VERGESELLSCHAFTUNG UND VERSTÄNDIGUNG
IM TIERREICH
FRAGEN AN DIE SOZIOBIOLOGIE
*ASSOCIATION ET COMMUNICATION DANS LE RÈGNE ANIMAL QUESTIONS DE SOCIOBIOLOGIE
ASSOCIATION AND COMMUNICATION IN ANIMAL KINGDOM QUESTIONS TO SOCIOBIOLOGY
Martin LINDAUER
Universität Würzburg, Zoologisches Institut 11 Röntgenring 10
D - 87 Würzburg (B.R.D.)
Wir kennen heute weit über 1 Million verschiedene
Tierarten,
die unserenErdball bevölkern. Darunter sind ca. 30 000
Einzeller,
750 000 Arten vonInsekten,
20 000
Fischarten,
8 600Vögel
und nur 3 700Säugetierarten.
Diese Vielfalt der Tierwelt ist dasErgebnis
einesGrundgesetzes
derEvolution,
alle nurmöglichen ökologischen Nischen als Lebensräume zu besiedeln und in einer Lebens-
gemeinschaft
mit anderen Arten zu nutzen.Es
gibt
wohl keineeinzige Tierart, die das ganze Leben hindurch ein Einsiedlerdasein führen würde.
Die
Soziobiologie beschäftigt sich mit dem Phänomen der Vergesellschaftung
der
Artgenossen,
also mit der Gemeinschaft derGeschlechtspartner,
eines Familien-verbandes,
einerSippe,
insbesondere mit denhochorganisierten Staatengemein-
schaften der
Termiten,
Ameisen und Bienen. Unsere ersteFrage
ist die nach der Funktion solcher sozialer Verbände.Zum ersten
garantiert
dieVereinigung
von Männchen und Weibchen dieFortpflanzung. Fortpflanzung
meint aber nicht nurZeugung
vonNachkommen ;
dafür könnten auch die Weibchen allein sorgen ; so
pflegen
es in der Tat die Wasserflöhe(Daphnia) ;
inAbhänigkeit
von bestimmten Umweltfaktoren - Jahres-zeit, Temperatur, Nahrungsangebot
usw. - werden entwederparthenogenetisch
« Subitaneier
» erzeugt,
aus denen wiederparthenogenetisch
sichfortpflanzende
Weibchen
entstehen,
oder es werdenplötzlich
Eiererzeugt,
aus denen sich Männchenentwickeln ; gleichzeitig treten dann Weibchen auf,
die der Befruchtung
* Herrn F. RUTTNER in dankbarer Erinnerung an viele Jahre freundschaftlicher Zusammenarbeit.
bedürfen,
um ihre « Dauereier o zurEntwicklung
zubringen.
Das ist einewichtige Massnahme,
weil nur Dauereier schlechteZeiten,
z.B. das Austrocknen einenTümpels
überdauern können.Die Reblaus wäre niemals zur
Plage geworden, würde sie nicht in ihrer
komplizierten Fortpflanzungsreihe
zwischendurch immer wiederparthenogenetische
Generationen
einschieben,
die die Nachkommenzahl um ein Tausendfaches multi-plizieren.
Wozu also wird im Normalfall doch immer wieder das männliche Geschlechteingeschaltet ?
Die Antwort ist einfach : es wird durch dieKopulation
wertvolles
Erbgut eingebracht, das mit der Befruchtung
der Eizelle eine geradezu grenzenlose
neue Kombination der Erbanlagen ermöglicht
und damit eine Indi-
vidualität der Lebewesen garantiert,
des weiteren eine Anpassung
an die wechselnden
Umweltbedingungen
erheblich verbessert.Man sollte auch nicht
übersehen,
dass die Männchen -gemeinsam
mit denWeibchen - noch eine weitere
Aufgabe
zu erfüllen haben : dieSorge
um dieNachkommen bei der
Brutpflege,
bei derVerteidigung
derJungen
gegen fremdeEindringlinge
und Räuber.Wenn sich viele Individuen zu einem Verband
zusammenschliessen,
wie beiden
Sippen
derSäugetiere
oder bei denhochorganisierten Insektenstaaten,
dannergibt
sich dieMöglichkeit Spezialisten
heranzubilden und durchArbeitsteilung
das Zusammenleben
zugunsten
einer vermehrten Nachkommenschaft effektiv zumachen. Wenn eine
Bienenkönigin
im Lauf ihres5-jährigen
Lebens mehr als1/4
Million Nachkommenzeugt,
eineTermitenkönigin
ein Vielfachesdavon,
dann ist dies eben nur im Rahmen eineshochorganisierten Staatengebildes,
in dem das Vollweibchen durch dieSpezialisten
der Arbeiterkasten entlastetwird, möglich.
Die
genannten
drei Funktionen undAufgaben
haben zurVoraussetzung,
dasssich die Partner untereinander
verständigen,
wie sie zu einemsinnvollen, gemein-
samen Handeln kommen. Ich will die Art und Weise dieser
Verständigung
in vierThesen
darlegen
und inVerbindung
damiteinige grundlegende Fragen an die
Soziobiologie
stellen.
THESE 1
« Jede
Verständigung
unter Tierenbeginnt
mit dem Erkennen desArtge-
nossen !. Es ist
Grundlage
für die sexuelle Isolation derGeschlechtspartner
undstellt damit die Weichen zur
Bildung
neuer Arten. Wirfragen,
welcheSignale
dieserintraspezifischen
Kommunikationzugrunde liegen.
DieNachtschmetterlinge,
die esbesonders schwer
haben,
weil sie wederoptische
noch akustischeSignale
benutzenkönnen,
sollen uns in die Problematik einführen :Die Männchen werden durch
Duftstoffe,
die die Weibchen aus Drüsen an derAbdomenspitze abgeben,
aus weiterEntfernung angelockt.
Man hat in der Schweiz ein Weibchen des chinesischenSeidenspinners
auf einem Balkon in einem Draht-käfig ausgesetzt
und von denumliegenden
Bahnstationen diezugehörigen
Männchenfreigelassen.
Bis auf 4 kmEntfernung
kamen sie - beivölliger
Dunkelheit -angeflogen,
um mit dem Weibchen zu balzen. Der Biochemiker isterstaunt,
wie einfachgebaut
diese hochwirksamen Sexuallockstoffe sind(Abb. 1).
