• Aucun résultat trouvé

Angehörigen- oder Trauerschmerzensgeld – Die Würfel fallen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Partager "Angehörigen- oder Trauerschmerzensgeld – Die Würfel fallen"

Copied!
17
0
0

Texte intégral

(1)

Article

Reference

Angehörigen- oder Trauerschmerzensgeld – Die Würfel fallen

KADNER GRAZIANO, Thomas

KADNER GRAZIANO, Thomas. Angehörigen- oder Trauerschmerzensgeld – Die Würfel fallen.

Recht der Internationalen Wirtschaft , 2015, no. 9, p. 549-564

Available at:

http://archive-ouverte.unige.ch/unige:75197

Disclaimer: layout of this document may differ from the published version.

(2)

Professor Dr. Thomas Kadner Graziano, LL.M. (Harv.), Genf

Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Wrfel fallen

Nach dem Absturz des Flugzeugs derGermanwings ist die Diskussion um das Thema Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld in Deutschland in vollem Gange. Der Beitrag untersucht rechtsvergleichend die Fragen, die sich im Zusammenhang mit diesem Thema stellen, und macht konkrete Vorschlge fr ein Trauerschmerzensgeld auch im deutschen Recht.

I. Einleitung

Gelegentlich ist erst ein besonders tragisches Ereignis der Auslser dafr, dass Haftungsrecht einen wichtigen Schritt vorankommt, es aus nationaler Isolierung heraustritt und es wohlbegrndete europische Entwicklungen nachvollzieht.

Am 24. 3. 2015 strzte ein Airbus der deutschen Fluggesell- schaftGermanwingsauf dem Weg von Barcelona nach Ds- seldorf in den sdfranzsischen Alpen ab. An Bord waren 144 Passagiere aus 18 Lndern und sechs Besatzungsmit- glieder, sie alle kamen bei dem Absturz ums Leben. Die Er- mittlungen deutscher und franzsischer Behrden in den Ta- gen nach dem Unfall ergaben, dass der Copilot der Maschine an einer schweren Erkrankung gelitten hatte, er am Absturz- tag krankgeschrieben war und er die Maschine absichtlich zum Absturz brachte. Nach den Erkenntnissen der zustndi- gen Staatsanwaltschaft in Marseille war er fluguntauglich.1 Bei dem Absturz verloren Menschen ihre Ehegatten oder Lebenspartner, Kinder, Eltern, Geschwister, Enkel, Freunde oder Arbeitskollegen. Die Angehrigen der unmittelbaren Opfer durchleben seither großes Leid, das oft weit ber den Schmerz ber eine Verletzung an der eigenen Gesundheit hi- nausgeht. In den deutschen Medien hieß es in den Tagen nach dem Absturz allerdings einmal mehr und zutreffend, fr dieses Leid sehe das deutsche Recht fr die Angehrigen keinen Anspruch auf Schmerzensgeld vor, ganz anders als viele andere Haftungsrechte in Europa und darber hinaus.

Zugleich wurde berichtet, die Lufthansa AG, Muttergesell- schaft vonGermanwings, habe den Angehrigen umgehend Zahlungen in Hhe von je 50 000eals „Soforthilfe“ und An- zahlung auf den Ersatz ihrer materiellen Schden geleistet.

Zudem wurden 25 000eSchmerzensgeld wegen der Todes- angst vor dem Absturz fr jedes Opfer selbst zugesagt, die im Wege der Erbfolge auf die Angehrigen bergingen, so- wie 10 000 e an die trauernden nchsten Angehrigen2 – Letzteres nach deutschem Recht allerdings ohne eine ent- sprechende Rechtspflicht.

Mit seiner Ablehnung eines Angehrigen- oder Trauer- schmerzensgeldes3ist das deutsche Haftungsrecht in Europa

heute weitestgehend isoliert.4 Der Koalitionsvertrag zwi- schen den Regierungsparteien vom Dezember 2013 sieht vor, dies zumindest teilweise zu ndern. Dort heißt es:

„Menschen, die einen nahen Angehrigen durch Verschulden eines Dritten verloren haben, rumen wir als Zeichen der Aner- kennung ihres seelischen Leids einen eigenstndigen Schmer- zensgeldanspruch ein, der sich in das deutsche System des Schadensersatzrechts einfgt.“5

Im Jahre 2014 geschah zunchst nichts. Im Anschluss an den Absturz des Airbus in Sdfrankreich brachte eine Grup- pe von Bundestagsabgeordneten sowie die Bundestagsfrak- tion von Bndnis 90/DIE GRNEN am 10. 6. 2015 dann im Bundestag den Antrag ein, der Bundestag mge die Rechts- lage in Deutschland ndern und beschließen, die gesetzliche Grundlage fr ein Angehrigenschmerzensgeld zu schaf- fen.6Auch die Fraktionen der regierenden Parteien konsta- tierten im Anschluss an denGermanwings-Absturz einen er- hhten Handlungsbedarf.7

Der folgende Beitrag stellt zunchst einige Fallkonstellationen vor, im Zusammenhang mit denen im In- und Ausland ein An- gehrigen- oder Trauerschmerzensgeld thematisiert bzw. in de- nen es gewhrt wird (II.). Im Anschluss werden die zentralen Fragen skizziert, die sich in Sachen Angehrigenschmerzens- geld stellen (III.). Es folgt eine Analyse der Grnde, die fr oder gegen ein Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld sprechen.

Hierbei werden u. a. in Deutschland bislang weitgehend unbe- achtet gebliebene Entscheide des europischen Gerichtshofs fr

Recht der Internationalen Wirtschaft

RIW Heft 9 N September 2015 N 61. Jahrgang

549

1 Siehe etwa den Bericht in DIE ZEIT-Online (Juni 2015), unter:

www.zeit.de/wissen/2015-03/airbus-a320-germanwings-absturz-frank reich-faq (vonBehrend,Biermann,Stockrahm,Polke-Majewski,Venohr undBlickle).

2 Vgl. DER SPIEGEL, 28/2015 vom 4. 7. 2015, S. 38 f.: „Wie eine Ohrfei- ge“ (vonAmmann,Deggerich,Fink,Gebauer,HippundTraufetter); so- wie: „Schmerzensgeld fr Germanwings-Opfer“ (Interview vonD. Hipp mit dem Autor dieses Beitrages), SPIEGEL-Online (Juli 2015), unter:

www.spiegel.de/panorama/germanwings-absturz-interview-zum-schme rzensgeld-der-lufthansa-a-1043650.html; siehe auch DER STERN, 30/

2015, vom 16. 7. 2015, S. 44 ff.: „Germanwings-Absturz. Der Schmerz ist nicht auszuhalten – ein Mann trauert um seine Tochter, seinen Enkel und seinen Schwiegersohn“ (vonHerrnkindundBchse); „Eine große Ungerechtigkeit“ (Interview vonS. Abdi-Herrlemit dem Autor der fol- genden Zeilen), DIE ZEIT-Online (Juli 2015), unter: www.zeit.de/ge sellschaft/zeitgeschehen/2015-07/schmerzensgeld-loveparade-thomas- kadner-graziano.

3 Beide Begriffe werden im Folgenden synonym verwendet.

4 Ausfhrlich unten V.

5 „Deutschlands Zukunft gestalten – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“, 18. Legislaturperiode, 16. 12. 2013, S. 102.

6 BT-Drs. 18/5099 vom 10. 6. 2015: „Gesetzliche Grundlage fr ein Ange- hrigenschmerzensgeld schaffen“.

7 Siehe den Bericht in DIE ZEIT-ONLINE vom 13. 4. 2015: „Familien von Unfallopfern sollen entschdigt werden“, unter: www.zeit.de/poli tik/deutschland/2015–04/germanwings-opfer-entschaedigung.

(3)

Menschenrechte vorgestellt, welche die gegenwrtige Rechts- lage in Deutschland im Hinblick auf die Europische Men- schenrechtskonvention als ausgesprochen kritisch bzw. gar als Verstoß gegen die Konvention erscheinen lassen (IV.). Hieran anschließend folgt eine Darstellung der Rechtslage im europ- ischen Ausland (V.). Dabei wird der Blick auf eine Vielzahl auslndischer Haftungsrechte gerichtet, die nahezu alle unter bestimmten Voraussetzungen ein Schmerzensgeld fr Men- schen vorsehen, die bei einem Haftungsfall einen geliebten Menschen verloren haben oder bei dem ein geliebter Mensch schwer verletzt wurde. Im Anschluss an die Darstellung wird je- weils gefragt, welche Konsequenzen aus den Erfahrungen im Ausland fr das deutsche Recht gezogen werden knnten. Vor dem Hintergrund der reichen rechtsvergleichenden Erfahrun- gen werden schließlich zehn Eckpunkte fr ein Angehrigen- schmerzensgeld im deutschen Recht vorgestellt (VI.). Die berlegungen mnden in einen konkreten Regelungsvorschlag fr ein Trauerschmerzensgeld auch im deutschen Recht (VII.).

II. Fallkonstellationen

Die Situationen, in denen Trauerschmerzensgelder in den europischen Rechtsordnungen thematisiert werden, sind regelmßig von großer Tragik.

