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Weltgesundheitsorganisation it Regionalbüro für Europa 0

Kopenhagen

Gemeindenahe genetische Beratung in Europa

Regionale Veröffentlichungen der WHO Europäische Schriftenreihe Nr. 38

(2)

Die Weltgesundheitsorganisation ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die sich in erster Linie mit internationalen Gesundheitsfragen und der öffentlichen Gesundheit befaßt. Über diese 1948 gegründete Organisa- tion tauschen Vertreter der Gesundheitsberufe von über 180 Ländern ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus, in dem Bestreben, allen Menschen der Welt ein Gesundheitsniveau zu ermöglichen, das es ihnen erlaubt, ein sozial und wirtschaftlich produktives Leben zu führen.

Das WHO -Regionalbüro für Europa ist eines von sechs Regionalbüros in allen Teilen der Welt, die eigene auf die Gesundheitsbedürfnisse ihrer Mitgliedsländer abgestimmte Programme haben. In der Europäischen Re- gion leben rund 850 Mio. Menschen - in einem Gebiet, das von Grönland im Norden und dem Mittelmeer im Süden bis zu den Küstengebieten Rußlands am Pazifik reicht. Deshalb konzentriert sich das europäische Programm der WHO sowohl auf die Probleme der Industriegesellschaft als auch auf die Probleme der neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa sowie in der ehemaligen Sowjetunion. Die Tätigkeiten des Regionalbüros im Rahmen seiner Strategie Gesundheit für alle" erstrecken sich auf folgende drei Schwerpunktbereiche: gesunde Lebensweisen, gesunde Umwelt und be- darfsgerechte Dienste zur Prävention, Behandlung und Gesundheitsversor - gung.

Charakteristisch für die Europäische Region ist ihre Sprachenvielfalt, die die Informationsverbreitung erschwert. Deshalb werden Anträge auf Genehmigung der Übersetzung von Büchern des Regionalbüros begrüßt.

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Gemeindenahe genetische

Beratung in Europa

(4)

WHO Library Cataloguing in Publication Data Modell, B.

Gemeindenahe genetische Beratung in Europa : Bericht über eine Untersuchung / von B. Modell, A.M. Kuliev, M. Wagner

(Regionale Veröffentlichungen der WHO. Europäische Schriftenreihe ; Nr. 38)

I .Genetic screening 2.Community health services 3.Hemoglobinopathies 4.Down's syndrome 5.Europe I.Kuliev, A.M. II.Wagner, M. III.Title IV.Series

ISBN 92 890 7301 2 (NLM Classification: QZ 50) ISSN 0258 -2155

(5)

Weltgesundheitsorganisation

Regionalbüro für Europa .(f >>

Kopenhagen

`J

Gemeindenahe genetische Beratung in Europa

Bericht über eine Untersuchung

von

B. Modell A.M. Kuliev M. Wagner

Regionale Veröffentlichungen der W HO Europäische Schriftenreihe Nr.38

(6)

ICP/MCH 120

Übersetzt von: Rainer Rönsch

ISBN Nummer 92 890 7301 2 ISSN Nummer 0258- 2155

Die Weltgesundheitsorganisation begrüßt Anträge auf auszugsweise oder vollständige Vervielfältigung oder Übersetzung von Veröffentlichungen der Organisation; entsprechende Anträge und Anfragen sind zu richten an:

WHO- Regionalbüro für Europa (Referat Publikationen), Scherfigsvej 8, DK -2100 Kopenhagen 0, Dänemark. Das Referat erteilt außerdem Auskünf- te über eventuelle Textänderungen, geplante Neuauflagen, Neudrucke und Übersetzungen.

© Weltgesundheitsorganisation 1993

Die Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation sind gemäß den Bestimmungen von Protokoll 2 der Allgemeinen Urheberrechtskonvention urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.

Die in dieser Veröffentlichung benutzten Bezeichnungen und die Darstel- lung des Stoffes beinhalten keine Stellungnahme seitens des Sekretariats der Weltgesundheitsorganisation bezüglich des rechtlichen Status eines Landes, eines Territoriums, einer Stadt oder eines Gebiets bzw. ihrer Regierungs- instanzen oder bezüglich des Verlaufs ihrer Staats- und /oder Gebietsgrenzen.

Die Länder- oder Gebietsbezeichnungen entsprechen dem Stand bei der Fertigstellung der Publikation in der Originalsprache.

Die Erwähnung bestimmer Firmen oder der Erzeugnisse bestimmter Hersteller besagt nicht, daß diese von der Weltgesundheitsorganisation gegenüber anderen, nicht erwähnten ähnlicher Art bevorzugt oder empfoh- len werden. Abgesehen von eventuellen Irrtümern und Auslassungen, sind Markennamen im Text besonders gekennzeichnet.

Die in dieser Veröffentlichung vorgetragenen Ansichten geben die Meinung der Tagungsteilnehmer wieder und repräsentieren nicht unbedingt die Beschlüsse oder die erklärte Politik der Weltgesundheitsorganisation.

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INHALTS VERZEICHNIS

Seite

Gutachter vii

Vorwort ix

Einführung 1

TEIL I. ANGEBORENE STÖRUNGEN UND DEREN IMPLIKATIONEN

Angeborene Störungen und deren Implikationen für das

Leistungsangebot 7

Angeborene Mißbildungen 9

Chromosomenaberrationen 12

Mendelsche (monogene) Schädigungen 14

Erkennung der Genträger von Erbkrankheiten 20 Häufigkeit angeborener Mißbildungen und

gesundheitliche Belastung 23

Soziale und ethische Implikationen 31

Die Grundlagen der genetischen Beratung 31

Besorgnisse der Öffentlichkeit 36

Bei wem sollten die Entscheidungen liegen? 38 Ethische Grundsätze der präventiven Genetik 41 Technologiebewertung und Qualitätskontrolle 43

Verbesserte Leistungserbringung der gemeindenahen

genetischen Beratung 45

TEIL II. GEMEINDENAHE GENETISCHE BERATUNG HEUTE

Primäre Prävention 51

Umweltfaktoren 51

Faktoren, die die Mutationsrate und die Inzidenz

der Erbkrankheiten beeinflussen 53

Prävention angeborener Mißbildungen 61

Geburtshilfliche Ultraschalldiagnostik 61

a- Fetoproteinbestimmung im Serum der Mutter 65

(8)

Prävention von Chromosomenaberrationen 69

Prävention von Erbkrankheiten 79

Pränataldiagnostik und Fetalmedizin 89

Amniozentese 90

Chorionbiopsie 90

Risikobewertung und Chorionbiopsie 92

Grenzen der Pränataldiagnostik 94

Das Problem Schwangerschaftsabbruch 94

Neonatalscreening 97

Untersuchung des körperlichen Zustands 97

Biochemisches Screening 98

Screening auf andere Störungen 102

Soziale Aspekte des Screening 102

Schlußfolgerung 106

TEIL III. ENTWICKLUNG DER GEMEINDENAHEN GENETISCHEN BERATUNG

Aufbau der gemeindenahen genetischen Beratung 107

Organisation der Leistungserbringung 108

Die Infrastruktur 108

Genetische Beratung und Aufklärung 110

Einbeziehung der Bevölkerung 112

Aufklärung und Erziehung der Öffentlichkeit 112

Begleitkontrolle der Leistungen 114

Kosten -Nutzen -Analyse der genetischen Beratung 117 TEIL IV. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

Schlußfolgerungen 127

Empfehlungen 129

Literaturhinweise 133

Anhang 1: Genetische Beratung in den Niederlanden

Hans Galjaard 143

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Gutachter

Dr. Elizabeth Anionwu

Sickle Cell Centre, Willesden General Hospital, London, Vereinigtes Königreich

Dr. Bruno Brambati

Institut für Geburtshilfe und Gynäkologie "I Mangiagalli ", Mailand, Italien

Dr. Victor Bulyzhenkov

Programm Erbkrankheiten, Weltgesundheitsorganisation, Genf, Schweiz

Dr. Andrew Czeizel

Abteilung Humangenetik, Nationales Hygiene- Institut, Buda- pest, Ungarn

Professor Malcolm Ferguson -Smith

Department of Pathology, Cambridge University, Vereinigtes Königreich

Professor Hans Galjaard

Abteilung Zellbiologie und Genetik, Erasmus -Universität, Rotterdam, Niederlande

Dr. Anver Kuliev

Institut für Medizinische Genetik, Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR, Moskau

