SPEZIFITÄT EINES BRUTPHEROMONS
UND BRUTERKENNUNG BEI DER HONIGBIENE
(APIS MELLIFERA L.)
N. KOENIGER* H.J. VEITH*
.
,. Institut fiir Bierrerzknnde
(Polytechnische Gesellschaft),
FachbereichBiologie
der IlniversittitFrankfurt
a. M.,Karl-von-Frisch-Weg 2,
D - 637 Oberzrrsel! Institllt für
Organische
Chemie xnd Biochemie der Technischen Hochschule D - 6100 DarmstadtZUSAMMENFASSUNG
Das
Brutpheromon
derHonigbiene, Gyceryl-1,2dioleat-3-palmitat,
löste im Verhaltenstest dieBelagerung
vonKöniginnenzellattrappen
aus. AndereTriglyceride,
Triolein undTripalmitin,
sowie das zum
Brutpheromon Stellungsisomere 1,3-diolein-2-palmitin zeigten
im Test keineWirkung.
Zwischen einem racemischen Gemisch des Pheromons sowie den reinen
optischen
Isomerenergab
sich kein Unterschied. Alle diese Substanzen löstenPflegeverhalten
aus.Arbeiterinnenpuppen
enthieltenjeweils
2-5 wgPheromon, Drohnenpuppen
10 wg undKöniginnen-
puppen
je
30 ng.Imagines (Arbeiterinnen
undDrohnen)
hatten keinGlyceryl-1,2-dioleat-3-palmitat.
Diese Befunde wurden im
Zusammenhang
mit einerallgemeinen Hypothese
derBruterkennung
bei derHonigbiene
diskutiert.Die Aufzucht der Brut bei der Honigbiene erfordert eine zeitliche Folge
voneinzelnen sehr verschiedenen Pflegemaßnahmen. Nur in genauer Anpassung
anden jeweiligen Zustand des Eis, der Made oder der Puppe kann das « richtige
»Verhalten
vonden Pflegebienen praktiziert werden. Welche Signale der Brut für diese Kommunikation benutzt werden, ist weitgehend unbekannt.
Durch die kürzlich gelungene Identifizierung eines Puppenpheromons (K OENI -
GER
und V EITH , 1983), besteht jetzt die Möglichkeit experimentelle Hinweise auf
die Spezifität dieses Signals
zuerhalten. Darüber hinaus können Befunde über das Vorkommen des Pheromons bei Imagines und verschiedenen Brutstadien Hinweise
liefern, ob die Hypothese über eine allgemeine Bruterkennung wahrscheinlicher ist als die Annahme, daß jedes Brutpflegeverhalten
vonspezifischen und voneinander
unabhängigen, verschiedenen Reizen ausgelöst wird.
MATERIAL UND METHODE
Die Versuche wurden mit Bienen der Rasse
Apis
inellifera carnicadurchgeführt.
Es wurden Linienkombinationen 07 X I 075 verwendet, die sich bei ähnlichen Versuchen(K OENICER ,
1978) bereits bewährt haben und die sich durchgroße
«Wabenstetigkeit
» auszeichnen.Der Biotest wurde mit Stockbienen
durchgeführt.
Dazu wurden Waben, die verdeckelte Brut enthielten, aus der Beute entnommen und für 15 min. einzeln und frei beiTageslicht aufgestellt.
In dieser Zeit
flog
ein Teil(ca. 30 %)
der aufsitzenden Bienen ab. Der verbliebene Rest wurde dann in einen« Marburger Feglingskasten » abgekehrt.
Auch bei diesemVorgang flog
ein weiterer Teil der Bienen ab. Der Kasten wurde dann verschlossen und von 10-18 Uhr in einem dunklen Raum bei 14 °C aufbewahrt.Gegen
18 Uhr wurden die Bienen in die Testkästen (Abb. 1)gefüllt
und ihr Verhalten stündlichprotokolliert.
In derRegel
hatten sich die Bienen nach 2-3 h entschieden undbelagerten
nur eine der beidengebotenen
Zellen.Die Testsubstanzen wurden in
Diethylether gelöst
und vor dem Versuch auf dennatürlichen,
wachsfreien Seidenkokon der semiartifiziellenKöniginnenzelle (Abb. 2) aufgetragen.
Die Kontrollzelle wurde mitgleicher Menge Lösungsmittel (Ether) imprägniert.
