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Penser le (non-)travail : perspectives interdisciplinaires

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Academic year: 2022

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Die (Nicht-)Arbeit erfassen: Interdisziplinäre Perspektiven

Penser le (non-)travail : Perspectives interdisciplinaires Call for Papers für die 6. Ausgabe von trajectoires

Nicht-Arbeit: Ob in der stigmatisierten Form der Arbeitslosigkeit, der stilisierten Form des Dandy oder des Bohème- und Künstlerlebens, oder auch in hybriden Formen wie dem crowd- sourcing1, dem ehrenamtlichen Engagement oder der kreativen Freelance-Arbeit – die Frage der Nicht-Arbeit ist eine virulente, spaltende und spannungsreiche, da die vorherrschende Norm in unseren westlichen Gesellschaften die Arbeit als eine unumgängliche Form menschlicher Tätigkeit voraussetzt. Durch ihre politische Dringlichkeit ist die Arbeitslosigkeit sicherlich die offensichtlichste Form der Nicht-Arbeit;2 die Leiden und Probleme, die sie hervorruft, machen sie zu einem zentralen sozialen Problem. Dennoch lässt sich die Problematik der Nicht-Arbeit nicht allein darauf beschränken.

Die Figuren des “Nicht-Arbeiters”, in all ihren Ausprägungen in Geschichte, Literatur, Kunst oder in der heutigen Gesellschaft, sind zahlreich. Ebenso zahlreich sind die Urteile über sie.

Von der „Faulheit des Schmarotzers” bis hin zum wohlverdienten Ruhestand des pensionierten Arbeiters tragen die verschiedenen Darstellungen derer, die nicht arbeiten, dazu bei, die kollektiven Vorstellungen zu nähren. Warum erscheint das Nichtstun des Arbeitslosen als so negativ, wo doch der Müßiggang des Privatiers so sehr fasziniert? Was ist an der Arbeit so besonders, dass ihre Abwesenheit oder ihre (zeitliche oder räumliche) Unregelmäßigkeit zum einen gefürchtet, zum anderen ersehnt wird? Sei es in den literarischen Abbildern, die den Dandysmus preisen oder den Verfall des Arbeitermilieus beschreiben, oder in den politischen Diskursen über die “Taugenichtse”

“unten” und “oben” – die Abwesenheit von Arbeit fasziniert und erschreckt zugleich: Gontscharows Oblomov, der den Mittagsschlaf zur wichtigsten Beschäftigung in seinem Leben erhebt und den geerbten Familienbesitz verkommen lässt, oder Melvilles Bartleby, der jegliche Aufforderung zur Tätigkeit mit einem I would prefer not to3 kommentiert. Heute sind es Persönlichkeiten wie Tom Hodgkinson, dem Autor von Anleitung zum Müßiggang (How to be idle) und Herausgeber der Jahreszeitschrift The Idler4, die der zentralen Rolle, die die Arbeit in unserem Leben spielt, den Kampf angesagt haben. Diverse Figuren des Nicht-Arbeiters, ob Bohème-Künstler oder Nonkonformist, haben ein nicht unattraktives Bild des Nichtstuns entworfen.

Eine ganze Gruppe von „Arbeitsmarkt-Deserteuren“ (dargestellt z.B. im Film Attention Danger Travail5) sucht in der Tat nach Möglichkeiten, sich aus dem Arbeitsmarkt zurückzuziehen:

individuell, indem sie primäre (Familie, Freunde) und sekundäre (Sozialstaat) Solidaritätsformen einbeziehen, oder kollektiv, mittels verschiedener Formen gemeinschaftlichen Lebens (Hausbesetzungen, Genossenschaften). Sie entwickeln so Tätigkeiten, die alternative Ressourcen gewährleisten – Selbstproduktion, Sammeln etc. – und/oder schränken ihren Konsum ein, wie etwa die Vertreter der „freiwilligen Einfachheit“ (simplicité volontaire).6 Andere, wie die Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens7, entwerfen Formen der sozialen Organisation der Nicht-

1 Papsdorf Christian, Wie Surfen zu Arbeit wird. Crowdsourcing im Web 2.0, Frankfurt a.M./ New York, Campus, 2009.

2 Demazière Didier, Sociologie des chômeurs, Paris, La Découverte, 2006.

3 Fuest Leonard, Poetik des Nicht(s)tuns : Verweigerungsstrategien in der Literatur seit 1800, München, Fink, 2008.

4 http://idler.co.uk/about/

5 Dokumentarfilm von Pierre Carles, Christophe Coello und Stéphane Goxe, 2003, cf. auch Dorival, Camille, Le travail, non merci !, Paris, Les Petits Matins, 2011.

6 Mongeau Serge, La Simplicité volontaire, ou comment harmoniser nos relations entre humains et avec notre environnement, Montréal, Éditions Québec Amérique, 1985.

