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Das schweizerische Umweltschutzgesetz : Rechtsprechung von 1995 bis 1999

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Das schweizerische Umweltschutzgesetz : Rechtsprechung von 1995 bis 1999

BELLANGER, François, DEFAGO GAUDIN, Valérie, MONTINI, Marc Fabrice

BELLANGER, François, DEFAGO GAUDIN, Valérie, MONTINI, Marc Fabrice. Das schweizerische Umweltschutzgesetz : Rechtsprechung von 1995 bis 1999. Le droit de l'environnement dans la pratique , 2001, vol. 15, no. 7, p. 619-730

Available at:

http://archive-ouverte.unige.ch/unige:91186

Disclaimer: layout of this document may differ from the published version.

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(2)

Umweltrecht in der Praxis

Le Droit de l'environnement

dans la pratique

Sondernummer

(Übersetzung)

Das schweizerische Umweltschutzgesetz Rechtsprechung von 1995 bis 1999

von François Bellanger, Professor an der Universitat Genf, Rechtsanwalt unter Mitwirkung von Valérie Defago Gaudin und Marc Fabrice Montini, Rechtsanwalte, Assistenten an der Universitat Genf

Übersetzung des franzosischen Originaltextes (URP/DEP 112001) Dr. Jürg Rohner, Münchenstein

m Zusamrnenarbeit mit Dr. Josef Rohrer, Basel

Vereinigung für Umweltrecht, Zürich Band 15 Heft 7 September 2001

(3)

Herausgeberin

Vere1rugung fur Umweltrechl (VUR}, Posûach 2430, 8026 Zürich Tel. 01/2417691, Fax 01/2417905

lnlemel: http://www.vur-ade.ch e-mail: mail@vur-ade.ch Druck: Juris Druck + Verlag AG, Wiesenstrasse 4, 8953 Dietikon ISSN 1420-9209

Offiz1elles Organ der Verem1gung für Umweltrecht (VUR}, erscheint achtrnal jahrlich.

Abonnemenlspre1s. Fr. 110.-(Fr. 50.- für Studierende). für Mitglieder der VUR im Jahres- be1trag inbegriffcn

Die Jahrgange 1986-2000 sind auch aufCD-ROM erhiiltlich (für PC und Mac).

Redaktion

Dr. Monika Kêilz-Ott

Gcschliftsführerin der Vcrcinigung für Umweltrccht. Zürich Dr. Ursula Brunner

Rcchtsanwtiltin, Zünch PD Dr Alain Griffe!

Umwclt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zünch Dr. Veronika Huber-Walchli

Amt für Umweltschutz GR. Chur Dr. Peter M Keller

Fürsprechcr, Bern PD Dr. Arnold Marti

Vizepras1dent Obergcricht SH. Schaffbausen Mane-Clall'e Pont Vcuthey

docteur en droit, avocate, Sierre Prof. Dr. Heribert Rausch Rechtsanwalt, Zürich Robert Wolf

Rechtsanwalt, Vcrwaltungsrichter, Zürich Jean-Baptiste Zufferey

Professeur à l'Umversité de Fribourg

Alle Urheber- und Verlagsrechte sind vorbehalten. Ein allfülliger Nachdruck ist nur mit Zu- stJmmung des Autors und der Redaktion und nur mit ungekürzter Quellenangabe gestattet.

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Das schweizerische Umweltschutzgesetz Rechtsprechung von 1995 bis 1999

von François Bellanger, Professor an der Universitat Genf, Rechtsanwalt unter Mitwirkung von Valérie Defago Gaudin und Marc Fabrice Montini, Rechtsanwalte, Assistenten an der Universitat Genf

Übersetzung des franzosischen Originaltextes (URP/DEP 1/2001) Dr. Jürg Rohner, Münchenstein

in Zusammenarbeit nùt Dr. Josef Rohrer, Basel

lnhalt

I. EINLEITUNG II. DIE GRUNDSATZE

III. DIE UMWELTVERTRAGLICJIKEITSPRÜFUNG

IV. DER SCHUTZ VOR KATASTROPHEN UND STÔRFALLEN V. DER IMMISSIONSSCHUTZ

VI. DIE UMWELTGEFAHRDENDEN ORGANISMEN VII. DIEABFALLE

VIII. DIE STRAFBESTll\fMUNGEN DES USG IX. DIE RECHTSPFLEGE

x.

BESONDERE FRAGEN XI. SCHLUSSFOLGERUNG INHALTSVERZEICHNIS

URP/DEP 200ln

Sei te 620 620

638 650 651 687 688 704 705

716 723

724

619

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1. EINLEITUNG

Mit diesem Rückblick auf die Rechtsprechung zum Umweltschutz- gesetz sollen die wichtigsten Entscheide des Bundesgerichts aus den Jah- ren 1995 bis 1999 vorgestellt und zusammengefasst werden. Die Dar- stellung übemimmt den Aufbau des Bundesgesetzes über den Umwelt- schutz, um den Leserinnen und Lesem die Suche zu erleichtem und um eine Übereinstimmung mit dem früheren Beitrag von THEO LORETAN, KLAUS V ALLENDER und RETO MORELL (Originaltext auf Deutsch; URP 1995 S. 165 f.) und der Übersetzung von JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY und ARIANEAYER (URP, Mai 1996, Spezialnummer, S. 1 f.) zu erreichen.

Da gewisse Bestimmungen des USG geandert worden sind und ein Kapitel sogar vollig neu gestaltet worden ist, beschranken wir uns hier darauf, die Rechtsprechung zu den neuen Bestimmungen darzustellen.

Entscheide, die noch in Anwendung der alten Bestimmungen ergangen sind, werden nur insofem untersucht, als die daraus abgeleiteten Grund- satze noch aktuell erscheinen.

II. DIE GRUNDSATZE

A. ALLGEMEINES

Das vorliegende Kapitel behandelt die allgemeinen Prinzipien des Umweltrechtes, also das Vorsorgeprinzip, das Verursacherprinzip und das Prinzip der formellen und materiellen Koordination, sowie die Modalita- ten der Anwendung gewisser Verfassungsprinzipien.

B. DAS VORSORGEPRINZIP

Das in Art. 1 Abs. 2 USG verankerte V orsorgeprinzip bestimmt, dass Beeintrachtigungen der Umwelt, welche schadlich oder lastig werden konnten, im Sinne der Vorsorge und frühzeitig zu begrenzen sind.

Wir untersuchen zunacbst seine Tragweite und anschliessend seine Umsetzung, wobei wir auf deren Modalitaten, die wirtschaftliche Trag- barkeit von Massnahmen und die Behandlung von Bagatellfallen einge- hen. Schliesslich stellen wir einige Anwendungsfalle dieses Prinzips vor.

620 URP/DEP2001/7

(6)

1. Die Tragweite des Vorsorgeprinzips

Das Vorsorgeprinzip wurde aus V orsicht aufgestellt, um insbesonde- re aile unvorhersehbaren und fur die Umwelt verhangnisvollen Risiken zu vermeiden. Zu diesem Zweck verlangt es die Beachtung einer Sicher- heitsIDarge, welche die bestehenden Unsicherheiten über die langfristigen Auswirkungen von Beeintrachtigungen der Umwelt berücksichtigt.

Nach einem Entscheid voID l. April 1998 (BGE 124/1998 II 219

=

URP 1998 215) müssen die Bestimmungen über die vorsorgliche Emissi- onsbegrenzung bei allen Vorhaben angewendet werden, von denen - ab- gesehen von Bagatellfallen - Auswirkungen im Sinne der Art. 1 und 7 USG ausgehen (URP 1997 213).

lm Zusammenhang mit einem Fal1, bei dem es um die Pflicht zum Bau von Parkpliitzen in einer Tiefgarage ging (URP 1998 55), hat das Bundesgericht festgehalten, das Vorsorgeprinzip verpflichte nicht nur zur Anwendung der Bestimmungen über die Herabsetzung von lmmissionen, sondern auch derjenigen über die vorsorgliche Begrenzung der Emissio- nen. Es ist deshalb in der Tat wichtig, eine Sicherheitsmarge vorzusehen, welche die Unsicherheit über die Langfristauswirkungen der Umweltver- schmutzungen in Betracht zieht.

Dieser «Sicherheitsaspekt» des Vorsorgeprinzips wurde auch in zwei Entscheiden zum Thema umweltgefahrdende Organismen verdeutlicht (siehe unten Kapitel VI).

Das Vorsorgeprinzip hat aber nur einen beschrankenden Charakter und will also grundsatzlich nicht jegliche Emission verhindern. Es geht nicht davon aus, dass Personen, die von einer Anlage betroffen sind, kei- nerlei Beliistigung über sich ergehen !assen müssen. Ziel dieses Prinzips ist die Beschrankung der Belastungen und nicht deren vëllige Beseitigung (URP 1998 215). In diesem Sinne hat das Bundesgericht festgehalten (BGE 124/1998 II 517 = URP 1998 728), dass die Anwendung von Art.

11 Abs. 2 USG starke Gemeinsamkeiten mit dem Prinzip der Verhaltnis- massigkeit habe, ohne dass aber ihre Tragweiten deckungsgleich wiiren.

Gestützt auf das Vorsorgeprinzip kann man also nur ausnahmsweise in einem Notfall die Stilllegung einer Anlage im Rahmen einer Sanierung verfügen. lm Falle eines an der Hausfassade eines Bijoutiers angebrach- ten Glockenspiels (URP 1997 480) hat das Bundesgerichts das Vorliegen eines solchen Notfalls vemeint. Es hielt diese Beliistigung für geringer als diejenige durch eine Schiessanlage, die in eineID Entscheid VOID 12. April 1994 (BGE 12011994 lb 79 = URP 1994 138) ais nicht aussergewëhnlich eingestuft worden war.

URP/DEP 200117 621

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lm Übrigen verleiht das USG keinerlei Recht auf absolute Ruhe, schon gar nicht wahrend des Tages (URP 1998 529).