Zur
quantitativen Bestimmung
des Pheromons wurden Extrakte mitDiethylether
verwandt(Extraktionszeit
60min.).
DieReinigung
der Extrakte und diemassenspektroskopische Quantifizierung
wurde nach der bei KOENIGER und VEITH(1983) angegeben
Methodedurchgeführt.
ERGEBNISSE
1. Spezifitat des Pheromons
Es wurden zunachst mit negativem Erfolg die Triglyceride Triolein und Tripalmitin gestestet. Weiter wurde das stellungsisomere Triglycerid 1,3-dioleat-2- palmitat geboten. Auch dabei ergab sich kein Unterschied
zuden mit reinem Ether impragnierten Kontrollzellen. Die optischen Isomeren sowie das Racemat des Pheromons
warenattraktiv und zeigten keine Unterschiede (Tab. 1).
2. Quantifizierung des Pheromons
Fur Puppen mit dunklen Augen wurde die Menge des vorhandenen Pheromons bestimmt. Fur Koniginnenpuppen erhielten wir mit 20-40 [1 g die hochsten Werte.
Drohnenpuppen enthielten
ca.10 [1 g. Bei Arbe a er:nnen wurden
ca.2-5 E ag gefunden. Weiter zeigten Imagines (Arbeiterinnen und Drohnen) bei einer Mel3genauigkeit
von0,2 Il g ein negatives Ergebnis, d.h. wir konnten das
1,2-dioleat-3-palmitat nicht nachweisen.
Bei Maden gelang der Nachweis des Pheromons, jedoch reichen die Messungen
noch nicht fiir eine zuverlassige Quantifizierung
aus.DISKUSSION
Die hier getestete Reaktion beruht in
ersterLinie auf einer Kontaktperzeption.
Die Bienen kommen im Testkasten direkt mit den Substanzen, die auf den Kokon der Testzelle aufgetragen werden, in Beruhrung. Auch bei anderen sozialen
Hymenopteren beruht die Bruterkennung oft auf Kontaktchemoperzeption (K OENI -
GER , 1978).
Das
ersteidentifizierte Brutpheromon bei der Ameise Solenopsis invicta ist gut
vonanderen Triglyceriden unterschieden. Auch das Stellungsisomere 1,3- diolein-2-palmitin zeigt keine Wirksamkeit im Test. Dagegen konnen die Pflege- palmitin, unterscheidet.
Das hier untersuchte Brutpheromon wird offenbar
vonden Bienen im Biotest gut
vonanderen Triglyceriden unterscheiden. Auch das Stellungsisomere 1,3-
diolein-2- palmitin zeigt keine Wirksamkeit im Test. Dagegen können die Pflege-
bienen die optischen Isomeren offenbar nicht untercheiden. Das Racemat wie auch R- und S-1,2-diolein-3-palmitin sind gleichermal3en wirksam.
Danach scheint die Perzeption weniger spezifisch
zusein als bei vielen anderen
Insektenpheromonen, bei denen häufig optische Isomeren verschieden wirksam sind
(J ACOBSON
, 1972). Dieser Unterschied beruht wahrscheinlich darauf, dal3 eine
Erkennung
vonoptischen Isomeren
nurbei olfaktorischen Rezeptoren moglich
ist, während fur Kontaktchemorezeptoren eine solche Leistung bisher nicht nach-
gewiesen ist.
Die Quantifizierung des Brutpheromons bei den Puppen steht in guter Ober- einstimmung
zuErgebnissen
vonAttraktivitatstests (K OENIGER , 1978). Dabei
hatten sich Koniginnenpuppen, die
ca.30 pg Pheromon enthalten,
amattraktivsten erwiesen. An zweiter Stelle kamen Drohnenpuppen, die mit
ca.10 pg Pheromon etwa fiinf Mal attraktiver
warenals Arbeiterinnenpuppen, die
nur ca.3,5 pg des Pheromons besitzen. Es ist geplant, diesen Aspekt weiter
zuuntersuchen. Wenn die Attraktivitat
vonverdeckelter Arbeiterinnenbrut
vonder Menge des Brut- pheromons abhangt, dann konnte sich durch Applikation
vonzusätzlichem Phero-
mon
ein Attraktivitätsgleichgewicht
zuDrohnenbrut herstellen lassen. Königinnen-
brutzellen
warenwesentlich attraktiver als Arbeiterinnen- oder Drohnenbrut. Hier
spielt wahrscheinlich neben den verschiedenen Pheromonmengen auch die prin- zipiell andere Zellform eine Rolle.