Dr. Bernadette Modell

Department of Obstetrics and Gynaecology, University Col- lege and Middlesex Medical School, London, Vereinigtes Königreich

vii

(10)

Dr. Emanuela Terzian

Nationaler Forschungsrat, Institut für Biomedizinische Spitzen- technik, Mailand, Italien

Dr. Marsden Wagner

Referatsleiter, Gesundheit von Mutter und Kind, WHO- Regio- nalbüro für Europa, Kopenhagen, Dänemark

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Vorwort

Die stürmischen Fortschritte der Gentechnik haben in der Europäischen Region der WHO zu einem exponentiellen Anwachsen der genetischen Beratung geführt. Diese Beratungsangebote erwecken große Hoffnun- gen auf eine bessere Betreuung bei genetischen Krankheiten und darauf, daß diese eines Tages sogar verhütbar werden. Einige von ihnen, z. B. die Thalassämie, sind dies bereits; viele andere, darunter Neuralrohrdefekte und die zystische Fibrose, werden es in naher Zukunft sein.

Noch harren jedoch viele schwerwiegende Probleme einer Lösung.

So sollte die genetische Beratung z.B. anhand gründlicher Planung auf der Grundlage von Bedarfseinschätzungen ausgebaut werden, doch die moderne Gentechnik schreitet oft stürmisch voran, noch ehe ihre Leistungsfähigkeit und Sicherheit ausreichend bewertet worden sind. Es wurden Screeningprogramme in Angriff genommen, ohne daß man vorher die Häufigkeit falsch- negativer oder falsch- positiver Be- funde ermittelt hat. In keinem Bereich der Gesundheitsversorgung sind die ungelösten sozialen, rechtlichen und ethischen Fragen gewichtiger;

nur allzuoft wurde ihnen bei der Gestaltung der genetischen Beratung nicht die gebührende Beachtung geschenkt. Außerdem besteht bei der genetischen Beratung in Krankenhäusern die Gefahr, daß die Grund- sätze der primären Gesundheitsversorgung unzureichend beachtet werden und die Bevölkerung kaum oder gar nicht zur Mitwirkung herangezogen wird.

Im vorliegenden Bericht werden alle diese Probleme angesprochen.

Die Länder erhalten die Informationen, die sie benötigen, um mit der rationellen Planung der genetischen Beratung zu beginnen, die ihre Kosteneffektivität sowie ihr gewaltiges Potential für die Minderung menschlichen Leids wiederholt bewiesen hat.

ix

(12)

1984 beschlossen die Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO eine gemeinsame Gesundheitspolitik, die Europäische Re- gionalstrategie Gesundheit für alle ", sowie 38 Ziele zu deren Umset- zung. Ziel 4 lautete:

Bis zum Jahr 2000 sollte die durchschnittliche Zahl der Lebensjahre, die frei von schweren Krankheiten oder größeren Funktionsbehin- derungen verbracht werden, um mindestens 10 % erhöht werden.

Eine gut konzipierte und gut durchgeführte genetische Beratung kann einen bedeutsamen Beitrag dazu leisten, daß die 850 Millionen Men- schen der Europäischen Region dieses Ziel erreichen. Möge der vorliegende Bericht den Mitgliedstaaten dabei als Anregung und Richtschnur dienen.

J. E. Asvall

WHO -Regionaldirektor für Europa

(13)

Einführung

Die genetische Komponente des Krankheitsgeschehens reicht von monogenen Defekten, die erhebliche Schädigungen hervorrufen können, bis zur genetisch bedingten Prädisposition für verbreitete Schädigungen und Krankheiten, z. B. angeborene Mißbildungen, Krebs, Diabetes, koronare Herzkrankheiten und geistige bzw. psychische Krankheiten.

Durch die verbesserte Gesundheitsversorgung hat die Bedeutung gene- tischer Programme zugenommen. In ganz Europa wurde die Säug- lingssterblichkeit so stark zurückgedrängt, daß angeborene Schädi- gungen derzeit eine der wichtigsten Ursachen der Säuglingssterblichkeit darstellen. Außerdem leben Säuglinge mit angeborenen Anomalien länger und profitieren von der gewachsenen Lebensqualität; die gestiegene Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung schließlich führt zur verstärkten Prävalenz spätmanifester genetischer Schädigungen.

Um die Mitgliedstaaten im Lichte dieser Entwicklung bei der Schaffung bedarfsgerechter Dienste zu unterstützen, führte das WHO - Regionalbüro für Europa eine Untersuchung über den Stand der ge- meindenahen genetischen Beratung in der Region durch. Die vorlie- gende Veröffentlichung enthält die Ergebnisse. Es steht zu hoffen, daß die Erkenntnisse und Empfehlungen für alle an der Entwicklung der genetischen Beratung in Europa Beteiligten von Nutzen sein werden.

Nach klassischer Auffassung obliegt den klinischen Genetikern die Differentialdiagnose, die Prognose des Wiederholungsrisikos sowie die Familienberatung für Menschen, die mit mutmaßlichen genetischen Problemen an sie überwiesen wurden. Die gegenwärtige stürmische Zunahme des genetischen Wissens erweitert jedoch den Handlungs- spielraum und den Bedarf an Leistungen - und damit zugleich den Verantwortungsbereich des medizinischen Genetikers. Die wachsende Rolle der Pränataldiagnostik setzt enge Beziehungen zwischen der Genetik einerseits und der Geburtshilfe, Neonatologie, pädiatrischen Pathologie und Epidemiologie andererseits voraus. Eine auf Screening

1

(14)

basierende gemeindenahe genetische Beratung mit präventiver Aus- richtung bedarf einer Konzeption mit auf die gesamte Bevölkerung abzielender Bürgernähe. Zur bestehenden gemeindenahen genetischen Beratung gehören auch das Pränatalscreening für angeborene Mißbil- dungen und Chromosomenanomalien, das Neugeborenenscreening für Phenylketonurie, Hypothyreose und Sichelzellanämie sowie das Screen- ing der Gesamtbevölkerung zur Erkennung von Genträgern solcher Erbkrankheiten wie der Hämoglobinopathien und des Tay- Sachs- Syndroms (J). Die kürzliche Entdeckung des für die zystische Fibrose verantwortlichen Gens wird es erforderlich machen, allen Menschen in Europa ein entsprechendes Screening anzubieten. Schließlich wird zunehmende Einsicht in die genetische Komponente häufiger Krank- heiten wahrscheinlich zum Screening für genetische Risikofaktoren in der Allgemeinpraxis führen. Diese Entwicklung hat sich jedoch stür- misch und unkoordiniert vollzogen, so daß ihre Auswirkungen auf die Beratungsangebote noch nicht umfassend beleuchtet wurden.

Mit sehr wenigen Ausnahmen wurde die genetische Beratung nicht planmäßig aufgrund sorgfältiger Bedarfsermittlung aufgebaut. Vielmehr haben interessierte Kliniker die einzelnen Dienste geschaffen. Das hat zu unsystematischer Leistungserbringung und einer betont klinischen Ausrichtung geführt. Die Erfahrung lehrt, daß zur besten gemeindenahen genetischen Beratung drei Grundbestandteile gehören, die gleichmäßig entwickelt sein müssen: Laboratorien, klinische und kommunale Ein- richtungen. Im allgemeinen wurden die beiden erstgenannten Ein- richtungen in den europäischen Ländern zuerst geschaffen, während die laizistische Komponente relativ unentwickelt blieb. Dort, wo alle drei Bestandteile zufriedenstellend ausgeprägt sind, wurden jedoch außerordentliche Fortschritte erzielt; so waren beispielsweise die Thalas- sämieprogramme in mehreren Endemiegebieten Südeuropas überaus erfolgreich (2, 3). Die alte Wahrheit, daß man aus Erfahrungen und von anderen viel lernen kann, gilt auch für die genetische Beratung.