Das Vorsorgeprinzip wird in Spezialbestimmungen des Bundesrechts oder im Rahmen von deren Vollzug konkretisiert.

Für den Llirm von ortsfesten Anlagen setzt Art. 7 Abs. 1 Bst. a LSV das Vorsorgeprinzip unter Verweis auf Art. 11 Abs. 2 USG um (URP 1998 55). Dasselbe gilt für Art. 8 LSV (BGE 125/1999 II 643

=

URP

2000 337).

Auch die Ziffer 512 Anhang 2 LRV, die einen einzuhaltenden Min- destabstand zu bewohnten Zonen vorschreibt, ist eine Massnahme der vorsorglichen Begrenzung, die sich auf Art. 11 Abs. 2 USG stützt. In ei- nem konkreten Fall, wo es um den Bau einer Schweinemastanlage ging (URP 1997 205), hielt das Bundesgericht fest, diese Bestimmung dürfe nicht stan und absolut angewendet werden, es müsse auch das Prinzip der Verhaltnismassigkeit gewahrt werden. Yon Nachbarn in einer gemischten Zone, in der Gewerbe- und Geschaftsbauten, die einen angenehmen und gesunden Aufenthalt nicht erheblich stëren, zugelassen sind, kann man somit eine grossere Toleranz gegenüber Beeintrlichtigungen aus umwelt- verschmutzenden Anlagen erwarten. lm vorliegenden Fall muss der ein- zuhaltende Mindestabstand demnach vom ersten Wohnhaus und nicht von der Parzellengrenze aus berechnet werden.

Auch die Berücksichtigung lokaler Besonderheiten kann eine unter- schiedliche Handhabung des Vorsorgeprinzips notig machen. Nach Mei- nung des Bundesgerichts (URP 1998 55) darf man den Art. l l Abs. 2 USG nicht allzu schematisch auslegen, da er eine unbestirnmte Rechts- norm darstellt und da zwischen den verschiedenen Landesgegenden struk- turelle und wirtschaftliche Unterschiede bestehen ebenso wie unter- schiedliche Bedürfnisse in Bezug auf den Umweltschutz, speziell den Llirmschutz. Deshalb ist es ausgeschlossen, generell für das ganze Land sinnvolle Massnahmen zur Emissionsbegrenzung für bestimmte Bauten festzulegen. Die kantonalen Behërden haben samit in diesem Bereich einen Ermessensspielraum.

2. Die Umsetzung des Vorsorgeprinzips a) Die Modalitaten der Umsetzung

Das Vorsorgeprinzip legt grundsatzlich eine zweistufige Strategje für die Behfüden nahe: Zuerst muss das Vorsorgeprinzip wie oben beschrie- ben angewendet und müssen eine Reihe von Massnahmen getroffen wer-

622 URP/DEP200ln

(8)

den. Wenn si ch dann spiiter herausstellt oder abzeichnet, dass diese Mass- nahmen nicht genügen, müssen sie durch zusatzliche Massnahmen er- giinzt werden. Dieses Vorgehen betrifft namentlich die Verfahren zur Strassenplanung. Beim Bau oder Ausbau einer Strasse müssen alle Mass- nahmen zur Emissionsbegrenzung getroffen werden, die dem Stand der Technik entsprechen und wirtschaftlich tragbàr sind. Dabei handelt es sich in erster Linie um Betriebsvorschriften, welche die Gestaltung des W erke& beeinflussen und die in der Kompetenz der Plangenehmigungs- behôrde oder der Bauherrschaft liegen. Massnahmen zur Verkehrsrege- lung, insbesondere Geschwindigkeitsbeschriinkungen, werden erst spater angeordnet, wenn die Ergebnisse der Massnahmen zur Emissionsbegren- zung vorliegen (BGE 122/1996 II 97

=

URP 1996 373).

Bei der Umsetzung des Vorsorgeprinzips muss eine ganzheitliche Betrachtung des Vorhabens und der in Aussicht genommenen Massnah- men erfolgen, wobei nicht nur die moglichen Auswirkungen auf Dritte zu berücksichtigen sind, sondern auch andere Projekte im betreffenden Ge- biet. Das Vorsorgeprinzip bedeutet deshalb auch den Einbezug des Ver- haltens Dritter.

So hat das Bundesgericht in einem Entscheid betreffend die Umfah- rungsstrasse von Flims (BGE 12411998 II 517

=

URP 1998 728) festge- halten, dass die Überdachung einer Brücke zwar zweifellos die Liirmbela- stung der Grundstücke der Beschwerdeführer herabsetzen würde, ande- rerseits aber zu einer hoheren Konzentration von Kohlenmonoxid bei den Tunneleingangen mit entsprechenden Schaden für Dritte führen würde.

Vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG sind aber nicht in jedem Palle unzuliissig, wenn sie einen Nachteil für Dritte nach sich ziehen. Bei Baubewilligungs-oder Plangenehmigungsverfahren konnen Beschwerdeführer <las Vorsorge- und das Verhaltnismassigkeits- prinzip anrufen, um eine vorsorgliche Emissionsbeschriinkung oder je nach den Umstiinden eine Verbesserung des Projekts zu erreichen. Sie konnen aber keine personlich bevorzugten V arianten durchsetzen und si- cher auch keine V arianten, die bedeutende Belastungen für Dritte bringen würden. Es würde Sinn und Zweck von Art. 11 Abs.2 USG widerspre- chen, wenn Vorsorgemassnahmen zu einer unerwünschten Ausweitung des V erfahrens in sachlicher und zeitlicher Hinsicht führen würden.

In einem Fall betreffend den Bau eines Einkaufszentrums mit Par- king bat das Bundesgericht entschieden (BGE 124/1998 II 517

=

URP 1998 728), eine voraussehbare Zunahme des Strassenverkehrs als Folge anderer Bauprojekte müsse mit berücksichtigt werden. In diesem Fall

URP/DEP 2001n 623

(9)

ging es um die Bewilligung für ein Einkaufszentrum mit 510 Parkplatzen, die Planung für einen McDonald's mit «drive through window» und die Planung von weiteren 4000 Parkplatzen. In dieser Situation drangen sich Vorsorgemassnahmen zur Emissionsbeschrankung des Strassenverkehrs auf, umso mehr als die lmmissionsgrenzwerte überschritten sind.

b) Die wirtschaftliche Tragbarkeit der Massnahmen

Luftverschmutzungen, Larm, Erschütterungen und Strahlen sind in erster Linie durch Massnahmen an der Quelle, also am Ort der Emission, zu begrenzen (A11. 11 Abs. 1 USG). Dies gilt nach Bundesgericht (URP 1998 529) sowohl für neue als auch für bestehende Anlagen. Die Anfor- derungen an letztere sind allerdings nicht gleich hach wie diejenigen für neue Anlagen.

lm Übrigen kënnen bei bestehenden und bei neuen Anlagen nicht alle an sich méiglichen Massnahmen angeordnet werden. Unabhangig von der bestehenden Umweltbelastung - also vorsorglich - sind Emissionen nur soweit zu begrenzen, ais dies technisch und betrieblich méiglich und wirtschaftlich tragbar ist (Art. 11 Abs. 2 USG).

Die wirtschaftliche Tragbarkeit beurteilt sich bei der Larmbekamp- fung bei nicht éiffentlichen Anlagen im Vergleich mit einem mittleren, wirtschaftlich gesunden Unternehmen derselben Branche (Art. 4 Abs. 3 LRV), z. B. einem Einkaufszentrum derselben Gréissenordnung (BGE

124/1998 II 272 =VRP 1998 197).

Bei ëffentlichen Anlagen hingegen bestimrnt sich die wirtschaftliche Tragbarkeit nicht nach den traditionellen betriebswirtschaftlichen Grund- satzen, sondem unter dem Gesichtspunkt des Verhaltnismassigkeitsprin- zips.

Das Bundesgericht war der Ansicht, dass die Überdachung einer Brücke oder der Bau eines Tunnels unverhaltnismassige Massnahmen darstellen kënnen. Der Regierungsrat des Kantons Graubünden batte im April 1996 ein Projekt für die Umfahrung von Flims genehmigt, die ins~

besondere aus der Flem-Brticke und dem Tunnel Prau Pultè besteht. Er ordnete erganzend an, bei den Tunnelportalen müssten schallschluckende Elemente angebracht werden und die Brückenbrüstungen seien mit larm- schluckenden Materialien einzukleiden. Die Beschwerdeführer hatten diese Genehmigung vergeblich beim Verwaltungsgericht angefochten und darauf beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht, und zwar im We- sentlichen mit der Begründung, die vorsorgliche Emissionsbegrenzung

624 URP/DEP 200ln

(10)

gemass Art. 11 Abs. 2 USG rechtfertige eine Überdachung der Flem- Brücke und den gleichzeitigen Bau eines durchgehenden Tunnels von Flims-Ost nach Flims-West. Das Bundesgericht hat ihre Beschwerde ab- gewiesen mit der Begründung, es sei zwar technisch und betrieblich môglich, ihre Wünsche zu erfüllen, hingegen sei es wirtschaftlich nicht tragbar. Nach Auffassung des Bundesgerichts waren zuslitzliche Mass- nahmen zur Emissionsverminderung bei einem Projekt, das die Pla- nungswerte einha.lt, nur dann wirtschaftlich tragbar, wenn im Lichte des Verhaltnismassigkeitsprinzips ein relativ geringer Mehraufwand eine be- achtliche Verringerung der Emissionen bewirken würde. Dies war im vorliegenden Fall nicht so (BGE 12411998 II 517

=

URP 1998 728).

· In einem Entscheid vom 1. April 1998 betreffend den Bau einer Hochspannungsleitung (BGE 124/1998 II 219

=

URP 1998 215) befand das Bundesgericht, man solle nicht zu hohe Anforderungen stellen, da die Einwirkung der elektrischen und elektromagnetischen Strahlung deutlich unter den entscheidenden Grenzwerten lag. Der Preis fur eine Verkabe- lung, die zwei-bis fünfmal teurer ist als eine Freileitung, sei deshalb wirt- schaftlich nicht tragbar.

