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Academic year: 2022

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Texte intégral

(1)

Die Baummethode

Einführungskurs Logik, Universität Bern, Frühlingssemester 2012

handout zur Sitzung vom 19.3.12

Philipp Keller philipp.keller@unige.ch

Punkte vom letzten Kurs

1. Neben der semantischen Methode der Wahrheitswerttabellen gibt es auch eine rein syntaktische Methode, die nicht nur von den Bedeutungen der Sätze, sondern auch von ihren Wahrheitswer- ten abstrahiert.

2. Die Syntax der formalen SpracheLder klassischen Aussagenlogik lässt sich streng formal defi- nieren.

3. Alle Junktoren der Aussagenlogik lassen sich durch einen einzigen, den Shefferstrich, definieren.

4. Die moderne Aussagenlogik verdanken wir den Arbeiten Gottlob Freges (Begriffsschrift, 1879) und denen von Russell und Whitehead (Principia Mathematica, 1910).

5. Die Revolution in der Logik hat in der Mathematik entscheidende Fortschritte ermöglicht und ihr neue Teildisziplinen hinzugefügt (Metamathematik, Modelltheorie, Mengenlehre).

6. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die drei wichtigsten Strömungen der Philoso- phie der Mathematik der Logizismus Freges, der Formalismus Hilberts und der Intuitionismus Brouwers und Heytings.

7. Ein Kalkül besteht aus Axiomen und Schlussregeln, die die Ableitung von Theoremen aus den Axiomen ermöglichen.

8. Der Begriff eines (formalen) Beweises lässt sich rein syntaktisch definieren.

9. Die Aussagenlogik lässt sich auf verschiedene Arten axiomatisieren.

10. Wir müssen (objektsprachliche) Beweise in einem Kalkül von (metasprachlichen) Beweisen über ein Kalkül unterscheiden.

Die Semantik der klassischen Aussagenlogik

Definition 1(atomare aussagenlogische Interpretation). Eineatomare aussagenlogische Interpreta- tionIist eine Funktion, die jeder atomaren Formel “pi”,i∈N, vonLgenau einen der beiden Wahrheits- wertewoderfzuweist: I:{“pi”|i∈N} → {w,f}

Haben wir eine atomare aussagenlogische Interpretation I schon definiert, können wir auf ihrer Grundlage eine aussagenlogische InterpretationI (eine Funktion, die jeder wohlgeformten Formel vonLgenau einen Wahrheitswert zuweist:I:Fml(L)→ {w,f}) wie folgt rekursiv definieren:

Definition 2(aussagenlogische Interpretation). Gegeben eine atomare aussagenlogische Interpretation I, definieren wir eineaussagenlogische InterpretationI(eine FunktionI : Fml(L) → {w,f}) wie folgt:

I1 Wennϕein atomarer Satz “p” ist,dannI(ϕ) :=I(“p”) I2 I(¬ϕ) :=

{ w wennI(ϕ) =f f wennI(ϕ) =w

(2)

I3 I(ϕ∧ψ) :=

{ w wennI(ϕ) =w und I(ψ) =w f wennI(ϕ) =f oder I(ψ) =f I4 I(ϕ∨ψ) :=

{ w wennI(ϕ) =w oder I(ψ) =w f wennI(ϕ) =f und I(ψ) =f I5 I(ϕ→ψ) :=

{ w wennI(ϕ) =f oder I(ψ) =w f wennI(ϕ) =w und I(ψ) =f I6 I(ϕ↔ψ) :=

{ w wennI(ϕ) =I(ψ) f wennI(ϕ)̸=I(ψ)

Definition 3. Eine aussagenlogische Formelϕisterfüllbargdw. es mindestens eine Interpretation gibt,die sie wahr macht.

Definition 4. Eine aussagenlogische Formelψisteine logische Folgerungaus einer aussagenlogischen Formelϕ(“ϕ|=ψ”) gdw. jede Interpretation,dieϕwahr macht,ebenfallsψwahr macht.

Definition 5. Eine aussagenlogische Formelϕist eineTautologiegdw. sie unter jeder Interpretation wahr ist.