Da sich das genetische Screening bisher vor allem auf die Schwan- gerschaft und das frühe Kindesalter konzentriert, hat das WHO- Regio- nalbüro für Europa die Verbesserung der genetischen Beratung als Hauptanliegen des Programms Gesundheit von Mutter und Kind" zur Unterstützung des Ziels Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000"

ausgewählt. Die WHO hält es für sachdienlich, die vorhandene gemein- denahe genetische Beratung kritisch zu überprüfen und die praktischen Auswirkungen des genetischen Screening weitgehend abzuklären, ehe diese Tests weiter ausgedehnt werden. Zwischen der nichtklinischen

(15)

und der spezialisierten genetischen Beratung besteht notwendigerweise eine enge Beziehung, doch wird die Prävention mittels Screening oft von Fachärzten für Geburtshilfe, Pädiatern und anderen Spezialisten ohne ausreichende Zuarbeit seitens erfahrener Genetiker oder Epide- miologen initiiert; im allgemeinen wurde das von den Spezialisten für medizinische Genetik empfohlene Niveau der klinischen Praxis und Beratung in der gemeindenahen genetischen Beratung nicht verwirklicht.

Die vorhandene Beratung stellt die Labor- und klinischen Aspekte in den Vordergrund und vernachlässigt außerklinische Aspekte wie die Gesundheitserziehung in den Schulen und für Erwachsenene und die Rolle von Selbsthilfegruppen beim Herangehen an genetische Probleme sowie die Rolle der Leistungsempfänger bei der Planung und Evaluie- rung der genetischen Beratung.

Daher beschloß das Regionalbüro, eine Bestandsaufnahme der zur Zeit in Europa bestehenden gemeindenahen genetischen Beratungs- angebote durchzuführen und ein einfaches System zu ihrer Evaluierung zu entwickeln. Zwei Dienste mit Modellcharakter wurden ausgewählt:

die Kariotypanalyse zur Prävention des Down- Syndroms sowie die Prävention der Hämoglobinopathien.

Die Kariotypanalyse ist ein verbreitetes Verfahren mit Modell- charakter für wichtige Probleme bei der Leistungserbringung; zuver- lässige Angaben sind von klinischen Zytogenetikern zu erhalten. An geeignete Personen in jedem Land der Europäischen Region wurde ein Kurzfragebogen versandt, mit dem Angaben zum Schwangerschafts -

screening für das Down -Syndrom erbeten wurden. Gleichzeitig wurde um weitere leicht beschaffbare Angaben gebeten: über Screening bei Neugeborenen, Screening für Fetalanomalien sowie für Genträger des Tay- Sachs- Syndroms. 1987 wurde für das Regionalbüro ein vorläufiger Bericht erarbeitet (4).

Hämoglobinopathien (Sichelzellanämie und Thalassämien) sind über ganz Europa verbreitet. Die Prävention dieser Schädigungen stellt ein Beispiel für die umfassende Prävention von Erbkrankheiten durch Screening der Gesamtbevölkerung dar; häufig tritt hier das Problem der Chancengleichheit für sozial benachteiligte Gruppen auf. Es liegen dank vorangegangenen Interesses seitens der WHO zuverlässige Anga- ben vor (3); diese Untersuchung führte zur Bildung einer WHO - Arbeitsgruppe Europa/Mittelmeerraum für Hämoglobinopathien sowie zu einem Bericht, der auch Grundsatzleitlinien enthält (5). In diesem Bericht wurden die Programme zur Bekämpfung der Thalassämie in einigen Ländern als so hochentwickelt bezeichnet, daß sie als Modell

3

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für das Screening für Krankheiten mit rezessivem Erbgang dienen können. Diese Erfahrungen könnten genutzt werden, um die Prävention der Hämoglobinopathien in der gesamten Region zu verbessern. Sie wären auch anwendbar, wenn künftig ähnliche Leistungen für andere häufige Erbkrankheiten, z. B. die zystische Fibrose, technisch möglich

werden.

Im November 1988 tagte an der London School of Hygiene and Tropical Medicine" eine Expertengruppe, um die obengenannten Berichte zu erörtern. Die Mitglieder dieser Gruppe (s. S. vii) waren sich einig, daß beim Aufbau der genetischen Beratung in der Europäi- schen Region einige schwerwiegende Probleme auftreten. Erstens sind einige genetische Krankheiten in bestimmten Regionen bzw. unter ethnischen oder kulturellen Gruppen endemisch. Falls Chancengleich- heit beim Zugang zu den Gesundheitsdiensten (wie im ersten regionalen GFA -Ziel formuliert) erreicht werden soll, muß diesen Gruppen eine bedarfsgerechte genetische Beratung angeboten werden. Zweitens muß auf allen Ebenen und in allen für die genetische Beratung relevanten Bereichen die Zusammenarbeit zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Gesundheitsversorgung sowie zwischen den Angehörigen der Gesundheitsberufe und der breiten Öffentlichkeit verbessert werden.

Drittens gehen die Angehörigen der Gesundheitsberufe oft davon aus, daß ihnen die Entscheidung über den Charakter der genetischen Beratung obliegt. Die Öffentlichkeit wird bisher völlig unzureichend in die Planung und Bewertung einbezogen, obwohl diese Einbeziehung der einzige Weg ist, ein ethisch und kulturell akzeptables Beratungs- angebot zu gewährleisten.

Viertens mangelt es an sachgerechter und umfassender Bewertung der Technologie. Ein Leitsatz der medizinischen Praxis ist es, vor allem keinen Schaden anzurichten; deshalb sollte keine Technologie ohne umfassenden Nachweis ihrer Wirksamkeit und Sicherheit breite Anwendung finden. Es herrscht jedoch die bedauerliche Tendenz, die technologischen Verfahren bis zum Beweis des Gegenteils als wir- kungsvoll und sicher anzusehen. In der genetischen Beratung wirken sich die Probleme der Qualitätskontrolle sowie falsch -positiver und falsch- negativer Screeningergebnisse besonders gravierend aus. Fünf- tens haben wie in vielen anderen modernen Gesundheitsdiensten die sozialen und psychologischen Aspekte der genetischen Beratung zu geringe Beachtung gefunden. Da die genannten Aspekte gewaltige Dimensionen annehmen können, müssen sie dringend stärker berück- sichtigt werden.

(17)

Sechstens wird mit manchen genetischen Diensten Neuland in der medizinischen Ethik betreten. Ethische Probleme finden bei weitem nicht die ihnen gebührende Beachtung, und zur Zeit gibt es noch keine allgemeinverbindliche Methode zur Behandlung der aufgeworfenen Fragen.

Im vorliegenden Bericht werden diese Grundprobleme mit nach- stehenden Orientierungen angesprochen:

Unterstützung der klinischen Genetiker bei der Wahrnehmung des Geschehens und der Erkenntnis ihrer eigenen wachsenden Rolle;

Unterstützung der Epidemiologen, Gesundheitsplaner, politi- schen Entscheidungsträger und Fachkräfte des öffentlichen Gesundheitsbereichs (einschließlich der kommunalen Gesund- heitsbehörden und der Gesundheitserzieher) beim besseren Verständnis der aktuellen Probleme der Genetik und der gene- tischen Beratung, um ihnen die Kommunikation mit medizi- nischen Genetikern und die Übernahme ihrer weitgehenden Verantwortung für die genetische Beratung zu erleichtern;

Klärung der Beziehungen zwischen klassischer medizinischer Genetik und genetischem Screening;

-

Verdeutlichung der Bedeutung von Epidemiologie, Bevölke- rungsmedizin und public health" für die klinische Genetik;

-

Verdeutlichung der Notwendigkeit, beim Aufbau der gene- tischen Beratung ethische, rechtliche und soziale Aspekte zu beachten und die Öffentlichkeit einzubeziehen;

Befähigung der Leistungserbringer, in den Diskussionen mit Entscheidungsträgern auf gesundheitlichem Gebiet als Vertreter der public health" zu sprechen.

Es steht zu hoffen, daß alle Mitgliedstaaten in der Europäischen Region den vorliegenden Bericht gründlich daraufhin prüfen, inwieweit die Feststellungen und Schlußfolgerungen auf ihre Gesundheitsbe- dürfnisse und Gesundheitsversorgungssysteme anwendbar sind.