1. Erste Fallgruppe

In den Niederlanden spielte ein kleines Mdchen mit seinem Fahrrad vor dem elterlichen Haus. Ihre Mutter sah vom K- chenfester aus, wie sie von einem Allrad-Pkw berfahren und ihr Schdel zertrmmert wurde. Sie eilte hinzu und fand das Mdchen tot in seiner Hirnflssigkeit liegend. In den Niederlanden lste dieser Fall eine Diskussion ber die Not- wendigkeit eines Angehrigenschmerzensgeldes aus.8 Ein belgischer Lkw geriet im franzsischen Abschnitt des Mont-Blanc-Tunnels in Brand. In dem folgenden Inferno starben 39 Menschen aus 9 verschiedenen Staaten.9Der Un- fall fhrte zu ffentlichen Diskussionen um die Unterschie- de in der Hhe von Angehrigenschmerzensgeldern in den europischen Privatrechten, insbesondere im Verhltnis Frankreich-Italien.10

Im englischen Sheffield gab es vor einem Semifinalspiel des FA-Cups erheblichen Publikumsandrang. Die fr die Zu- stndigkeit im Stadion zustndige Polizei verlor die Kontrol- le und ließ sehr viel mehr Besucher ins Stadion als vorge- sehen. Beim anschließenden Gedrnge wurden Besucher im Stadion an die Absperrungen zum Spielfeld geschoben und dort regelrecht zerquetscht. 95 Zuschauer verloren ihr Le- ben, ber 400 weitere wurden zum Teil schwer verletzt.

Viele Angehrige verfolgten die Ereignisse per Livebertra- gung im Fernsehen. Die englischen Gerichte nahmen den Fall zum Anlass, den Kreis derjenigen Menschen, denen ein Schmerzensgeld zusteht, sowie dessen Voraussetzungen n- her zu definieren.11

In sterreich wurde Trauerschmerzensgeld z. B. nach dem tragischen Seilbahnunglck in Kaprun geleistet, bei dem 155 Menschen ums Leben kamen.12

In Deutschland verlor ein Ehepaar bei einem Verkehrsunfall seine drei Kinder im Alter von 17, 19 und 21 Jahren. Ein Fhrerscheinneuling hatte in einer Nacht von Samstag auf Sonntag in angetrunkenem Zustand mit 110 km/h mutwillig ein Stoppschild an einer Kreuzung berfahren und war mit dem Pkw der drei Geschwister kollidiert. Das OLG Nrn- berg sprach den Eltern auf Grundlage von § 823 Abs. 1 BGB ein Schmerzensgeld wegen ihrer infolge des Unfalles

erlittenen Schockschden an der eigenen Gesundheit zu.

Den Antrag, ihnen auch ein Trauerschmerzensgeld zu ge- whren, wies das Gericht dagegen ab.13Der BGH lehnte es ab, eine hiergegen gerichtete Revision der Klger anzuneh- men, und auch das BVerfG lehnte die Annahme des Falles ab.14

In Deutschland wurde Trauerschmerzensgeld nach dem An- schlag auf eine Moschee im tunesischen Djerba, bei dem 19 Touristen ums Leben kamen, und nach den Attentaten vom 11. 9. 2001 erneut diskutiert – allerdings jeweils ohne Fol- gen. Nach dem Absturz des Flugzeugs derGermanwingsin den sdfranzsischen Alpen lebt die Diskussion nun wiede- rum auf, diesmal eventuell mit grßeren Aussichten auf eine Gesetzesreform.

2. Zweite Fallgruppe

Bei derLoveparadeim deutschen Duisburg kam es in einer Unterfhrung zu einem Gedrnge, bei dem 21 Menschen ihr Leben verloren sowie 541 zum Teil schwer verletzt wurden.

Die Opfer waren im Schnitt 25 Jahre alt. Viele berlebende sind von den tragischen Vorkommnissen auch noch Jahre nach den Vorfllen schwer gezeichnet.15

550 RIW

Heft 9/2015 Kadner Graziano, Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Wrfel fallen

8 Niederlndischer Hoge Raad, 22. 2. 2002, Nederlandse Jurisprudentie 2002, 240; dazuCairns/Caterina/Dacoronia et al., ERPL 2003, 412;

zum niederlndischen Recht auchHinghofer-Szalkay(mit Exkurs von Prisching), ZVR 2008, 444, 448 f.

9 Siehe den Bericht in DER SPIEGEL 13/1999: „Skelette im Schmelz- ofen“ (vonFalksohn).

10 Siehe hierzu die Genfer TageszeitungLe Courriervom 13. 9. 2002, S. 1:

„Le deal secret pour indemniser les familles est au point mort“, und S. 20: „Mont-Blanc: l’imbroglio des indemnits – Il n’y a pas destatut des victimes a` l’chelle europenne, dnoncent les victimes“. Sowohl das franzsische als auch das italienische Recht gewhren Angehri- genschmerzensgelder. Allerdings sind die Betrge nach italienischem Recht bis zu zehnmal hher als nach franzsischem; vgl. unten V. 4. a.

Da sich der Unfall im franzsischen Abschnitt des Tunnels ereignete, war auf die Ersatzbegehren der Angehrigen grundstzlich franzsi- sches Recht anwendbar.

11 Siehe den FallAlcockv.Chief Constable of South Yorkshire Police, 28. 11. 1991, [1991] UKHL 5, [1992] 1 AC 310, [1991] 4 All ER 907 (House of Lords). Die britischen Medienstandards verboten es, dass die Opfer im Fernsehen zu identifizieren waren. Im Vordergrund standen Ansprche wegen Schockschden, das Gericht ußerte sich jedoch auch zur Thematik von Trauerschmerzensgeldern. 23 Jahre spter wurden Versumnisse und Vertuschungen der zustndigen Polizei offenbart, die seinerzeit eine Vielzahl von Zeugenaussagen unterdrckt hatte. Siehe The Guardian, 13. 9. 2012, S. 1, 2, 5: „Hillsborough: the reckoning“;In- dependent, 12. 9. 2012, S. 1, 6: „Hillsborough: police did doctor eviden- ce in bid to avoid blame“; 13. 9. 2012, S. 1 ff.: „Hillsborough: At long last, the truth“;The Times, 14. 9. 2012, S. 1, 9: „Hillsborough cover-up:

police to face reckoning“;Daily Mail, 13. 9. 2012, S. 1, 4 ff.: „Finally the Hillsborough families know the truth: the police lied and lied. Now will they get justice?“.

12 Im Jahre 2008 kam es zu einem Vergleich mit 453 Angehrigen ber Schmerzensgeld in einem Gesamtvolumen von 13,4 Mio.e(i. e. durch- schnittlich 30000epro Person).B. Kochweist darauf hin und kritisiert, dass bei diesem Ereignis – da medial besonders wirksam – z. T. dreifach hhere Summen gezahlt wurden als blich; beiSchultzky, VersR 2011, 857, 859 und Fn. 18.

13 OLG Nrnberg, 1. 8. 1995, Recht und Schaden 1995, 384; NZV 1996, 367; VersR 1997, 328 L. ber den Fall wurde seinerzeit im STERN 34/

1995 berichtet: „Unser ganzes Leben wurde zerstrt“ (vonMetzner).

Siehe auch den sterreichischen Fall OGH, 30. 10. 2003, ZVR 2004/6:

Der Lenker eines Sattelschleppers verschuldet einen Verkehrsunfall, bei dem ein Mann seine Ehefrau und seine drei Kinder verliert. Siehe auch die schweizerischen Flle BGE 58 II 244, 248: Verlust beider Eltern;

BGE 56 II 116, 127: Verlust des Ehemannes und Vaters von fnf Kin- dern; BGE 65 II 256: Verlust beider Eltern von fnf Kindern; BGE 58 II 29: Ttung zweier Shne durch Lkw; BGE 57 II 199: Verlust zweier Kinder infolge unrichtiger rztlicher Diagnose.

14 BGH, 16. 4. 1996, VI ZR 308/95 (unverffentlicht); BVerfG, VersR 2000, 897; NJW 2000, 2187.

15 Siehe etwa den Bericht in DER SPIEGEL 31/2010, unter: www.spiegel.

de/spiegel/print/d-72462682.html. Auch fnf Jahre nach der Tragdie steht deren zivilrechtliche Aufarbeitung noch aus; vgl. SPIEGEL On-

(4)

In der Schweiz wurde eine Frau bei einem Verkehrsunfall so schwer verletzt, dass sie den Rest ihres Lebens schwer pfle- gebedrftig wurde und nur noch ber eine Kanle ernhrt werden konnte. Erschwert wurde die Situation dadurch, dass sich ihr Zustand im Laufe der Zeit soweit besserte, dass sie sich ihres eigenen Zustandes mindestens teilweise bewusst wurde. Die Lebensverhltnisse der Eheleute wurden durch den Unfall vllig umgestrzt, und der Ehemann kmmerte sich seither um seine schwer beeintrchtigte Frau. Das schweizerische Bundesgericht nahm diese Konstellation zum Anlass, Trauerschmerzensgeld auf Flle schwerster Verletzung auszudehnen.16

Ein 7-jhriger Junge wurde Opfer eines Straßenverkehrsun- falles (hypothetische Variante: eines Behandlungsfehlers).

