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4. Terminologische Untersuchung im Lebensmittelbereich

4.2. Untersuchung der Verwendung weiterer österreichischer Varianten in den

Obwohl im Protokoll Nr. 10 nur 23 österreichische Ausdrücke aufgelistet sind, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Verwendung anderer österreichischer Varianten untersagt ist. Es könnten in der EU also grundsätzlich mehr als diese 23 Ausdrücke berücksichtigt werden, auch wenn bei anderen Varianten keine zwingende Verwendung in bestimmten Dokumenten vorgesehen ist.

Im Folgenden werden sowohl Beispiele von Rechtsakten aufgezeigt, in denen eine Berücksichtigung zusätzlicher Austriazismen erfolgte, als auch von anderen Rechtsakten, in denen auf das österreichische Äquivalent bundesdeutscher Ausdrücke, die in Österreich kaum bis gar nicht verwendet werden, verzichtet wurde. Der Korpus besteht abermals aus vier Beispielen von Richtlinien, Verordnungen und Entscheidungen. Diese wurden unter den Ergebnissen einer Suche nach Teutonismen und Austriazismen aus dem Lebensmittelbereich in der Datenbank EUR-Lex ausgewählt. Teilweise erfolgt auch hier eine Analyse der vorhergehenden oder nachfolgenden Rechtsakte zu den Beispielen, um Vergleiche zu

48 ABl. L 37 vom 12.2.2008 (S. 3–8), verfügbar unter

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:037:0003:0008:DE:PDF [20.6.2013]

44 ermöglichen. Da in einigen Rechtsakten auch jene Ausdrücke aus dem Protokoll Nr. 10 vorkommen, sollen auch sie in diesem Abschnitt nicht unberücksichtigt bleiben und ihre Anwendung kurz erläutert werden.

4.2.1. Richtlinie 92/33/EWG und Richtlinie 2008/72/EG

Ein erstes Beispiel für eine Berücksichtigung zusätzlicher Austriazismen ist die Richtlinie 92/33/EWG des Rates vom 28. April 1992 über das Inverkehrbringen von Gemüsepflanzgut und Gemüsevermehrungsmaterial mit Ausnahme von Saatgut49, die nach mehreren Änderungen durch die Richtlinie 2008/72/EG des Rates vom 15. Juli 2008 über das Inverkehrbringen von Gemüsepflanzgut und Gemüsevermehrungsmaterial mit Ausnahme von Saatgut (kodifizierte Fassung)50 kodifiziert wurde.

In deren Anhang II werden in einer Liste die Gattungen und Arten aufgeführt, auf die sich diese Richtlinie bezieht. In der neuen Fassung des Anhangs aus der Richtlinie 2008/72/EG gibt es im Gegensatz zum ursprünglichen Anhang der Richtlinie 92/33/EWG für manche Gemüsebezeichnungen neben den lateinischen Bezeichnungen nunmehr zwei deutsche Ausdrücke, nämlich einen bundesdeutschen und einen österreichischen, die durch die Konjunktion oder verbunden werden. Dazu zählen jedoch nicht nur Ausdrücke aus dem Protokoll Nr. 10 (z.B. „Rosenkohl oder Sprossenkohl“), auch andere Austriazismen werden gemeinsam mit ihren bundesdeutschen Äquivalenten aufgenommen (z.B. „Weißkohl oder Weißkraut“ und „Rotkohl oder Rotkraut“, wobei es sich beim ersten Ausdruck um die bundesdeutsche Bezeichnung, beim zweiten um die österreichische handelt (vgl. Duden-redaktion, 2007, S. 1410, 1910)).

Auffallend ist jedoch, dass trotz der zusätzlichen Berücksichtigung von Austriazismen nicht einmal alle Austriazismen aus dem Protokoll Nr. 10 verwendet werden. So ist im Anhang II nur von „Tomaten“ und „Feldsalat“ die Rede, und ihre österreichischen Äquivalente wurden außer Acht gelassen.