Definition 6. Eine aussagenlogische Formelϕist eineKontradiktiongdw. sie unter keiner Interpretation wahr ist.

Kurz zusammengefasst:

ϕist erfüllbar :⇐⇒ ∃I(I(ϕ) =w) ϕist eine Tautologie :⇐⇒ ∀I(I(ϕ) =w) ϕist eine Kontradiktion :⇐⇒ ∀I(I(ϕ) =f)

ϕist eine logische Folgerung ausψ :⇐⇒ ∀I(I(ϕ) =w⇒I(ψ) =w)

ϕist eine logische Folgerung aus einer TheorieThgdw.Th∪ {¬ϕ}unerfüllbar ist. In genau diesem Fall gibt es nämlich keine Interpretation, die alle Formeln inThwahr undϕfalsch macht.

Die Beziehungen zwischen Folgerung | = und Ableitbarkeit

Wir unterscheiden:

Korrektheit: HKist korrekt: jedes Theorem ist eine Tautologie.

Vollständigkeit: HKist vollständig: jedes Theorem ist eine Tautologie.

Zusammen ergibt sich:

Theorem 7(Adäquatheit). SeiTheine Theorie undϕeine aussagenlogische Formel:

HKTh ϕ ⇐⇒ HKTh|=ϕ

=

’ (Korrektheit): Der KalkülHKbeweist nicht zuviel, d.h. nicht mehr als die logischen Wahr- heiten.

=

’ (Vollständigkeit): Der KalkülHKbeweist genug, d.h. alle logischen Wahrheiten.

Wir definieren densyntaktischenBegriff der Konsistenz wie folgt:

(3)

Definition 8. Eine aussagenlogische Formelϕistkonsistentgdw. es nicht der Fall ist,dass der deduktive Abschluss vonϕeinen Satzψund seine Negation⌜¬ψenthält.

Wir haben folgende Korrespondenzen:

ϕfolgt ausTh = ϕist ableitbar ausTh ϕist erfüllbar = ϕist konsistent ϕist eine Kontradiktion = ϕist inkonsistent

ϕist eine Tautologie = ⌜¬ϕ⌝ist inkonsistent

ϕalsoψ⌝ist ein gültiger Schluss =ϕ∧ ¬ψ⌝ist inkonsistent

Das Wesen der Logik

Eine Logik kann aufgefasst werden als

• eine Systematisierung logischer Wahrheiten (Theoremen bzw. Tautologien);

• eine Systematisierung gültiger Schlüsse.

Innerhalb des zweiten Paradigma wurden zwei syntaktische Techniken entwickelt:

• die Baummethode (die Methode der ‘analytischen Tableaux’);

• die Methode der natürlichen Deduktion.

Ihr wesentlicher Vorteil besteht darin, dass sie uns das Suchen von Substitutionsinstanzen der Axiome ersparen.

Die Baummethode

Die Baummethode ist eine semantisch motivierte syntaktische Beweismethode, die auf den nieder- ländischen Logiker Evert Willem Beth (1955) zurückgeht und deshalb auch als Methode der “Beth Tableaux” oder “analytischen Tableaux” bezeichnet wird.

F1 Wenn eine Negation⌜¬ϕ⌝falsch ist, istϕwahr.

F2 Wenn eine Konjunktion⌜ϕ∧ψ⌝wahr ist, sindϕundψwahr.

F3 Wenn eine Konjunktion⌜ϕ∧ψ⌝falsch ist, istϕoderψfalsch.

F4 Wenn eine Disjunktion⌜ϕ∨ψ⌝wahr ist, istϕoderψwahr.

F5 Wenn eine Disjunktion⌜ϕ∨ψ⌝falsch ist, sindϕundψfalsch.

F6 Wenn eine Implikation⌜ϕ→ψ⌝wahr ist, istϕfalsch oderψwahr.

F7 Wenn eine Implikation⌜ϕ→ψ⌝falsch ist, istϕwahr undψfalsch.

F8 Wenn eine Äquivalenz⌜ϕ↔ψ⌝wahr ist, sind entwederϕundψwahr oderϕundψsind falsch.

F9 Wenn eine Äquivalenz⌜ϕ↔ψ⌝falsch ist, ist entwederϕwahr undψist falsch oderϕist falsch undψist wahr.