Er erlitt schwere Hirnverletzungen und Lhmungen aller vier Extremitten. Seither wurde der Junge von seiner Mut- ter zu Hause gepflegt, wo er mit den Eltern und einer Schwester lebte.17

Die Flle der ersten Gruppe haben gemeinsam, dass die Erstgeschdigten bei dem Haftungsfall ihr Leben verloren, whrend in der zweiten Fallgruppe die Erstgeschdigten (bei derLoveparade: viele von ihnen) schwerstverletzt ber- lebten und ihre Angehrigen das Leid seither gemeinsam mit ihnen durchleben.

III. Trauerschmerzensgeld – die zentralen Fragen

Ist die grundlegende Entscheidung zur Einfhrung eines An- gehrigen- oder Trauerschmerzensgeldes einmal gefallen,18 so stellen sich im Anschluss mindestens fnf konkrete Fra- gen:

(1) Soll das Trauerschmerzensgeld allein im Todesfall oder auch bei schwerster Verletzung eines nahestehenden Men- schen gewhrt werden?

(2) Ist das Trauerschmerzensgeld auf die Verschuldenshaftung zu beschrnken (so wie dies der Koalitionsvertrag vorsieht) oder soll es auch in Fllen der Gefhrdungshaftung gewhrt werden (so wie dies im Antrag von Bundestagsabgeordne- ten und der Fraktion Bndnis 90/DIE GRNEN vom 10. 6.

2015 gefordert wird)?

(3) Wer soll zum Kreis der Anspruchsberechtigten zhlen, ins- besondere: ist es auf enge Familienangehrige zu beschrn- ken oder sollen auch Lebenspartner, eventuell auch enge Freunde oder Arbeitskollegen etc. berechtigt sein knnen?

Soll eine abstrakte Nhebeziehung (etwa eine Eltern-Kind- Beziehung) gengen oder ist im Einzelfall eine tatschliche enge Beziehung darzulegen?

(4) Ist der Betrag des Trauerschmerzensgeldes im Gesetz vor- zusehen oder sollte die Festsetzung den Gerichten berlas- sen bleiben? Mit welcher Hhe (und welchen Kosten fr die Versichertengemeinschaft) ist zu rechnen?

(5) Im Rahmen eines konkreten Gesetzgebungsvorschlages ist schließlich zu entscheiden, welche Antworten auf all diese Fragen im Gesetz gegeben werden sollen und welche der Rechtsprechung berlassen bleiben sollten.

All diese Fragen haben sich bereits in vielen auslndischen Haftungsrechten gestellt und wurden dort von der Gesetzge- bung oder den Gerichten beantwortet. Zum Teil ist dort zu beobachten, dass einzelne Grundentscheidungen (und man- che zu zurckhaltende Antwort auf die oben genannten Fra- gen) bereits nach kurzer Zeit korrigiert wurden, gelegentlich vom Gesetzgeber, meist aber von der Rechtsprechung. Um die reichen Erfahrungen zu nutzen, welche mit Trauer-

schmerzensgeldern im Ausland bereits gewonnen wurden, und um ein Nachjustieren in Deutschland von vornherein unntig zu machen, wird im Folgenden der Blick auf eine Vielzahl auslndischer Haftungsrechte gerichtet und be- trachtet, wie die genannten Fragen dort beantwortet werden und welche Erfahrungen insoweit gemacht wurden (V.). Vor- ab soll jedoch der Frage nach dem „Ob“ nachgegangen und sollen die Argumente fr und wider ein Trauerschmerzens- geld abgewogen werden.

IV. Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Argumente

Wie erwhnt, sehen sowohl der Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien vom Dezember 2013 also auch der am 10. 6. 2015 in den Bundestag eingebrachte Antrag von Parlamentariern und der Bundestagsfraktion von Bndnis 90/DIE GRNEN die Einfhrung eines Angehrigen- schmerzensgeldes ins deutsche Haftungsrecht vor. Vor die- sem Hintergrund erscheint es fast mßig, noch die Frage nach dessen Fr und Wider zu stellen. Andererseits bildeten diejenigen, die in der deutschen Literatur die Einfhrung ei- nes Angehrigenschmerzensgeldes forderten, bis vor Kur- zem eine Minderheit.19 Auch wurde ein Angehrigen- schmerzensgeld auf dem 45. (1964) und dem 66. (2006) Deutschen Juristentag zwar diskutiert, aber (mit zuletzt knappen Mehrheiten20) abgelehnt. Der 50. Deutsche Ver- kehrsgerichtstag 2012 in Goslar empfahl zwar seine Einfh- rung, bislang aber ohne Folgen. Schließlich fhrte auch eine entsprechende Initiative der bayerischen Landesregierung aus dem Jahre 2012 (noch) nicht zum Erfolg.21Es erscheint daher durchaus angebracht, das Fr und Wider eines Trauer- schmerzensgeldes auch zum gegenwrtigen Zeitpunkt und trotz des sich abzeichnenden Meinungswandels noch einmal vor Augen zu fhren. Auch scheinen einige wichtige Argu- mente in Deutschland bisher kaum Eingang in die Diskussi- on gefunden zu haben. Schließlich besteht noch keinerlei Ei- nigkeit zu Voraussetzungen und Anwendungsbereich eines eventuellen Trauerschmerzensgeldes im deutschen Recht.

Kadner Graziano, Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Wrfel fallen Heft 9/2015

RIW 551

line, unter: www.spiegel.de/panorama/justiz/love-parade-in-duisburg- zivilprozesse-koennten-bald-beginnen-a-1024281.html.

16 BG, 22. 4. 1986, BGE 112 II 220.

17 BG, 27. 10. 1992, BGE 118 II 404 = ZEuP 1996, 135 m. Anm.Kadner Graziano.

18 Zu den Argumenten fr und wider Trauerschmerzensgeld sogleich unter IV.

19 Fr ein Angehrigenschmerzensgeld in der Literatur bereitsde lege lata:Ch. Huber, A. Janssen, Kadner Graziano, Jancker, R. Kern;de lege ferenda: dies. und Gontard, Hacks, Hohloch, Deutsch, Lieberwirth, Odersky, Scheffen, Stein, Stoll, Strner, Vorndran(Nachw. fr alle be- reits beiKadner Graziano, ZEuP 2002, 835, 858, Fn. 73), sowie in jn- gerer ZeitStaudinger, NJW 2006, 2433, 2435;ders., DAR 2012, 282;

Schwintowski/C. Schah Sedi/M. Schah Sedi, ZfSch 2012, 6;Wiedemann/

Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471;Kuhn, SVR 2012, 288;Hke, NZV 2014, 1;Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18. Und erneut:Ch. Huber, NZV 2012, 5. NachWagner, in: Festschrift Rolf Strner, 2013, S. 231, 253, „gehrt [es allerdings]…nicht auf die vorderen Rnge der rechts- politischen Agenda“. Fr ein Trauerschmerzensgeld z. B. auch der ADAC.

20 Auf dem 66. DJT mit einem Stimmenverhltnis (fr den Todesfall) von 41:45 bei 4 Enthaltungen.

21 Siehe hierzuSchultzky, VersR 2011, 857, 860, sowie den Bericht in DER SPIEGEL 4/2012, S. 28: „Kaltes Gesetz“ (vonHipp). Text des Entwurfs von 2012 beiWagner(Fn. 19), S. 231, 234. Am 2. 2. 2015 legte der baye- rische JustizministerBausbackeinen neuen Gesetzesentwurf zum Ange- hrigenschmerzensgeld vor, in: www.justiz.bayern.de/media/pdf/geset ze/gesetzentwurf_angehoerigenschmerzensgeld.pdf.

(5)

1. Die Argumente pro und contra – im Allgemeinen22 In der deutschen Diskussion wurde (und wird zum Teil noch) gegen ein Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld eingewandt, Ansprche auf Entschdigung immaterieller Verluste wegen des Todes oder der Verletzung naher Ange- hriger verletzten das Rechtsgefhl. Es bleibe immer ein ge- wisses Unbehagen, wenn der Schmerz ber den Tod oder die schwere Verletzung eines geliebten Menschen zu Geld ge- macht werde. Eine Kommerzialisierung des Lebens verbiete sich. Der Verlust von Angehrigen gehre, so hart dies auch sein mag, zum allgemeinen Lebensrisiko. Man msse ihm daher mit der Bereitschaft begegnen, menschliches Leid zu ertragen, ohne dass Haftungsrecht eingreife. Auch knne ein solches Schmerzensgeld den Schmerz ber den Verlust oder die Schdigung eines nahestehenden Menschen, wenn er denn echt sei, gar nicht lindern oder gar ausgleichen.

Schließlich knne der Tod oder die Verletzung eines Men- schen eine Vielzahl von Personen betreffen. Solche Ersatz- ansprche drohten daher auszuufern, und sie seien – dies ein weiteres Argument in der Diskussion – gar nicht versicher- bar und wenn, dann nur zu erheblich hheren Prmien.

Auf die Interessen von Versicherern und Versichertenge- meinschaft wird sogleich (unten 2.) nher eingegangen. Der Gefahr, dass die Zahl der Anspruchsteller unberschaubar wird, lsst sich durch eine sorgfltige Begrenzung auf be- sonders tragische Flle sowie auf einen kleinen Kreis beson- ders nahestehender Berechtigter begegnen (dazu unten V.

