• Aucun résultat trouvé

Zusammenfassung und Fazit

Dans le document Asile et abus = Asyl und Missbrauch : (Page 124-130)

construction et développement d’une nouvelle figure emblématique des

5 Zusammenfassung und Fazit

Der Begriff des Wirtschaftsflüchtlings wird oft pejorativ für Menschen ver-wendet, deren Fluchtgründe und -motive primär als wirtschaftlich qualifiziert werden, und deshalb angeblich weder die Kriterien der völkerrechtlichen Definition des Flüchtlings erfüllen noch vom nationalen asylrechtlichen Schutz erfasst werden sollen. Aufgrund der reduktionistischen und unreflektiert ver-wendeten Dichotomie zwischen legitimen, anerkannten Schutzsuchenden auf der einen, und illegitimen «Wirtschaftsflüchtlingen» auf der anderen Seite, sehen sich die aus «wirtschaftlichen» Gründen und Motiven Schutzsuchenden mit dem Vorwurf des Asylmissbrauchs konfrontiert, wenn sie im Wissen um die Tatsache ihres eigentlichen rechtlichen Status ein Asylgesuch stellen. Nur ein relativ kleiner Teil der migrationswissenschaftlichen Literatur erkennt und kritisiert zu Recht die Grauzonenproblematik der Einordnung von schutz-suchenden Menschen auf einem Legalitäts- und Legitimitätsspektrum vor dem Hintergrund, dass es z. B. auch in Kriegsgebieten zu wirtschaftlichen Güterengpässen kommen kann, die schlussendlich ausschlaggebend für die Flucht sein können oder umgekehrt auch wirtschaftliche Not jederzeit mit (versteckter) Gewalt und Verfolgung zu tun haben kann.

Dieser Beitrag setzte sich das Ziel, noch einen Schritt weiterzugehen, und die Grundannahmen und Denkstrukturen hinter dem Begriff des Wirt-schaftsflüchtlings aus einer wirtschaftsethischen Perspektive zu untersuchen.

Damit wurde der normative und geltungslogische Status des Konzepts des Wirtschaftsflüchtlings selbst in Frage gestellt. Dabei wurde festgestellt, dass es der vorherrschenden politischen und rechtlichen Verwendung dieses Konzeptes eklatant an Kohärenz und Stichhaltigkeit mangelt. Wie gezeigt werden konnte, ist es grundlegend selbstwidersprüchlich anhand des Kriteriums der «wirtschaftlichen» Sachverhalte zwischen legitimer Flucht und illegiti-mer Flucht zu unterscheiden, da es paradoxerweise eine rein wirtschaftliche Eigenlogik ausserhalb einer unbedingten Grenzöffnungsmaxime gar nicht geben kann. Es bleibt aus prinzipiellen Gründen auch dann ein grundlegender

Kategorienfehler, wenn diese Differenzierung quasi aus der Not einer nicht-idealen Welt der notwendigen Obergrenzen getroffen wird, selbst wenn man eigentlich idealerweise für offenere Grenzen einstehen würde (vgl. Carens 2012: 33–34).

Die als paradox entlarvte Grundstruktur des als abschottende Kate-gorie verwendeten, pejorativen Begriffs des Wirtschaftsflüchtlings verweist auf eine ganz grundsätzliche ethische Problematik in der heutigen asylpoli-tischen und asylrechtlichen Diskussion. Diese Problematik weist weit über den ökonomistisch verengten Denkraum hinaus, in dem der Begriff des Wirtschaftsflüchtlings sich zumeist bewegt, und kann durch eine integrativ wirtschaftsethische Analyse entzaubert werden.21 Der meist nicht reflektierte Ökonomismus hinter dem Asylmissbrauchsvorwurf im Kontext des «Wirt-schaftsflüchtlings» delegitimiert bei genauer Analyse das Missbrauchsargument selbst, da sich der hier inhärente Ökonomismus stringent zu Ende gedacht gegen das eigene normative Fundament richtet: Das Konzept des politisch oder rechtlich verwendeten Wirtschaftsflüchtlings samt folgendem Missbrauchsar-gument entzieht sich selbst den normativen Boden, auf dem es steht. Somit soll dieser Beitrag auch als Anstoss zu einer grundlegenden Reflexion in der aktuellen Asyldebatte und speziell in der Missbrauchsdiskussion dienen und dazu auffordern, die grundlegenden Prämissen hinter normativ aufgeladenen Begriffen wie «Wirtschaftsflüchtling» und «Asylmissbrauch» genau zu prüfen und zu hinterfragen.

Literaturverzeichnis

Ackermann, Volker (1995). Der ‹echte› Flüchtling – Deutsche Vertriebene und Flücht-linge aus der DDR 1945–1961 [Studien zur Historischen Migrationsforschung (SHM), Bd. 1; Klaus J. Bade (Hrsg.)], Osnabrück, Universitätsverlag Rasch.

Apel, Karl-Otto (2011). Paradigmen der Ersten Philosophie, Berlin, Suhrkamp.