5

(18)

Teil I

Angeborene Störungen und

deren Implikationen

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Angeborene Störungen und deren Implikationen für das Leistungsangebot

Eine angeborene Anomalie ist eine beliebige bei der Geburt vorliegende strukturelle, funktionale oder biochemische Normabweichung, unab- hängig davon, ob sie zu diesem Zeitpunkt entdeckt wird oder nicht (6).

In Tabelle 1 werden für Europa die wichtigsten Kategorien der Geburts- anomalien nebst ihrer Inzidenz und einer sehr allgemeinen Charakteri- sierung ihrer Prognose aufgeführt. Aus praktischer Sicht unterscheidet man bei den angeborenen Anomalien zwei große Gruppen: erbliche und sporadische Schädigungen. Von den Erbschäden ist eine begrenzte Anzahl von Familien betroffen; oft werden sie durch gesunde Personen vererbt. Die Träger anomaler Gene sind lebenslang und meist erheblich gefährdet, erbkranke Nachkommen zu bekommen. Vielfach kann eine gefährdete Familie lediglich durch die Diagnose der Krankheit bei einem Familienangehörigen, dem Propositus, ermittelt werden. Daher beruht der Ansatz zur Prävention dieser Schädigungen oft auf der Familienanamnese.

Zu sporadischen Schädigungen kommt es in der Regel, ohne daß ein erhöhtes Risiko anhand der Familienanamnese oder scharfumrissener Risikofaktoren erkennbar wäre; die Auswirkungen auf Angehörige sind begrenzt. Die meisten angeborenen Mißbildungen und Chromoso- menanomalien treten sporadisch auf. Da jedermann gefährdet ist, ist zur Früherkennung genetisches Screening der Gesamtbevölkerung erforderlich. Es gehört zu den wichtigsten Bestandteilen einer gemein- denahen genetischen Beratung.

7

(20)

00 Tabelle 1: Angeborene Anomalien: Klassifikation und Schätzung der Häufigkeit und des Verlaufs jährlich in Europa (Gesamtgeburten jährlich - 13,6 x 106)

Kategorie

Häufigkeit pro 1000

Lebend- geborene

Geburten jährlich

Verlauf

Wichtigster Therapiebedarf Frühmortalität Chronische Probleme Erfolgreich behandelt

Anzahl Anzahl Ok Anzahl

Angeborene 30,0 408 300 89 800 22 98 000 24 220 500 54 Kinderchirurgie

Mißbildungen

Chromosomen- 3,2 43 700 14 800 34 28 000 64 900 2 Soziale Unterstützung

Störungen Erb- krankheiten

7,0 95 200 55 200 58 29 500 31 10 500 11 Medizinische Behand-

lung u. Unterstützung

Gesamt 40,2 547 200 159 800 29 155 500 28 231 900 43

Quelle: WHO- Beratungsgruppe für Erbkrankheiten (1) und Czeizel & Sankaranarayanan (7).

(21)

Krankheiten mit rezessivem Erbgang müssen unter beiden Ge- sichtspunkten betrachtet werden; sie sind zwar erblich, doch liegt für die Neugeborenen meist keine Familienanamnese vor.

Wenn genetisches Screening der Gesamtbevölkerung (8) möglich ist, wird es meist stufenweise durchgeführt, wobei man mit einem einfachen Primärscreening beginnt, um eine Risikogruppe zu ermitteln.

Dieser kleineren Gruppe werden dann Diagnostik und Behandlung oder Beratung angeboten. Die allgemeinen fachlichen Grundsätze des genetischen Screening der Gesamtbevölkerung werden später erörtert.

Die mit genetischem Screening gemachten Erfahrungen zeigen bereits, daß die Bevölkerung positiv urteilt, wenn man eine eindeutige Diagnose stellen, die Auswirkungen für den Betreffenden oder seine Nachkommen eindeutig voraussagen und klare Hinweise zur Ver- meidung eines erhöhten Risikos geben kann. Im allgemeinen erfüllen die in vorliegendem Bericht erörterten Formen des Screening für angeborene Mißbildungen und genetisches Risiko diese Bedingungen.

Man weiß allerdings nur sehr unzulänglich Bescheid über die Wirkung von genetischem Screening, das eine oder mehrere dieser Bedingungen nicht oder nur teilweise erfüllt. Künftig wird bessere Kenntnis der genetischen Komponente häufiger Krankheiten wahrscheinlich zu um- fassendem Screening für genetische Risikofaktoren führen. Es wird vielleicht jedoch lediglich Hinweise auf ein statistisch erhöhtes Risiko von Krebs, Diabetes, Herzerkrankungen oder psychischen Krankheiten erbringen. Möglicherweise gibt es keine einfachen Wege, das Risiko zu vermeiden; erkannte Genträger könnten Sanktionen bei Versi- cherungen und auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sein (9). Die Sichtung der bisherigen Erfahrungen ist daher außerordentlich wichtig für ein

besseres Verständnis der sozialen, ethischen und fachlichen Konse- quenzen des genetischen Screening.

Angeborene Mißbildungen

Um der Klarheit willen wird anstelle der korrekten Bezeichnung angeborene Anomalien" der Begriff angeborene Mißbildungen"

verwendet, wo es um physische Mißbildungen aufgrund beeinträchtig- ter Embryonalentwicklung geht. Als angeborene Mißbildung bezeichnet man einen - mit bloßem Auge oder nur mikroskopisch erkennbaren - entwicklungsbedingten strukturellen Defekt, der bei der Geburt vor- liegt, unabhängig davon, ob er zu diesem Zeitpunkt bereits erkannt wird oder nicht.

9

(22)

Angeborene Mißbildungen sind die häufigsten angeborenen Ano- malien. Sie können jedes beliebige Organsystem betreffen, innerlich oder äußerlich auftreten und stark ausgeprägt bis recht geringfügig sein. Sie können vor oder während der Geburt oder viel später zu Problemen führen. Die meisten treten sporadisch ohne klar erkennbare Risikofaktoren auf und gelten als multifaktoriella, wobei das Wieder- holungsrisiko, abhängig von der Zahl der betroffenen Verwandten, allgemein im Bereich von 1 -6 % liegt. Lediglich ein Bruchteil dieser Schäden läßt sich eindeutig auf eine einzelne umweltbedingte oder genetische Ursache zurückführen.

Die Inzidenz schwankt geographisch (z. B. die unerklärt große Streubreite von Neuralrohrdefekten) und zeitlich (z. B. infolge von Rötelnepidemien). Zuverlässige Zahlenangaben gibt es nur an einigen wenigen Meldestellen mit langjähriger und umfassender Erfassung. In Tabelle 2 wird für verschiedene Mißbildungstypen die Häufigkeit bei der Geburt laut ungarischem Nationalregister für angeborene Mißbil- dungen (7) mit den in einer EUROCAT- Studie (/ 0) erfaßten Durch- schnittswerten für zwölf andere europäische Zentren verglichen. Die chronische Hüftgelenksluxation ist in Ungarn besonders häufig; ohne sie liegt die repräsentative Inzidenz bei etwa 30 Mißbildungen auf 1000 Neugeborene. Bei vielen Geschädigten liegen jedoch multiple Mißbildungen vor, so daß auf 1000 Neugeborene etwa 20 Geschädigte entfallen. Eine detaillierte Analyse der Daten aus Ungarn (7) zeigt, daß nach sehr grober Schätzung (und ohne die fast hundertprozentig behandlungsfähige angeborene Hüftgelenksluxation) etwa die Hälfte aller Mißbildungen korrigierbar ist; etwa ein Viertel führt zum Tod und ein Viertel zu chronischer Behinderung. Zu den Präventionsmethoden gehören die Beseitigung von Umweltnoxen (Primärprävention), die Früherkennung, die eine optimale Therapie ermöglicht, und die Prä-

nataldiagnostik mit der Möglichkeit der selektiven Interruptio bei schwerwiegenderen Schädigungen.