3.). Was die weiteren Gegenargumente betrifft, so gilt: Zwar ist richtig, dass der Schmerz ber den unfallbedingten Ver- lust eines geliebten Menschen kaum durch eine Geldzahlung auszugleichen ist. Whrend ein HWS-Syndrom durch eine Schmerzensgeldzahlung i. H. v. z. B. 1000esprbar gelin- dert und vielleicht ganz vergessen gemacht werden kann, ist dies bei der Ttung oder schweren Verletzung eines naheste- henden Menschen selbst durch eine noch so hohe Geldzah- lung kaum zu erwarten. Dieses Problem besteht aber nicht nur bei Trauerschmerzensgeld, sondern bei Schmerzensgeld in besonders schweren Fllen generell. Schmerzensgeld kann jedoch zum einen helfen, die Lebenssituation des Be- rechtigten wenigstens etwas ertrglicher zu machen. So wies etwa der Ehrenvorsitzende des Weißen Rings, Reinhard Bttcher, bei einem Fachgesprch zum Angehrigenschmer- zensgeld im Bayerischen Justizministerium darauf hin, dass der Weiße Ring Ferienkostenzuschsse gewhrt, um Ange- hrigen von Verbrechensopfern wegen ihres Leids einen Ur- laub zu ermglichen, um Abstand zu gewinnen und wieder ins Leben zurckzufinden.23 Zum anderen kommt dem Schmerzensgeld hier die wichtige Funktion zu, Anerken- nung des schweren Leids der Angehrigen durch die Gesell- schaft zum Ausdruck zu bringen.24Als kaum nachvollzieh- bar wird es auch empfunden, dass bei Verkehrsunfllen z. B.

ein HWS-Trauma zu einem Schmerzensgeld fhrt, bei Rei- severtrgen fr entgangene Urlaubsfreude entschdigt wird, bei Verkehrsunfllen Wertverlust und vorenthaltene Nut- zung von Pkw großzgig entschdigt wird etc., der als viel schlimmer empfundene existentielle Schmerz ber den Ver- lust oder die schwerste Verletzung eines nahen Angehrigen dagegen ersatzlos bleibt. Ein Trauerschmerzensgeld knnte hier Wertungslcken und -widersprche schließen.25 Im Ergebnis wird es in der großen Mehrzahl der Rechtsord- nungen daher als hrter – und unfairer – betrachtet, Schmer- zensgeld gerade fr den vielleicht schlimmsten Schmerz, den man erleiden kann, zu versagen: den Schmerz ber den

Verlust (und in einer zunehmenden Zahl von Rechtsordnun- gen auch die schwerste Verletzungen) eines Kindes, des Partners oder eines Elternteils.26

In sterreich erkannte der Oberste Gerichtshof in einer be- merkenswerten Entscheidung daher im Jahre 2001 unter Aufgabe einer langjhrigen Rechtsprechung grundstzlich an, dass Angehrigen ein Anspruch auf Trauerschmerzens- geld zustehen kann. In dem Urteil, in dem sich der OGH maßgeblich auch auf die Rechtslage in vielen auslndischen Rechtsordnungen sttzt,27heißt es u. a.:

„Die Rechtslage, derzufolge bei Ttung naher Angehriger blo- ße Gefhlsschden nicht ersetzt werden, wird zunehmend als unbefriedigend empfunden. Die Abgrenzung zwischen Trauer mit und ohne Krankheitswert ist hufig problematisch. Hinter- bliebene Eltern, die ber die Ttung ihres Kindes trauern, wer- den es kaum verstehen, wenn ihrem Schmerzensgeldanspruch entgegengehalten wird, mangels Krankheitswert htte sich hier nur ihr allgemeines, von ihnen selbst zu tragendes Lebensrisiko verwirklicht. Whrend geringe Krperverletzungen wie Prel- lungen oder Zerrungen ohne weiteres zu Schmerzensgeldan- sprchen fhren, sollen solche bei (bloßen) seelischen Schmer- zen ber den Verlust eines nahen Angehrigen nicht bestehen, obwohl ein derartiger Schmerz regelmßig als weit grßer emp- funden wird.“28

All dies ließe sich ebenso und mit derselben Berechtigung fr das deutsche Recht sagen.

2. Insbesondere: Versicherbarkeit und Interessen der Versichertengemeinschaft – zur

Befriedungsfunktion des Trauerschmerzensgeldes Fast schon klassisch zu nennen sind Bedenken zur Versi- cherbarkeit eines Angehrigenschmerzensgeldes und zu sei- nen Folgen fr die Versichertengemeinschaft.29Wie die fol- genden berlegungen zeigen, sprechen die Interessen der Versichertengemeinschaft jedoch nicht gegen, sondern ganz im Gegenteilfrein Trauerschmerzensgeld.

a) Vergleichsweise niedrige Zahl von Haftungsfllen mit Schwerstverletzten oder Toten

Zunchst ist festzuhalten, dass Haftungsflle mit Schwerst- verletzten oder Toten – verglichen mit dem Gesamtvolumen

552 RIW

Heft 9/2015 Kadner Graziano, Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Wrfel fallen

22 Siehe auchHoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 19 f.;Wagner(Fn. 19), S. 231, 238 ff., 241 ff.; Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471;A. Diederichsen, DAR 2011, 122.

23 Siehe beiSchultzky, VersR 2011, 857, 858.

24 So schonChristiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44, 61;Hingho- fer-Szalkay/Prisching, ZfRV 2008, 444, 449;von Jeinsen, zfs 2008, 61, 62;Bttcher, beiSchultzky, VersR 2011, 857, 858;Wiedemann/Spels- berg-Korspeter, NZV 2012, 471, 472, These 1;Kuhn, SVR 2012, 288, 290;Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 21.

25 Vgl.Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 20;Huber, NZV 2012, 5, 10;

Schultzky, VersR 2011, 857, 858;Wagner, Gutachten A fr den 66. DJT 2006, S. A 65; und bereitsKadner Graziano, ZEuP 2002, 834, 855.

Siehe auchWiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471: Es „ent- steht der Eindruck, das deutsche Recht erlaube umso eher eine finanziel- le Kompensation, je banaler die Rechtsverletzung, und umso weniger, je gravierender diese sei. Dies kann nicht befriedigen“.

26 Zum Ganzen bereitsKadner Graziano, ZEuP 1996, 135, insbes. 150 f.;

ders., ZEuP 2002, 834, z. B. 854 f.

27 Zur Legitimitt von Rechtsvergleichung durch die Gerichte unlngst Kadner Graziano, RIW 2014, 473.

28 OGH, 16. 5. 2001, 2 Ob 84/01v, JBl. 2001, 660 = (Wiener) ZVR 2001/

73, S. 284 Anm.Karner; sogleich besttigt durch OGH, 16. 5. 2001, 2 Ob 136/00i, ZVR 2001/72. Zum Ausgang des Verfahrens sogleich unten V. 2. a.

29 Vergleiche etwa beiSchultzky,VersR 2011, 857, 860; zu den Bedenken des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.Hop- penstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 19;Kuhn, SVR 2012, 288, 290; siehe auch Ltzelschwab/Mbus, ZfV 2014, 740, betitelt: „Angehrigen- schmerzensgeld: Eine Bedrohung fr die Versicherungswirtschaft?“.

(6)

von Haftpflichtfllen – glcklicherweise selten sind. Nach Angaben aus der Versicherungswirtschaft machen sie z. B.

in der Kfz-Haftpflichtversicherung ca. 3 % der Gesamtzahl aller Unflle aus.30Wie die Erfahrungen aus dem Ausland belegen, fallen Angehrigenschmerzensgelder bei der Be- rechnung von Prmien der Haftpflichtversicherung prak- tisch nicht ins Gewicht. Viel relevanter sind nach Angaben von Versicherern etwa die Kosten fr langwierige medizini- sche Heilbehandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen, Ver- dienstausfall31und fr den Ersatz von Sachschden an Pkw sowie – wegen der großen Zahl von Fllen – in Deutschland zudem die Entschdigung fr vorenthaltene Nutzung fr Pkw sowie Mietwagen- und Gutachterkosten.

b) Frderung der Kooperationsbereitschaft von Angehrigen bei der Gesamtregulierung und damit verbunden: Stabilisierung oder gar Senkung der Gesamtkosten

Der Blick ber die Grenzen, z. B. nach sterreich oder in die Schweiz, wo Angehrigen- bzw. Trauerschmerzensgelder gewhrt werden (in der Schweiz seit jeher), zeigt, dass diese zu keiner relevanten Kostensteigerung gefhrt haben, ganz im Gegenteil. Vertreter der Versicherungswirtschaft weisen auf Folgendes hin: Wird ein Opfer schwer geschdigt, so entfllt ein hoher Teil des Ersatzbetrages auf Behandlungs- kosten, insbesondere fr stationre Behandlung, sowie auf Ersatz von Verdienstausfall. Angehrigen der Geschdigten kommt hier eine wichtige Rolle zu: Sind sie kooperativ und bereit, sich aktiv fr die Wiederherstellung des Opfers ein- zusetzen, kann hierin ein wichtiger Faktor fr eine Stabili- sierung oder gar Senkung der Kosten und eine Entlastung der Versichertengemeinschaft liegen. Sind Angehrige etwa bereit, bei einer huslichen Pflege mitzuwirken, so kann dies stationre Krankenhausaufenthalte verkrzen, u. U. langwie- rige Rehabilitationsmaßnahmen vermeiden oder verkrzen helfen, etc.32Es besteht daher ein erhebliches Interesse der Versichertengemeinschaft daran, ein Klima der Kooperation zwischen Versicherer und Angehrigen zu schaffen. Hier kommt dem Angehrigenschmerzensgeld eine wichtigeBe- friedungs- und Anerkennungsfunktionzu.33Zahlt ein Versi- cherer unbrokratisch ein Angehrigenschmerzensgeld, so erkennt er hiermit das Leid der Angehrigen an und trgt da- zu bei, einen Dialog mit den Angehrigen zu schaffen, was die Planung eines mglichst sanften und aus Sicht von Ver- sicherer und Versichertengemeinschaft nicht zuletzt auch kostensparenden Genesungsprozesses unter Einbeziehung der Angehrigen begnstigt. Kurz: Trauerschmerzensgeld schafft ein „besseres Klima der Gesamtregulierung“.34 Im Koalitionsvertrag von 2013 wird dieAnerkennungsfunk- tionvon Trauerschmerzensgeld daher zu Recht ausdrcklich erwhnt. Sie stellt sogar die einzige Funktion dar, mit wel- cher der Koalitionsvertrag den Vorschlag zu seiner Einfh- rung begrndet.