Siegehen
offensichtlich auf einen
ungesättigten
Alkohol als Stammformzurück,
wobei bereitsdurch eine einfache
Transfiguration
ein neuesdigitales Artsignal geschaffen
wird.Dieses wird noch
eindeutiger,
wenn man den Lockstoff nicht in einereinzigen Komponente,
sondern als Mischduft anbietet. Als routinierte Chemiker nutzen diese Nachtfalter sogar das unterschiedlicheMengenverhältnis
der einzelnen Duft-komponenten
alsArtsignal :
Diegefürchteten
WicklerartenAdoxophyes
orana undA. spectrana besitzen die
gleichen
Isomeren cis-9- und cis-11-Tetradecenyl-acetat.
Erst die
richtige proportionale Zusammensetzung weist die Artzugehörigkeit
; 1
US. An den
Soziobiologen
muss aber dieGegenfrage gestellt
werden : wenn durcheinfache Mutation sowohl eine
Konfiguration
des Stammoleküls wie auch diequantitative Mischung
der einzelnenKomponenten
verändertwerden,
ist damit auch die sexuelle Isolation bei der Balzgesichert,
d.h. sind damit schon die Weichen für eine neue Artgestellt ?
Sicher die Weichen sind
gestellt,
aber es müssen noch weitere sexuelle Isolationsmechanismen hinzukommen : man zählt ca. 1β0 Ofl0Schmetterlingsarten,
die sich über die
genannten
Sexuallockstoffeverständigen.
Die Anzahl derDuftkomponenten,
die die Evolution bisher anzubietenhat, geht
aber nicht über 2 000 hinaus.Dementsprechend
ist im sog.Kreuztest,
in dem ein in der Naturartspezifischer
Sexuallockstoff den Männchen verschiedener Artenangeboten wird, die sexuelle Isolation verwischt (Abb. 2).
Nahe verwandte Arten vermögen
sich
gegenseitig
anzulocken(P RIESNER , 1972).
In freier Natur wirdjedoch
dieIsolation durch zwei zusätzliche Mechanismen
garantiert :
1. durch zeitliche
Abgrenzung
derBalzaktivität ;
2. durch
geographische
Barrieren derPopulation.
Hier sei eine
Randbemerkung
erlaubt : das Gebiet derSexualpheromone
warzunächst als
reine,
wertefreieGrundlagenforschung konzipiert. In jüngster
Zeit
fanden die gewonnenen Erkenntnisse zunehmendes Interesse in der
biologischen Schädlingsbekämpfung.
MitDuftstoffen,
die densynthetisch hergestellten
Sexual-lockstoff
enthalten, fängt
man massenweise die Männchen(einige Gramm/ha
reichen hierzu
völlig aus).
Mit der sog.
Verwirrungsmethode,
wobei der Lockstoff in einemBiotop gleichmässig verteilt wird,
erzielt man eine Desorientierung
der Männchen ;
mit
Hilfe von Antipheromonen
schreckt man sie ab. Beim Baumwollkapselwurm (Pectinophora gossypiala),
beim Apfelwickler
und bei einigen Vorratsschädlingen
sind die
Erfolge vielversprechend,
beimSchwammspinner gab
es einenFehlschlag :
wenn bloss 5 % der Männchen
übrig blieben, war im nächsten Jahr wieder ein Massenbefall zu verzeichnen.
Trotzdem : der
Ansatzpunkt
istgut ;
denn1. die
Sexualpheromone
lassen sich leichtsynthetisch herstellen ;
2. sie sind
streng artspezifisch (evtl. nützliche,
verwandte Arten bleibenungeschädigt
- imGegensatz
zuInsektiziden) ;
3. da sie in
geringster Menge
wirksamsind,
bleiben keineRückstände ;
4.
Resistenzbildung
oderImmunisierung
ist nicht zu befürchten.Die Variabilität und Vielfalt der Isolationsmechanismen fasziniert den
Zoologen.
Der
Vollständigkeit
halber muss ich abschliessend zu unserer 1. These nochvon einem Fall « entarteter
r Verständigung (im
wörtlichenSinne)
berichten : in den Galeriewäldern Südamerikas leben verschiedene Arten von Leuchtkäfern derGattung Photinus,
die nachts durch die Morsezeichen ihrer Männchen einen faszinierenden Feuerzauber bieten. Dieflügellosen
Weibchen sitzen unten am Boden und antwortenjeweils
auf dasLocksignal
ihrer Männchen mit einemartspezifischen
Blinkzeichen ;
daraufhin lassen sich die Männchen zu Bodenfallen,
um dieKopulation
durchzuführen(Abb. 3).
So
weit,
sogut ! Neuerdings
hat manjedoch entdeckt,
dass die Weibchen einer nah verwandtenGattung (Photuris) hinterhältigerweise mit dem artspezifischen Signal
auf die Morsezeichen der Photinus-Männchen antworten. Die ahnungslosen
Photinus-Männchen lassen sich
anlocken,
stürzen zu Boden - und werden vonden Photuris-Weibchen
aufgefressen.
DerBiologe
hat auch hinter diesem ver-meintlich grausamen
Spiel
einen Sinngefunden :
die Photinus-Männchen besitzen in derBlutlymphe
einen Bitterstoff(Lucibufagin,
einSteroid),
der sie gegen Räuberfrass schützt. Photuris hat diesen Bitterstoff nicht. Die Mahlzeit von zwei Photinus- Männchengenügt,
um die Photuris-Weibchen ebenfalls immun zu machen. Derbiologische
Sinn ist klar : wo es darumgeht,
den kostbaren Weibchen vonPhoturis einen Schutz zu
geben,
um damit ihre Art zuerhalten,
kann man ohneernste Einbusse auf zwei Männchen einer anderen Art
verzichten,
da diese sowieso immer in der Überzahl vorhanden sind.An den Evolutionstheoretiker und
Soziobiologen
sei aber in diesem Zusammen-hang
noch eine weitereFrage
erlaubt : wieso muss dieser Schutzmechanismusausgerechnet
über denkomplizierten Weg der Kommunikation erfolgen ?