Das Pränatalscreening für angeborene Mißbildungen durch Ultra- schalldiagnostik bzw. a- Fetoproteinbestimmung im Serum der Mutter ist als Teil der gemeindenahen genetischen Beratung in rascher Ent- wicklung begriffen.

a Multifaktoriell nennt man Schädigungen mit beachtlicher genetischer Kom- ponente (Häufung in einer Familie), doch ohne klaren Erbgang oder nachweisbare Chromosomenanomalie. Sie entstehen aus der additiven Wirkung teils genetischer, teils umweltbedingter oder unbekannter Faktoren. Zu dieser sehr umfangreichen und heterogenen Kategorie gehören viele wichtige chronische Krankheiten späterer Lebensstufen sowie die meisten angeborenen Mißbildungen.

(23)

Tabelle 2: Angeborene Mißbildungen: Vergleich der Inzidenz in einer EUROCAT- Studie und in Ungarn

mit Aufschlüsselung des Verlaufs in Ungarn

System oder

Häufigkeit pro

1000 Geburten in: Verlauf in Ungarn ( %) Körperteil

EUROCAT-

Studie Ungarn Tod Chronische

Invalidität Korrigiert

ZNS 1,8 -5,0 2,17 79 18,5 2,5

Auge 0,3 -1,2 0,32 19 46 36

Ohr, Gesicht, Hals 0,7 0,46 0 30 70

Herz /Kreislauf 4,0 -9,6 7,92 34 17 49

Atemwege 0,4 0,28 35 36 29

Gaumen, Lippen 1,4 1,45 3 22 75

Verdauungstrakt 1,2 -3,8 2,78 23 4 73

Genitalien 1,1 -2,4 7,52 0 24 76

Harnwege 0,9 -1,6 1,57 19 36 45

Muskel- und

Skelettsystem 4,3 -8,9 29,20a 0 1 99

Skelettsystem 2,07 19 18 62

Sonstige (einschließ-

lich multiple) 5,0 -6,0 2,74 23 20 57

Gesamt (Näherungswert) 28,7 58,20 Gesamt (ohne Muskel -

und Skelettsystem) 22,1 29,20 22 24 54

a Die große Häufigkeit der angeborenen Hüftgelenksluxation in Ungarn erklärt einen Großteil des Unterschieds zwischen den Zahlen für Ungarn und EUROCAT. Daher wurden Anomalien des Muskel- und Skelettsystems bei der Berechnung der Gesamtauswirkung und der Wirksamkeit der Behandlung bei allen Anomalien nicht berücksichtigt.

Quelle: Czeizel & Sankaranarayanan (7) und De Wals u.a. (10).

11

(24)

Chromosomenaberrationen

Die häufigsten Chromosomenaberrationen sind die Aneuploidien. Als Euploidie bezeichnet man das Vorhandensein eines oder mehrerer Chromosomensätze. Normale Gameten haben einen Satz, d. h., sie sind haploid (1 n = 23). Der Mensch ist normalerweise diploid (2n = 46).

Zu den Chromosomenaberrationen gehören die Polyploidie und die Aneuploidie, bei denen ein oder mehrere Chromosomen in zu großer oder zu geringer Zahl vorhanden sind. Die Aneuploidie ist die häufigste Aberration bei menschlichen Embryos. In der Frühschwangerschaft sind davon oft mehrere Chromosomen betroffen, doch meist kommt es bei so ausgeprägter Abweichung zu einer Fehlgeburt, so daß es sich nach dem ersten Trimenon bei fast allen Aneuploidien um Trisomie (dreifaches Vorliegen) eines einzelnen Autosoms oder eines Ge- schlechtschromosoms handelt. Zwischen der Häufigkeit von Chromo- somenaberrationen und dem Alter der Mutter besteht eine starke Korrelation (Tab. 3). Bei 80 % der autosomalen Trisomien stammt das überzählige Chromosom von der Mutter. Die Häufigkeit von Aberratio- nen liegt in der Pränataldiagnostik höher als bei der Geburt, weil es bei

über 30 % der Feten mit Chromosomenabweichungen zu einer Fehlge- burt kommt. Außerdem gibt es für die Häufigkeit von fetalen Chro- mosornenaberrationen bei Müttern unter 35 Jahren keine zuverlässigen Angaben, weil in dieser Altersgruppe selten eine Pränataldiagnostik erfolgt. Während bei der auf das Alter der Mutter bezogenen Häufigkeit der Aneuploidie keine örtlichen oder ethnischen Unterschiede auftreten, zeigen sich aufgrund der unterschiedlichen Altersverteilung der Mütter beträchtliche Unterschiede zwischen den Populationen.

Viele verschiedene numerische Chromosomenaberrationen treten in zeitlicher Nähe zur Befruchtung auf, doch kommt es bei über 90 % der Konzeptionsaberrationen zu einer Fehlgeburt(13),und nur relativ wenige Feten mit Chromosomenabweichungen überleben bis zur Geburt.

Fehlgeburten sind das häufigste genetische Schwangerschaftsproblem, auch wenn sie bis in die jüngste Vergangenheit hinein relativ vernach- lässigt wurden(14).Da sich etwa 80 % der Fehlgeburten durch Ultra- schalldiagnostik voraussagen lassen, entwickelt sich diese Methode zur Erkennung lebensunfähiger Feten in der Frühschwangerschaft zu einem Teil der gemeindenahen genetischen Beratung, der der Eva- luierung und Technologiebewertung bedarf.

Wie bei den angeborenen Mißbildungen gibt es auch bei den häufigen Aneuploidien der Neugeborenen zwei Gruppen: Aberrationen

(25)

Tabelle 3: Inzidenz der Chromosomenaberrationen, nach dem Alter der Mutter

Spontaner Chromosomenaberrationen ( %) Alter der Abort

Mutter erkannter Erstes Trimenon Zweites Trimenon Lebendgeb.

(in Jahren) Schwanger- Gesamt Down- Gesamt Down- Down -

schaften ( %) Syndrom Syndrom Syndrom

20 -24 10,0

25-29 10,0

30-34 11,2

0,052 0,083 0,113

35 0,87 0,39 0,274

36 2,05 0,44 1,01 0,50 0,35

37 16,3 3,1 0,86 1,22 0,64 0,444

38 3,7 1,07 1,48 0,81 0,565

39 4,6 1,19 1,84 1,04 0,72

40 5,5 1,83 2,3 1,33 0,917

41 6,2 2,48 2,9 1,69 1,177

42 34,0 8,7 4,70 3,7 2,16 1,49

43 8,2 4,12 4,5 2,74 1,89

44 9,4 2,60 5,0 3,48 2,44

45 10,2 4,00 6,2 4,42 3,13

46

- -

7,7 5,59 4,00

47 39,0 9,6 7,04 5,00

48

-

6,25

49

-

6,25

Quelle: Mikkelsen (11) und Ferguson -Smith & Yates (12).

der autosomalen und der Geschlechtschromosomen. Die autosomalen Aneuploidien verursachen schwere Schädigungen, für die es außer der chirurgischen Behandlung der damit einhergehenden Mißbildungen keine Therapie gibt. Am häufigsten ist das Down- Syndrom (Triso- mie 21); die Betroffenen bedürfen zur Gewährleistung der bestmögli- chen Lebensqualität der Dauerpflege. Da Mütter mit erhöhtem Risiko autosomaler Aneuploidien erkennbar und diese häufigen, schweren und nicht therapiefähigen Schädigungen durch eine Karyotypanalyse des Fetus im ersten oder zweiten Trimenon zuverlässig voraussagbar

sind, stellen sie ein wichtiges Ziel für das Pränatalscreening dar.

13

(26)

Aberrationen der Geschlechtschromosomen können zu mittelschweren bis sehr geringfügigen Schädigungen führen. Einige Anomalien (die meisten vom Typ XYY, einige Mosaiks) können ohne meßbare Aus- wirkung bleiben, jedoch zu Sterilität oder geistigen Schäden führen.

Durch die pränatale Karyotypanalyse lassen sie sich mit absoluter Sicherheit nachweisen; die Entscheidung, ob eine gefährdete Schwan- gerschaft fortgesetzt werden soll, kann schwerfallen. Für sich allein genommen, stellen diese Aberrationen kaum ein geeignetes Ziel für das Pränatalscreening dar.