Vom gegenwrtigen deutschen Schadensrecht gehen dage- gen ganz andere Anreize aus. Schmerzensgeld wird im deut- schen Recht bekanntlich nur beim Vorliegen eines sog.

„Schockschadens“ der Angehrigen gewhrt, d. h. bei der Verletzung der Angehrigen in ihrer eigenen Gesundheit aufgrund des traumatischen Ereignisses.35Fr diese besteht daher ein Anreiz, das eigene Leid sich bis zu einer Gesund- heitsverletzung entfalten zu lassen, wollen sie Ersatz fr ihre immateriellen Beeintrchtigungen erhalten.36Strke bei der Bewltigung von tragischen Ereignissen sowie Kooperation

bei der Genesung und Rehabilitation werden vom deutschen Schadensrecht also nicht gefrdert oder honoriert, sondern geradezu sanktioniert. Dies schafft ein Klima der Konfronta- tion, nicht der Kooperation zwischen Versicherer und Ange- hrigen. In der Schweiz, wo Angehrigenschmerzensgeld, wie erwhnt, seit jeher gewhrt wird, spielen Schockschden dagegen kaum eine Rolle in der Rechtsprechung und werden Fehlsteuerungen wie im deutschen Recht vermieden.37Nicht zuletzt wird in der Schweiz so die Regulierung vereinfacht und werden (zum Teil erhebliche) Kosten fr die Begutach- tung von Schockschden durch Sachverstndige entbehr- lich.

c) Vermeidung hoher Rechtsverfolgungskosten in grenzberschreitenden Fallkonstellationen

Nicht selten haben Haftungsflle einen grenzberschreiten- den Bezug, und es stellt sich die Frage, nach welchem Haf- tungsrecht der Fall zu beurteilen ist. DerGermanwings-Ab- sturz in Sdfrankreich bietet hierfr ein Beispiel. Angesichts der erheblichen Unterschiede beim Angehrigenschmer- zensgeld liegt es auf der Hand, dass der Ausgang eines Rechtsstreits maßgeblich davon abhngen kann, nach wel- chem Haftungsrecht ein Begehren zu beurteilen ist. In grenzberschreitenden Fllen sind es daher immer wieder Trauerschmerzensgelder, derentwegen Angehrige auf der einen und Haftpflichtige bzw. deren Versicherer auf der an- deren Seite bis vor die hchsten Gerichte ber das anwend- bare Haftungsrecht streiten.38

Gelegentlich kamen auslndische Gerichte dabei zu dem Er- gebnis, die Weigerung eines auslndischen Rechts, ein An- gehrigenschmerzensgeld zuzusprechen, verstieße gegen die ffentliche Ordnung (den Ordre public) des Gerichts- staates. So urteilte etwa ein italienisches Gericht, die (sei- nerzeitige) Weigerung des sterreichischen Rechts, nach ei- nem tdlichen Verkehrsunfall den berlebenden Angehri-

Kadner Graziano, Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Wrfel fallen Heft 9/2015

RIW 553

30 Werwigk, in:Schultzky, VersR 2011, 857, 860.

31 Vgl.Werwigk, in:Schultzky, VersR 2011, 857, 860; vgl. auch die Ein- schtzung vonWiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471, 473.

32 Hierzu aus medizinischer und psychologischer SichtLude-Sigrist, Quer- schnittlhmung: Der Verarbeitungsprozess bei Angehrigen bzw. nahen Bezugspersonen, Diss. Bern 2002, S. 188: „Die Rolle und Einbindung der Angehrigen bzw. nahen Bezugspersonen in die Rehabilitation der querschnittgelhmten Patientinnen und Patienten kann nicht hoch genug eingeschtzt werden.die Angehrigen bzw. nahen Bezugspersonen [werden im Idealfall] fast unmerklich zur Sttze und Ressourcedes Rehabilitationsteams.Sie sind zentrale Schlsselfiguren bei der so- zialen Integration“.

33 Nicht nur aus juristischer, sondern auch aus medizinischer und psycho- logischer Sicht, s. wiederumLude-Sigrist(Fn. 32), S. 187: „Angehrige sind [im Falle von Schwerstverletzungen] die wichtigste Sttze in der Gesundheitsversorgung“. Es gilt „ihre Leistung anzuerkennen, zu wr- digen und gezielt zu frdern, d. h. auch finanziell“.

34 Werwigk, in:Schultzky, VersR 2011, 857, 860.

35 Grundlegend BGH, 11. 5. 1971, BGHZ 56, 163, 165 f.; ferner z. B.

BGH, NJW 1984, 1405; BGH, NJW 2006, 3268.

36 Siehe schonStoll, Haftungsfolgen im Brgerlichen Recht, 1993: Die Rechtsprechung zu den Schockschden „begnstigt Angehrige, die eine solche Schdigung darzustellen wissen“. hnlichHuber, NZV 2012, 5, 8 und 10: „Hufig entscheidet die schauspielerische Darstel- lung durch den Angehrigen sowie die Eloquenz des eingeschalteten Facharztes und nicht das Maß an Betroffenheit ber Grund und Umfang des von den Gerichten gewhrten Ersatzes“.

37 Siehe den grundlegenden schweizerischen Fall zu Schockschden BG, 11. 3. 1986, BGE 112 II 118: Verlust zweier minderjhriger Kinder bei Absturz eines Militrflugzeugs. Ein Trauerschmerzensgeld war in die- sem Fall vom schweizerischen Bund anstandslos bezahlt worden (je- weils 40 000 CHF an Mutter und Vater wegen des Verlusts zweier Kin- der, 12 000 CHF an einen Sohn wegen Verlusts des Bruders). In ster- reich und Italien sind Urteile zu Schockschden ebenfalls selten; vgl.

Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44, 49.

38 NherKadner Graziano, ZEuP 2002, 834, 847 ff. mit Nachw. belgischer, franzsischer, italienischer und sterreichischer Urteile.

(7)

gen ein Trauerschmerzensgeld zu zahlen, verstoße gegen die italienische Verfassung; es wendete stattdessen italienisches Recht an. Im August 2013 besttigte die italienischeCorte di Cassazionedas Urteil. Das hchste italienische Zivilge- richt urteilte, die Ablehnung von Trauerschmerzensgeld durch das eigentlich anwendbare auslndische Recht versto- ße nicht nur gegen die italienische Verfassung, sondern auch gegen die Europische Menschenrechtskonvention (Art. 8) und die Europische Grundrechtscharta (Art. 7) und sei da- her auch mit dem internationalenOrdre publicItaliens un- vereinbar.39Mit demselben Ergebnis wre vor italienischen Gerichten auch im Hinblick auf das deutsche Recht zu rech- nen. Selbst bei Geltung der Rom II-Verordnung, nach wel- cher das anwendbare Haftungsrecht in den Mitgliedstaaten der EU seit 2009 zu bestimmen ist, ist ein solcherOrdre pub- lic-Einwand mglich (Art. 26 Rom II-VO40).

Rechtsstreitigkeiten ber das anwendbare Recht, die bis vor die hchsten nationalen Instanzen gefhrt werden, stellen naturgemß einen erheblichen Kostenfaktor dar. Eine An- gleichung des deutschen Rechts an die europische Rechts- lage wrde Anreize zur gerichtlichen Auseinandersetzung ber das anwendbare Recht mindern oder sogar beseitigen.