Arendt, Hannah (2016 [1943]). Wir Flüchtlinge [übers. von Eike Geisel, mit einem Essay von Thomas Meyer], Stuttgart, Reclam.

Bade, Klaus J. (1994). Ausländer – Aussiedler – Asyl: Eine Bestandsaufnahme [Beck’sche Reihe, Bd. 1072], München, Beck.

Bade, Klaus J. (2015). «Zur Karriere und Funktion abschätziger Begriffe in der deutschen Asylpolitik», Aus Politik und Zeitgeschehen (APuZ) 65(25), 3–8.

21 Die von der integrativen Wirtschaftsethik begründete Ökonomismuskritik lässt sich nicht nur auf den Begriff des «Wirtschaftsflüchtlings» anwenden, sondern eignet sich dazu, auch andere auf wirtschaftliche Sachverhalte bezogene Argumentationen innerhalb der Asyl- und Migrationsdiskussion zu reflektieren und kritisch zu hin-terfragen. Genannt seien hier z. B. die (sogenannten) «refugee economies» (Betts et al. 2017).

Bader, Veit (2005). “The ethics of immigration”, Constellations 12(3), 331–361.

Betts, Alexander, Louise Bloom, Josiah Kaplan und Naohiko Omata (2017). Refugee economies. Forced displacement and development, Oxford, Oxford University Press.

Booms, Martin (2013). Philosophie und Wirtschaft. Die nicht-ökonomischen Grundlagen von Ökonomie, Begleitbuch zur Vorlesungsreihe «Philosophie und Wirtschaft»

im Wintersemester 2013/2014, Universität Bonn.

Carayol, Rémi (2019). «Kein Weg mehr durch Agadez» [übers. von Claudia Steinitz], Le Monde diplomatique, Ausgabe Schweiz, Juni 2019, 8–9.

Carens, Joseph H. (2012). «Fremde und Bürger: Weshalb Grenzen offen sein sollten», in Cassee, Andreas und Anna Goppel (Hrsg.), Migration und Ethik, Münster, Mentis, 23–46.

Carens, Joseph H. (2013). The ethics of immigration, New York, Oxford University Press.

Cassee, Andreas (2012). «Das Recht zu bleiben. Irreguläre Migration und die Erfor-dernisse der Gerechtigkeit», in Cassee, Andreas und Anna Goppel (Hrsg.), Migration und Ethik, Münster, Mentis, 211–232.

Castles, Stephan und Sean Loughna (2005). “Trends in asylum migration to industrial-ized countries, 1990–2001”, in Borjas, George J. und Jeff Crisp (Hrsg.), Poverty, international migration and asylum, New York, Palgrave Macmillan, 39–69.

Chang, Howard F. (1997). “Liberalized immigration as free trade: Economic welfare and the optimal immigration policy”, University of Pennsylvania Law Review 145, 1147–1244.

Cheneval, Francis und Johan Rochel (2012). «Rimessen, Personenfreizügigkeit und globale Gerechtigkeit», in Cassee, Andreas und Anna Goppel (Hrsg.), Migration und Ethik, Münster, Mentis, 169–184.

Cremer, Hendrik (2016). «Menschenrecht Asyl», Aus Politik und Zeitgeschehen (APuZ) 66(10-11), 40–44.

Ditlmann, Ruth, Ruud Koopmans, Ines Michalowski, Anselm Rink und Susanne Veit (2016). «Verfolgung vor Armut. Ausschlaggebend für die Offenheit der Deutschen ist der Fluchtgrund», WZB-Mitteilungen 151, März 2016, 24–27.

Frei, Nula, Teresia Gordzielik, Clément de Senarclens, Anne-Cécile Leyvraz und Robin Stünzi (2014). « La lutte contre les abus dans le domaine de l’asile : émergence et développement d’un discourt structurant le droit d’asile suisse », Jusletter, 17. März 2014.

Friedman, Milton (1970, 13. September). “The social responsibility of business is to increase its profits”, New York Times Magazine, 32-33, 122–124. Abgerufen am 12.07.2020 von http://www.umich.edu/~thecore/doc/Friedman.pdf Friedman, Milton (2006 [1962]). Kapitalismus und Freiheit (3. Aufl. mit einem Vorwort

von Horst Siebert) [übers. von Paul C. Martin], Frankfurt a.M., Eichborn.

Gibney, Matthew J. (2004). The ethics and politics of asylum. Liberal democracy and the response to refugees, Cambridge, Cambridge University Press.

Gibney, Matthew J. (2018). “The ethics of refugees”, Philosophy Compass 13(10), 1–9.

Hayek, Friedrich A. von (1973). Rules and order [Law, legislation and liberty, Bd. 1], London, Routledge & Kegan Paul.

Höfling-Semnar, Bettina (1995). Flucht und deutsche Asylpolitik. Von der Krise des Asylrechts zur Perfektionierung der Zugangsverhinderung, Münster, Westfälisches Dampfboot.

Iregui, Ana M. (2005). “Efficiency gains from the elimination of global restrictions on labour mobility: An analysis using a multiregional CGE model”, in Borjas, George J. und Jeff Crisp (Hrsg.), Poverty, international migration and asylum, New York, Palgrave Macmillan, 211–238.