Auch bei der Überprüfung eines Entscheids des UVEK über den Ab- schnitt 4 der Eisenbahn-Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist (BGE 121/1995 II 378

=

URP 1996 356), gegen den Verwaltungsgerichtsbe- schwerde erhoben wurde, bielt das Bundesgericht fest, die SBB hatten das Rollmaterial in Bezug auf die Personenwagen erheblich verbessert und sich verpflichtet, die Güterzüge in der Nacht soweit moglich auf der neu- en Linie mit dem Murgenthal-Tunnel fahren zu lassen. Sie hatten somit unternommen, was technisch und betrieblich moglich und wirtschaftlich tragbar sei. Dem V orsorgeprinzip sei damit Genüge getan.

Zum Thema Larmschutzmassnahmen an einer Autobahn verweisen wir die Leser auf den im ZBI 1996 518

=

URP 1996 833 verôffentlichten Entscheid (siehe unten V. A. 3. a).

Schliesslicb bat das Bundesgericht befunden, dass, wenn Transport, Behandlung und Verwertung von Abfiillen für die Umwelt mehr Bela- stungen als Vorteile bewirken, dies nicht wirtschaftlich tragbar im Sinne von Art. 12 Abs. 3 TVA ist (URP 1997 584).

Bei privaten Bauten sind die Parkplatze die zentrale Frage. Mit Be- zug auf unterirdische Parkpllitze bat das Bundesgericht erwogen (URP 1998 55), ein hoherer Preis für eine Tiefgarage rechtfertige sich durch ei- ne grôssere Sicherheit und den grôsseren Komfort. Dernnach sei bei der Beurteilung dieser Kosten der entstehende Mehrwert in Betracht zu zie-

URP/DEP 200In 625

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hen, weshalb die Tiefgatage im vorliegenden Fall im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG wirtschaftlich tragbar sei.

Hohe Kosten kënnen auch dann gerechtfertigt sein, wenn keine ande- ren Massnahmen moglich sind. lm Zusammenhang mit einer Überbauung mit 36 Einfamilienhausern waren von der Bauherrschaft 45 Parkplatze unter freiem Himmel vorgesehen. Die zustandige kantonale Behürde hatte entschieden, es müsse eine Tiefgarage gebaut werden. Das Bundesgericht hat diesen Entscheid mit der Begründung geschützt (URP 1998 55), dass die verlangte Massnahme durch keine andere ersetzt werden konne.

Schallschutzwande kamen wegen der raumlichen Verhaltnisse und aus asthetischen Gründen nicht in Betracht. Das Bundesgericht führte im Üb- rigen aus, dass, selbst wenn solche Massnahmen die Einhaltung der Pla- nungswerte ermèiglichen würden, die Anforderungen von Art. 11 Abs. 2 USG kumulativ zu denjenigen in Art. 25 USG gelten. Wenn also Mass- nahmen zur zusatzlichen Larmreduktion mëglich sind, drangen sie sich unter den Bedingungen von Art. 11 Abs. 2 USG auf.

c) Die Bagatelifiille

Nach einem Entscheid vom 1. April 1998 (BGE 124/1998 II 219

=

URP 1998 215) verlangt das Vorsorgeprinzip bei Bagatellfüllen keine zu- satzlichen Massnahmen (siehe BGE 117 lb 28). Allerdings ist die Grenz- ziehung schwierig. lm vorliegenden Fall war die Umweltbelastung schwach; sie konnte aber nicht als Bagatellfall bezeichnet werden. Die Massnahmen im Rahmen der vorsorglichen Emissionsbegrenzung hatten im konkreten Fall erhebliche Kosten nach sich gezogen, die in Anbetracht der geringen Umweltbelastung wirtschaftlîch nicht tragbar gewesen

wa-

ren.

3. Einige Anwendungsfiille

In einem Entscheid über eine Umfahrungsstrasse (BGE 124/1998 II 517

=

URP 1998 728) befand das Bundesgericht, die Tatsache, dass die Planungswerte eingehalten seien, belege noch nicht, dass alle nach Art.

11 Abs. 2 USG erforderllchen Massnahmen zur vorsorglichen Begren- zung der Emissionen bereits getroffen seien. Ein Vorhaben genügt den Anforderungen des USG noch nicht unbedingt, nur weil es die Bela- sturl.gsgrenzwerte einbalt. Vielmehr muss jeder einzelne Fall im Lichte der Kriterien von Art. 11 Abs. 2 USG und von Art. 7 Abs. 1 Bst. a LSV untersucht werden und entschieden werden, ob das Vorsorgeprinzip zu-

626 URP/DEP 2001n

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satzliche Massnahmen rechtfertigt. In diesem Zusammenhang muss man sich vor allem auch vergewissern, dass unnotige Errùssionen vermieden werden.

In einem Entscheid im Zusammenhang mit dem Bau eines National- strassenteilstücks, das die Zentralschweiz rrùt <lem Flughafen Kloten und der Ostschweiz verbindet, hat das Bundesgericht festgehalten, dass beim Bau und beim Ausbau von Strassen aile technisch und betrieblich mogli- chen und wirtschaftlich tragbaren Massnahmen vorzusehen sind, sofern diese geeignet sind, die Beeintrachtigungen durch den Strassenverkehr zu beschranken (BGE 122/1996 II 97

=

URP 1996 373).

lm Entscheid Grancia (URP 1995 498) batte <las kantonale Verwal- tungsgericht ausgeführt, das Bauvorhaben sei .\1Îcht allein für die über- massigen Emissionen verantwortlich, der hohe Grad der Luftverschmut- zung in der Region sei im Wesentlichen auf den Nationalstrassenverkehr zurückzuführen. Es hatte deshalb keine verschii.rften Emissionsbegren- zungen, wie sie in Art. 11 Abs. 3 USG und Art. 5 LRV vorgesehen sind, angewendet. Das Bundesgericht führte demgegenüber aus, es sei uner- heblich, dass das Parking nicht die Hauptquelle der Schadstoffemissionen sei, da nach Art. 8 USG die Einwirkungen auch gesamthaft und in ihrem Zusammenwirken beurteilt werden müssen. In seinen Augen ist es im Üb- rigen auch gar nicht mëglich, die Belastungen durch die Parkplatze und diejenigen der Autobahn auseinanderzuhalten, denn sonst würde in be- reits stark belasteten Zonen, vor allem entlang von Autobahnen, jede Er- hohung der Luftverschmutzung akzeptiert, was dem Vorsorgeprinzip wi- dersprechen würde.

Am 5. Ma.rz 1996 hat das Bundesgericht in einem Konflikt betref- fend den Larm einer Korrosionsschutz- und Thermolackierwerkstatte in unmittelbarer Nahe einer Wohnzone (URP 1997 150) festgestellt, das Vorsorgeprinzip gemass Art. 11 Abs. 2 USG sei <lem privatrechtlichen Schutz gegen Imrrùssionen fremd. Dieses Prinzip ist also in einem zivil- rechtlichen Verfahren, in <lem die rechtliche Sanktion gestützt auf Art.

684 ZGB zwingend eine übermassige Immission voraussetzt, nicht an- wendbar.

In den Anwendungsgebieten von Art. 25 Abs. 1 USG verlangt <las Vorsorgeprinzip, dass bereits im Baubewilligungsverfahren oder in den damit koordinierten Verf ahren vertieft geprüft wird, ob die Planungswerte voraussichtlich eingehalten werden, und dass die zur Einhaltung der Pla- nungswerte notigen oder im Rahmen der Vorsorge gebotenen Begren-

URP/DEP 200117 627

(13)

zungsmassnahrnen festgelegt werden. Eine solche Prüfung darf nicht auf einen spateren Zeitpunkt verschoben werden (URP 1997 577).

In einem Fall, in dem die Gemeinde Montana im Dorfzentrum den Bau eines grossen Mehrzweckkomplexes mit einem 43 Meter hohen, durch eine Passerelle mit der Seilbahnstation verbundenen Panoramaturm geplant batte (URP 1998 145), entschied das Bundesgericht, ein solches Vorhaben verlange schon irn Stadium der Quartierplanung geeignete Massnahmen zur vorsorglichen Verrninderung der Emissionen. Indem die zustandigen Behôrden dies unterliessen, haben sie das Vorsorgeprinzip verletzt.

Bei einem Bauvorhaben verlangt das Bundesrecht nicht, dass man scbon im Stadium des Vorverfahrens nacb kantonal-genferiscbem Recht die Notwendigkeit von Massnabmen zur vorsorglichen Emissionsbegren- zung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 1 USG prüft, also et- wa die Anwendung von Bau- und Ausrüstungsvorschriften oder von Ver- kehrs- und Betriebsvorschriften. Diese Prüfung kann bis zum definitiven Bewilligungsverfahren zurückgestellt werden. Das Verwaltungsgericbt konnte samit ohne Verletzung des Vorsorgeprinzips feststellen, das Pro- jekt sei bundesrechtskonform, ohne im Detail aile Fragen zu prüfen, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Rechts stellen (URP 1997 534).

In einem Fall, in dem sich Nachbarn über den Larm eines Tea- Rooms beklagten (BGE 123/1997 II 325 = URP 1997 484), bat das Bun- desgericht darauf hingewiesen, bei der Umwandlung einer bestehenden Anlage mit keinem oder wenig Uirm in eine neue Anlage mit Larm ver- lange das Vorsorgeprinzip, dass diese grundsatzlich wie die Erricbtung einer neuen ortsfesten Anlage, d. b. gestützt auf Art. 25 USG und nicht auf Art. 8 LSV, beurteilt werde.

In einem Entscheid betreffend den Bau eines Schiessstandes in der Nabe einer Wohnzone (URP 1997 35) bat das Bundesgericbt bestatigt, der Larmschutz verlange die kumulative Anwendung der Anforderungen bezüglich der Einhaltung der Planungswerte und der Ernissionsbegren- zung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG. Tatsachlich stellen die Pla- nungswerte keine Emissionsbegrenzungen im Sinne von Art. 12 USG dar.