Die freiwillige Zahlung von Trauerschmerzensgeld durch die Lufthansa an die Angehrigen der Opfer nach demGer- manwings-Absturz ist daher auch konomisch durchaus ra- tional (von ihrer Hhe einmal abgesehen). Gelangt vor deut- schen Gerichten letztlich auslndisches Recht zur Anwen- dung, zahlen auch deutsche Versicherer im brigen schon heute Trauerschmerzensgelder.41

d) Resmee

Bei genauem Hinsehen sprechen die wirtschaftlichen Inte- ressen von Versicherern und Versichertengemeinschaft aus den genannten Grnden somit nicht gegen, sondern ganz im Gegenteil fr die Einfhrung eines Trauerschmerzensgel- des.42

3. Trauerschmerzensgeld und Erkenntnisse der Opferpsychologie

Auch Erkenntnisse der Opferpsychologie sprechen fr das Trauerschmerzensgeld. Kommt es zu einer schweren Verlet- zung, etwa einer Querschnittlhmung nach einem fremdver- ursachten Verkehrsunfall, wird der Erstgeschdigte43oft in Rehabilitationsmaßnahmen eingebunden, die ihn in hohem Maße zeitlich und gedanklich in Anspruch nehmen. Im Ide- alfall arbeitet er hart daran, seine eigene Situation zu verbes- sern.44In solchen Situationen sind Angehrige mit den mas- siven physischen Vernderungen der geliebten Person kon- frontiert, ohne dass sie – in dieser Phase – selbst aktiv an der Verbesserung der Lage arbeiten oder auch nur maßgeblich an ihr mitwirken knnen. Dieses Verurteilt-Sein zur Unttig- keit angesichts des Leids einer geliebten Person lst seiner- seits oft erhebliche psychische Belastungs- und Trauerreak- tionen aus, welche die psychische Belastung des (im Ideal- fall in Rehabilitationsmaßnahmen aktiven) Erstgeschdig- ten sogar bersteigen knnen. Das Leid der zur Unttigkeit verurteilten Angehrigen ist also oft nicht geringer, sondern kann ebenso groß oder u. U. sogar strker sein als das Leid des erstgeschdigten Unfallopfers.45Sind Krankenhausauf- enthalt und stationre Rehabilitation abgeschlossen, fhrt das Leben mit dem behinderten Erstgeschdigten zu einer Vielzahl „situationsbedingter Belastungen“. „Angehrige bzw. nahe Bezugspersonen haben … ein riesiges Alltags-

pensum zu bewltigen und knnen kaum einen Schritt spon- tan ohne Absprache aus dem Haus machen.“46

Aus psychologischer Sicht sind die „Angehrigen bzw. na- hen Bezugspersonen …, sowohl was die kurzfristigen Wir- kungen als auch die lngerfristigen Auswirkungen betrifft, ebenfalls direkt Betroffene. … Angehrige bzw. nahe Be- zugspersonen haben keine eigentliche Wahl. Mit dem schicksalhaften Unfall oder der Krankheit wird die neue Le- benslage automatisch auch zum Schicksal der Angehrigen bzw. nahen Bezugspersonen“.47 Zielt Schadensersatz auf den Ausgleich der durch das Haftungsereignis verursachten Schden, so ist nicht ersichtlich, weshalb die psychischen Schden des erstgeschdigten Unfallopfers ersetzt werden, nicht jedoch diejenigen zweitgeschdigter Angehriger.

Aus konomischer Sicht wrden andernfalls negative ex- terne Effekte erzielt, d. h. Kosten, die von der Allgemeinheit zu tragen wren, statt diese zu internalisieren, d. h. auf den Verursacher zurckzufhren.48

4. Trauerschmerzensgeld und die Europische Menschenrechtskonvention

In der deutschen Diskussion noch zu wenig beachtet sind drei Entscheide des Europischen Gerichtshofs fr Men- schenrechte aus den Jahren 2001, 2002 und 2012.49In allen drei Fllen waren junge Mnner durch Verschulden von Mit- arbeitern staatlicher Institutionen (von Gefngnissen in den FllenKeenanundEdwardssowie einer Krankenstation im FallReynolds) ums Leben gekommen. Die Mtter bzw. El-

554 RIW

Heft 9/2015 Kadner Graziano, Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Wrfel fallen

39 Corte di Cassazione Civile, sez. III., 22. 8. 2013, n. 19405, Foro italiano, fascicolo 10, 2014, colonna 2809 m. Anm.Casoria(zum sterreichi- schen Recht vor der Wende der Rechtsprechung von 2001). Das Beru- fungsgericht von Venedig als Vorinstanz hatte daher auf Grundlage des hilfsweise anwendbaren italienischen Rechts den Eltern des Opfers je- weils 65 000esowie 20 000ejedem Geschwisterteil fr ihren Trauer- schaden zugesprochen, d. h. unabhngig von eventuellen materiellen Schden.

40 Art. 26 (ffentliche Ordnung im Staat des angerufenen Gerichts) lautet:

„Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeich- neten Rechts kann nur versagt werden, wenn ihre Anwendung mit der ffentlichen Ordnung („Ordre public“) des Staates des angerufenen Ge- richts offensichtlich unvereinbar ist“.

41 Darauf weistWerwigkhin, Vice President Claims & Liability der Swiss Re, beiSchultzky, VersR 2011, 857, 859.

42 Die genannten Aspekte wren in die Kosten-Nutzen-Analyse vonWag- nernoch einzustellen (Wagner[Fn. 19], S. 231, 244 ff.).

43 Unter Erstgeschdigtem wird das am Unfallort unmittelbar anwesende und dort physisch geschdigte Opfer verstanden, unter Zweitgeschdig- tem der (mit-)leidende Angehrige.

44 Siehe die Studie vonLude-Sigrist(Fn. 32), S. 9: „Dieses harte Training wird oft mit Leistungssport verglichen.“; sowie S. 12 f. (Zitat) und auch 29, 188: Die verletzte Person „mobilisiert quasi als berlebensreaktion alle mglichen Krfte und konzentriert sich, sofern noch mglich, auf das Machbare.Ganz im Gegensatz dazu stehen Angehrige bzw.

nahe Bezugspersonen sinnbildlich am Ufer und mssen dem Ertrinken- den bzw. der Rettungsaktion durch Fachpersonen zuschauen, ohne selbst helfen zu knnen“.

45 Vgl. die Ergebnisse der Studie vonLude-Sigrist(Fn. 32), S. 194: „Die Angehrigen bzw. nahen Bezugspersonen sind signifikant hher belas- tet als die DirektbetroffenenSie zeigen das Belastungs-Bild, das man von den Direktbetroffenen erwartet.Das Nicht-Erleiden der schwer- wiegenden Verletzung erweist sich insofern als regelrechtes Handicap“.

46 Lude-Sigrist(Fn. 32), S. 27. Es heißt weiter: „Dies gilt fr Angehrige bzw. nahe Bezugspersonen von hochgelhmten Menschen das weitere Leben lang, denn die Lebenserwartung von Menschen mit Querschnitt- lhmung entspricht dank der medizinischen Fortschritte annhernd der- jenigen der Normalbevlkerung“.

47 Lude-Sigrist(Fn. 32), S. 2; zu den Belastungsbildern anschaulichdies., z. B. S. 4 ff. und 15.

48 Schwintowski/C. Schah Sedi/M. Schah Sedi, ZfSch 2012, 6, III.

49 EGMR, 3. 4. 2001, Keenan v. the United Kingdom, Nr. 27229/95;

EGMR, 14. 3. 2002,Edwards v. the United Kingdom, Nr. 46477/99;

EGMR, 13. 3. 2012,Reynolds v. the United Kingdom, Nr. 2694/08.

(8)

tern der ums Leben Gekommenen klagten jeweils auf Zah- lung eines Schmerzensgeldes fr das Leid, das sie infolge des Verlusts des Sohnes erlitten hatten.

Das englische Recht sieht in Sect. 1A desFatal Accident Act ein Trauerschmerzensgeld in gesetzlich geregelter Hhe fr den berlebenden Ehegatten sowie die Eltern minderjhri- ger, unverheirateter Kinder vor,50nicht aber fr die Eltern er- wachsener Kinder. Der Europische Menschenrechtsge- richtshof sah darin, dass ein solches Ersatzbegehren der kla- genden Mtter bzw. Eltern eines erwachsenen Kindes nach englischem Recht von vornherein aussichtlos ist, eine Ver- letzung der Eltern in ihren durch die Konvention geschtz- ten Rechten aus Art. 13 EMRK in Verbindung mit Art. 2 EMRK.

Wenn diese Urteile im Hinblick auf ihre dogmatischen Be- grndungen auch viele Fragen aufwerfen und zudem noch offen ist, ob die maßgeblichen Rechtsgrundstze ber die Schdigung in staatlichen Institutionen hinaus Relevanz ha- ben, so etwa, wenn ein Gericht es ablehnt, ein Trauerschmer- zensgeld z. B. nach einem Verkehrsunfall zu gewhren, so ist doch ganz eindeutig: In Konstellationen wie denjenigen der drei genannten Flle wre Deutschland ebenso wie Eng- land wegen Verstoßes gegen die EMRK zu verurteilen.

Die englischem Gerichte haben auf diese Rechtsprechung des Europischen Gerichtshofs fr Menschenrechte reagiert und gewhren nun in Fllen, in denen Erwachsene in staat- lichen Institutionen durch fahrlssiges Verhalten zu Tode kommen, bestimmten Angehrigen ein Trauerschmerzens- geld auch ber die im Gesetz geregelten Flle hinaus.51Die deutsche Rechtsprechung msste in solchen Konstellationen ebenso verfahren, wrde sie eine Verurteilung durch den Eu- ropischen Gerichtshof fr Menschenrechte vermeiden wol- len.52

V. Trauerschmerzensgeld: die europische Rechtslage

Es sprechen mithin zahlreiche gute Grnde fr das Trauer- schmerzensgeld – und fr seine Einfhrung auch ins deut- sche Recht. Im Folgenden wird ein berblick ber die euro- pische Rechtslage zur Frage von Trauerschmerzensgeld ge- geben. In der Struktur orientiert sich die Darstellung an den fnf oben (III.) genannten Kernfragen und untersucht, wel- che Antworten in den europischen Haftungsrechten auf sie gegeben werden. Im Anschluss wird jeweils gefragt, welche Lsung sich im Hinblick auf die behandelte Frage fr das deutsche Recht empfehlen wrde.