Besonders auffällig ist bei der Nennung von Aubergine der Zusatz „oder Eierfrucht“. Dem Ausdruck wurde also zwar eine zweite Benennung hinzugefügt, bei dieser handelt es sich jedoch laut ÖWB auch um eine bundesdeutsche Bezeichnung, die in Österreich unüblich ist (vgl. Bundesministerium für Unterricht Kunst und Kultur, 2012, S. 193). Auf den durch das Protokoll Nr. 10 geschützten Ausdruck Melanzani wurde hingegen verzichtet. Weshalb auf

49 ABl. L 157 vom 10.6.1992 (S. 1–9), verfügbar unter

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:1992:157:0001:0009:DE:PDF [12.6.2013]

50 ABl. L 205 vom 1.8.2008 (S. 28–39), verfügbar unter

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:205:0028:0039:DE:PDF [12.6.2013]

45 die Verwendung bestimmter Ausdrücke des Protokolls Nr. 10 verzichtet wurde, während andere Austriazismen berücksichtigt wurden, ist auch bei dieser Richtlinie unklar.

4.2.2. Verordnung (EG) Nr. 213/2008

Besonders interessant ist auch die Verordnung (EG) Nr. 213/2008 der Kommission vom 28. November 2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) und der Vergaberichtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2004/17/EG und 2004/18/EG im Hinblick auf die Überarbeitung des Vokabulars51. In dieser Verordnung (EG) Nr. 213/2008 wird ein neuer Anhang I eingeführt, der den Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 ersetzt. In diesem Anhang wird das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV) festgelegt. In dem Anhang werden u.a. auch viele landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel aufgelistet.

In Bezug auf die Austriazismen aus dem Protokoll Nr. 10 kann festgestellt werden, dass diese großteils berücksichtigt wurden, und dies auch bei jeglichen Komposita (z.B. „Dosen-paradeiser/Dosentomaten“, „Kartoffelscheiben/Erdäpfelscheiben“, etc.). Hierbei wurden auch Komposita mit den Austriazismen aus dem Protokoll Nr. 10 gebildet, die zuvor nicht im RIS zu finden waren (z.B. Erdäpfelsnacks). Dies widerspricht jenem internen Papier der EU, demzufolge die Austriazismen nur in bereits in der österreichischen Rechtsordnung enthaltenen Komposita verwendet werden sollen, um die Einführung in Österreich ungebräuchlicher Ausdrücke in die österreichische Rechtsordnung zu vermeiden (siehe Kapitel 3.1.2.)

Gerade aufgrund der häufigen Verwendung der Austriazismen aus dem Protokoll Nr. 10 in jeglichen Komposita ist es umso erstaunlicher, dass im unteren Teil des Anhangs beim Vorkommen von „Kartoffeln“ das Wort Erdäpfel zehnmal nicht verwendet wurde. Auch bei der Bezeichnung „Schwarze Johannisbeerkonfitüre“ wurde der Austriazismus Ribisel weggelassen. Gleiches gilt für den Ausdruck „Grüne Bohnen“, bei dem das Wort Fisolen fehlt. Dies sind jedoch die einzigen Fälle eines Verzichts der Nennung eines der 23 österreichischen Ausdrücke aus dem Protokoll Nr. 10.

Obwohl bei den Komposita in Bezug auf die Vorgaben der EU fast eine Überberücksichtigung der Austriazismen stattfand (Verwendung von Komposita mit den österreichischen Ausdrücken, die davor nicht in der österreichischen Rechtsordnung zu finden

51 ABl. L 74 vom 15.3.2008 (S. 1–375), verfügbar unter

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:074:0001:0375:DE:PDF [12.6.2013]

46 waren), wurden andere spezifisch österreichische Termini, die nicht im Protokoll Nr. 10 genannt werden, nicht verwendet. Ein Beispiel für ein bundesdeutsches Wort ist „Buletten“, das im Anhang zweimal aufgelistet wird. Laut dem Deutschen Universalwörterbuch (Dudenredaktion, 2007, S. 342) handelt es sich dabei um ein besonders berlinerisches Wort, im ÖWB ist der Ausdruck gar nicht zu finden. Österreichische Äquivalente dazu wären Fleischlaibchen oder faschierte Laibchen (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 249, 260).

Auch bei dem im Anhang vorkommenden Wort „Brühe“ handelt es sich um eine bundesdeutsche und keine österreichische Bezeichnung. Im ÖWB ist Brühe im Sinn von Suppe als besonders bundesdeutsch gekennzeichnet (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 135). In Österreich üblichere Bezeichnungen wären (klare) Suppe oder auch Bouillon.