Deshalb konnen sie auch nicht ais Mass für die vorsorgliche Emissions- begrenzung in einem bestimmten Fall dienen. Sie umschreiben nur einen allgemeinen Rahmen im Sinne des Planungsgrundsatzes von Art. 3 Abs. 3 Bst. b RPG und des Vorsorgegrundsatzes von Art. 1 Abs. 2 USG. Die Planungswerte konkretisieren die vorsorgliche Beschrankung der Immis-

628 URP/DEP 2001n

(14)

sionen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Bst. b RPG und nicht die vorsorgliche Emissionsbeschrankung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG.

C. DAS VERURSACHERPRINZIP

1. Die Tragweite des Prinzips

Das Verursacherprinzip, franzosisch auch als «principe du pollueur- payeur» bezeichnet, ergibt sich aus dem Art. 2 USG, der folgendes ver- langt: «Wer Massnahmen nach diesem Gesetz verursacht, tragt die Ko- sten dafür». Das Ziel liegt also darin, die Kosten für die Nutzung der na- ti.irlichen Ressourcen und für die Umweltschaden demjenigen aufzuerle- gen, der diese Ressourcen nutzt oder der die Umwelt beeintrachtigt.

Art. 2 USG ist keine Verhaltensnorm. Er sagt nicht, wann, durch wen und zu welchen Bedingungen eine Schutzmassnahme oder eine Wieder- herstellungsmassnahme vorgenommen werden muss. Dieser Artikel muss deshalb durch andere rechtliche Bestimmungen konkretisiert werden, so namentlich durch die Artikel 32a, 48 und 59 USG. Das Verursacherprin- zip muss bei der Bestimmung des aktuellen Sinns dieser Artikel wie auch von Art. 8 aGSchG (in Kraft bis 31. Oktober 1992, ersetzt durch Art. 54 GSchG) beigezogen werden (BGE 122/1996 II 26

=

URP 1996 437).

Um zu bestimmen, wer die Kosten einer Beeintrachtigung zu tragen hat, stützt sich die Rechtsprechung auf den gebrauchlichen Begriff des

«Stürers» und unterscheidet dabei zwischen dem Verhaltensstürer und dem Zustandsstürer. Ersterer ist die Person, die durch ihre Taten oder ihre Unterlassungen (oder durch solche von ihr abhangiger Personen) eine Ge- fàhrdung oder eine widerrechtliche Beeintrachtigung hervorgerufen hat.

Letzterer ist die Person, welche die rechtliche oder tatsachliche Ver- fügungsgewalt über die Sache hat, bei der der ordnungswidrige Zustand aufgetreten ist.

2. Die Anwendungsfdlle a) lm Bereich Ldrm

lm Zusammenhang mit der Isolierung eines neuen Wohngebaudes gegen Innenlarm hat die zustandige kantonale Behürde dem Bauherrn in Anwendung von Art. 35 LSV zusatzliche Larmmessungen auferlegt. Das Bundesgericht kam zum Schluss, mangels einer gesetzlichen Grundlage konne ihm diese Aufgabe nicht auferlegt werden; sie müsse von der zu-

URPIDEP 200117 629

(15)

standigen kantonalen Behôrde ausgeführt werden, die dann die Kosten unter die betroffenen Personen aufteile. Da der Bauherr einen Teil der W ohnungen bereits an Dritte verkauft habe und somit nicht mehr über sie verfügen k6nne, müssten zu diesem Zeitpunkt Umweltschutzvorschriften, mit denen polizeiwidrige Situationen verhindert oder behoben werden sollen, gestützt auf die allgemeinen polizeilichen Grundsatze angewendet werden. Entscheidend seien daher die gegenüber dem Stôrer anwendba- ren Grundsatze (siehe dazu BGE 118/1992 lb 407). Die Kosten müssten demnach von den Stürern getragen werden, im konkreten Fall durch den Bauherrn als Verhaltensst6rer und die Stockwerkeigentümer (zu denen auch der Bauherr gehürt) oder durch die Eigentümergemeinschaft als Zu- standsstôrerin (BGE 12211996 II 65 = URP 1996 403).

b) lm Bereich Abfiille

Aus dem Verursacherprinzip des Art. 2 USG darf nicht geschlossen werden, es sei nur eine Kostenverteilung entsprechend der effektiven Ab- fallmenge zulassig (URP 1996 829). Diese Interpretation wurde vom Bundesgericht in einem Entscheid über die Abfallgrundgebühr in der Stadt Zürich bestatigt (URP 1997 39). Es hielt fest, das Verursacherprin- zip verlange nicht, dass die Kosten ausschliesslich proportional zur Men- ge des effektiv anfallenden Abfalls verteilt werden.

Für die Frage der Finanzierung der Abfallentsorgung und der Sanie- rung von Anlagen sei auf die Kapitel VII. E. und VII. F. verwiesen. Hier sei nur in Erinnerung gerufen, dass das Bundesgericht vor Inkrafttreten der Artikel 32c bis 32d USG der Ansicht war, die Sanierungspflicht einer Altlast richte sich nach dem Storerprinzip (URP 1996 411).

c) lm Bereich Verhinderung einer Verunreinigung bzw. Sanierung Das V erursacherprinzip rechtfertigt die Einforderung von Kosten, die der Beh6rde aus Massnahmen erwachsen sind, die sie zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Verschmutzung oder zu deren Feststellung und Behebung ergriffen hat (BGE 122/1996 II 26

=

URP 1996 437).

Gestützt auf Art. 59 USG werden Kosten, die durch Massnahmen der Beh6rden zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Beeintrachtigung und zu deren Feststellung und Behebung entstehen, <lem Verursacher über- bunden.

Diese Bestimmung betrifft nicht nur die Kosten von Massnahmen gegen unmittelbar drohende Umweltgeführdungen, die ein sehr kurzfris-

630 URP/DEP 200!n

(16)

tiges Eingreifen der Behôrde erfordern. Sie zielt auf samtliche Palle, in denen die Behèirde handeln muss oder in denen aus materiellen oder rechtlichen Gründen ein Administrativverfahren mit einem Ausführungs- entscheid unmoglich oder unangemessen ist, z. B. wegen Dringlichkeit, insbesondere wenn der Urheber der Beeintrachtigung nicht rechtzeitig eruiert werden kann oder wenn er jedenfalls nicht über die technischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Mittel verfügt, um selbst zu handeln.

Die Kostenauflage gestützt auf Art. 59 USG bezieht sich nur auf die für den Gewasser-oder Umweltschutz nûtigen Massnahmen, jedoch nicht auf die Kesten anderer Sicherheitsmassnahmen oder auf weitere Folgeko- sten des Ereignisses. Allerdings kann man die Kosten nicht allzu restrik- tiv festlegen. lm konkreten Fall konnen nach Ansicht des Bundesgerichts die Kosten für die Beseitigung von verschmutztem Klarschlamm nicht nur die dazu notigen Auslagen umfassen, sondern auch den Wertverlust des Klarschlamms an sich, der als solcher normalerweise in der Landwirt- schaft Verwendung findet und demnach einen Handelswert hat (BGE

122/1996 II 26

=

URP 1996 437).

lm gleichen Sinne bat das Bundesgericht in einem Entscheid vom 9. Januar 1996 (URP 1996 331) über eine Bescbwerde einer Unterneb- mung entschieden, die zur Übemahme der Kosten einer Altlast ver- pflichtet worden war. Es hielt zunachst fest, dass, sofem das USG jernan- den zur Durchführung von Massnahmen - im vorliegenden Fall zur Sa- nierung einer Altlast - verpflichtet und er der Verpflichtung nachkommt, er als V erursacher betrachtet wird und gestützt auf Art. 2 USG die Kosten zu tragen bat.

Aus der Erwagung, dass Art. 59 USG ausschliesslich die Verant- wortung für die Kosten der von den Behôrden getroffenen Sicherungs- und Behebungsmassnahmen zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Einwirkung regelt, verneint das Bundesgericht, der Beschwerdeführer konne der zustandigen Behôrde vorwerfen, sie habe das V orhandensein weiterer fur die Verschmutzung Verantwortlicher nicht berücksichtigt.

Die Frage, ob Dritte zum Entstehen der Abfalle beigetragen haben und somit ebenfalls als Verursacber im Sinne von Art. 2USG zu betrachten sind, kann nicht im Lichte von Art. 30 Abs. 1 USG entschieden werden.

In der Tat bat der Gesetzgeber bewusst die Kosten für die Abfallbeseiti- gung in erster Linie dem Inhaber der Abfàlle auferlegt.

URP/DEP 200Ln 631

(17)

D. DIE MATERJELLE UND FORMELLE KOORDINATION 1. Allgemeines

Nach dem Grundsatzentscheid «Chrüzlen» (BGE 116/1990 lb 50

=

URP 1990 157) bat <las Bundesgericht in nunmehr konstanter Rechtspre- chung entschieden, dass, sofern für die Realisierung eines Vorhabens ver- schiedene gesetzliche Bestimmungen angewendet werden müssen und diese untereinander einen so engen Zusammenhang haben, dass sie nicht unabhlingig voneinander angewendet werden konnen, ihre materielle Ko- ordination sicherzustellen ist. Das heisst, es braucht zum gegebenen Zeit- punkt eine ganzheitliche Betrachtung und Abwagung aller vorhandenen Interessen.

Wenn nur eine einzige Behfüde in erster Instanz zustlindig ist, kën- nen die Probleme der materiellen Koordination wie eben ausgeführt be- handelt werden. Wenn aber mehrere Behërden für den Entscheid über verschiedene Rechtsfragen mit einem inneren Zusanunenhang zustandig sind, müssen sie die Rechtsanwendung harrnonisieren und so ein qualita- tiv gleichwertiges Ergebnis herbeiführen. In formeller Hinsicht müssen deshalb im Minimum aile notigen Entscheide gleichzeitig in einem Sam- melentscheid erëffnet werden und es muss gegen sie ein einheitlicher Be- schwerdeweg offen stehen an eine Instanz, die in einem Gesamtentscheid über alle vorgebrachten Rügen urteilen kann.