1. Angehrigenschmerzensgeld: nur im Todesfall oder auch bei schwerster Verletzung?

a) Die europische Rechtslage aa) Im Todesfall

Trauerschmerzensgelder werden in der ganz berwiegenden Zahl europischer Rechtsordnungen beim unfallbedingten Tod bestimmter nahestehender Menschen gewhrt. Zu nen- nen sind etwa die Haftungsrechte Frankreichs, Belgiens, Luxemburgs, von England und Wales, Schottlands, Irlands, Finnlands, Norwegens, Dnemarks, Schwedens, der Schweiz, sterreichs, Italiens, Spaniens, Portugals, Slowe- niens, Polens, der Tschechischen Republik, der baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland, Ungarns, Serbiens, Rumniens, Bulgariens und Griechenlands.53 Wendet man

den Blick ber Europa hinaus, so finden sich Trauerschmer- zensgelder etwa im Recht der kanadischen Provinz Qubec, in den Rechten Japans, Sdkoreas und Chinas sowie in ein- zelnen Bundesstaaten der USA.54 In einer zunehmenden Zahl von Rechtsordnungen ist das Trauerschmerzensgeld gesetzlich vorgesehen,55 in anderen hat es die Rechtspre- chung im Wege der Auslegung der allgemeinen haftungs- rechtlichen Vorschriften gewhrt.56

Rechtsordnungen, welche Angehrigenschmerzensgeld noch immer ablehnen, sind inzwischen ganz selten in Euro- pa. Zu nennen ist hier zunchst das deutsche Recht. Selbst in Fllen grßter Tragik blieb die Rechtsprechung in ihrer Ab- lehnung standhaft. Der Fall des OLG Nrnberg, in dem ein Ehepaar auf einen Schlag alle drei Kinder verlor, wurde

Kadner Graziano, Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Wrfel fallen Heft 9/2015

RIW 555

50 Nher unten V. 4. b.

51 Siehe etwa den Fall Rabone v. Pennine Care NHS Foundation Trust (2012) UKSC 1, (2012) MHLQ 6.

52 Dazu, dass dies nach deutschem Recht schonde lege latamglich wre, sieheKadner Graziano, ZEuP 1996, 135, 149 ff. mit Lsungsvorschlag.

53 Fr Frankreich stellvertr. Cour de Cassation, 22. 10. 1946 (Socit natio- nale de Chemins de fers fran ais c. Geneix et poux Chamard), D. 1947, 59; Cour de Cassation, 29. 11. 1989 (Balian c. Deturmeny), J.C.P. 1990 IV. S. 31; fr Belgien etwa Cour de Cassation/Hof van Kassatie, 7. 12.

1970, Pasicrisie belge, 1971 I 319; fr Luxemburg stellvertr. Cour de Cassation, 8. 5. 1896, Pas. lux. 4, 177; 1. 2. 1984, Pas. lux. 26, 147; fr England und Wales: Fatal Accidents Act, Sect. 1A (Damages for Be- reavement) (siehe unten V. 4. b) und Fn. 130) und z. B.Deakin/Johnson/

Markesinis, Markesinis and Deakin’s Tort Law, 7. Aufl. 2012, S. 851 f.;

fr Schottland: Damages (Scotland) Act 2011, Sect. 4 (3) (b); fr Irland:

Civil Liability Act 1961, Section 49 (1) (b) i. d. F. v 2014; fr Finnland:

finnischer Vahingonkorvauslaki (Haftpflichtgesetz), Kapitel 5, § 4a; fr Norwegen: norwegisches Skadeserstatningsloven (Schadensersatzge- setz), § 3-5 Abs. 2; fr Dnemark: Erstatningsanvardsloven (Haft- pflichtgesetz) i. d. F. von 2002 (vgl. Ulfbeck, in: Koziol/Steininger [Hrsg.], Yearbook of European Tort Law 2002, IV. Denmark, Nr. 1 f.);

fr Schweden siehe bereitsKadner Graziano, ZEuP 2002, 834, 849 ff.

m. w. Nachw.; fr die Schweiz: z. B. Bundesgericht, 22. 4. 1986, BGE 112 II 220; fr sterreich: seit OGH, 16. 5. 2001, JBl. 2001, 660; ZVR 2001, 73/284; fr Slowenien: Obligacijski zakonik (slowenisches Schuldrechtsgesetz), Art. 180; fr Polen: polnischer Kodeks cywilny (ZGB), Art. 446 § 4; fr Estland: Vlaigusseadus (estnisches Schuld- rechtsgesetz), § 142 Abs. 3; fr Litauen: Civilinis kodeksas (ZGB), Art. 6.250, 6.284, und Lietuvos Auksˇcˇiausiojo Teismo civiliniu¸ bylu¸

skyriaus isˇple˙stine˙s teise˙ju¸ kolegijos (litauischer Hchster Gerichtshof, Zivilrechtsabteilung), 18. 4. 2005 nutartis c.b.L. Z., M. Z., V. Z., G. Z. v.

Vsˇł Marijampole˙s ligonine˙, No. 3K-255/2005; Lietuvos Auksˇcˇiausiojo Teismo Civilini8bylu¸ skyriaus teise˙ju¸ kolegijos, 23. 2. 2010 nutartis c.b.I. J. and others v. Public Institution Vilnius City University Hospital, No. 3K-3-59/2010; fr Lettland: Art. 1635 ZGB; fr Ungarn: siehe schonBard/Kiss, VersR 1981, 911, 912; fr Serbien: Art. 201 des Ver- trags- und Deliktsgesetzes; fr Rumnien: rumnischer Codul civil (ZGB), Art. 1391 Abs. 1 und 2; fr Bulgarien: Supreme Court of Cassa- tion, III. Civil Division, 3. 7. 2005, Decision No. 377, Civil Case 3667/

2002, in:Winiger/Koziol/Koch/Zimmermann(eds.), Digest of European Tort Law, Vol. 2: Essentiel Cases on Damage, 2011, 12/27/6; fr Italien:

Corte Costituzionale, 11. 7. 2003, Foro italiano 2003, 2201; umfangr.

Nachw. der Rspr. beiChristiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44, 51 f. und 58 f.; Nachw. der lteren Rspr. a. a. O., 50 Fn. 58; siehe fr Spa- nien stellvertr. Tribunal Supremo, 19. 12. 1986, Aranzadi, Repertorio de Jurisprudencia (RAJ) 1986, no. 7682; Tribunal Supremo, 15. 6. 1989, RAJ 1989, no. 5123; fr Portugal: portugiesischer Cdigo civil, Art. 496; fr Tschechien: Art. 444 Abs. 3 des tschechischen ZGB; fr Griechenland: Arsijo´ Kx´dijay(griechisches ZGB), Art. 932 Satz 3.

54 Qubec: Supreme Court of Canada,Augustusv.Gosset, 3. 10. 1996 [1996] 3 SCR 268; Japan: (ZGB), Art. 711; Sdkorea: Art. 752 des ZGB; zu beiden sowie dem Recht ChinasFrank, FamRZ 2015, 289; fr die USA siehe stellvertr. einerseits Florida: Wrongful Death Act, Sect.

768.16, 768.17, 768.19, 768.21 (Trauerschmerzensgeld wird gewhrt) und andererseits: New York Estates, Powers & Trusts – Part 4. Rights of Members of Family Resulting From Wrongful Act, Neglect or Default Causing Death of Decedent, § 5-4.1, § 5-4.3 (kein Trauerschmerzens- geld).

55 So etwa in England und Wales, Schottland, Irland, der Schweiz, Finn- land, Norwegen, Slowenien, Polen, Estland, Litauen, Rumnien, Ser- bien, Portugal, Griechenland und z. B. Japan und Sdkorea sowie eini- gen Bundesstaaten der USA (z. B. Florida) (Nachw. in Fn. 53 und 54).