7 Van Pariys, Philippe und Yannick Vanderborght, L’Allocation universelle, Paris, La Découverte, coll. Repères, 2005.

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Arbeit.8 Im Gegensatz zu dieser Utopie darf die Frage gestellt werden, inwiefern die auferlegte

„Beschäftigung“ von Arbeitslosen (gemeinnützige Arbeit, 1-Euro-Jobs etc.) nicht schon eine dystopische Form der politischen Verwaltung der Nicht-Arbeit darstellt. Die Entgrenzung zwischen der Arbeit und der Nicht-Arbeit9 erscheint im Falle des “Kreativpreakariats” oder der “digitalen Bohème”10 noch deutlicher, man denke z.B. an den Freelancer, der ohne feste Arbeitszeiten und ohne festes Gehalt mit seinem Laptop in einem Café arbeitet. Ist es Arbeit oder Nicht-Arbeit, die all die freien Journalisten, Berater, Besitzer von mehr oder minder profitablen Start-up-Unternehmen leisten? Handelt es sich hier um eine pragmatische Anpassung an die Bedingungen des Arbeitsmarkts oder um eine Politik der (Nicht-)Arbeit?11 Wie ist z.B. die Lage von Post- Doktoranden zu bewerten? In Bezug auf die anomische Form der Arbeit, deren Entwicklung ohne eine Infragestellung der zentralen Rolle der Arbeit für die soziale Integration12 unausweichlich wäre13, könnte auch die Frage der psychologischen, gesundheitlichen und sozialen Kosten, die mit der Nicht-Arbeit einhergehen, gestellt werden. Welche (inoffiziellen) Wirtschaftsformen treten in den von Arbeitslosigkeit schwer gezeichneten Gebieten auf? Ist es im Übrigen möglich, eine Geographie der Nicht-Arbeit zu konzipieren?

Die Nicht-Arbeit könnte unter drei Aspekten betrachtet werden: 1. die Nicht-Arbeit als stigmatisierender Gegenpol zur Arbeitswelt und zur kapitalistischen Produktivität, 2. die Nicht- Arbeit als Alternative zu dieser blinden Produktivität oder als bewusste Entscheidung für die Freiheit und 3. die Nicht-Arbeit als neue Form der Arbeit.

Die Nicht-Arbeit ist zwar ein bevorzugtes Thema der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, betrifft aber ebenso viele andere Gebiete (von den Literatur- zu den Filmwissenschaften, über Jura, Philosophie, Sozial- und Kulturgeschichte, Psychologie, Politikwissenschaften usw.). Wir laden Doktorandinnen und Doktoranden und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aller Disziplinen dazu ein, einen Beitrag für diese neue Ausgabe von trajectoires einzusenden. Der Beitrag muss deutsch-französische Aspekte vorweisen (französisches oder deutsches Terrain, vergleichende oder Verflechtungsstudien, Französischsprachige, die über Deutschland arbeiteten, Deutschsprachige, die über Frankreich arbeiten usw.). Verschiedene Perspektiven können erforscht werden, wie etwa 1. die Dialektik Nicht-Arbeit/Arbeit und u.a. die Analyse der Kämpfe oder der Verselbständigung des Gebiets der Nicht-Arbeit, 2. die Figur des “Nicht-Arbeiters” in all seinen Erscheinungsformen in Geschichte, Literatur oder moderner Gesellschaft, oder auch 3. Wirtschaft und Gebiete der Nicht-Arbeit mit der Frage nach den Formen der Umgehung von konventioneller Arbeit und nach den Orten der Nicht- Arbeit.

Die Abstracts (max. 5.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) müssen die Fragestellung, die Methode, das Quellenkorpus oder das Gebiet der Feldforschung sowie die zentralen Elemente der Argumentation deutlich darstellen. Sie sind bis zum 26. März 2012 an das Redaktionskomitee zu schicken: <trajectoires@ciera.fr>. Die ausgewählten Autorinnen und Autoren werden Mitte April benachrichtigt und müssen ihre Texte bis zum 25. Juni 2012 einsenden. Die Artikel werden danach einer doppelten peer-review unterzogen.

trajectoires, Zeitschrift für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler des CIERA (Centre Interdisciplinaire d’Études et de Recherches sur l’Allemagne), wird auf Revues.org veröffentlicht: http://trajectoires.revues.org/index.html.

8 Man denke etwa an die Wachstumskritiker: Alliès Paul, La décroissance, Paris, Golias, 2007.

9 Gerrit Herlyn (Hg.), Arbeit und Nicht-Arbeit: Entgrenzungen und Begrenzungen von Lebensbereichen und Praxen, München [u.a.], Hampp, 2009.

10 Friebe Holm und Sascha Lobo, Wir nennen es Arbeit. Die digitale Bohème oder: intelligentes Leben jenseits der Festanstellung, München, Heyne, 2006.

11 Jörn Etzold und Schäfer Martin Jörg (Hg.), Nicht-Arbeit : Politiken, Konzepte, Ästhetiken, Wien, Facultas.wuv., 2009.

12 Méda Dominique, Le Travail. Une valeur en voie de disparition, Paris, Champs-Flammarion, 1998.

13 Rifkin Jeremy, La Fin du travail, Paris, La Découverte, 1996.

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