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In diesem Kapitel soll eine kurze Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit erfolgen, insbesondere hinsichtlich der aus den Untersuchungen gewonnen Erkenntnisse. Des Weiteren sollen auch ein Ausblick auf mögliche weitere Untersuchungen gegeben werden und mögliche Lösungsansätze besprochen werden.

6.1. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Im Rahmen der Analyse der Terminologie im Lebensmittelbereich in Rechtsakten der Europäischen Union hat sich zunächst gezeigt, dass das in diesem Bereich geltende Protokoll Nr. 10 über die Verwendung von 23 österreichischen Ausdrücken in den EU-Rechtsakten in der Praxis nicht immer wie vorgegeben angewendet wird. Besonders auffällig war dabei, dass es nicht nur zu vollständigen Auslassungen von Austriazismen kam, sondern auch viele Beispiele einer uneinheitlichen Verwendung innerhalb eines Rechtsakts gefunden werden konnten. Besonders häufig traten Probleme in jenen Bereichen auf, die im Protokoll Nr. 10 nicht sehr präzise geregelt sind (z.B. Umgang mit verwandten Wörtern der 23 Termini wie hacken/faschieren). Somit ist es den einzelnen Verfassern und Verfasserinnen der Rechtstexte überlassen, persönliche Entscheidungen in Bezug auf diese Aspekte zu treffen.

Zudem konnte v.a. bei längeren Rechtsakten eine hohe Anfälligkeit für Uneinheitlichkeit beobachtet werden, was auf eine hohe Anzahl von an der Abfassung beteiligten Personen schließen lässt.

In Bezug auf weitere Austriazismen konnte anhand verschiedener Beispiele verdeutlicht werden, dass das österreichische Deutsch, wenn überhaupt, nur sporadisch und zusätzlich zu den bundesdeutschen Ausdrücken berücksichtigt wird. Im Gegensatz dazu wurden einige typisch bundesdeutsche Ausdrücke gefunden, denen kein österreichisches Äquivalent nachgestellt wurde, obwohl diese Teutonismen in Österreich unüblich sind.

Anhand der Beispiele in Kapitel 4.3. konnte aufgezeigt werden, dass sich Österreich auch bei der Umsetzung von Richtlinien nicht aktiv für eine Anpassung an das österreichische Deutsch einsetzt. In den meisten Fällen kommt es zu einer direkten Übernahme der Terminologie aus den EU-Richtlinien, wodurch bundesdeutsche Termini Eingang in die österreichische Rechtsordnung finden. Daher kommt es auf dem Wege der EU zu einer Einführung

65 bundesdeutscher Terminologie in Österreich, wodurch sich der Sprachgebrauch in Deutschland und Österreich in von der EU geregelten Bereichen immer mehr angleicht.

Doch die Plurizentrik der deutschen Sprache in der EU hat auch Auswirkungen auf die EU.

V.a. für Übersetzer und Übersetzerinnen, die einen Großteil der deutschen Sprachfassungen in der EU produzieren, führt die Berücksichtigung einer weiteren Varietät bzw. das Finden neuer Lösungen bei komplizierten Texten zu einem Mehraufwand.

Des Weiteren könnte sich Österreich eventuell auf sein Recht auf Anerkennung von Austriazismen berufen und die Hinzufügung weiterer österreichischer Ausdrücke zum Protokoll Nr. 10 fordern. Dass dies tatsächlich durchgeführt wird, ist allerdings mehr als ungewiss. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass andere oder auch künftige Mitgliedstaaten vom Protokoll Nr. 10 ein Recht auf Anerkennung ihrer Varietät ableiten wollen.

6.2. Ausblick und Schlussworte

Aufgrund der hohen Anzahl von EU-Rechtsakten im Lebensmittelbereich und des beschränkten Umfangs der vorliegenden Arbeit konnte nur ein geringer Korpus ausgewählt werden.

Bei künftigen längeren Untersuchungen wäre eine systematische Untersuchung aller Rechtsakte in diesem Bereich geeigneter, um noch aufschlussreichere Aussagen (beispielsweise prozentuelle Angaben zur Berücksichtigung des Protokolls Nr. 10) zu machen.

Auch eine Untersuchung im Verwaltungsbereich würde sich anbieten, weil es sich auch hierbei um ein Gebiet mit einer hohen Dichte an unterschiedlicher bundesdeutscher und österreichischer Terminologie handelt. Ebenso könnten Untersuchungen anderer Aspekte des österreichischen Deutsch, beispielsweise der Grammatik, neue aufschlussreiche Informationen liefern. Dazu wäre wahrscheinlich ein wesentlich größerer Korpus nötig, um überhaupt Ergebnisse zu erhalten, da die Unterschiede zwischen österreichischem und bundesdeutschem Deutsch in anderen Bereichen als der Lexik geringfügig sind. Besonders interessant wäre es auch, die Verwendung von Austriazismen in EU-Rechtsakten im Laufe der Zeit zu beobachten, um herauszufinden, ob es seit dem Beitritt Österreichs zu Veränderungen kam. Dies ließ sich anhand des bescheidenen Korpus der vorliegenden Arbeit nicht feststellen.