56 So in Frankreich, Belgien, Luxemburg, sterreich, Italien, Spanien, und z. B. Qubec (Nachw. in Fn. 53 und 54).

(9)

oben bereits genannt.57 Zu erwhnen ist des Weiteren z. B.

ein Fall des OLG Freiburg bereits aus den fnfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Einem 6-jhrigen Mdchen wurde zur Behandlung einer Erkltung von einem Apothe- ker irrtmlich statt einer Kochsalzlsung ein hochgiftiges Mittel gegeben. Die Mutter, selbst rztin, wurde Zeugin des schrecklichen, 16-stndigen Todeskampfes ihrer kleinen Tochter. Das Landgericht Freiburg gewhrte Schadensersatz wegen eines Schockschadens der Mutter sowie wegen ihres Leides ber den Verlust der Tochter. Das OLG Freiburg krzte den Ersatzbetrag um die Hlfte, da das Leid ber den Verlust der Tochter (anders als das Leiden wegen des Schockschadens der Mutter) nicht aus der Verletzung der Mutter in einem deliktsrechtlich geschtzten absoluten Rechtsgut resultiere und es nach deutschem Recht daher nicht als Grundlage fr einen Ersatzanspruch dienen knne.58 Dies ist in Deutschland noch immer geltendes Recht.59

Zu nennen ist des Weiteren das – im brigen so fortschrittli- che – Haftungsrecht im Zivilgesetzbuch der Niederlande, dem Burgerlijk Wetboek. Der niederlndische Hoge Raad nahm den oben (II.) geschilderten tragischen Unfalltod des kleinen Mdchens zum Anlass, den Gesetzgeber zur Einfh- rung eines Angehrigenschmerzensgeldes aufzufordern. Zu einem Ergebnis hat dies bislang noch nicht gefhrt.60

bb) Auch bei schwerster Verletzung

In einer wachsenden Zahl von Rechtsordnungen wird den Angehrigen ein Trauerschmerzensgeld nicht nur im Todes- fall, sondern auch bei besonders schwerer Verletzung des Erstgeschdigten gewhrt. Dies ist ausdrcklich vorgesehen z. B. in den Zivilgesetzbchern Sloweniens, Estlands und Serbiens61 sowie in den aus umfangreichen rechtsverglei- chenden Arbeiten hervorgegangenen Principles of Euro- pean Tort Law(Art. 10:301 Abs. 1 Satz 3)62sowie imDraft Common Frame of Reference(Art. VI. – 2:202).63

In anderen Rechtsordnungen ist Trauerschmerzensgeld in den gesetzlichen Regelungen zwar eigentlich nur fr den To- desfall des Erstgeschdigten vorgesehen; die Rechtspre- chung nahm besonders tragische Konstellationen dann aber zum Anlass, es auch auf Flle besonders schwerer Verlet- zung auszuweiten.

Ein Beispiel hierfr bietet die Rechtslage in der Schweiz.

Nach Art. 47 des schweizerischen Obligationenrechts (OR) kann der Richter „[b]ei der Ttung…unter Wrdigung der besonderen Umstnde … den Angehrigen des Getteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zuspre- chen“. Das Bundesgericht gewhrt Trauerschmerzensgeld seit einem Entscheid von 1986 aber auch bei schwerster Verletzung einer besonders nahestehenden Person. Als Grundlage dient Art. 49 OR, nach dem bei widerrechtlichen Verletzungen der Persnlichkeit ein Anspruch auf Genug- tuung in Geld besteht. Das Bundesgericht vertritt – mit sehr einfhlsamer Begrndung – die Ansicht, dass bei schwers- ten Verletzungen, welche die gesamten Lebensverhltnisse eines Paares oder einer Familie umstrzen, auch die Ange- hrigen in ihrem Persnlichkeitsrecht verletzt sind.64 Die seelische Belastung knne in solchen Fllen u. U. sogar gr- ßer sein als beim Tod des Erstgeschdigten. In der Leitent- scheidung war eine Frau bei einem Verkehrsunfall schwer geschdigt worden. Sie erblindete vllig, befand sich lange Zeit im Zustand tiefer Bewusstlosigkeit und erlitt weitere schwerste Verletzungen, die sie dauerhaft pflegebedrftig

machten. In einem solchen Fall sei der Angehrige nicht nur reflexartig betroffen, sondern als Zweitgeschdigter recht- lich relevant in seinem Persnlichkeitsrecht betroffen, so dass ihm ein eigener Anspruch auf Ersatz seines immateriel- len Schadens zustehe.

Eine hnliche Entwicklung fand krzlich z. B. in Litauen statt. Der Gesetzgeber hatte das Trauerschmerzensgeld in Art. 6.284 des neuen litauischen ZGB von 2001 fr den Fall der Ttung eines nahen Angehrigen vorgesehen. Der Oberste Gerichtshof Litauens ging dann bereits im Jahre 2005 unter Rckgriff auf verfassungsrechtliche Wertungen darber hinaus und gewhrte den Eltern von Zwillingen, die kurz nach ihrer Geburt infolge eines Fehlers des Kranken- hauspersonals schwere Verbrennungen erlitten hatten, einen eigenen Ersatzanspruch wegen des Leids, das sie infolge der schweren Verletzung ihrer Neugeborenen erlitten hatten.

In anderen Rechtsordnungen blieb es von vornherein der Rechtsprechung vorbehalten, Trauerschmerzensgeld auch im Verletzungsfall einzufhren bzw. es auf den Verletzungs- fall auszudehnen.

So gewhrt z. B. die franzsische Cour de Cassation auf Grundlage der deliktischen Generalklausel im Code civil seit jeher Trauerschmerzensgeld auch im Verletzungsfall. In gleicher Weise verfuhren die Kassationshfe Belgiens und Luxemburgs und auch im italienischen und im spanischen Recht ist Trauerschmerzensgeld nicht auf den Todesfall des Erstgeschdigten beschrnkt.65

In Italien wird hierbei das von der Verfassung geschtzte Rechtsgut auf uneingeschrnkte Lebensfhrung herangezo- gen. Es wird als betroffen angesehen, wenn sich die Angeh- rigen um die Betreuung eines nun schwerbehinderten Fami- lienmitglieds kmmern – mit all den hiermit verbundenen Vernderungen der eigenen Lebensumstnde und den emo- tionalen Belastungen durch Trauer, Verzweiflung etc. Wie in der Schweiz so knnen die Trauerschmerzensgelder bei Schwerstverletzungen in Italien dieselbe Hhe erreichen wie bei Ttung des Erstgeschdigten.66

556 RIW

Heft 9/2015 Kadner Graziano, Angehrigen- oder Trauerschmerzensgeld – die Wrfel fallen

57 Oben unter II.

58 OLG Freiburg, 30. 6. 1953, JZ 1953, 704, und oben II.

59 Das deutsche Recht geht insoweit einen „schdigerfreundlichen Sonder- weg“, soWeller/Rentsch/Thomale, NJW 2015, 1909, 1912, bzw. einen

„Sonder- und Irrweg“, soBrand, in: FS Jaeger, 2014, S. 191.

60 Zum niederlndischen RechtDacoronia et al., ERPL 2003, 412;Kool- hoven, VersRAI 2007, 20;Hinghofer-Szalkay (und Prisching), ZVR 2008, 444;Wagner(Fn. 19), S. 231, 232 m. Nachw.

61 Obligacijski zakonik (slowenisches Schuldrechtsgesetz), Art. 180; V- laigusseadus (estnisches Schuldrechtsgesetz), § 142 Abs. 3; Art. 201 des serbischen Vertrags- und Deliktsgesetzes.

62 Art. 10:301. Non-pecuniary damage. (1) Considering the scope of its protection (Article 2:102), the violation of an interest may justify com- pensation of non-pecuniary damage. This is the case in particular where the victim has suffered personal injury; or injury to human dignity, li- berty, or other personality rights. Non-pecuniary damage can also be the subject of compensation for persons having a close relationship with a victim suffering a fatal or very serious non-fatal injury. […]

63 VI. – 2:202. Loss suffered by third persons as a result of another’s perso- nal injury or death. (1) Non-economic loss caused to a natural person as a result of another’s personal injury or death is legally relevant damage if at the time of injury that person is in a particularly close personal rela- tionship to the injured person.

64 Ausf.Kadner Graziano, ZEuP 1996, 135, 140 f.

65 Nachw. fr alle bei Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834, 845 und Fn. 25 f.; fr ItalienHinghofer-Szalkay, ZVR 2008, 444, 448, Fn. 39 (Rspr. seit 2002 gefestigt). Allerdings sind italienische Urteile, in denen Trauerschmerzensgeld im Verletzungsfall gewhrt wird, deutlich selte- ner als bei Todesfllen. Nachw. fr Litauen oben Fn. 53.

66 So wurde einem Ehemann, dessen Frau bei einem Unfall querschnittge- lhmt wurde, ein eigenes Trauerschmerzensgeld i. H. v. 200 000ezuge- sprochen; zit. nachWenter, zfs 2012, 1, 3. Zur Hhe der Schmerzensgel- der in den einzelnen Rechtsordnungen noch unten V. 4. a.

Références

Documents relatifs

Viel mehr als eine Reflexion über die sozialen und topographischen Schwellen und Grenzzonen der Metropole wird also in den beiden Avantgarde-Zeitschriften,

die sich die Lôsungsexistenz aus der eindeutigen Bestimmtheit der Lôsung ergibt; (7) ist eine belastete Fredholmsche Integral- gleichung, für die man nach

Mit den bereits vorhandenen Komponenten kann die Ober- flächenabtastung realisiert werden, indem die stationäre Stereokamera durch eine kompakte Stereokamera der Firma Point Grey

In dieser Arbeit wird ein Versuchsstand mit einem Leichtbauroboter und einem hochfrequenten Lokalisationssystem vorgestellt, der zur Untersuchung des Regelverhaltens für

Der zweite Saatpunkt wird genutzt, um radial eine Menge von weiteren Saatpunkten zu generieren, die mit dem Zielpunkt linear zu Trajektorien verbunden und anschließend automa- tisch

Wie aber kann man Intelligenz messen, wenn sich Lebensalter und zu lösende Aufgaben nicht mehr so eindeutig zuordnen lassen.. Entwicklungspsy- chologische Befunde und schulische

Left ventricular systolic function as assessed from ejection fraction is within normal limits in about two-thirds of the patients who are referred for catheterization with a view

This comparison of two groups of cardiac surgery patients with different policies of chest tube removal shows that the pain intensity is signi®cantly higher in the group with