisse

2 q→ ¬p Prämisse

3 p p Annahme

(2)

Beispiel eines konditionalen Beweises der Sequenz “p→q, p→(q→r),¬r⊢ ¬p”:

1 p→q Prämisse

2 p→(q→r) Prämisse

3 ⊢ ¬r Prämisse

4 p p Annahme

5 p q aus (1) und (4) mit (MP)

6 p q→r aus (2) und (4) mit (MP)

7 p r aus (5) und (6) mit (MP)

8 p→r aus (4) und (7) mit (KB)

9 ⊢ ¬p aus (3) und (9) mit (MT)

Mittels der natürlichen Deduktion beweisen wir nicht nur Theoreme (bspw. “⊢p∨¬p”), sondern auch Sequenzen, d.h. Aussagen darüber, was aus was syntaktisch ableitbar ist (bspw. “p→q, q→ ¬p⊢ ¬p”).

Einführungs- und Eliminationsregeln

pϕ→ ⊥q

ϕq ¬I p¬¬ϕq

ϕ ¬E

ψ

ϕ

pϕ∧ψq ∧I pϕ∧ψq

ϕ ∧E pϕ∧ψq

ψ ∧E

ϕ

pϕ∨ψq ∨I ψ

pϕ∨ψq ∨I

ϕq

pϕ∨ψq

ψ ∨E ϕ ϕ

ϕ ψ

pϕ→ψq I

ϕ

pϕ→ψq

ψ E

pψ→ϕq

pϕ→ψq

pϕ↔ψq I pϕ↔ψq

pϕ→ψq E pϕ↔ψq

pψ→ϕq E

Die Regeln der natürlichen Deduktion

Die Annahme-Regel

n ϕ ϕ Annahme

Modus ponens (modus ponendo ponens)

m pϕ→ψq

... ...

n ⊢ϕ

... ...

o ⊢ψ aus (m) und (n) mit (MP)

(3)

Modus tollens (modus tollendo tollens)

m pϕ→ψq

... ...

n ψq

... ...

o ϕq aus (m) und (n) mit (MT)

Konditionaler Beweis

m ϕ ϕ Annahme

... ...

n ϕ ψ

... ...

o pϕ→ψq aus (m) und (n) mit (KB)

Einführung und Elimination der doppelten Negation

m p¬¬ϕq

... ...

n ⊢ϕ aus (m) mit (DN)

m ⊢ϕ

... ...

n p¬¬ϕq aus (m) mit (DN)

Reductio ad absurdum

m ϕ ϕ Annahme

... ...

n ϕ ψ

... ...

o ϕ ψq

... ...

p ϕq aus (m), (n) und (o) mit (RAA)

Einführung der Konjunktion

m ⊢ϕ

... ...

n ⊢ψ

... ...

o pϕ∧ψq aus (m) und (n) mit (∧I)

(4)

Elimination der Konjunktion

m pϕ∧ψq

... ...

n ⊢ϕ aus (m) mit (∧E)

m pϕ∧ψq

... ...

n ⊢ψ aus (m) mit (∧E)

Einführung der materialen Äquivalenz

m pϕ→ψq

... ...

n pψ→ϕq

... ...

o pϕ↔ψq aus (m) und (n) mit (↔I)

Elimination der materialen Äquivalenz

m pϕ↔ψq

... ...

n pϕ→ψq aus (m) mit (↔E)

m pϕ↔ψq

... ...

n pψ→ϕq aus (m) mit (↔E)

Einführung der Disjunktion

m ⊢ϕ

... ...

n pϕ∨ψq aus (m) mit (∨I)

m ⊢ψ

... ...

n pϕ∨ψq aus (m) mit (∨I)

(5)

Elimination der Disjunktion

m pϕ∨ψq

... ...

n ϕ ϕ Annahme

... ...

o ϕ χ

... ...

p ψ ψ Annahme

... ...

q ψ χ

... ...

r ⊢χ aus (m), (n), (o), (p) und (q) mit (∨E)

Einige Beispiele

1.

1 p∧q p∧q Prämisse

2 p∧q p aus (1) mit (∧E)

3 p∧q q aus (1) mit (∧E)

4 p∧q q∧p aus (2) und (3) mit (∧I)

2.

1 p p Annahme

2 p p (1)

3 ⊢p→p aus (1) und (2) mit (KB)

3.

1 p→q, q→r p→q Prämisse

2 p→q, q→r q→r Prämisse

3 p→q, q→r, p p Annahme

4 p→q, q→r, p q aus (1) und (3) mit (MP)

5 p→q, q→r, p r aus (2) und (4) mit (MP)

6 p→q, q→r p→r aus (3) und (5) mit (KB)

4.

1 p→ ¬q p→ ¬q Prämisse

2 p→ ¬q, p∧q p∧q Annahme

3 p→ ¬q, p∧q p aus (2) mit (∧E)

4 p→ ¬q, p∧q ¬q aus (1) und (3) mit (MP)

5 p→ ¬q, p∧q q aus (2) mit (∧E)

6 p→ ¬q ⊢ ¬(p∧q) aus (2), (4) und (5) mit (RAA)

5.

1 q q Prämisse

2 q, p p Annahme

(6)

6.

1 p∨q p∨q Prämisse

2 p∨q, p p Annahme

3 p∨q, p q∨p aus (2) mit (∨I)

4 p∨q, q q Annahme

5 p∨q, q q∨p aus (4) mit (∨I)

6 p∨q q∨p aus (1,2,3,4,5) mit (∨E)

7.