Warum
hat sich Photinus nicht selbst durch
entsprechende
Mutation einen Bitterstoff in dieBlutlymphe eingelagert ? Offenbar sind alle Vorgänge,
die mit dem Stoffwechsel
zusammenhängen,
starrer imgenetischen
Code verankert als Verhaltenskom-ponenten
undKommunikationssysteme,
dieja
durch Lernen zusätzlich modifiziert werden können.THESE 2
Damit sind wir bei unserer zweiten These : «
Signalsender
undSignal- empfänger
müssenkomplementär
und ökonomisch einanderzugeordnet
sein».Dies
gilt
sowohl für denperipheren Empfangsapparat,
aber auch für die zentraleCodierung digitaler
undanaloger Signale.
DieFrage
erhebtsich,
wieeinigen
sich Sender und
Empfänger,
welchen Code die einzelnenSignale tragen ?
Vereinfacht wird diese
Frage
durch dieTatsache,
dass derNachrichtenkanal,
d.h.jener Weg auf dem die Information übertragen wird,
einen Schmalbandfilter darstellt,
so dass er an seinem Eingang
wie an seinem Ausgang
einem Optimal- empfänger gleichkommt.
Nach diesem Prinzip
arbeitet ja
auch unsere moderne
Nachrichtentechnik. Hierfür
einige Beispiele :
Wir finden auf der Antenne der
Schmetterlingsmännchen Sensoren,
die als « Detektoren für den Sexuallockstoff der Weibchenspezialisiert sind ;
bei Drohnen erzeugt
nur der Lockstoff der Königin,
die 9-cis-12-Transdecensäure,
mit wenigen
Molekülen Nervenimpulse ;
die menschliche Nase ist für diesen
Duftstoff auch in hoher Konzentration völlig unempfindlich.
Die Mücken-
Männchen,
die ihre Weibchen am Flugton erkennen,
hören nur im Frequenzbereich
600
Hz,
was genau demFlugton
der Weibchenentspricht ;
für ihreneigenen Flugton (800 Hz)
sind sie taub. Bei der Gelbbauchunke hat man im Hörzentrum des WeibchensNeuronenpopulationen gefunden,
die einschmalbandiges Empfind-
lichkeitsmaximum bei 500 Hz
ausweisen,
was genau derFrequenz
des männlichen Balzrufesentspricht.
In Nordamerika haben sich 2Populationen
vom Grillenfrosch sexuellisoliert,
wobei die Männchen in NewJersey
mit einerFrequenz
von3 550
Hz, jene
in South Dakota mit 2 900 Hz locken. Die Weibchen in NewJersey
sind für die Lockrufe der Männchen aus South Dakotataub,
weil ihreHörneurone ein enges
Empfindlichkeitsmaximum
bei 3 500 Hzhaben ;
das umge- kehrtegilt
für die Weibchen aus South Dakota(C APRANICA
andRosE, 1983).
Auch bei Grillen und Heuschrecken hat man im ZNS Detektoren für das
digitale Weibchensignal gefunden.
Füranaloge Signale,
wie Warnrufe oder Warndüfte stehthingegen
einBreitpassfilter
zuVerfügung (H UBER , 1983).
Wir müssen unserem Problem noch tiefer
nachgehen :
da derkomplementäre Verständigungscode streng artspezifisch
und damitangeboren ist, drängt
sich dieFrage
auf : wie wird dieses Sender undEmpfängersystem
in dengenetischen
Codeeingebaut
- übergenetische Koppelung,
wonachSignal
und Antwort imgleichen
Chromosom codiert
sind,
oder nach demPrinzip
derCo-Evolution,
dasfordert,
dass beide
Systeme unabhängig
einanderzugeordnet
wurden. Wie in vielen anderenFällen,
so hat auch hier die Natur beideMöglichkeiten
verwirklicht.Zunächst ein
Beispiel
fürgenetische Koppelung :
Dr. HoY von der Cornell-University
ist esgelungen
zwei verschiedene Grillenarten(Teleogryllus
oceanicusmit T.
commodus)
zu kreuzen. Man muss hierzu zunächst ein Weibchen von T.oceanicus,
das man in einenDrahtkäfig gesperrt hat,
durch denWerbegesang
eines
arteigenen
Männchens motivieren. Auf demGipfel
derStimmung
lässt mandann das Weibchen
frei,
vertauscht aber schnell das oceanicus Männchen mit dem Männchen von T.commodus,
das vorher mit einem Weibchen seinereigenen
Artgebalzt
hatte. Miteinigem
Glückgelingt
so eineVerbastardierung
der zwei ver-schiedenen Arten. Die Männchen der F 1-Generation haben für ihren Werbe- gesang sowohl Anteile der Vater- wie der
Muttergeneration übernommen,
mitanderen
Worten,
dieVererbung
desSenderapparates
ist intermediär(Abb. 4).
DieFrage
ist nun, werden sich die Töchter in der F 1-Generation vomGesang
einer der
Elterngenerationen
oder von dem ihrer Brüder anlocken lassen. DasErgebnis
isteindeutig :
diese Töchter hören nicht auf ihrenVater,
sondern interes- sieren sich nur für denLockgesang
ihrer Brüder. Daraus muss manzwingend folgern, dass Sender sowohl wie Empfänger
ihren Signalcode
in einem Chromosom
in Form einer genetischen Koppelung eingelagert
haben (HoY, 1974).
Anders scheinen die Verhältnisse bei Heuschrecken
(H ELVERSE rr
und HEL-VERSEN
,
1975)
und beimStichling
zuliegen.
Von unseren einheimischenStichlingen
ist
bekannt,
dass die Männchen mit ihrem roten Bauch die Weibchen zum Nest locken und zum Laichen veranlassen. Der einfache Schlüsselreiz : « rote Unterseite » löst dieBalzhandlung
aus.Überraschenderweise gibt
es nun im Gebiet desCehaly-Flusses
im westlichen NordamerikaStichlingsmännchen
ohne roten Bauch.Sie haben ein
pechschwarzes
Prachtkleid. Ihr Balzverhalten ist etwas mühsamer und nicht soerfolgreich
wie bei unserenStichlingen ;
immerhingelingt
es ihnen über den Zickzacktanz das eine oder andere Weibchen anzulocken. In diesem Fluss-gebiet
lebt ein kleiner schwarzer Raubfisch(Novumbra bubbsi),
der sich mit Vorliebevon
jungen Stichlingen ernährt. Die Stichlingspopulation
dieses Flussbeckens
war während der letzten Eiszeit isoliert und in dieser Periode der Isolation haben die
Stichlingsmännchen
durch mehrfache Mutation einpechschwarzes
Prachtkleid erworben. Sie sind damit nicht soauffällig
und daher gegen dieAngriffe
desRäubers
geschützt.