Die Konstruktionsregeln der Bäume: ⌜¬¬ϕ

(4)

ϕ∧ψ

ϕ ψ

⌜¬(ϕ∧ψ)

⌜¬ϕ⌝ ⌜¬ψ⌝ AA

AA

ϕ∨ψ

ϕ ψ

AA AA

⌜¬(ϕ∨ψ)

⌜¬ϕ

⌜¬ψ

ϕ→ψ

⌜¬ϕψ AA

AA

⌜¬(ϕ→ψ)

⌜¬ϕψ

ϕ↔ψ

ϕ

ψ ⌜¬ϕ

⌜¬ψ⌝ AA

AA

⌜¬(ϕ↔ψ)

⌜¬ϕψ⌝ ⌜¬ϕψ AA

AA

Ein Zweig schliesst sich gdw. wenn er eine Formel und ihre Negation enthält. Wir markieren dies mit einem Dreieck:“`

”. Sobald wir eine Konstruktionsregel auf eine Formel angewendet haben, markieren wir sie durch das Zeichen “✓”. Ein Baum ist voll entwickelt, wenn jede komplexe Formel mit “✓”

markiert ist. Nach jeder Anwendung einer Konstruktionsregel überprüfen wir, ob wir einen Zweig schliessen können.Es empfiehlt sich, zuerst diejenigen Regeln anzuwenden, die den Baum nicht weiter verzweigen.

Semantische Interpretation der Baummethode:1

1. Ein voll entwickelter Zweig entspricht einem ‘Wahrheitsweg’: er zeigt an, mit welcher Interpre- tation ihrer einfachen Bestandteile die Formel am Ursprung des Baumes wahr wird.

2. Wir können uns einen Zweig als ‘Argumentationsstrategie’ denken, mit der wir die am Ursprung stehende Formel verteidigen könnten.

3. Schliessen sich alle Zweige, ist es logisch unmöglich, dass die am Ursprung stehende Formel wahr ist: sie ist eine Kontradiktion. Das bedeutet, dass ihre Negation eine Tautologie ist.

4. Die Baummethode ist damit eine Methode derreductio ad absurdum: wir zeigen damit, dass eine Formel logisch falsch bzw. ‘unverteidigbar’ ist.

Um mittels der Baummethode eine Formel zu beweisen,bilden wir ihre Negation, entwickeln den Baum dieser Negation und zeigen, dass sich alle Zweige schliessen.

Seiϕeine beliebige Formel:

1. Schliessen sich alle Zweige des Baumes für⌜¬ϕ⌝, istϕeine Tautologie.

2. Bleibt ein Zweig des voll entwickelten Baumes für⌜¬ϕ⌝offen, haben wir ein Modell für⌜¬ϕ⌝ (eine Interpretation der einfachen Bestandteile vonϕ, die⌜¬ϕ⌝wahr macht); dann istϕkeine Tautologie.

Schliesst sich der Baum, ist die Ursprungsformel unerfüllbar; bleibt er offen, ist sie erfüllbar.

1Wir setzen hier die Adäquatheit des Kalküls voraus, die wir erst in zwei Wochen beweisen werden.

(5)

Einige Beispiele

✓ (p→q)∧(p∨r)∧(s∧ ¬q)

p→q

p∨r

s∧ ¬q

p

¬sq

r

¬sq AA

AA

BB BB

¬p q

BB BB

¬p q

` ` `

¬(p(q∧ ¬r))

¬p

¬(q∧ ¬r) AA

AA

¬q¬¬r

r

¬(¬(p∧q)∨(p∧q))

¬¬(p∧q)

¬(p∧q)

p∧q p q AA

AA

¬p ¬q

` `

p→q

q→r

¬(p→r)

¬pr AA

AA

¬q r B `

BBB

¬p q

` `

Literatur

Beth, Evert Willem, 1955. “Semantic Entailment and Formal Derivability”. Mededelingen der Koninklijke Neder- landse Akademie van wetenschappen, afd. lettterkunde, new series 18. Amsterdam, Holland: N. V. Noord- Hollansche Uitgevers maatschappij

Références

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