Das Koordinationsprinzip gilt nicht nur in erster Instanz, sondern auch im Beschwerdeverfahren (URP 1996 251). Es wird in verschiedenen Gesetzesbestimmungen naher umschrieben, so etwa in Art. 20 TV A.

2. Die Koordination zwischen kantonalen Behdrden und Bundesbehor- den (BGE 12211996 II 81 = URP 1996 642)

Die materielle Koordination durch eine einzige Behërde erster In- stanz ist unmêiglicb, wenn die anwendbaren Bestinunungen für ein und dasselbe Vorhaben erstinstanzlich gleichzeitig in die Kompetenz von kantonalen Behôrden und von Bundesbehërden fallen. Ein gestaffeltes Vorgehen kann dieses Hindernis umgehen: Die kantonale Behërde muss im Rahmen des erstinstanzlichen kantonalen Verfahrens von den Bundes- behôrden Stellungnahmen einverlangen, damit das Verfahren koordiniert ablaufen kann. Die Bundesbehërden erlassen ihre Entscheide zu gegebe- ner Zeit, sind aber an ihre Stellungnahmen gebunden, sofern nicht neue Erkenntnisse im Verlauf des Verfahrens aufgetaucht sind. Dieser Ablauf

632 URP/DEP 2001n

(18)

setzt allerdings voraus, dass die Bundesbeh6rden eine positive Stellung- nahrne abgeben.

Bei der Abklarung der Rechtslage beim Projekt für eine Umfah- rungsstrasse, die eine Rodung notig machte, die nicht unter Art. 13a Abs.

l UVPV in der Fassung vom 5. September 1995 fiel, untersuchte das Bundesgericht, ob der für das UVP-Leitverfahren zustandige Regierungs- rat sich über eine ablehnende Stellungnahme der Forstbeh6rde des Bun- des hinwegsetzen konne, wenn er in Abwagung aller lnteressen das Pro- jekt bewilligt. Das Bundesgericht kommt nach einer Analyse der Ro- dungsbestimmungen im WaG zurn Schluss, die Forstbeh6rde verfüge über eine gegenüber den Raurnplanungsbehôrden vorrangige Kompetenz.

Dieser Vorrang gilt aber nur in Bezug auf das Verfahren; materiell kann es nicht darum gehen, das Gut «Wald» gegenüber anderen gleichwertigen Gütern zu bevorzugen. Diese Lësung steht im Einklang mit Art. 21 UVPV (siehe unten III. D. 1). Folglich kann eine kantonale Behërde nicht über eine negative Stellungnahme der Bundesbeh6rde hinweggehen.

Wenn sie einen Plan trotzdem bewil1igen will, muss sie auf dem Rechts- weg eine Rodungsbewilligung erwirken. Der Entscheid des Regierungs- rates des Kantons St. Gallen entsprach somit nicht dem Koordinati- onsprinzip.

Bei der Beurteilung des Umweltvertraglichkeitsberichtes ist die kantonale Fachstelle im Weiteren grundsatzlich gehalten, die Stellung- nahme des BUW AL zur Frage der Rodung zu berücksichtigen. lm kon- kreten Fall bat dieser Mangel nach Ansicht des Bundesgerichts keine Fol- gen gehabt, da aile am Verfahren Beteiligten von der negativen Stellung- nahme Kenntnis hatten.

Schliesslich hielt das Bundesgericht in diesem Fall fest, das BUW AL kônne nur dann eine obligatorische Stellungnahme abgeben, wenn es über alle notigen Informationen verfüge. lm konkreten Fall batte aber das BUW AL seine Stellungnahme abgegeben, ohne im Besitz der Stellung- nahmen der kantonalen Fachstellen zu sein. Das Bundesgericht akzep- tierte dies und sah im Fehlen einzelner Unterlagen keinen Koordinati- onsmangel.

Das Bundesgericht bestatigte diese Argumentation in einem Ent- scheid vom 15. Mai 2000 (URP 2000 324).

URP/DEP 200117 633

(19)

3. Die interkantonale Koordination (BGE 12211996 II 165

=

URP 1996

382)

In einem Entscheid über das Projekt der Zürcher Westtangente ent- schied das Bundesgericht, das Koordinationsprinzip verlange, dass die Liirmschutzmassnahmen gemiiss Art. 9 Bst. b und eventuell Art. 10 LSV, die für die von der zukünftigen Nationalstrasse durchfahrene Region nô- tig sind, grundsatzlich gleichzeitig mit der Genehmigung des definitiven Projektes anzuordnen sind. In bestimmten Fallen konnen sie aber auch Gegenstand eines spateren Bewilligungsverfahrens sein. lm konkreten Fall überschreiten die Immissionen die Kantonsgrenzen. Dadas definitive Projekt den Gemeinden im Kanton Aargau keine Schutzmassnahmen auf- erlegen kann, ist es Sache dieses Kantons, in Zusammenarbeit mit dem Kanton Zürich auf dessen Ersuchen oder aus eigener Initiative ein Ergan- zungsprojekt auszuarbeiten. In Analogie zum Verfahren nach Art. 34 Abs. 2 LRV Mitten sich die Bundesbehorden mit der notigen Koordinati- on befassen müssen.

4. Die innerkantonale Koordination

a) Der Entscheid «Bündner Gemeinde V» (URP 1997 577)

In einem Entscheid über die Errichtung einer Sammel- und Sortier- anlage für Bauschutt und Bauabfâlle batte die kantonale Behôrde die umweltrechtliche Prüfung auf das Betriebswilligungsverfahren verscho- ben. Dies verletzt nach Ansicht des Bundesgerichts den Grundsatz der materiellen und formellen Koordination, da ein sehr enger Zusammen- hang zwischen der Zonenkonformitat eines Betriebs und der Einhaltung der umweltrechtlichen Bestimmungen besteht.

lm Weiteren prazisiert das Bundesgericht, bei umweltbelastenden Anlagen gelte der Grundsatz der formellen Koordination nicht nur für ei- ne Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG, sondern auch für normale Baubewilligungen nach Art. 22 und 23 RPG.

b) Der Entscheid «Gemeinde Samnaun» (BGE 12111995 II 156

=

URP 1995 291)

In einem Rechtsstreit betreffend eine Deponie für Inertstoffe hielt das Bundesgericht fest, ein Nutzungsplan für eine Deponie konne wegen der notwendigen Koordination der materiellrechtlichen V orschriften nur ge- nehrnigt werden, wenn er auch den Anforderungen der übrigen notigen

634 URP/DEP 200In

...

....

(20)

Bewilligungen, insbesondere aus dem Abfallrecht, entspricht. lm Weite- ren hat es in Erinnerung gerufen, dass angesichts der bundesrechtlichen Pflicht zur formellen Koordination die Verfahrenskoordination spatestens im kantonalen Rechtsmittelverfahren gewahrleistet sein muss. Da die materielle Koordination nicht erfolgte, hat das Bundesgericht die Be- schwerde gutgeheissen.

c) Entscheid betreffend Talstation einer Luftseilbahn (URP 1998 50) Beim Bau einer Luftseilbahn müssen die Behfüden auf der materiel- len Ebene das kommunale Baubewilligungsvexfahren mit dem eidgenos- sischen Konzessionsverfahren für den Seilbahnbetrieb sowie mit der im- pliziten Anwendung des kantonalen Rechts koordinieren.

Das Bundesgericht unterstreicht, die beste Art der Koordination sei durch die betroffenen Behürden selbst festzulegen. Der Weg des im Ent- scheid BOE 122/1996 II 81

=

URP 1996 642 beschriebenen gestaffelten Vexfahrens (siehe oben II. D. 2) sei eine Losung unter anderen.

d) Die Massnahmenplane

Aus dem Koordinationsprinzip sowie aus dem Lastengleichheitsprin- zip und aus Art. 44 USO und 31 LRV ergibt sich, dass erganzende Emis- sionsbeschrankungen grundsatzlich nicht isoliert angeordnet werden sol- len, sondern in einem Massnahmenplan zu koordinieren sind (BOE 124/1998 II 272

=

URP 1998 197).

Das Koordinationsprinzip gilt wie das Lastengleichheîtsprinzip auch für Massnahmenpiane (BGE 119/1993 lb 480).

E. DIE RECHTSGLEICHE BEHANDLUNG

lm Zusammenhang mit der Abfallentsorgung hat das Bundesgericht auf die notwendige Berücksichtigung des Grundsatzes der rechtsgleichen Behandlung, wie er in Art. 8 BV gewahrleistet ist, hingewiesen. Das all- gemeine Verbot der Abfallverbrennung im Freien gemass Art. 26a LRV verstosst nicht gegen dieses Prinzip (URP 1996 219).

Es verstüsst auch nicht gegen das Prinzip der Gleichbehandlung von Konkurrenten, wenn in einem Massnahmenplan eine Gebühr für die Be- nützung offentlicher Parkplatze eines Einkaufszentrums angeordnet wird (BGE 12511999 II 129

=

URP 1999 224, siehe X. A. 2.).

URP/DEP 200117 635

. - ·. '-

(21)

F. DIE VERHÀLTNISMÂSSIGKEIT

Das Bundesgericht musste das Verhiiltnismassigkeitsprinzip im Zu- samrnenhang mit dem Umweltrecht in zahlreichen Entscheiden behan- deln. Das Kostendeckungsprinzip und das Àquivalenzprinzip, die beide vom Verhaltnismiissigkeitsprinzip abzuleiten sind, werden unten in X. F.

1. und F. 2 behandelt.

lm Falle der Sanierung eines Kinderspielplatzes (BGE 123/1997 II 74

=

URP 1997 122) beriefen sich die Beschwerdeführer auf <las Verhiilt- nismassigkeitsprinzip, um geltend zu machen, die vorgeschlagenen Sanie- rungsmassnahmen seien nicht unverhaltnismassig. Das Bundesgericht hielt fest, der Bundesgesetzgeber habe für Sanierungen ausdrücklich vor- gesehen, die zustiindigen Behürden seien zur Beachtung des Verhiiltnis- miissigkeitsprinzips verpflichtet. lm vorliegenden Fall war dies nach An- sicht des Bundesgerichts allerdings unerheblich, da keine Sanierungs- pflicht gegeben war.