Interessant wird dieAngelegenheit erst,
wenn man das Verhalten derStichlingsweibchen
studiert. Innerhalb des Gebietes der schwarzen Rasse lassen siesich,
wie ebengeschildert,
wenn auchzögernd,
von denschwarzbauchigen
Männchen verleiten in ihren Nestern zu laichen. Aber wenn man Weibchen der schwarzen
Population
imAquarium
die Wahlgibt
zwischen einem schwarz-bauchigen
und einemrotbauchigen Männchen,
so ziehen sie 5 : 1 einrotbauchiges
Männchen vor. Der Zeitraum von 8 000
Jahren,
seitdem dieschwarzbauchige
Rasse nunmehr
existiert,
hat also nichtausgereicht,
um dasursprünglich genetisch festgelegte
Auslöseschema abzubauen. Wenn keinerotbauchigen
Männchen dasind,
weil sie der Raubfisch allegefressen hat,
dann laichen die Weibchen der Notgehorchend
in den Nestern derschwarzbauchigen
Männchen. Aber ihr« Traumbild p bleibt das
rotbauchige
Männchen. Ohne Zweifelliegt
hier Co-Evolution vor, denn das
Sendersignal
warunabhängig
durch Mutationabgeändert worden,
während derEmpfängercode
nicht verändert wurde(M AYR , 1970).
Noch ein anderes
Beispiel
soll dasPrinzip
der Co-Evolution erläutern : dieFütterung
der Silbermöwenküken wird durch zwei Schlüsselreizeausgelöst : 1)
Das Elterntiergibt
sich durch den roten Schnabelfleck zu erkennen.2)
Das Küken muss an diesem roten Schnabelfleckpicken,
um das Elterntierzu veranlassen das
mitgebrachte
Futterauszuwürgen.
T INBERGEN
hat neben den vielen künstlichen
Attrappen,
die alle wirksamwaren, sofern sie nur den roten Fleck an der
richtigen
Stellehatten,
einenüberoptimalen
Schlüsselreizgefunden
- einen roten Bleistift mit drei weissenRingeln.
Wie soll man solches deuten ? Der Fachmannspricht
hier vonPräadaptation
und meintdamit,
dass beimKüken,
d.h. beimEmpfänger,
durchMutation ein
Signalmuster
mit hohem Selektionswert der zu erwartendenkompli-
mentären Mutation beim
Elterntier,
d.h. beimSender, vorausgeeilt
sei. Aufkeinen Fall können hier Sender und
Empfängercode
imgleichen
Chromosomnierdergelegt
sein. Sie haben durch Co-Evolutionunabhängig
ihre Semantik er-halten.
Dies sind alles eindrucksvolle
Beispiele,
dass der Code des Sender- und desEmpfängersystems
voll und ganzangeboren
ist. In den letzten Jahren sind beiVögeln
undSäugern
auch Fälle bekanntgeworden,
dassKommunikationssysteme adaptiv erlernt werden : MARLER an der Rockefeller University
hat gefunden (mündl. Mitteilung),
dass einige Singvögel in der Gegend
von N. Millbrook ver-
schiedene Dialekte
singen
- so wie auch unsere Buchfinken.Da
gibt
es nunMännchen,
die in dieser Hinsicht besondersbegabt
sind.Sie streunen viel
herum,
horchen dabei die Dialekte andererPopulationen
ab undübernehmen sie für ihren
eigenen Gesang.
Das Interessante dabeiist,
dass die Weibchen dieseweitgereisten Vagabunden mit ihrem vielseitigen
Dialekt in ihrer
Partnerwahl
bevorzugen,
einPrinzip,
das sich in der Evolution bewährt hat : mit einemvielgereisten
Partner hat man bessere Chancen neueökologische
Nischenfür die Nachkommen zu finden.
THESE 3
These 3 soll ein
andersartiges
Problembehandeln,
das z.Zt. unter Sozio-biologen heftig diskutiert wird,
besser gesagt heftig
umstritten ist.
«
Verstehen, Kommunikation, Verständigung setzen Mit-Teilung
im wörtlichen
Sinn voraus. Dies wiederum bedeutet,
dass jeder
Kommunikation altruistisches
Verhalten zugrunde liegt
p. Altruismus ist in diesem Zusamenhang
so zu verstehen,
dass Sender und
Empfänger
sichgegenseitig
auf die Motivation des Partners und auf seinejeweilige
Situation einstellen und imgegenseitigen
Auffordern undRespon-
dieren zu
gemeinsamer Entscheidung
undgemeinsamer Handlung
kommen.Eigen- nutz,
d.h. der reineSelbsterhaltungstrieb
wirdzugunsten
derArterhaltung
zurück-gestellt.
DiesesPrinzip
soll anhand derArbeitsteilung
im Bienenstaat erläutert werden.Da ist zum ersten die erstaunliche
Tatsache,
dass derüberwiegende
Teil einesBienenvolkes,
nämlich dieArbeitsbienen,
die etwa 60 000-100 000 Individuenausmachen,
aufeigene
Nachkommen verzichten und sich ausschliesslich derPflege
ihrer
Geschwister,
d.h. der Töchter deseinzigen
fruchtbarenWesens,
derKönigin,
widmen. Innerhalb der Arbeitsbienen finden wir eine weitere
Spezialisierung
inBaubienen, Brutammen,
Wächter und Trachtbienen. Um die Harmonie auf dem Arbeitsmarkt zusichern,
hat der Bienenstaat eineinzigartiges,
im höchsten Masse altruistischesKommunikationssystem ausgebaut,
dessenGrundlage
eingenetisch festgelegter
Arbeitskalender bildet. Dadurch wird dieReihenfolge
der einzelnenTätigkeiten
nach einem bestimmten Lebensalterfestgelegt :
Jede Biene
beginnt gleich
nach demSchlüpfen
mit demReinigungsdienst,
wozu vor allem das Sterilisieren der Brutzellen
gehört ;
durchAustapezieren
mitdem bakteriziden und
fungiziden
Mandibeldrüsensekret wird eine vorbildlicheHygiene
für die Kinderstube der Bienengeschaffen.