Ebenso fand in der Verordnung und in deren Anhang keine Anpassung an die österreichische Schreibweise statt. Dies wird z.B. an dem Wort Soße deutlich, das in Österreich in der Form Sauce üblicher ist. Im ÖWB findet man beispielsweise unter dem Eintrag „Soß, Soße“ nur einen Verweis auf den Haupteintrag „Sauce“ (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 654).

4.2.3. Entscheidung des Rates vom 13. Juli 2009

Als drittes Beispiel soll die Entscheidung des Rates vom 13. Juli 2009 über die Nichtaufnahme von Metam in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG und den Widerruf der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff52 analysiert werden. Im Anhang der Entscheidung werden Ausnahmen vom Widerruf der Zulassungen für Pflanzen-schutzmittel mit dem Wirkstoff Metam für bestimmte Verwendungszwecke in bestimmten Ländern festgelegt. Da es sich um eine Entscheidung und demnach um einen Rechtsakt handelt, müsste das Protokoll Nr. 10 Anwendung finden. Es fällt jedoch auf, dass keiner der Austriazismen aus dem Protokoll Nr. 10 berücksichtigt wurde. So ist z.B. jeweils nur von

„Tomaten“, „Kartoffeln“, „Auberginen“ und „Feldsalat“ die Rede.

Zunächst kann festgestellt werden, dass im Anhang der Ausdruck „Kopfsalat“ verwendet wird.

Obwohl auch diese Bezeichnung in Österreich üblich ist, gibt es für diesen Salat eine zweite spezifisch österreichische Benennung, nämlich Häuptelsalat oder Häuptlsalat (vgl.

52 ABl. L 196 vom 28.7.2009 (S. 22–26), verfügbar unter

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:196:0022:0026:DE:PDF [16.6.2013]

47 Dudenredaktion, 2007, S. 766). Aufgrund der Bekanntheit der Bezeichnung Kopfsalat in Österreich konnte die zweite Variante hier vernachlässigt werden.

Des Weiteren wird im Anhang auch das Wort „Kohl“ verwendet. Hierbei handelt es sich laut ÖWB um eine sprachgeografisch Deutschland zugehörige Bezeichnung. In Österreich würde diesem Ausdruck Kraut entsprechen (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 397, 412).

Ein weiteres Beispiel eines in Österreich unüblichen Ausdrucks im Anhang der Entscheidung stellt das Wort „Futterrübe“ dar. Im ÖWB beispielsweise gibt es keinen Eintrag zu diesem Stichwort, während die entsprechenden österreichischen Ausdrücke Runkel oder Runkelrübe darin enthalten sind (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 590).

Im Deutschen Universalwörterbuch (Dudenredaktion, 2007, S. 1421) ist Runkel zudem als besonders österreichisch gekennzeichnet.

Obwohl die beiden genannten Ausdrücke Kohl und Futterrübe in Österreich nicht gebräuchlich sind und es jeweils österreichische Bezeichnungen dafür gibt, blieben diese Austriazismen in der Entscheidung unberücksichtigt.

4.2.4. Verordnung (EU) Nr. 1129/2011

Als letztes Beispiel soll die Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 der Kommission vom 11. November 2011 zur Änderung des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Liste der Lebensmittelzusatzstoffe der Europäischen Union53 angegeben werden. Wie aus dem Namen der Verordnung bereits hervorgeht, wird der Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 durch die Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 geändert. In diesem Anhang II befinden sich eine Liste der in der EU für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassenen Zusatzstoffe sowie die Bedingungen für ihre Verwendung.

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass mehrere Ausdrücke aus dem Protokoll Nr. 10 darin verwendet werden, nämlich Kartoffeln, Meerrettich, Aprikosen, Sahne und Hackfleisch. Bei den ersten vier Ausdrücken fehlt das österreichische Äquivalent völlig. Nur bei Hackfleisch wurde jedes Mal die österreichische Bezeichnung Faschiertes hinzugefügt. Auch hier ist unklar, warum einer der österreichischen Ausdrücke berücksichtigt wurde, während die anderen weggelassen wurden.