In einem Entscheid vom 11. Dezember 1995 (URP 1996 665) batte das Bundesgericht eine Streitsache betreffend eine Kohlenheizung zu ent- scheiden. In Ermangelung eines Grenzwerts verlangt Art. 2 Abs. 5 Bst. b LRV eine Abkliirung, um zu bestimmen, ob die Immissionen tatsiichlich einen wesentlichen Teil der Bevëlkerung erheblich beliistigen. Wenn es sich dabei um eine vergleichsweise unbedeutende Stôrungsquelle handelt, dürfen an diese Erhebung keine allzu grossen Anforderungen gestellt werden. Die Belastung soll namlich mit einem vernünftigen Aufwand festgestellt werden. Diese Regel gilt im Interesse der Praktikabilitiit und der Effizienz der Verwaltung grundsiitzlich für jegliche staatliche Tatig- keit. Eine Befragung der Nachbarn, Messungen, ein Gutachten usw. wa- ren genügend.

Etwas über drei Monate spiiter bat das Bundesgericht bestatigt, die Auskunftspflicht unterliege dem Verhaltnismiissigkeitsprinzip (URP 1997 197).

lm Abfallwesen muss nicht unbedingt eine strikte Verhiiltnismassig- keit zwischen der Hë>he einer Gebühr und dem W ert der erbrachten Leis- tung beachtet werden (URP 1997 39, ergangen unter altem Recht).

Andererseits widerspricht es <lem Verhaltnismiissigkeitsprinzip, wenn in einem geplanten Mehrfamilienhaus mit 16 Parkplatzen in einem Gebiet ohne Erschliessung durch den ôffentlichen Verkehr und ohne übermassige Luftbelastung ein Besucherparkplatz im Sinne einer vOisorg- lichen Ernissionsbeschrankung gestrichen wird (URP 1998 236).

636 URP/DEP 20{)ln

(22)

Der Grosse Rat eines Kantons hatte eine in der Form einer allgemei- nen Anregung eingereichte Volksinitiative, die einen Massnahmenkatalog für den Fall einer Übérschreitung der Immissionsgrenzwerte bei Luft- schadstoffen vorschlug, als ungültig erklart. Das Bundesgericht hielt fest, die Kantone seien grundsatzlich befugt, Massnahmenpakete auf dem Weg der Gesetzgebung vorzusehen und darin Interventionsgrenzwerte festzu- legen, sofem diese Massnahmen nicht unverhaltnismassig sind. lm vor- liegenden Fall hielt das Bundesgericht die durch die Initiative vorge- schlagenen einschneidenden Massnahmen - es handelte sich namentlich um Verkehrsbeschrankungen, um eine Plafonierung der Raumtemperatur, uro die Emissionsbegrenzung für Schadstoffe aus Industrie- und Gewer- bebetrieben und um Vorschriften für Heizungen - bei einer nur geringfü- gigen Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für unverhaltnismassig (BGE 12111995 I 334

=

URP 1996 224).

lm Falle eines Rebbauern, der jedes Jahr auf seinem Gelande eine Schuss- und Zwitscheranlage zur Vertreibung der Vôge! einrichtet (URP 1998 529), hielt es <las Bundesgericht für unverbaltnismassig, diesen zum vollstandigen Ersatz der akustischen Massnahmen gegen die Vôgel durch Netze zu verpflichten.

In einem Streitfall betreffend den Flugplatz Lugano-Agno (BGE 125/1999 II 643

=

URP 2000 337) befand das Bundesgericht, ein Flug- verbot zwischen 12 und 13 Uhr sei für einen Regionalhafen eine unver- haltnismassige Behinderung.

G. DER GRUNDSATZ VON TREU UND GLAUBEN

lm Zusammenhang mit der Isolation eines neuen Gebaudes gegen Larm hatte die kantonale Behôrde gestützt auf Art. 35 LSV zusatzliche Messungen verfügt und deren Kosten dem Bauherrn auferlegt. Dieser be- ruft sich auf eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben und macht geltend, es handle sich vorliegend um einen Widerruf, allenfalls eine Wiedererwagung der Baufreigabe.

Das Bundesgericht hat dieses Argument abgelehnt und festgehalten, Art. 35 LSV sage nicht, die Kontrolle der Larmverhaltnisse habe im Zeit- punkt der Baufreigabe zu erfolgen, was in der Mehrheit der Palle ohnehin zu früh ware. Die zustandige kantonale Behôrde habe im vorliegenden Fall mit der Baufreigabe keineswegs eine Garantie für die Einhaltung der SIA-Norm 181 abgegeben. Es kônne deshalb nicht von einem Widerruf

URP/DEP 200117 637

(23)

oder von einer Wiedererwagung der Baufreigabe gesprochen werden (BGE 122/1996 II 65

=

URP 1996 403).

Ill. DIE UMWELTVERTRÀGLICHKEITSPRÜFUNG

Die Urnweltvertraglichkeitsprüfung (nachstehend UVP) wird in Art.

9 USG und in der Verordnung vom 19. Oktober 1988 über die Umwelt- vertraglichkeitsprüfung (UVPV; SR 814.011) geregelt.

In den Jahren 1995-1999 erfuhr Art. 9 USG einige Ànderungen in den Absatzen 1, 2, 5 und 7, narnlich anlasslich der USG-Revision vom 21. Dezernber 1995 (in Kraft seit 1. Juli 1997). Mit ihnen wurden materi- elle Anderungen in anderen Kapiteln des USG (Absatz 7) oder Ànderun- gen in organisatorischen (Absatz 7) oder Verfahrensfragen (Absatze 1, 2 und 5) berücksichtigt.

In gleicher Weise bat eine Verordnung vom 5. September 1995 (AS 1995 4261) die UVPV geandert. Für den Umweltvertraglichkeitsbericht wurden neue Fristen eingeführt (Art. 8), sowie die zu begrüssenden Fach- stellen prazisiert (Art. 8) und die Falle aufgeführt, in denen deren Richtli- nien zu befolgen sind (Art. 10). Auch in Bezug auf die Kompetenzen der verschiedenen Behôrden, die zur Stellungnahme zum Bericht und seiner Bewertung eingeladen werden (Art. 13a, 14, 17), sowie zur Einsichtnah- me in die Dokumente (Art. 20) erfolgten Prazisierungen. Die Artikel 21 und 22 betreffend die Koordination mit anderen Bewilligungsentscheiden und nùt Subventionsentscheiden wurden nachgeführt.

Wir untersuchen zunachst, welche Anlagen UVP-pflichtig sind, dann das rnassgebliche Verfahren sowie Gegenstand und Umfang der UVP, die Fragen im Zusammenhang mit den Stellungnahmen und Gutachten, die Anfechtung des Umweltvertraglichkeitsberichtes und schliesslich den Einfluss der obligatorischen UVP auf die Wahl zwischen einem Ausnah- mebewilligungsverfahren und einer Planungsmassnahme.

A. DIE UVP-PFLICHTIGEN ANLAGEN 1. Allgemeines

Die im Anhang zur UVPV umschriebenen Anlagen sind UVP- pflichtig (Art. 9 Abs. 1 USG und Art. 1 UVPV). Es besteht für <las Bun-

638 URP/DEP 200ln

(24)

desgericht kein Grund, auf <lem Weg der Rechtsprechung diesen Katalog der UVP-pflichtigen Anlagen zu erweitern.

Diese Antwort erhielten vom Bundesgericht die Gegner einer entlang von SBB-Geleisen geführten 132kV-Freileitung, die verlangt hatten, es sei in Analogie zu Ziff. 22.2 Anhang UVPV eine UVP durchzuführen.

Diese Bestimmung unterstellt in der Tat Hochspannungsleitungen der UVP-Pflicht, aber nur sofern sie für 220 kV oder mehr dimensioniert sind. Nach Meinung des Bundesgerichts kommt in einem solchen Fall eine analoge Anwendung der erwahnten Bestimmung nicht in Frage (BGE 124/1998 II 219

=

URP 1998 215).

Eine Persan kann sich der UVP-Pflicht im Rahmen des massgebli- chen V erfahrens entziehen, wenn ihr V orhaben unterhalb der Minima im Anhang der UVPV liegt. Wenn hingegen der festgelegte Schwellenwert zu einem spateren Zeitpunkt überschritten wird, indem z. B. die Kapazitat einer Sammel- und Sortieranlage für Abfalle vergrossert wird, entsteht nachtraglich eine Pflicht zur Durchführung einer UVP (URP 1997 577/583).

2. Die Einheit der Anlagen

Unter bestimmten Bedingungen müssen mehrere voneinander ge- trennte Anlagen als eine einheitliche Anlage betrachtet werden und un- terliegen gegebenenfalls, sofern sie in ihrer Gesamtheit den entscheiden- den Schwellenwert erreichen, der UVP. Dies kann auch der Fall sein, wenn eine Anlage nicht getrennt von einer anderen Anlage, die ihrerseits UVP-pflichtig ist, betrachtet werden kann.

a) Der Entscheid «Gemeinde Montana» (URP 1998 145)

Die Gemeinde Montana plante im Dorfzentrum den Bau einer gros- sen Mehrzweckanlage. Das Hauptgebaude besteht aus einem 43 Meter hohen Turm, der durch eine Passerelle mit der Seilbahnstation verbunden ist. Unter <lem Hauptgebaude soll eine Tiefgarage mit 450 Parkplatzen entstehen, ein Teil davon ist für die Benützer der Seilbahn bestimmt. Die UVP wurde in der Planungsphase durchgeführt, die einhellig als mass- gebliches Verfahren anerkannt wurde. Dabei blieb neben anderen Ele- menten die Passerelle unberücksichtigt.