Nach etwa 3Tagen geht
die Biene zur
Brutpflege
über. Sie verfüttert Pollen undHonig
an ältereLarven,
während diejungen
Larven das Sekret der Ammendrüsen sowie der Mandibeldrüse alsNahrung
erhalten. Ab dem 10.Lebenstag
etwabetätigt
sich unsere Biene eineWoche
lang
als Bauarbeiterin. Schliesslich nimmt sie ihren Posten als Wächter vordem
Flugloch ein,
bleibt daeinige Tage
und unvermittelt kommt sie dann mit Pollen oder Nektar beladen als Sammelbiene nach Hause. Bei dieserTätigkeit
wird sie bis zu ihrem Lebensende bleiben.
Zwei Tatbestände sind für eine
erfolgreiche Verständigung
auf dem Arbeits-markt der Bienen entscheidend :
1. Mit dem Wechsel von einer
Tätigkeit
zu einer anderengeht jeweils eine
entsprechende physiologische Umstellung
im Organismus
vor sich : die Brut-
pflegerinnen
haben hochaktivePharynxdrüsen,
die die « Ammenmilch » liefern. Die stark entwickelten Wachsdrüsen findet man nur bei denBaubienen ;
bei denSammelbienen sind sowohl
Pharynxdrüsen
wie Wachsdrüsenvollständig
zurück-gebildet.
2. Das oben
geschilderte
Schema derArbeitsteilung
ist nicht so starr alters-gebunden,
wie dies zunächst scheinen mag. Ich habe mehrmals eine Biene mit derStoppuhr Tag
und Nacht von ihrem erstenLebenstag
an bis zu ihrem Todverfolgt
und
festgestellt,
dass sie zwarvorrangig
denaltersmässig zuständigen Arbeitsplatz
einnimmt,
dass sie aber auchanderweitig aushilft,
wo « Not am Mann » ist.Erst diese
adaptive Regulation garantiert
die volle Harmonie derTätigkeiten
von 60 000 bis 100 000 Individuen in einem Bienenvolk. Sie wird besonders eindrucksvoll bei künstlichen
Eingriffen
vorAugen geführt :
nimmt man einemVolk in einem sog.
Umstellungsversuch
alleJungbienen,
d.h. alle Brutbienen und Baubienen weg, dann unterziehen sichjene Bienen,
die sich nocheiniger-
massen
jugendlich fühlen,
einerVerjüngungskur :
sie machen sich an die Pollen-töpfe, regenerieren
inwenigen Tagen
durch die eiweissreichePollennahrung
ihreAmmendrüsen und ihre Wachsdrüsen und
repetieren
ihrLebensprogramm,
vonihrer
Jugendzeit angefangen,
noch einmal. Es sei betont : nicht einsubjektives Bedürfnis,
nur die sozialenAnforderungen
lösen dieseVerjüngungskur
aus !Umgekehrt,
wenn man ein Volk durch Verstellen des Stockes« kahlfliegen
»lässt,
wobei es alle Sammelbienenverliert,
dann wagen sich schon in den erstenTagen
nach derUmstellung jene Stockbienen,
die mit dem 5. bis 6.Lebenstag
ihre ersten
Orientierungsflüge
hinter sichgebracht
haben undeinige
Gelände-erfahrung besitzen,
ins Freie und kommen alsbald mit Nektar und Pollen beladen in den Stock. Sie sind in ihren frühenJugendtagen
schon zubetagten
Feldbienengeworden.
Solche
elegante Anpassungsfähigkeit zugunsten
der sozialen Bedürfnisse im Verband ist bewundernswert. Wirfragen :
wer informiert die einzelnen Bienenjeweils,
welcheTätigkeit
sie zujeder
Stunde ausübenmüssen,
damit sich diese harmonisch den Bedürfnissen des Verbandesanpasst ?
Es ist ein denkbar einfacher
Mechanismus,
der hier dieLösung bringt :
dieeinzelne Biene erhält keine
Anweisung
von höhererStelle ;
sieinformiert
sichselbständig
über diejeweiligen
Bedürfnisse im Verband. Inausgedehnten
Pa-trouillengängen,
die bei Stockbienen bis zu 60 % dergesamten Tätigkeit ausmachen, inspizieren
die Bienen immer wieder die verschiedenenArbeitsplätze
-Brutwaben,
Bautraube u.a., und wo Hilfe
nötig ist, springen
sie ein - soweit ihrphysiologischer
Zustand dies
irgendwie
erlaubt(L INDAUER , 1975).
Zwei
Grundprinzipien garantieren Erfolg
und Harmonie in diesemSystem :
1. Es
liegt
hier der Sonderfall einerunilateralen, einseitigen
Information vor ; eingenetisch festgelegtes
Verhaltensmuster und wohl auch individuelleErfahrung geben erschöpfende Auskunft,
was injeder
Situation zu tun ist.2. Der Antrieb zu solchem sozialen Handeln setzt
jedoch
ein absolut selbstloses - altruistisches - Verhalten voraus. In derWertung
und kausalenAnalyse
sind dieSoziobiologen
injüngster
Zeitjedoch
inheftige
Kontroversegeraten :
Dürfen wir hier wirklich von einem echten altruistischen Verhalten
sprechen ?
Neuere
Überlegungen meinen, es sei das « selfish gene p, das « eigennützige
Gen »,
das seinem
Träger
einVerhaltensprogramm vorschreibt, das dem gesamten Verband,
d.h. dem
gemeinsamen Genpool zugute
kommt. Da Altruismus erwiesenermassen umsomehrausgeprägt ist, je
höher derVerwandtschaftsgrad
zwischen zweiIndividuen
ist, liege letztlich dem Dienst am Artgenossen Eigennutz
für die eigenen Erbanlagen, die ja
das Programm
für das Verhalten enthalten,
vor. « Inclusive
Fitness » wird der Darwin’schen « Individual Fitness » gegenübergestellt.
Die
ja
dasProgramm
für das Verhaltenenthalten,
vor. « Inclusive Fitness » wird der Darwin’schen « Individual Fitness »gegenübergestellt.