Bei etwa 2 von 1000 Menschen aus der gesunden Population findet sich eine balancierte erbliche Chromosomentranslokation; dabei ist sämtliches Chromosomenmaterial vorhanden, jedoch in leicht abge- wandelter Anordnung. Bei etwa 0,6 von 1000 Neugeborenen besteht eine unbalancierte Translokation; dabei fehlt ein Chromosomenteil oder liegt doppelt vor. Die meisten Betroffenen leiden unter schweren geistigen oder körperlichen Behinderungen. Für gesunde Träger einer balancierten Translokation besteht ein erhöhtes Risiko herabgesetzter Fruchtbarkeit oder wiederholter spontaner Aborte; bei ihren Kindern findet sich häufig eine unbalancierte Translokation. Häufiger ist bei diesen Kindern jedoch ein balancierter Chromosomensatz, da unbalan- cierte Gameten nicht so lebensfähig sind wie balancierte. Dem stän- digen Ausmerzen von Translokationen steht somit die große Häufigkeit neuer Translokationen oder Rearrangements gegenüber.

Zur Zeit gibt es für chromosomale Translokationen kein genetisches Screening. Zwar könnten theoretisch alle Träger durch Karyotypanalyse ermittelt und danach über das genetische Risiko aufgeklärt werden, doch ist die Kariotypanalyse zu arbeitsintensiv für das Screening der Gesamtbevölkerung. Träger balancierter Chromosomentranslokationen können durch Familienuntersuchungen, sobald bei einem Kind eine unbalancierte Translokation festgestellt wird, oder per Zufall bei Kariotypanalysen aus anderen Gründen erkannt werden.

Mendelsche (monogene) Schädigungen

Einzelne Gene können, wie in Abb. 1 dargestellt, dominanten, X- chromosomalen oder rezessiven Erbgang haben. Bei dominantem Erbgang tritt die Krankheit gewöhnlich bei allen Genträgern einer monogenen Schädigung auf. Bei X- chromosomalem Erbgang tritt sie bei männlichen Personen auf, die nur ein Gen auf dem X- Chromo- som haben. Weibliche Personen sind meist durch ihr zweites, normales

(27)

Abb. 1: Erbgang Mendelscher Störungen Dominanter

Erbgang

X- chromosomale Vererbung

Rezessive Vererbung

11

f- II I

X X XY

= männlich

= weiblich

= anomales Gen 7' = geschädigte Personen Quelle: Prenatal diagnosis and genetic screening (15).

15

(28)

X- Chromosom geschützt. Ein Sohn erbt sein X- Chromosom stets von der Mutter; ist sie Genträgerin, so besteht zu 50 % das Risiko, daß auch

er geschädigt ist. Eine Tochter erbt von jedem Elternteil ein X- Chromosom. Ist die Mutter Genträgerin, so beträgt das Risiko für die Tochter 50 %; ist aber der Vater Genträger, so liegt die Wahrschein- lichkeit bei 100 %. Tritt die Schädigung bei einem männlichen Nachkommen auf, so weist dies darauf hin, daß die Mutter geschädigt ist und die meisten weiblichen Verwandten gefährdet sind. Schädi- gungen mit X- chromosomalem Erbgang können unbemerkt über Generationen hinweg in weiblicher Linie vererbt werden.

Bei rezessivem Erbgang tritt die Krankheit nur dann auf, wenn ein Schadgen von beiden Eltern vererbt wird, d. h. wenn der Nachkomme homozygot ist. Da die meisten Genträger aber Nicht -Genträger heiraten, sind die Kinder von nur wenigen Paaren betroffen, und anomale rezessive Gene werden in den meisten Familien über Generationen hinweg unerkannt vererbt. Sind zufällig Vater und Mutter Genträger, so besteht bei jeder Schwangerschaft ein 25 %iges Risiko, daß das Kind geschädigt ist. Daher gibt es bei den meisten Fällen von Krankheiten mit rezessivem Erbgang keine Familienanamnese.

Zwar werden in McKusicks Katalog (16) 4300 monogene Schä- digungen aufgeführt, doch ist mehr als die Hälfte der Gesamtsterblichkeit infolge schwerer Erbkrankheiten auf die in Tabelle 4 angegebene Handvoll häufiger Krankheiten zurückzuführen. Einige von ihnen (Glucose -6- Phosphat -Dehydrogenase (G- 6 -PDH), Thalassämie, Sichel- zellanämie und Tay- Sachs- Syndrom) treten in bestimmten Populationen häufiger auf. Die meisten dieser häufigen Krankheiten haben rezessiven Erbgang, einige X- chromosomalen. Einige dieser Schädigungen und auch andere (z. B. zystische Fibrose und geistige Retardierung aufgrund eines inaktivierten X- Chromosoms) könnten Gegenstand genetischer Screeningprogramme werden. Die geläufigste Erklärung für so gehäuftes Auftreten einiger weniger letaler Gene lautet, daß gesunde Genträger über einen Reproduktionsvorteil verfügen, der das erhöhte Risiko, erbkranke Kinder zu bekommen, ausgleicht(19), was als balancierter Polymorphismus bezeichnet wird. Eine hohe Mutationsrate, höhere Fertilität und der Gründereffekt" können ebenfalls zum verstärkten Auftreten bestimmter Störungen führen. Besonders in abgelegenen Gegenden und neubesiedelten Gebieten können einige wenige Erst- siedler (Gründer des Gemeinwesens) unverhältnismäßig starken Einfluß auf die Erbanlagen späterer Generationen ausüben. Weist eine solche Person eine genetische Anomalie auf, kann dieser Gründereffekt zu

(29)

Tabelle 4: Häufige Erbkrankheiten in Europa (Geburten jährlich - 13,6 x 106)

Erbgang und Krank- heitstyp

Inzidenz (pro 1000 Geburten)

Schätzziffer der jährlich

geborenen Geschädigten

(Tausend)

Prävalenz gesunder Konduktoren

(pro 1000 Einwohner)

X- chromosomal

Geistige Retardierung infolge inaktivierten

X- Chromosoms 0,5 -1,0 6,8 0,5 -1,0

G- 6 -PDH- Defekta 3,6 49,0 0,1 -7,0

Rezessiv

Zystische Fibrose a1- Antitrypsin- mangel

0,20 -0,45 0,2 -0,5

4,5 3,8

30-50 10-40

Phenylketonurie 0,11 1,2 10 -20

Angeborene Nebennieren -

rindenhyperplasie ?0,1 1,2 10 -20

Thalassämiea 30 -170

Sichelzellanämiea } 0,18 2,42 10 -250

Tay- Sachs-

Syndroma 0,004 0,06 1-40

a Bei bestimmten Populationen.

Quelle: Weltgesundheitsorganisation (17, 18).

einem lokalisierten Cluster von Geschädigten führen. Der Gründereffekt ist besonders in Nord- und Südamerika bekannt.

In Tabelle 5 werden die Auswirkungen von 300 willkürlich aus McKusicks Katalog entnommenen Erbschäden auf die Minderung der Lebenserwartung und der Reproduktionsleistung sowie auf Behinderung bei den Überlebenden dargestellt. Diese Probleme sind nur in sehr geringem Maße behandlungsfähig. Es scheitern 70 % aller Versuche, die Auswirkung der Erbschäden auf Lebenserwartung und Reproduk- tionsleistung zu verhüten oder zu mindern; ähnlich hoch liegt die

17

(30)

Tabelle 5: Allgemeine Auswirkungen der Mendelschen Schädigung

Erbgang

Bei Nichtbehandlung der Krankheit Rückgang

(in %) von:

Anteil (in %) von Überlebenden mit:

Lebens-

erwartung Reproduktions- fähigkeit

starker Schädigung

geringfügiger Schädigung

Dominant 37 40 61 39

X- chromosomal 62 85 79 21

Rezessiv 74 91 87 13

Gesamt 58 69 74 26

Quelle: Costa et al. (20).

Fehlerquote, wenn man kosmetische Schäden korrigieren und normale Bildungs- und Arbeitsfähigkeit gewährleisten will (21). Das rasch zunehmende Wissen um die biochemischen Grundlagen der Erbkrank- heiten läßt sich bisher stärker in der Diagnose als in der Therapie ausnutzen.