Der Bau der Passerelle unterliegt für sich allein nicht der UVP. Es stellt sich aber die Frage, ob sie nicht in die UVP für das Hauptgebaude,

URP/DEP 200In 639

(25)

mit <lem sie untrennbar verbunden ist, hiitte miteinbezogen werden müs- sen.

Das Bundesgericht hat die wesentliche Funktion der Passerelle für die Nutzung des Hauptgebiiudes hervorgehoben, denn sie <lient zusam- men mit den Liften der Verbindung des Parkings mit der Seilbahnstation.

Es besteht samit zwischen den Hauptelementen des geplanten Werkes, niimlich der Tiefgarage, dem Aussichtsturm und der Passerelle ein so en- ger riiumlicher und funktionaler Zusammenhang, dass eine umfassende Prüfung der daraus entstehenden Beeintriichtigungen in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenwirken geboten ist.

lm Weiteren muss die Umweltvertriiglichkeit der Passerelle im Rah- men der umfassenden Prüfung im massgeblichen Planungsverfahren ge- prüft werden; dies kann nicht erst spiiter erfolgen. lm vorliegenden Fall ist dies umso mehr angebracht, als der Quartierplan genügend detailliert ist, um die Vertriiglichkeit des Vorhabens mit den Anforderungen des Um- weltschutzes zu überprüfen.

b) Der Entscheid «Parking de Lutry» (RDAF 1998 / 98)

In der Gemeinde Lutry waren verschiedene Bauvorhaben im Gange, die aile den Bau von Parkpliitzen nach sich zogen. Gegenstand der Be- schwerde war das Projekt für eine Tiefgarage mit 200 Parkpliitzen. Die Beschwerdeführer machten den Einheitscharakter der verschiedenen An- lagen geltend und verlangten eine UVP, obwohl das strittige Projekt den Schwellenwert für eine UVP (Ziffer 11.4 Anhang UVPV) nicht erreichte.

lm vorliegenden Fall, wo mehrere Parkings in einem engen Perime- ter gebaut werden, kann die Benützung der gleichen Verkehrsadern für die Zufahrt zu den verschiedenen Parkings als Hinweis auf den engen funktionalen und riiumlichen Zusammenhang der einzelnen Bauwerke dienen. Das Bundesgericht stellte aber für diesen Fall fest, es.fehle ein gemeinsames Projekt für die Parkings: es bestehe keinerlei Zusarnmenar- beit zwischen den Bauherrschaften, die weder aufeinander abgestimmt handeln würden noch eine Organisation oder gemeinsame Ziele hiitten.

Das Bundesgericht rief dazu in Erinnerung, dass der Grundsatz der UVP, wonach der Umweltvertraglichkeitsbericht vom Bauherren zu erstellen sei, nahelege, dass das Projekt von einem einzigen Bauherrn oder von mehreren zusammenarbeitenden Bauherren stamme.

Das Bundesgericht rief aber auch in Erinnerung, Behôrden müssten unabhiingig davon auch ohne UVP über die Einhaltung der Umwelt-

640 URP/DEP 200117

(26)

schutzvorschriften wachen (Art. 3 und 4 UVPV). Bei jedem neuen Vor- haben müssten sie nicht nur die schon bestehenden Umweltbelastungen berücksichtigen, sondern auch weitere, die moglicherweise durch andere, in Ausführung begriffene Anlagen verursacht werden (Art. 8 USG und Art. 36 Abs. 2 LSV).

c) Der Entscheid «Erweiterung P40 des Flughafens Kloten» (BGE 1241 1998 II 75

=

VRP 1998 137)

Für die Vergrôsserung der Parkflache P40 des Flughafens Kloten, deren Kapazitat von 630 auf 928 Parkplatze erhoht werden soll, braucht es eine Konzession. Nach Meinung des Bundesgerichts bilden die Flugha- fenanlagen aus der Sicht des Luftverkehrs ein Ganzes. Folglich muss die Veranderung dieser Anlagen gesamthaft betrachtet werden. Daraus folgt, dass die Vergrosserung der Parkflache nicht für sich allein und auch nicht nur im Rahmen der Parkflache P40 beurteilt werden kann, sondera nur als Teil der gesamten Flughafenanlage. Aus diesem Grunde ist eine UVP nô- tig, auch wenn der Schwellenwert von 300 Parkplatzen (Ziffer 11.4 An- hang UVPV) nicht erreicht wird.

Der gleiche Grundsatz gilt auch, wenn es darum geht festzustellen, welche Punkte eine UVP zu umfassen bat und welche Elemente bei den Untersuchungen zu berücksichtigen sind (siehe unten III. C. 3.).

3. Das Konzessionsverfahren für einen Flughafen: Der Entscheid

«Flughafen Kloten» (BGE 12411998 II 293

=

VRP 1998 658) lm Zusammenhang mit dem Entscheid über zahlreiche Beschwerden gegen die Erteilung der Rahmenkonzession für die 5. Ausbauetappe des Flughafens Kloten batte das Bundesgericht Gelegenheit, die Anforderun- gen an die UVP bei Flughafenausbauten zu verdeutlichen.

Art. 9 USG unterstellt grundsatzlich alle Flughafen der UVP-Pflicht (Ziffer 14.1 Anhang UVPV). Die Prüfung ist in drei Stufen im Rahmen der Verfahren für die Rahmenkonzession, die Baukonzession und die Be- triebskonzession vorzunehrnen. Auch bei einer Anderung einer bestehen- den Anlage kann eine UVP notig werden. Nach Meinung des Bundesge- richts ist Art. 9 USG in Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 UVPV zu se- hen. Die letztere Bestimmung unterstellt wesentliche Anderungen aus- drücklich der UVP, wenn über die Anderung im Verfahren entschieden

URP/DEP 2001n 641

(27)

wird, <las bei neuen Anlagen massgeblich ist. Folglich unterliegt bei Flughafen die Àndenmg der Betriebskonzession der UVP.

4. Die lnbetriebna.hme einer Nationalstrasse: Der Entscheid «Strasse Blegi-Knonau» (BGE 12411998 II 4601466-468 = URP 1998 6501 655-656)

ln einem Zuger Entscheid über das Strassenteilstück Blegi-Knonau bat <las Bundesgericht geprüft, ob die lnbetriebnahme eines bereits fertig gestellten, aber noch nicht erûffneten Nationalstrassenteilstücks einer UVP unterliegt.

Grundsatzlich verlangt eine blosse lnbetriebnahme einer National- strasse keine zusatzliche Prüfung nach Art. 9 USG.

Das strittige Vorhaben sah aber neben der Inbetriebnahme den Bau eines neuen Anschlusses vor, der in keinem früheren Projekt enthalten war. Anschlüsse sind aber wesentliche Teile der Nationalstrassen und müssen bereits im Generellen Projekt enthalten sein. Tatsachlich kann die Wahl der Anschlüsse nach der Rechtsprechung des Bundes zu allgemein verkehrspolitischen und interkantonalen Problemen führen, zu deren Lo- sung der Bundesrat als überkantonale Behôrde am besten in der Lage ist.

Aus diesem Grund ist das strittige Projekt eine wesentliche Ànderung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Bst. a UVPV, auch wenn die baulichen Mass- · ·, nahmen geringfügig sind und der projektierte Anschluss nur provisorisch ·::

erfolgt. Es unterliegt folglich der UVP im Sinne von Art. 9 USG.

B. DAS FÜR DIE UVP MASSGEBLICHE VERFAHREN

1. Die Nutzungsplanung

Soweit <las massgebliche V erfahren nicht im Anhang UVPV be- stimmt wird, ist es durch <las kantonale Recht zu bezeichnen. Art. 5 Abs.

3 UVPV weist die Kantone an, dasjenige Verfahren zu wiihlen, das der zustandigen Behbrde einen moglichst frühzeitigen Beginn der Arbeiten und eine umfassende Prüfung ermoglicht. In denjenigen Fallen, in denen die Kantone eine Sondernutzungsplanung (oder Detailnutzungsplanung) vorsehen, giit diese als massgebliches Verfahren, sofern sie eine umfas- sende Prüfung ermôglicht.

642 URP/DEP 200ln

(28)

Das Bundesgericht hatte in seiner Rechtsprechung Gelegenheit, Sinn und Tragweite des in dieser Bestimmung enthaltenen Begriffs «Sonder- nutzungsplanung» oder «Detailnutzungsplanung)> zu verdeutlichen.

Angesichts der kantonal sehr unterschiedlich verwendeten Bezeich- nungen darf dieser Begriff nicht zu restriktiv ausgelegt werden. Art. 5 Abs. 3 UVPV bezieht sich mit der Verwendung des Begriffs «Sondemut- zungsplanung» nicht auf ein bestimmtes Instrument des kantonalen Raumplanungsrechts. Diese Bestimmung stützt sich auf den Grundsatz einer besseren Beri.icksichtigung des Koordinationsgebots; dieses aber ist besser gewahrleistet, wenn eine umfassende Abwagung aller lnteressen bereits im Rahmen der Planung erfolgt (BOE 12311997 II 88::: URP 1997 143; BGE 121/1995 Il 190 = URP 1995 703). Das bestimmende Element, das für die Planungsphase spricht, ist die Moglichkeit, eine umfassende UVP vorzunehmen. Dies ist dann der Fall, wenn alle Eigenschaften eines UVP-pflichtigen Vorhabens mit genügender Genauigkeit bekannt sind, so dass die zustandige Behûrde in der Lage ist zu prüfen, ob das Vorhaben den umweltschutzrechtlichen Vorschriften des Bundes entspricbt.

Das Bundesgericht prüft in jedem Fall neu, ob das kantonale Pla- nungsverfahren diesen Anforderungen entspricht (RDAF 1997 I 137). So hat es die Einführung einer Steinbruchzone im Zusamrnenbang mit einem konkreten und klar umschriebenen Abbauprojekt als massgebliches Ver- fahren im Sinne von Art. 5 Abs. 3 UVPV erachtet (BGE 121/1995 II 190

=

URP 1995 703). In gleicher Weise ist eine Ànderung oder Ergii.nzung einer Nutzungsplanung, die für ein UVP-pflichtiges Vorhaben notig wird, ein Leitverfahren, das ais massgebliches Verfahren irn Sinne von Art. 5 Abs. 3 UVPV zu betrachten ist (BGE 123/1997 II 88

=

URP 1997 143).