DieSituation im Bienenstaat wird dabei als
Paradebeispiel
genommen.Gemäss den Mendel’schen
Regeln gibt ja der Verwandtschaftsgrad
genau an,
mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Gen beim Partner anzutreffen ist.
Anders
ausgedrückt : je
näher verwandt zwei Individuen miteinandersind,
destomehr Gene haben sie
gemeinsam.
Wir bezeichnen zunächst den Verwandtschafts-grad
eines Individuums mit einem anderen als « r » und definieren diesen Ver-wandtschaftsgrad
wie erwähnt als die Wahrscheinlichkeit mit der ein bestimmtes Gen auch in einem anderen Individuum anzutreffen ist.Da können wir zu allererst
feststellen,
dassjedes
Individuum mit sich selbstam
engsten
verwandtist,
denn die Zellen einesOrganismus, Muskelzellen,
Nerven-zellen, Eizellen,
haben zueinander den höchstenVerwandtschaftsgrad,
sie habenden
gleichen Chromosomensatz,
also auch diegleichen Erbanlagen ;
ihr Ver-wandtschaftsgrad
ist r =1,
dasgleiche gilt
auch füreinige Zwillinge,
auch hierist r =
1,
denn sie haben einen identischenGenotyp.
Zwischen Eltern und Kindernhingegen
ist r =1/2,
daja
die Nachkommen die Hälfte ihrerErbanlagen
vomVater,
die andere Hälfte von der Mutter haben.Zwischen Geschwistern errechnet sich « r » wie
folgt :
Hierzu
folgende Erläuterung :
1/2 ergibt
sich wie ebenangedeutet dadurch,
dass die Nachkommen eines Elterntieresje
die Hälfte ihrerErbanlagen
vomVater,
bzw. von der Mutterhaben,
das
gilt
auch für ein Geschwister.0,5
soll die Wahrscheinlichkeitausdrücken,
dass zwei Geschwister denselben Chromosomensatz von der Mutter bekommenhaben,
dieja
für sich wieder zwei verschiedene Chromosomensätze zuvergeben hat,
nämlich einen von ihremeigenen
Vater und einen von ihrer Mutter. Links vom Pluszeichen steht also die Wahrschein- lichkeit der
Genverteilung
für einGeschwister,
das dasErbgut
von derMutter,
rechts vom Pluszeichen für einGeschwister,
das dasErbgut
vom Vater hat.Insgesamt ergibt
sich damit r =1/2.
Dies allesgilt
natürlich nur, wenn die Geschwister dengleichen
Vater und diegleiche
Mutter haben.Besonders interessant sind nun die Verhältnisse bei Bienen und
Ameisen,
andenen Hamilton
ursprünglich
seine Theorie entwickelt hat. Wir finden da dieBesonderheit,
dass aus befruchteten EiernWeibchen,
aus unbefruchteten Männ- chen entstehen. Die Weibchen haben also zwei Chromosomensätze(diploid),
dieMännchen haben nur
einen,
sie sindhaploid.
Die Männchen habendemgemäss
keinen Vater und können auch keine Söhne
haben ;
sie haben nur eineMutter,
einen Grossvater und eine Grossmutter mütterlicherseits. Der
Verwandtschaftsgrad
der weiblichen Arbeitsbienen untereinander errechnet sich daher wie
folgt :
Zur
Erklärung :
Links vom Pluszeichen steht die
Genkombination,
die von derMutter,
rechtsjene,
die vom Vater stammt.1/2 heisst,
dass ein Chromosomensatz entweder vomVater oder von der Mutter stammt,
0,5
ist dieWahrscheinlichkeit,
dass dasgleiche
Gen unter Geschwistern
geteilt
wird. Nach dem Pluszeichen bedeutet wiederum1/2,
dass ein Chromosomensatz vom Vater oder von der Mutter stammen kann. 1
zeigt
an, dass zwei Schwestern mit Sicherheit den
gleichen
Chromosomensatz vom Vater haben. Dies ist also derVerwandtschaftsgrad
Arbeiterin zu Arbeiterin.Da die
Königin
nur einen ihrer beiden Chromosomensätze anjede
Tochterweitergeben kann, ist « r p zwischen Mutter und Tochter 1/2.
Wir können aus
dieser Gleichung
die schwerwiegende Folgerung ziehen : im Bienenvolk sind
Schwestern untereinander näher verwandt als Mutter und Tochter.
Der
Verwandtschaftsgrad
zwischenBrüdern,
also zwischenDrohnen,
errechnet sich wiefolgt :
Die Männchen bekommen
ja
ihrgesamtes Erbgut
von der Mutter. Ver-wandtschaftsgrad
Bruder zuSchwester,
also Drohn zu Arbeiterin :d.h. ein Bruder hat entweder alles oder nichts mit seiner Schwester
gemein.
Für den
Verwandtschaftsgrad
zwischen Arbeiterin undDrohn,
also Schwesterzu
Bruder,
ist r =1/2
X0,5
=1/2.
Das
ergibt
einemerkwürdige Asymmetrie
imgegenseitigen
Verwandtschafts- verhältnis : ein Bruder ist mit seiner Schwester näherverwandt,
als die Schwester mit ihm - sofernVerwandtschaftsgrad
wie hierdefiniert,
die Wahrscheinlichkeitkennzeichnet,
dass ein Gen im Partner wiederzufinden ist. Denn die Schwester kann mit einem Bruder nurjene
Hälfte ihresErbgutes (1/2) gemeinsam haben,
die sie von der Mutter
bekam ;
vom Vater hatja
der Bruder keinen Anteil.Für den
Verwandtschaftsgrad
Tochter zu Vaterergibt
sich r =1/2,
fürVater zu Tochter
jedoch
r = 1. EineUngleichheit
desreziproken
Verwandtschafts-grades
besteht also auch zwischen Vater undTochter ;
die Tochter hat die Hälfte ihresErbgutes
vom Vater r =1/2,
der Vaterhingegen
findet mit Sicherheit sein ganzesErbgut
in derTochter,
daher r = 1.Wenn wir nun die sozialen
Hilfeleistungen
der einzelnen Kasten im Bienenstaat mit ihremVerwandtschaftsgrad
inVergleich
setzen,ergibt
sich eine Schluss-folgerung,
die in der Tat die Theorie des « selfish gene» bestätigt :
die Ar-beiterrinnen
pflegen
die Larven ihrerMutter,
d.h. die Nachkommen derKönigin ;
das sind aber die
eigenen Schwestern, mit denen sie,
wie wir betont haben,
näher
verwandt
sind,
als sie es mit ihreneigenen
Nachkommenwären,
auf die sie ver-zichten ;
ohne Zweifel : sie verschaffen damit ihremeigenen Erbgut den grössten
Dienst. Man kann auch so sagen : die
Königin
wird in derBrutpflege
von denunfruchtbaren Arbeiterinnen
entlastet ;
damit helfen diese ihrer Mutter weitere Schwestern in grosser Zahl zu erzeugen, die wiederum3/4
ihreseigenen Erbgutes tragen.