66 Anhand der vorliegenden Arbeit hat sich aber schon gezeigt, dass die Anerkennung der österreichischen Varietät der deutschen Sprache zu Problemen bei der tatsächlichen Anwendung führt, da diese nicht einheitlich geschieht.

Ein erster Schritt zur Verbesserung und Vereinheitlichung wäre die Einführung präziser Regeln in den Bereichen, in denen dies möglich ist. Beispielsweise wäre die Anwendung des Protokolls Nr. 10 für Übersetzer und Übersetzerinnen einfacher, wenn es in Bezug auf Punkte wie verwandte Wörter der Termini (hacken/faschieren) oder mit diesen Termini gebildete Komposita eindeutige, einfach anzuwendende Regeln gäbe, die keinen großen Mehraufwand bedeuten.

Gerade die Vorschrift aus dem von Markhardt zitierten internen Papier Spezifisch österreichische Ausdrücke (zit. nach Markhardt, 2005, S. 188), dass Österreich bei Komposita jeweils aufzeigen müsse, dass sich diese bereits in der österreichischen Rechtsordnung wiederfinden, lässt sich in der Praxis aufgrund der zeitlich knappen Termine und des Aufwandes pro Terminus wohl kaum anwenden. In einem solchen Fall wäre es empfehlenswert gewesen, bereits bei der Verabschiedung des Protokolls Nr. 10 eine einheitliche Regel für Komposita aufzustellen oder gegebenenfalls eine Liste mit Komposita zu erstellen, in der jeweils angegeben wird, ob der österreichische Ausdruck ebenfalls berücksichtigt werden muss.

Wichtig wäre bei längeren Rechtsakten, an deren Abfassung mehrere Personen beteiligt sind, auch die bessere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Beteiligten bzw. eine gezielte Absprache über die Verwendung oder Nichtberücksichtigung von Austriazismen. Dies würde zumindest zu einer einheitlicheren Anwendung innerhalb eines Rechtsakts führen.

Da das Protokoll Nr. 10 geschaffen wurde, um den Eingang bundesdeutscher Termini in die österreichische Rechtsordnung zu verhindern, sollte dieses Prinzip in Österreich auch respektiert werden. V.a. bei den Ausdrücken aus dem Protokoll Nr. 10 sollte die Doppelnennung aus den EU-Richtlinien in den österreichischen Umsetzungsrechtsakten nicht übernommen werden, da dadurch das Ziel des Protokolls Nr. 10 verfehlt wird. Auch bei anderen typisch bundesdeutschen Ausdrücken oder Schreibweisen, die in Österreich unüblich sind, wäre es überlegenswert, Anpassungen durchzuführen. Anhand der Beispiele aus Kapitel 4.3. hat sich jedoch gezeigt, dass dies höchstwahrscheinlich aufgrund des Mehraufwandes häufig nicht der Fall ist.

Unwahrscheinlich ist, dass in Zukunft eine vollständige Berücksichtigung des österreichischen Deutsch in der EU erfolgt, da es sich beim Protokoll Nr. 10 um keine

67 Generalklausel handelt und sich Österreich mit dieser Regelung bisher zufriedengab. Zudem wären für eine vollständige Berücksichtigung beider Varietäten beispielsweise zusätzliche Terminologen bzw. Terminologinnen und Spezialisten bzw. Spezialistinnen aus Deutschland und Österreich erforderlich, die die fertig übersetzten Rechtsakte auf die Verwendung der Terminologie überprüfen. Eine andere Möglichkeit wäre die Einführung von Schulungen für die Übersetzer und Übersetzerinnen zu diesem Thema, um ihr Bewusstsein hinsichtlich dieses Aspekts zu schärfen. Aufgrund der dadurch entstehenden Kosten und des Aufwandes ist damit zumindest im Hinblick auf die österreichische Varietät nicht zu rechnen.

Im Gegensatz dazu könnten jedoch v.a. künftige Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Protokolls Nr. 10 auf eine ähnliche oder noch ausführlichere Regelung zur Anerkennung ihrer Varietät einer Sprache drängen. Gerade aufgrund der Anerkennung der österreichischen Varietät und der ausgiebigen Regelungen in Bezug auf die Achtung und den Schutz der nationalen wie auch regionalen Kultur aller Mitgliedstaaten wäre es in einem solchen Fall für die EU schwer, stichhaltige Argumente gegen eine Anerkennung zu finden.

Somit hat die Plurizentrik der deutschen Sprache innerhalb der EU nicht nur Folgen für Österreich und die Union, ihre Anerkennung durch die EU könnte sich künftig auch auf andere Sprachen und Mitgliedstaaten auswirken.

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