In einem Entscheid vom Dezember 1995 batte das Bundesgericht schliesslich Gelegenheit, seine grundsatzliche und konstante Rechtspre- chung in Erinnerung zu rufen, wonach bei der Genehmigung einer De- tailnutzungsplanung mit erheblichen Folgen für die Umwelt die Überein- stimmung dieser Planung mit dem Umweltschutzrecht schon in diesem Zeitpunkt zu überprüfen ist. Eine solche Planung setzt nanùich eine um- fassende Interessenabwagung voraus, bei der unbedingt alle Auswirkun- gen des Vorhabens zu berücksichtigen sind (BOE 113/1987 Ib 225/234

=

URP 1988 1). Deshalb bat das Bundesgericht bei einer Beschwerde gegen eine Baubewilligung eine vorfrageweise Überprüfung der Gesetzmassig- keit einer Detailplanung zugelassen, obwohl sie unangefochten in Kraft getreten war. Diese Planung war erlassen worden, ohne dass eine solche umfassende Interessenabwagung stattgefunden hatte. Die Tatsache, dass

URPIDEP 200Jn 643

(29)

zum Zeitpunkt der Genehmigung die UVPV noch nicht in Kraft war,

an-

derte in dieser Hinsicht nichts (URP 1996 206/210).

2. Das mehrstufige Verfahren

Der Anhang zur UVPV oder das kantonale Recht konnen eine mehr- stufige UVP vorsehen. In diesem Fall muss die zustandige Behôrde bei jedem Verfahrensschritt über alle Informationen verfügen, die sie benô-

tigt, um sich imjeweiligen Verfahren aussem zu konnen (Art. 6 UVPV).

Eine mehrstufige UVP ist insbesondere dann denkbar, wenn eine Sondemutzungsplanung (im Sinne von Art. 5 Abs. 3 UVPV; siehe oben III. B. 1) für eine urnfassende Beurteilung eines Vorhabens nicht genü- gend detailliert ist, aber <loch wenigstens gewisse entscheidende Fragen wie etwa Dimensionen, Lage oder Ausrüstung einer Anlage regelt, die im spateren Baubewilligungsverfahren grundsatzlich nicht mehr in Frage ge- stellt werden konnen. Die Begründung für das Vorhaben ist ebenfalls Teil der Fragen, deren Beurteilung in die erste Stufe gehOrt (siehe unten III, C.

2.), weil es sich um einen entscheidenden Punkt im ganzen Verfahren handelt (URP 1997 168).

Eine mehrstufige UVP kommt auch dann in Frage, wenn das Baube- willigungsverfahren die Erteilung mehrerer aufeinander folgender Bewil- Jigungen nôtig macht. Dies trifft zu, ob die kantonalen Vollzugsbestim- mungen zum USG dies ausdrücklich vorsehen oder nicht. Tatsachlich steht nach Meinung des Bundesgerichts, soweit die Wahl des Verfahrens dern Kanton überlassen ist und dieser ein mehrstufiges Baubewilligungs- verfahren vorsieht, die Einführung einer mehrstufigen UVP nicht im Wi- derspruch zu Art. 6 UVPV, auch wenn diese im kantonalen Recht nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Mit anderen W orten verlangt Art. 6 UVPV nicht, dass <las kantonale Recht ausdrücklich die Moglichkeit einer mehr- stufigen UVP vorsieht. So hat <las Bundesgericht beim Bau Cines Büro- komplexes mit mehr als 300 Parkplatzen zugelassen, dass die zustandige Zürcher Behôrde gestützt auf einen ersten Umweltvertraglichkeitsbericht einen ersten Entscheid gefallt hat und spater dann, entsprechend dem für Baubewilligungen massgeblichen Verfahren, einen zweiten, der sich auf den ersten Entscheid und auf einen zweiten Umweltvertraglichkeits- bericht stützte (BGE 123/1997 II 337

=

URP 1997 590). Wenn sich aber die Beh6rde nicht zu einer mehrstufigen UVP entschliesst, obwohl das Baubewilligungsverfahren mehrstufig ist, muss die UVP im Vorverfahren zur Baubewilligung erfolgen, da dieses als massgebliches Verfahren zu

644 URP/DEP 2001n

· ..

:-:·

(30)

betrachten ist (siehe oben; für die Umnutzung einer Anlage zur Reststoff- behandlung siehe auch BGE 126/2000 II 26

=

URP 2000 203).

Auch wenn eine mehrstufige UVP ausdrücklich vorgesehen ist, schliesst dies nicht aus, dass ein einziger Umweltvertraglichkeitsbericht für beide Stufen erstellt wird. Solange die Richtlinien der Umweltschutz- fachstelle eingehalten werden (Art. 8 - 10 UVPV) und letztere mit dem Vorgehen einverstanden ist, ist die Ausarbeitung eines ausführlichen Be- richtes schon auf der Stufe der Voruntersuchung (Art. 8 UVPV) moglich (URP 1999 719).

Bei der mehrstufigen UVP muss die Untersuchung beijedem Verfah- rensschritt so gestaltet sein, dass sie für jeden zu treffenden Entscheid die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt aufzeigt (Art. 6 UVPV).

Grundsatzlich soll man deshalb auf die bereits abgeschlossenen Stu- fen nicht mehr zurückkommen. Allerdings darf eine mehrstufige UVP nicht eine umfassende Beurteilung des Vorhabens zum Zeitpunkt des Schlussentscheides verhindem. Wenn nach der ersten Stufe Ànderungen in der gesetzlichen Grundlage eintreten oder sich die Tatsachen in unvor- hergesehener Weise entwickeln, rnuss deshalb bei den nachsten Stufen darauf Rücksicht genommen werden. Bereits behandelte Fragen werden im Lichte dieser Entwicklung erneut geprüft. Dasselbe gilt, wenn sich der erste Bericht auf Grund neuer Kenntnisse als lückenhaft erweist.

Da sich herausstellte, dass der Umweltvertraglichkeitsbericht für die Rahmenkonzession der 5. Ausbauetappe des Flughafens Kloten von un- richtigen Prognosen ausging, hat das Bundesgericht festgestellt, der Be- richt beruhe auf einer ungenauen Feststellung des Sachverhalts, und ver- langt, die UVP sei im folgenden Verfahren für die Baukonzession zu wiederholen (BGE 124/1998 II 293

=

URP 1998 658).

C. GEGENSTAND UND UMFANG DER UVP 1. Umfang und Breite der Untersuchungen

Der Umweltvertraglichkeitsbericht muss alle Punkte behandeln, die für den Entscheid im massgeblichen Verfahren wesentlich sind. Er muss aber jene Punkte nicht behandeln, über die im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu befinden ist (BGE 126/2000 II 26

=

URP 2000 203).

Wenn bei einem V orhaben mehrere V arianten in Frage kommen, so verlangt das Bundesrecht weder für jede Variante der Linienführung eine UVP noch die Einreichung eines Umweltvertraglichkeitsberichtes, der

URP/DEP 2001/7 645

(31)

nach V arianten unterscheidet. Es ist namlich das Projekt für die Anlage selbst, das der UVP unterliegt. So wurde im Falle des Seilbahnprojekts fur die V erbindung von Veysonnaz mit Thyon die Rüge, für die «Variante Wald» bestehe keine UVP, zurückgewiesen. Dies umso mehr, als im vor- liegenden Fall ein Vergleich der Auswirkungen der genehmigten Variante mit denjenigen der «Variante Wald» in einer diesbezüglichen subsidiaren Begründung des angefochtenen Entscheides enthalten war (URP 1999 719).

2. Die Begründung des Vorhabens

Art. 9 Abs. 4 USG verlangt, dass der Umweltvertraglichkeitsbericht bei offentlichen und konzessionierten privaten Anlagen eine Begründung des Vorhabens enthalt.

Art. 9 Abs. 4 USG soll eine Beurteilung und Gewichtung des offent- lichen Interesses an einer umweltverschmutzenden staatlichen Tatigkeit gegenüber den Bedürfnissen des Schutzes der natürlichen Umwelt er- môglichen (BGE 126/2000 II 26:::: URP 2000 203; URP 1997 168). Unter diesen Umstanden ist der Gegenstand der UVP nicht auf die Einhaltung der bundesrechtlichen Umweltschutzvorschriften (im Sinne von Art. 3 UVPV) beschrankt, sondern er umfasst auch das offentliche Interesse an der Realisierung des Vorhabens (URP 1997 168).

Der Zeitpunkt, in dem der Bedürfnisnachweis für das V orhaben zu erbringen ist, bestimmt sich nach den Regeln des Bundesrechts über die Raumplanung. Denn diese überschneiden sich dort mit den Regeln über die UVP, wo sie beim Erlass einer Teilnutzungsplanung für ein be- stimmtes offentliches Vorhaben eine umfassende Interessenabwagung und eine Bedürfnisabkliirung voraussetzen. Deshalb muss die Prüfung der Begründung des Vorhabens im Planungsstadium vorgenommen werden.

Dass das kantonale Recht eine mehrstufige UVP vorsehen kann, ist in dieser Hinsicht nicht von Belang (URP 1997 168).

lm konkreten Fall des Baus einer Kompostieranlage hat das Bundes- gericht festgestellt, es sei zwar ein Umweltvertraglichkeitsbericht im Pla- nungsstadium erstellt worden, er habe sich aber nur formell mit der Frage befasst. Es stellte sich somit die Frage, ob das Bedürfnis hinreichend aus- gewiesen war. Da die Absichten der kommunalen und regionalen oder kantonalen Behürden unklar waren, folgte das Bundesgericht der unteren Instanz insofern, ais sie den Bedürfnisnachweis nicht für objektiv erbracht

646 URP/DEP 200117

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