Hätten sie selberNachkommen,
dann könnten sie ihreFürsorge
nur derHälfte ihres
Erbgutes zugute
kommen lassen.Das « selfish gene » wirkt in dem
Sinne,
dass es neben der Darwin’schen« Individual Fitness » durch « Kin Selection », d.h. durch
Sippenselektion
die« Inclusive Fitness » im
engsten
Verwandtschaftskreis einerPopulation
fördert(H
AMILTON
, 1970, 1972 ; WILSON, ) 9’%S!.
Wie so oft in den
komplexen biologischen Systemen
stossen diese theoretischenÜberlegungen
in der Praxis aufAbweichnugen
- vielleicht sind es nur Ausnahmen odernachträgliche Anpassungserscheinungen. Um bei den Bienen zu bleiben :
1. Neuere Untersuchungen
haben erwiesen,
dass eine Bienenkönigin
bei
ihrem
Hochzeitsflug
in derRegel
nicht nureinmal,
sondern mehrmals hinter- einanderbegattet wird,
natürlichjedesmal
von einem anderen Drohn. Das Ver- wandtschaftsverhältnis unter denArbeitsbienen,
die also verschiedene Väterhaben,
wird dadurch sehrheterogen.
2. Jeder Imker
weiss,
dass man — unterentsprechenden
Vorsichtsmass- nahmen - ohne weiteres in einem Bienenvolk die Brutwaben mit denen auseinem anderen Volk austauschen
kann, .dass
man Brutammen einem fremden Volkzusetzen
kann,
dass man sogar dieKönigin beliebig
ersetzen kann - die sozialen Instinkte derBrutpflege
und der harmonischenArbeitsteilung
bleiben dabei vollerhalten - auch wenn sie
jetzt
einem fremdenErbgut gelten.
Die recht
primitive Verständigungsform
bei derArbeitsteilung
hat Nachteile : 1. Imgesamten System steckt eine. hohe statistische Unsicherheit,
denn das
Auffinden eines neuen
Arbeitsplatzes
durchständiges
Patrouillieren ist starkzufallsbedingt.
2. Dieses Patrouillieren bedeutet erheblichen
Zeitverzug,
dasgesamte
Kommunikationssystem
arbeitet rechtträge.
Für die
Nahrungssuche,
wo es darumgeht,
die aufblühende Trachtmöglichst
schnell
einzutragen,
ehe die Blüten ihre Kelche wieder schliessen und ehe die Konkurrenz das Futterwegnimmt,
wäre diese Art der Kommunikationvöllig
unbrauchbar.
Hier muss
gezielte, eindeutige und schnelle Information übermittelt werden.
Die Kommunikation muss weiterhin
Massenwerbung sein,
d.h. sie muss simultaneine grosse Anzahl von
Stockgenossen
erfassen und zu einerspezifischen Handlung
auffordern. Dies
geschieht
durch den bekannten Bienentanz.In der Tat
liegt
hier einVerständigungssystem
vor, das andetaillierten, gezielten,
schnell wirkenden Informationen im Tierreich unübertroffen ist.THESE 4
« Der Bienentanz nimmt eine
Sonderstellung
unter allen tierischen Kommuni-kationssystemen
ein » er benutzt :1.
symbolische Semanteme ;
2. die
Mitteilung erfolgt unabhängig
vom Ort und von der Zeit desGeschehens ;
3. die
gleichen
Semanteme können für verschiedene Situationenangewendet
werden. >
Zunächst ganz kurz der
Informationsgehalt
desTanzes,
wie ihn uns Karl v.FRISCH
(1923, 1946, 1965) beschreibt ;
eineerfolgreiche
Sammlerin meldet ihrenNestgenossen :
1. Dass sie eine lohnende
Futterquelle
entdeckt hat. Sie verbindet dieseMeldung
mit derAufforderung
an dieKolleginnen,
bei der Ausbeute der Trachtzu helfen.
2. Sie teilt die Art der Blüten
mit,
die besuchtwurden ;
diesgeschieht
mitHilfe von
Duftproben,
die sie mit dem Nektar und in ihrem Haarkleid aus den Blütenmitgenommen
hat. Während die Nachtänzerinnen sie mit ihren Fühlern berühren und den Nektarabnehmen,
nehmen sie auch diesen Duft auf.3. Die Sammlerin
gibt
durch dieLebhaftigkeit
des Tanzes darüberAuskunft,
wie das Futter beschaffen ist und ob sich seine Ausbeutelohnt ;
sie alarmiert nur, wenn Nektar und Pollen reichlich zurVerfügung
stehen und derZuckergehalt
desNektars hoch ist. Dabei lösen im
Frühjahr,
zur Zeit derHaupttracht,
nur Nektar-quellen
mit hohemZuckergehalt (60-80 % )
Tänze aus. Im Herbstjedoch,
wennkaum noch Tracht zu finden
ist,
tanzen die Sammelbienen immer noch mit dergleichen Lebhaftigkeit,
wenn man den Nektar um das Zehnfache verdünnt.4. Die
grösste Überraschung erlebte Karl v. FRISCH aber,
als er Hinweise
erhielt,
dass neben der Qualität,
Rentabilität und Blütenart auch die Lage
der
Futterstelle
mitgeteilt
wird. Nahe Futterziele kündet ein Rundtanz an. Wenn das Futtertischchen über 100 m hinauswandert, geht
der Rundtanz in einen Schwänzel-tanz über. In ihm ist eine überraschend genaue
Entfernungs-
undRichtungs- anweisung
enthalten :Die
Entfernung
zum Ziel wird durch eine veränderlicheFrequenz
desSchwänzellaufes
angezeigt.