1 ¬(¬p∧ ¬q) ⊢ ¬(¬p∧ ¬q) Prämisse

2 ¬(¬p∧ ¬q),¬(p∨q) ¬(p∨q) Annahme 3 ¬(¬p∧ ¬q),¬(p∨q), p p Annahme 4 ¬(¬p∧ ¬q),¬(p∨q), p p∨q aus (3) mit (∨I)

5 ¬(¬p∧ ¬q),¬(p∨q) ¬p aus (3), (2) und (4) mit (RAA) 6 ¬(¬p∧ ¬q),¬(p∨q), q q Annahme

7 ¬(¬p∧ ¬q),¬(p∨q), q p∨q aus (6) mit (∨I)

8 ¬(¬p∧ ¬q),¬(p∨q) ¬q aus (6), (2) und (7) mit (RAA) 9 ¬(¬p∧ ¬q),¬(p∨q) ¬p∧ ¬q aus (5) und (8) mit (∧I) 10 ¬(¬p∧ ¬q) ⊢ ¬¬(p∨q) aus (2), (1) und (9) mit (RAA)

11 ¬(¬p∧ ¬q) p∨q aus (10) mit (DN)

Zusammenfassung der Regeln

1. Annahme-Regel: Ich kann jede beliebige Annahme machen, wenn ich darüber Buch führe.

2. MP: Wenn ichpϕ→ψqundϕhabe, darf ichψdaraus schliessen.

3. MT: Wenn ichpϕ→ψqundp¬ψqhabe, darf ichp¬ϕqdaraus schliessen.

4. KB: Wenn ichϕangenommen habe und unter dieser Annahme aufψgeschlossen habe, darf ich aufpϕ→ψqschliessen.

5. DN: Wenn ichp¬¬ϕq habe, darf ich auf ϕschliessen; wenn ich ϕhabe, darf ich auf p¬¬ϕq schliessen.

6. RAA: Wenn ichϕangenommen habe und unter dieser Annahme sowohl aufψals auch aufp¬ψq geschlossen habe, darf ich aufp¬ϕqschliessen.

7. ∧I: Wenn ichϕundψhabe, darf ichpϕ∧ψqdaraus schliessen.

8. ∧E: Wenn ichpϕ∧ψqhabe, darf ich aufϕund aufψschliessen.

9. ∨I: Wenn ichϕhabe, darf ich aufpϕ∨ψqschliessen; wenn ichψhabe, darf ich ebenfalls auf pϕ∨ψqschliessen.

10. ∨E: Wenn ichpϕ∨ψqhabe und ich sowohl unter der Annahme vonϕals auch unter der Annahme vonψaufχgeschlossen habe, darf ich auf χschliessen.

11. I: Wenn ichpϕ→ψqundpψ→ϕqhabe, darf ich aufpϕ↔ψqschliessen.

12. E: Wenn ichpϕ↔ψqhabe, darf ich aufpϕ→ψqund aufpψ→ϕqschliessen.

Eine Heuristik für die natürliche Deduktion

Nur zwei Regeln erlauben mir, mich einer Annahme zu entledigen, die nicht durch sie selbst eingeführt wurde: Im konditionalen BeweisKBwird die Annahme zum Antecedens eines Konditionals, in der reductioRAAwird sie negiert. Ein kleiner Fragekatalog:

1. Hats Formeln der Formpϕ∧ψq?

Wenn ja:(∧E).

2. Hats Formeln der Formϕ,pϕ→ψq?

Wenn ja:(MP).

3. Hats Formeln der Formp¬ψq,pϕ→ψq?

Wenn ja:(MT).

(7)

4. Hat die gewünschte Konklusion die Formpϕ→ψq?

Wenn ja:Beweisen Sieψunter der Annahmeϕund wenden Sie dann (KB) an.

5. Hat die gewünschte Konklusion die Formpϕ∧ψq?

Wenn ja:Beweisen Sieϕundψund wenden Sie dann (∧I) an.

6. Hat die gewünschte Konklusion die Formp¬ϕq?

Wenn ja:Beweisen Sieψundp¬ψqunter der Annahmeϕund wenden Sie dann (RAA) an.

7. Ist die gewünschte Konklusion eine atomare Formel “p”?

Wenn ja:Beweisen Sieϕundp¬ψqunter der Annahme “¬p”. Wenden Sie (RAA) und (DN) an.

8. Hat die gewünschte Konklusion die Formpϕ∨ψq?Wenn jagibts drei Möglichkeiten:

(i) Beweisen Sieϕund wenden Sie (∨I) an;

(ii) beweisen Sieψund wenden Sie (∨I) an; oder (iii) leiten Sie ausp¬(ϕ∨ψ)qeinen Widerspruch ab.

9. Hats Formeln der Formpϕ∨ψq?

Wenn ja:Beweisen Sie die gewünschte Konklusion sowohl unter der Annahmeϕals auch unter der Annahmeψund wenden Sie dann (∨E) an.

10. Hats Formeln der Formp¬(ϕ∨ψ)q?

Wenn ja:Beweisen Sie entwederϕoderψund wenden Sie (∨I) an, um einen Widerspruch zu erhalten. Wenden Sie dannRAAan.

11. Um aus einer Formel der Formp¬(ϕ ψ)qoder der Formp¬(ϕ∧ψ)q einen Widerspruch abzuleiten, beweisen Siepϕ→ψqoderpϕ∧ψq.

12. Um aus einer Formel der Formpϕ→ψqeinen Widerspruch abzuleiten, beweisen Sieϕ, wenden Sie (MP) an und beweisen Sie dann einen Widerspruch zuψ.

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