Köllmannn, Carsten (2012). «Migration in die Illegalität», in Cassee, Andreas und Anna Goppel (Hrsg.), Migration und Ethik, Münster, Mentis, 233–252.

Kopp, Karl (2015). «Die Europäische Flüchtlings- und Asylpolitik in Trümmern», Asyl 30(4), 8-14.

Marti, Urs (2012). «Mein und Dein: Eigentum oder Eigenart? Überlegungen zur Begründbarkeit eines Rechts auf Exklusion», in Cassee, Andreas und Anna Goppel (Hrsg.), Migration und Ethik, Münster, Mentis, 89–105.

Miller, David (2012). «Einwanderung: Das Argument für Beschränkungen», in Cassee, Andreas und Anna Goppel (Hrsg.), Migration und Ethik, Münster, Mentis, 47–65.

Mona, Martino (2012). «Recht auf Einwanderung oder Recht auf politisch-kulturelle Selbstbestimmung? Zur kommunitaristischen Kritik an einer liberalen Mig-rationspolitik», in Cassee, Andreas und Anna Goppel (Hrsg.), Migration und Ethik, Münster, Mentis, 147–168.

Moses, Jonathon W. und Bjørn Letnes (2005). “If people were money: Estimating the gains and scope of free migration”, in Borjas, George J. und Jeff Crisp (Hrsg.), Poverty, international migration and asylum, New York, Palgrave Macmillan, 188–210.

Nassehi, Armin (2015). «Asylrecht in Deutschland: Der Hass auf den ‹Wirtschafts-flüchtling›», Sozialwissenschaften und Berufspraxis (SuB) 38(2), 304–308.

Pastore, Ferruccio und Irene Ponzo (2015). “How the migration and asylum crisis is changing the EU: cleavages, risks and possible developments towards a stronger political union”, Asyl 30(4), 3–7.

Polanyi, Karl (2012 [1944]). The great transformation: The political and economic ori-gins of our time (2. Aufl. mit einem Vorwort von Joseph E. Stiglitz und einer Einleitung von Fred Block; 13. Nachdruck), Boston, MA, Beacon Paperback.

Price, Matthew E. (2009). Rethinking asylum: History, purpose, and limits, Cambridge, Cambridge University Press.

Rochel, Johan (2016). Repenser l’immigration. Une boussole éthique, Lausanne, Presses polytechniques et universitaires romandes.

Schlothfeldt, Stephan (2012). «Dürfen Notleidende an den Grenzen wohlhabender Länder abgewiesen werden?», in Cassee, Andreas und Anna Goppel (Hrsg.), Migration und Ethik, Münster, Mentis, 199–209.

Shacknove, Andrew E. (1985). “Who is a Refugee?”, Ethics 95(2), 274–284.

Smith, Adam (1979 [1784]). “An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations” in Campbell, R. H. und A. S. Skinner (Hg), The Glasgow Edition of the Works and Correspondence of Adam Smith, Oxford, Oxford University Press.

Tagesschau (2016, 03. Februar). «ARD-DeutschlandTrend. AfD würde drittstärkste Kraft» Tagesschau.de [Online-Nachrichtenservice der ARD], abgerufen am 12.07.2020 von http://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend-475.html Ulrich, Peter (1993). Transformation der ökonomischen Vernunft. Fortschrittsperspektiven

der modernen Industriegesellschaft (3. überarb. Aufl.), Bern, Haupt.

Ulrich, Peter (2008). Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie (4. überarb. Aufl.), Bern, Haupt.

Ulrich, Peter (2015a). «Auf der Suche nach der ganzen ökonomischen Vernunft.

Der Ansatz der integrativen Wirtschaftsethik», in Aaken, Dominik van und Philipp Schreck (Hrsg.), Theorien der Wirtschafts- und Unternehmensethik, Berlin, Suhrkamp, 213–236.

Ulrich, Peter (2015b). «Grundideen und Entwicklungslinien integrativer Wirtschaft-sethik», in Beschorner, Thomas, Peter Ulrich und Florian Wettstein (Hrsg.), St. Galler Wirtschaftsethik: Programmatik, Positionen, Perspektiven, Marburg, Metropolis, 29–60.

UNHCR (2016). Global Report 2015, Abgerufen am 12.07.2020 von http://www.

unhcr.org/gr15/index.xml

Wellman, Cristopher H. (2011). “Freedom of association and the right to exclude”, in Wellman, Christopher H. und Phillip Cole (Hrsg.), Debating the ethics of immigration: Is there a right to exclude?, New York, Oxford University Press, 13–155.

Wellman, Cristopher H. und Phillip Cole (2011). Debating the ethics of immigration:

Is there a right to exclude?, New York, Oxford University Press.

Young, Carson (2014). Global poverty, migration, and guest worker programs, Dis-sertation, Georgia State University, abgerufen am 12.07.2020 von http://

scholarworks.gsu.edu/philosophy_theses/148/

II

Discours et

Dans le document Asile et abus = Asyl und Missbrauch : (Page 124-130)