Richten wir unsere Futterstelle stufenweise bei ver-schiedenen
Entfernungen
von 100-10 000 m ein undvergleichen
dieFrequenz
der Schwänzelläufe
miteinander,
so erhalten wir eineBeziehung
zu derEntfernung.
Schon auf den ersten Blick lässt sich
feststellen,
dass dieseFrequenz
bei nahenFutterzielen viel höher ist als bei ferner
gelegenen.
So zählen wir bei 200 mEntfernung
etwa !8 Durchläufeje 1/4 Min.,
bei 2 000 mEntfernung
nur noch3 und bei 10 000 m
Entfernung
11/2
Durchläufe.Wenn die Tänzerinnen so genau die
Entfernung
weisenkönnen,
müssensie diese natürlich vorher selbst ebenso genau vermessen haben.
Sie richten sich hierbei nicht
etwa,
wie manlange
Zeitannahm,
nach derFlugzeit,
sondern nach demEnergieaufwand,
den sie zurBewältigung
derjeweiligen Entfernung aufbringen
müssen. Versuche an einemBerghang
habendies
bestätigt :
Eine Bienenschar wurde
veranlasst,
vom Stock ausbergauf
zufliegen,
eineandere
bergab.
DieBergauf-Sammlerinnen
meldeten einelängere Entfernung
als dieBergab-Sammlerinnen,
obwohl beide Futtertischchen vom Stockgleich
weit entferntwaren.
Desgleichen
melden die Tänzerinnen beiGegenwind
einegrössere,
beiRückenwind eine kleinere
Entfernung.
DieFlugzeit
ändert sich unter dengegebenen Bedingungen
nurunwesentlich ;
aber derEnergieaufwand
steht in direkter Be-ziehung
zurEntfernungsweisung.
Es bleibt aber immer noch zuklären,
wie dieBiene den
Energieverbrauch
so genau messen kann. MeinMitarbeiter,
V.N EESE ,
konnte auch dieseFrage
lösen :Jede Biene nimmt für ihren
Flug
zum Futterziel eine bestimmteMenge Honig
als
Reiseproviant
mit. Dieser Proviant wird direkt alsEnergiereserve
durch dieDarmwand resorbiert. Dadurch nimmt die
Spannung
in derHonigmagenwand ab ; hochempfindliche Spannungsmesser registrieren
diesenSpannungsabfall,
der pro-portional
zurzurückgelegten Flugstrecke
ist.Die
Angabe
über dieEntfernung
einerFutterquelle
würde aber einem Bienen- volkwenig nützen,
wenn die Tänzerinnen nicht auchzugleich
dieRichtung
bekanntgäben.
Um festzustellen wie dasgeschieht,
schicken wir unsere Sammelschar an einFuttertischchen 600 m im Süden und beobachten ihre Tänze über den ganzen
Tag.
Dabei stellen wir
fest,
dass sich dieRichtung
der Schwänzelläufe vomMorgen
biszum Abend
entgegen
demUhrzeigersinn ändert,
und zwar genauentsprechend
derAzimutwinkelgeschwindigkeit
der Sonne(Azimut
=Projektion
derjeweiligen Sonnenstellung
auf den Horizontkreis derErde).
AmMorgen
weist der Schwänzel- lauf 90° nachrechts,
schwenkt dann bisMittag
senkrecht nach oben ein und erreicht schließlich bis 6.00 Uhr abends die Linie 90° links. Man kann sagen, dass sämtlicheTanzrichtungen
der Lotrechten nach links und rechtszugeordnet werden, je nachdem,
ob dieFlugbahn
links oder rechts zur Sonne verläuft. Schwänzellauf nach oben heisst also : das Zielliegt
inRichtung
zur Sonne. Schwänzellauf nach unten bedeutet : « Ihr müsst von der Sonnewegfliegen,
damit ihr zum Ziel kommt ».Schwänzellauf 80° links von der Lotrechten
zeigt
ein Ziel an, das 80° links vonder Sonne
liegt.
Schwänzellauf 90° rechts von der Lotrechten weist zu einemZiel,
das 90° rechts von der Sonneliegt.
Man ist
versucht,
den Bienentanz alsVerständigungsform
einer echtenSprache gegenüberzustellen,
was nichtheisst,
dass wir der menschlichenSprache
ihreEinzigartigkeit
als Kommunikationsform nicht voll und ganzzuerkennen ;
abereinige
charakteristische Elemente einer echtenSprache
finden wir auch im Bienen- tanz : HocxE!rT(1960)
und SEBEOK(1965, 1972)
nennen als wesentliche Kennzeichen einerSprache : Broadcast, Semanticity by using symbols, Dis-
placement, Productivity, Interchangeability, Duality.
Ansätze für alle
genannten
Kennzeichen finden wir auch im Bienentanz :a)
Die Tänzerin übermittelterfolgreich
Nachrichten : sie meldet ihrenStockgenossinnen,
dass sie eineergiebige Futterquelle
entdeckthat ;
dadurch werdenbeschäftigungslose
Arbeitsbienenveranlasst, auszufliegen
und nach dieserFutterquelle
zu suchen(Broadcast, Productivity).
b)
DieseNachrichtenübermittlung
ist nicht an den Ort und an die Zeit desGeschehens
gebunden.
So hat eine Sammelbienebeispielsweise
in2,5
km Ent-fernung
vom Stock Nektargesammelt ;
sie meldet den Fund aber nicht unmittelbaran Ort und
Stelle,
sondern erst nach ihrer Rückkehr im Stock(Displacement).
c)
Die Tänzerin benutztSymbolzeichen,
um dieLage
undErgiebigkeit
derFundstelle
anzuzeigen.
«Symbol
» lässt sich nach dem «Dictionary
of theEnglish Language
» definieren als :« Something
used for orregarded
asrespresenting
else ».
Rhythmische Schwänzelbewegungen
beziehen sich in ihrer zeitlichenAbfolge
genau auf die
Entfernung
desZieles ;
der Winkel zwischenFlugbahn
undSonne, transponiert
insSchwerefeld, zeigt
dieRichtung
zum Ziel an. DieLebhaftigkeit
des Tanzes