53 ABl. L 295 vom 12.11.2011 (S. 1–177), verfügbar unter

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:295:0001:0177:DE:PDF [12.6.2013]

48 In Bezug auf die weiteren Termini kann festgestellt werden, dass auch hier nur die bundesdeutschen Bezeichnungen verwendet werden, auch wenn diese in Österreich unbekannt oder unüblich sind, während die österreichischen Pendants unberücksichtigt bleiben. So wird im Anhang der Verordnung z.B. von „Pfannkuchen“ gesprochen. Der Pfannkuchen wird im ÖWB sprachgeografisch Deutschland zugeordnet und würde in Österreich (trotz teilweise leicht unterschiedlicher Konsistenz) einer Palatschinke entsprechen (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 531).

Des Weiteren werden im Anhang bundesdeutsche Bezeichnungen wie z.B. „Panade“ oder

„einpökeln“ verwendet, die in Österreich zwar teilweise auch bekannt sind, für die aber spezifisch österreichische Termini existieren, die meist bevorzugt werden. So ist die Panade in Österreich beispielsweise eher nicht gebräuchlich und wird im Großteil Österreichs üblicherweise als Panier bezeichnet (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 519–520). Gleichermaßen wird statt einpökeln häufig suren und für Pökelfleisch auch Surfleisch verwendet (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 540).

Ebenso ist etwa von „Hefe für Backzwecke“ die Rede. Dies würde in Österreich der/dem Germ entsprechen, die/der im ÖWB als „Backhefe“ beschrieben wird. Es findet sich im ÖWB jedoch auch ein Eintrag zu Hefe, da auch dieser Ausdruck in Österreich verwendet werden kann. Gerade in der Küchensprache wird jedoch die Bezeichnung Germ bevorzugt (vgl.

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2012, S. 285, 323).

In Bezug auf die Schreibweise in dieser Verordnung kann festgestellt werden, dass beispielsweise bei dem Substantiv Soße bzw. Sauce beide Formen, also sowohl die eher bundesdeutsche als auch die eher österreichische Schreibweise, vorkommen. Dabei werden die beiden Formen nicht durch Querstrich getrennt an derselben Stelle genannt, sondern es wird jeweils entweder die eine oder die andere Schreibweise verwendet.

Der plausibelste Grund für solche Abweichungen in der Verwendung der Terminologie als auch der Orthografie liegt wiederum im Umfang der Verordnung. Es ist anzunehmen, dass sich mehrere Personen an dieser Arbeit beteiligten (höchstwahrscheinlich wurde die Verordnung von mehreren Übersetzern bzw. Übersetzerinnen ins Deutsche übersetzt), wodurch es z.B. bei der Schreibweise auch aufgrund persönlicher Präferenzen zu diesen Unterschieden kommen kann.

Die Beobachtungen aus Kapitel 4.1. konnten in diesem Abschnitt bestätigt werden, da wiederum viele Beispiele einer unzureichenden Anwendung des Protokolls Nr. 10 gefunden

49 werden konnten. In Bezug auf zusätzliche Austriazismen, die nicht im Protokoll Nr. 10 enthalten sind, wird anhand der genannten Beispiele deutlich, dass diese höchstens sporadisch berücksichtigt werden. Einige der genannten Beispiele wie Buletten oder Eierfrucht sind typisch bundesdeutsch und in Österreich völlig unüblich, dennoch wird auch hier auf das Hinzufügen eines österreichischen Äquivalents verzichtet. Da es über das Protokoll Nr. 10 hinaus keine Regelungen für die Verwendung von Austriazismen in Rechtsakten der EU gibt, ist es im Großen und Ganzen den jeweiligen Verfassern und Verfasserinnen der Texte überlassen, weitere Austriazismen hinzuzufügen. Es konnte jedoch aufgezeigt werden, dass dies nur in sehr seltenen Fällen geschieht. Außerdem konnte festgestellt werden, dass es höchstens zu einer Hinzufügung der österreichischen Ausdrücke zu bundesdeutschen Wörtern kommt. Eine alleinige Verwendung von Austriazismen anstelle von Teutonismen konnte nicht gefunden werden, während der umgekehrte Fall schon auftrat.

4.3. Untersuchung der Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Union im