Familien, in denen eine schwere Erbkrankheit auftritt, benötigen intensive soziale und psychologische Unterstützung, um chronische Behinderungen und die Gefahr frühen Todes bewältigen und lästige und eintönige Behandlungsformen ertragen zu können. Die medizinische Behandlung setzt Sorgfalt im Detail und ein anhaltend hohes Niveau voraus. Kinder mit zystischer Fibrose, die spezialisierte therapeutische Einrichtungen aufsuchen, leben nachweislich länger und mit höherer Lebensqualität als diejenigen, die von niedergelassenen Kinderärzten betreut werden (22). Viele Familien profitieren von regelmäßigen Kontakten im Rahmen einer Selbsthilfegruppe.

Die Schwere der Erbkrankheiten und ihre relative Behandlungs- unfähigkeit machen sie zu einem geeigneten Gegenstand der Prävention durch Erkennung der Genträger und durch Beratung, einschließlich des Angebots der Pränataldiagnostik. Die Wahrscheinlichkeit, Genträger zu erkennen, wird jedoch stark durch den Erbgang und die Grenzen der vorhandenen Technik beeinflußt.

Dominant vererbte Schädigungen gliedern sich in zwei Gruppen.

Die einen, z. B. die polyzystische Nierenkrankheit vom Erwachsenentyp

(31)

und die Huntington -Chorea, werden bei typischem Verlauf erst in späteren Lebensjahren manifest. Bei den Betroffenen findet sich fast immer eine Familienanamnese, und die Träger werden am besten durch Familienuntersuchungen erkannt. Demgegenüber sind schwer- wiegende frühmanifeste dominante, reproduktionshemmende Schädi- gungen (z. B. Osteogenesis imperfecta oder- früher - Achondroplasie) sehr oft auf neue Mutationen zurückzuführen und nicht durch Gen - trägererkennung voraussagbar.

Ein Drittel der Gene bei X- chromosomal gebundenen Störungen findet sich bei männlichen Personen. Bei der Erkennung einer ge- schädigten (oder hemizygoten) männlichen Person finden sich sofort mehrere weibliche Verwandte, die als Konduktorinnen in Frage kom- men. Etwa zwei Drittel der Gene finden sich bei weiblichen Hetero - zygoten. Bei ihnen besteht ein hohes Risiko, geschädigte Nachkommen zur Welt zu bringen; z. T. sind sie auch selbst durch eine unterschiedlich starke Inaktivierung ihrer beiden X- Chromosome geschädigt. In einem frühen Entwicklungsstadium des weiblichen Embryos wird eines der

beiden X- Chromosomen weitgehend inaktiviert. Es tritt als Barr- Körper auf, der die Umwandlung nicht teilungsfähiger Somazellen in Geschlechtszellen ermöglicht. Die Inaktivierung erfolgt hinsichtlich der elterlichen Herkunft des X- Chromosoms zufällig und wird über alle nachfolgenden Zellteilungen hinweg beibehalten. Da der Embryo zu diesem Zeitpunkt aus relativ wenigen Zellen besteht, können bei den unterschiedlichen Embryos statistisch mehr väterliche oder mehr mütterliche X- Chromosomen inaktiviert werden, so daß sich eine X- chromosomal gebundene Störung bei weiblichen Trägern unterschied- lich stark ausprägen kann.

So sind beispielsweise 10 % der Genträgerinnen des G- 6 -PDH- Defekts durch Neugeborenenikterus gefährdet (18), und bis zu 30 % der Genträgerinnen geistiger Retardierung infolge eines inaktivierten X- Chromosoms sind in ihrer Entwicklung schwer behindert (23).

Wenn geeignete Methoden zur Verfügung stehen, kann die Un- tersuchung weiblicher Verwandter und deren sachgerechte Beratung dazu führen, daß sie keine geschädigten Kinder bekommen. Die Inaktivierung ist die häufigste X- chromosomal gebundene Störung.

Sie findet sich bei 0,5 -1 von 1000 Einwohnern und ist damit als Ursache schwerer geistiger Retardierung fast ebenso wichtig wie das Down- Syndrom. Stünde ein zuverlässiger Genträgertest zur Verfügung, so könnte diese Schädigung durch genetisches Screening erkannt werden.

19

(32)

Die meisten Schadgene werden rezessiv vererbt. Bei den meisten Menschen findet sich mehr als ein rezessives Letalgen, doch Probleme entstehen lediglich in den vergleichsweise seltenen Fällen, bei denen Vater und Mutter das gleiche Schadgen aufweisen. Bei jeder Schwan- gerschaft besteht für diese Eltern das 25 %ige Risiko, ein geschädigtes Kind zu bekommen. Daher weist selbst das relativ seltene Auftreten einer Störung mit rezessivem Erbgang in einer Population auf das Vorhandensein einer recht großen Anzahl von Genträgern hin, wie in Abb. 2 dargestellt, und die meisten geschädigten Kinder werden sporadisch, ohne Familienanamnese, geboren. Wenn die Genträger häufiger Krankheiten, wie z. B. der in Tabelle 4 aufgeführten, erkannt werden können, sind sie eine geeignete Zielgruppe für genetische Reihenuntersuchungen. Exakte Genträger -Tests gibt es bereits für das Tay- Sachs- Syndrom und die Hämoglobinopathien. Zu den wichtigsten jüngsten Fortschritten der medizinischen Genetik gehört die Erkennung und Sequenzanalyse des für die zystische Fibrose verantwortlichen Gens (24); folglich werden derzeit Genträger -Tests auf DNS -Grundlage entwickelt.

Das Risiko, daß zwei Genträger der gleichen Krankheit mit rezes- sivem Erbgang ein Paar werden, wird durch die Heirat zwischen Blutsverwandten verschärft, die gleichfalls ein wichtiges Thema für die gemeindenahe genetische Beratung darstellt.

Erkennung der Genträger von Erbkrankheiten

Theoretisch sollte es möglich sein, die meisten Genträger dominant vererbter oder X- chromosomal gebundener Schädigungen anhand der Familienanamnese zu erkennen, doch gelten hier zahlreiche Ein- schränkungen. So ist die Familienanamnese ohne eindeutige Diagnose eines Probanden nur von begrenztem Wert; hierzu sind ein klinischer Genetiker und die Möglichkeiten eines genetischen Diagnostikzentrums erforderlich. Der Erbgang kann verdeckt werden, wenn Personen mit spätmanifesten Schäden zu einem früheren Zeitpunkt aus anderer Ursache sterben. X- chromosomal gebundene Schäden können in weib- licher Linie unauffällig über mehrere Generationen hinweg vererbt werden. Außerdem zeigen sich bei Störungen mit dominanter Verer- bung häufig unterschiedliche Genexpressivität und -penetranz. Ex- pressivität bezeichnet den Grad der Belastung eines Genträgers; Pene- tranz bezieht sich auf den Anteil der klinisch belasteten Genträger.

Unter bestimmten Bedingungen wird beispielsweise jeder Genträger

(33)

Abb. 2: Zusammenhang zwischen der Geburtsrate von Homozygoten mit rezessiv vererbten Krankheiten und Genträgerhäufigkeit

24 22 i20

ô 160

ôa rn

ô 6

Eo 4

2

2

- Ahornsirupkrankheit - Homocystinurie

- Galaktosämie - Phenylketonurie

^ Angeborene Nebennierenrindenhyper- plasie a- Antitrypsinmangel

- zystische Fibrose

-

Hämochromatose

- Thalassämie bei Pakistanis Sichelzell- anämie bei Bewohnern der West- indischen Inseln

_ Thalassämie bei Zyprioten

Sichelzell- anämie bei West- afrikanern

t I I I

4 8 12 16 20

Genträger (% der Bevölkerung) Quelle: Royal College of Physicians (15).

I I

24 28

letztendlich geschädigt, unter anderen hingegen können ganze Genera- tionen übersprungen werden - dann fehlt auch bei einem eindeutigen Genträger jegliches Krankheitsbild. Desweiteren ist die relativ große Häufigkeit neuer Mutationen auch ein wichtiges Problem bei der Voraussage dominanter und X- chromosomal gebundener Schädigungen.

So haben nur zwei Drittel aller Jungen mit Duchenne -Muskeldystrophie gengeschädigte Mütter. Es gibt auch umweltbedingte sowie genetische Ursachen für das gehäufte Auftreten von Krankheiten in einer Familie.