Bei Imagines findet sich bei einer Mef3genauigkeit
von0,2 pg kein 1,2-dioleat- 3-palmitat. Das gefundene Pheromon scheint dagegen auch bei Larven vorhanden
zu
sein. So handelt
essich wohl
umeine fur Brut spezifische Substanz, deren
Funktion bisher jedoch
nurim Zusammenhang mit der Attraktivitat
vonKöniginnenzellen untersucht ist.
Sollte sich im Rahmen weiterer Versuche ergeben, daB dieses Pheromon auch bei anderen Brutpflegeverhalten eine Rolle spielt,
sohandelt
essich hier
umeine
allgemeinere Bruterkennungssubstanz. Das spezifische,
andie biologische Situation angepaf3te Pflegeverhalten wurde nach dieser Hypothese jeweils durch andere Reize bestimmt, die synergistisch
zudem Brutpheromon wirken wiirden. Fur das Warmen der Königinnenzelle trifft diese Uberlegung
zu.Erst das gleichzeitige
Vorhandensein
vonPheromon, mechanischen Auslbsern und dem intakten Kokon fuhrt
zueiner Thermoregulation (K OENIGER , 1978). Jeder dieser Reize ist fur sich allein nicht biologisch wirksam.
Eingegangen
imApril
1984.RÉSUMÉ
SPÉCIFICITÉ D’UNE PHÉROMONE DE COUVAIN
ET RECONNAISSANCE DU COUVAIN CHEZ L’ABEILLE
(APIS MELLIFICA)
La phéromone de couvain
glyceryl-1,2-dioleate-3 palmitate,
déclenche le regroupement des abeilles sur les cellulesroyales
factices. D’autrestriglycérides,
trioléine ettripalmitine,
ne déclenchent pas ce comportement. L’isomèreglyceryl-1,3-dioleate-2-palmitate,
estégalement
inefficace. Il n’y a pas de différence entre unmélange racémique
de laphéromone
et les isomèresoptiques
purs ;ces
produits
déclenchent le comportement de soin. Lesnymphes
d’ouvrières contiennent chacune de 2 à 5 pg dephéromone ;
celles demâles,
10 ng et celles de reines, 30 ng. Les adultes(ou-
vrières etreines)
ne renferment pas deglyceryl-1,2-dioleate-3-palmitate.
Ces résultats sont discutésdans le cadre d’une
hypothèse générale
de la reconnaissance du couvain chez l’abeille.SUMMARY
SPECIFITY OF A BROOD PHEROMONE AND BROOD RECOGNITION IN THE HONEY BEE
(APIS MELLIFERA)
The brood
pheromone, Glyceryl-1,2-dioleate-3-palmitate,
elicited theclustering
of bees ondummy
queen cells. Othertriglycerides,
triolein andtripalmitin
did not release this behaviour. The isomereGlyceryl-1,3-dioleate-2-palmitate
was alsoineffective,
whereas the pureoptical
isomeres and a racemic mixture of thepheromone
releasedclustering,
and no differences among them weredetected in the assay.
Worker pupae contained 2-5 pg
pheromone;
drone pupae, 10 [tg ; and queen pupae, 30 gg each.Imagines (worker
anddrones)
contained noGlyceryl-1,2-dioleate-3-palmitate.
These dataare discussed in connection with a
general hypothesis
on broodrecognition
in thehoney
bee.LITERATUR
B
IGELEY
W.S.,
VrrrsoNS.B.,
1975. - Characterisation of a broodpheromone
isolated from the sexual brood of theimported
FireAnt, Solenopsis
invicta. Ann. Entomol. Soc.Am., 68,
301-304.J
ACOBSON
M.,
1972. - Insect sexpheromones.
Acad.Press,
NewYork,
London.K
OENIGER N., 1978. - Das Wärmen der Brut bei der
Honigbiene (Apis mellifera). Apidologie,
9(4),
301-304.K
OENIGER
N.,
VEITHH.J.,
1983. - Identification of atriglyceride (Glyceryl-1,2-dioleate-3-palmitate)
asa brood pheromone of the