Aus all diesen Gründen bedarf es zur Genträgererkennung und Pränataldiagnostik bei Schädigungen mit dominantem oder X -chro- mosomalem Erbgang eines hohen Fachwissens und der Zusammenschau klinischer, biochemischer, familienbezogener und sozialer Daten. Diese Aufgaben müssen durch einen kompetenten Spezialisten (oft einen klinischen Genetiker) mit guter Kenntnis der psychologischen wie

21

(34)

auch technischen und medizinischen Aspekte der genetischen Dia- gnostik bzw. unter dessen fachlicher Aufsicht gelöst werden.

Psychologische Faktoren sind bei dominant vererbten Schäden besonders wichtig, da die Erkennung der Genträger auf eine prä- symptomatische Diagnose hinausläuft. Wenn rechtzeitiges Handeln, wie bei der polyzystischen Nierenkrankheit vom Erwachsenentyp, einige pathologische Folgen verhindern kann, dann wird manchen Risikopersonen dieses Wissen unter Umständen willkommen sein

(25). Die Implikationen eines solchen Vorauswissens sind jedoch dann besonders kompliziert, wenn - wie etwa bei der Huntington -Chorea

-

keine wirksame Therapie zur Verfügung steht.

Diese progressive Störung des Zentralnervensystems mit domi- nantem Erbgang führt zu unkontrollierten unwillkürlichen Bewegungen und zu fortschreitender körperlicher und geistiger Behinderung. Meist wird diese Krankheit im vierten oder fünften Lebensjahrzehnt manifest und führt binnen 20 Jahren zum Tode. Die meisten Risikopersonen haben die Krankheit unmittelbar bei einem nahen Verwandten miterlebt.

Genträgertests und Pränataldiagnostik sind mittlerweile möglich, doch es nimmt nicht wunder, daß davon nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht wird (26, 27). Interessanterweise läßt sich die Pränataldia- gnostik zuweilen durch Ausschlußtests unter Verwendung von DNS-

Methoden durchführen; dadurch kann es dem Risikoelternteil erspart bleiben, von seinem Genträgerstatus zu erfahren (28).

Die Huntington -Chorea wird auf dem Chromosom 4 vererbt. Da ein Embryo von beiden Eltern je ein Chromosom 4 erbt, besteht eine 50 %ige Wahrscheinlichkeit, daß er je ein Chromosom 4 von allen vier Großeltern erbt. Mit DNS -Methoden und Familienstudien läßt sich oft herausfinden, welche Großeltern dem Embryo ein Chromosom 4 vererbt haben. Ein solches Chromosom kann die Huntington -Chorea tragen, und der Embryo ist ebenso wie das gentragende Elternteil zu 50 % gefährdet zu erkranken. Die Eltern können entscheiden, die Schwangerschaft ohne weitere Diagnostik abzubrechen. Stammt das Chromosom 4 des Embryos von einem nicht gentragenden groß- elterlichen Vorfahren, so ist auch der Embryo nicht geschädigt, und die Schwangerschaft braucht nicht abgebrochen zu werden. Aus-

schlußtests erbringen demnach eine 50 %ige Chance, die Schwan- gerschaft beruhigt austragen zu können. Das ist bei weitem keine befriedigende Lösung, dennoch aber ein Schritt zur Verbesserung der Lebensqualität für Menschen, die durch die Huntington -Chorea gefährdet sind.

(35)

Wenn Mitarbeiter der primären Gesundheitsversorgung die Gen- träger dominanter und X- chromosomal gebundener Schäden erkennen und beraten, müssen sie die Familienanamnese sorgfältig beachten und gefährdete Familien zur Beratung an Spezialisten überweisen. Durch eine sachgerechte medizinisch -genetische Beratung und ein problem- bewußtes System der Primärversorgung läßt sich ein Großteil der familiengebundenen genetischen Krankheitsfälle voraussagen und demzufolge verhüten oder vermeiden (s. Anhang 1).

Die Familienanamnese versagt besonders bei der rechtzeitigen Erkennung von Trägern rezessiv vererbter Schäden, da die meisten Risikopaare erst erkennbar sind, wenn die Diagnose eines geschädigten Kindes ergeben hat, daß beide Eltern Genträger sind. Eine solche retrospektive Erkennung und Beratung kann es den Eltern ermöglichen, keine weiteren geschädigten Kinder zu bekommen, wirkt sich aber kaum auf die Gesamtgeburtenziffer belasteter Kinder aus. Die pro- spektive Trägererkennung durch Screening der Gesamtbevölkerung mit eindeutigen, von der Familienanamnese unabhängigen Tests ist die einzige Methode, die sich signifikant auf die Inzidenz rezessiv vererbter Krankheiten auswirken kann. Aktive gemeindenahe Präventionspro- gramme auf der Grundlage von Genträgerscreening haben zu einem signifikanten Rückgang der Geburtsrate des Tay- Sachs- Syndroms in Nordamerika(29)sowie der Thalassämie, besonders in Südeuropa(5), geführt. Diese Programme haben viele Fragen zu den sozialen Aus- wirkungen des Heterozygotenscreening und seiner künftigen Rolle in der primären Gesundheitsversorgung und im öffentlichen Gesund- heitsbereich beantwortet. Die kürzliche Entdeckung des für die zystische Fibrose verantwortlichen Gens stellt eine Herausforderung dar, das genetische Screening der Gesamtbevölkerung in ganz Europa aufzu- bauen, für das die Erfahrungen der vorhandenen Programme für das genetische Screening generell von Nutzen sein dürften.

Häufigkeit angeborener Mißbildungen und gesundheitliche Belastung

Die demographischen Eckdaten für die Europäische WHO- Region (30 -33)bilden die Grundlage des vorliegenden Berichts (s. Tabelle 6).

In allen Ländern sinkt die Säuglingssterblichkeit weiter, auch die Geburtenziffern gehen zurück oder haben sich auf niedrigem Niveau eingependelt. Die Bevölkerung nimmt noch zu, vor allem weil die

23

(36)

Tabelle 6: Demographische Basisdaten für die Europäische WHO- Region (1980 -1984)

Land bzw. Region Einwohner (in 1000)

Bevölkerungs- zuwachs in 36 Jahren

( %)

Geburten- rate 1982 pro 1000 Einwohner

Säuglings- sterblichkeit

1986 (pro 1000

Lebend- geborene)

Fertilitäts- rate (Gebur- ten pro 1000 Frauen im

Alter von 15 bis 50 Jahren)

Au ßer- eheliche Geburten-

rate (%)

Scheidungs- rate (pro 1000

Ehen pro Jahr)

1948 1984

Albanien 1 164 3 022 + 149,0 26,2 10,3 112,2

-

0,83

Belgien 8557 9913 + 1,5 11,8 9,7 49,1 5,7 1,86

Bulgarien 7 130 8 959 + 38,3 13,4 14,5 56,2 11,4 1,60

Dänemark 4 190 5 121 + 22,0 10,8 7,9 42,2 43,0 2,83

Deutsche Demokratische

Republik 19 066 16 624 - 13,6 13,4 9,2 53,4 33,8 3,08

Deutschland,

Bundesrepublik 48299 61 048 + 26,7 10,2 8,9 37,5 9,4 2,10

Finnland 3 912 4 918 + 24,8 12,4 6,3 50,2 15,1 1,93

Frankreich 41 044 55392 + 33,8 14,1 7,9 57,6 19,6 1,95

Griechenland 7 749 9 966 + 27,7 11,3 12,3 56,0 1,8 0,87

Irland 2 985 3 537 + 18,4 17,5 10,1 78,1 7,8

-

Island 137 243 + 74,0 15,6 6,1 69,3 47,1 2,05

Israel

-

4296

-

23,1 11,4 99,6 1,0 1,16

Italien 46 381 57 221 + 22,9 10,1 10,9 41,5 4,4 0,29

Jugoslawien 15 901 23 271 + 43,4 15,4 27,3 64,2 8,4 0,90

Luxemburg 292 363 + 24,3 11,2 9,0 43,8 8,7 1,81

Malta 306 385 + 24,2 14,2 13,6 61,8 1,2

-

Norwegen 3201 4 169 + 29,3 12,6 8,5 50,9 25,8 1,95

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