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25 janvier 2012 Revue Médicale Suisse–
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25 janvier 20120
fallbeispielBei der 51 jährigen Patientin wurde ein Karzinom der rechten Brust entfernt. Prog
nose relativ günstig, pTN1 1sn/8, ER 100, PR 80, Her2. Therapie : Segmentresek
tion ; adjuvante Chemotherapie ; geplant Radiotherapie.
Die Patientin hatte ihren behandelnden Onkologen gefragt : «Was kann ich neben der Krebsbehandlung noch selbst für mich tun, wie kann ich mein Leben ändern ?»
Die Antwort lautete : «Sie können gar nichts tun, leben Sie einfach so weiter wie vorher».
Daraufhin sucht die Patientin mit der glei
chen Frage die Sprechstunde zur Be ra
tung zur Patientenkompetenz und zum Self
empowerment auf. Sie ist in kriti scher seelischer Verfassung. Neben der Krebs
diagnose und der Überzeugung bald ster
ben zu müssen, fand sich ein typisches Krisensyndrom einer Frau in der Lebens
mitte.
Es wurden in einem 90 minütigen Ges
präch Fehlvorstellungen zur Prognose kor rigiert und die Ressourcen der eigenen Leistungen zur Krankheitsbewältigung be
wusst gemacht. Ausserdem wurde die Patientin zum längerfristigen Coaching an einen Psychologen überwiesen. Bei einer Nachkontrolle 6 Monaten später meinte die Patientin : «Ich lebe wieder normal. Was mir am meisten geholfen hat, war die Er
kenntnis, dass ich nicht ein passives Opfer eines gnadenlosen Schicksals bin, son
dern dass die Lösung aller meiner Pro
bleme in mir selbst liegt».
patientenkompetenz
Patientenkompetenz wird von Betroffenen selbst definiert als Fähigkeit mit und trotz der Erkrankung ein normales Leben zu führen.
Von grosser Bedeutung ist da bei die Defini
tion der Normalität auf individueller Ebene.
Patienten sagen : «Was normal ist in meinem Leben, sagen mir nicht Normwerte und Statis
tiken, das sage ich. Ich habe meine persön
liche Normalität und eigene Form von Ge
sundheit».
Kompetente Patienten stellen typischer
weise drei Fragen :
• wer orientiert mich im InfoDschungel ;
• wie finde ich meinen persönlichen Weg in der Krankheit ;
• was kann ich selbst zur Krankheitsbe wäl
tigung beitragen.
Kompetente Patienten möchten medizini
sche Entscheide nicht treffen, aber nach voll
ziehen können. Sie zeichnen sich durch be
sondere Compliance und Therapietreue aus.
Sie erwarten vom Arzt die Respektierung ihrer persönlichen Denkstile und Hand lungs muster.
das modell derzweiärzte Richtungsweisend für die Handlungsmus ter kompetenter Patienten ist das sog. 2Ärzte
Modell der Krankheitsbewältigung. Analog dem Sprichwort medicus curat, natura sanat vertreten Patienten durchwegs die Auffas
sung, es bedürfe zweier Ärzte zur Genesung, des äusseren und des inneren Arztes. Kom
petente Patienten mischen sich nicht in die ärztlichen Angelegenheiten ein, sie mischen sich in die eigenen Angelegenheiten ein. Da
her fragen Patienten : «Was kann ich selbst für mich tun ?»
Für den inneren Arzt werden stellvertretend Begriffe wie Abwehr, Selbstheilung, IchSelbst, natürliche Heilkräfte, Lebenswille, Glaubens
stärke etc. gebraucht. Bei der häu fig von Pa
tienten gestellten Frage : «Was kann ich selbst für mich tun», geht es um die Akti vierung die
ses intrinsischen, salutotropen Potentials.
metapher abwehr
Krebspatienten reden immer von Abwehr und Abehrstärkung. Der Begriff Abwehr ist eine zentrale Metapher in der Patienten
sprache. Sie meinen damit meistens nicht eine Form der Immunabwehr, sondern die Vielzahl der körperlichen, geistigen, psychis
chen und spirituellen Ebenen, auf denen der Patient ver sucht, sich gegen die Belastungen der Krise zu wehren.
krebs undlebensstil
Um die Sprache und Erwartungen von Krebspatienten zu verstehen, muss man wis
sen, dass diese sehr oft andere Vorstellungen über das Wesen von Krebs haben, als Ärzte oder Naturwissenschaftler. Patienten glauben : Krebs werde vor allem durch körpereigene Faktoren ausgelöst, zum Beispiel falsche Le
bensweise oder Stress. Diese Körperbelas
tungen führten zu einer Schwächung der kör
pereigenen Abwehr. Diese Schwächung wird
als eigentliche Krebsursache angesehen. Die Krankheit Krebs wird als Folgestörung, als Symptom der falschen Lebensweise interpre
tiert. Deswegen fragt der Patient : «Wie kann ich mein Leben ändern ?» Der Patient reagiert mit Resignation, Verzweiflung, Hoffnungslosig
keit, wenn der Arzt antwortet : «Sie können gar nichts ändern, leben sie einfach so weiter wie vor her». Der Patient aber denkt : «Weil ich vorher so gelebt habe, bin ich doch krank geworden – und jetzt soll ich weiter so leben, wie vor her, dann muss es doch wieder kom
men».
förderungderpatienten
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kompetenz
Karl Jaspers hat einmal gesagt : «Der Patient hat das Recht die medizinische Ordnung zu durchbrechen». Wo sich heute immer mehr Patienten auf die eigenen Ressourcen zur Krankheitsbewältigung besinnen, haben wir als Angehörige der medizinischen Heilberufe heute nicht mehr das Recht, Patienten zu de
motivieren, selbst etwas für sich zu tun. Und es gibt Belege, dass Krebspatienten, die sich kompetent in die eigenen Angelegenheiten einmischen, Tumortherapien besser vertra
gen, eine bessere Lebensqualität und höhere Compliance, ja, sogar eine bessere Prognose aufweisen.
Die Erlangung von Patientenkompetenz schaf fen die wenigsten Krebspatienten im Frühstadium der Erkrankung, wenn die Wei
chen zur Heilung gestellt werden, selbst. Da
zu brauchen sie Hilfe. Solche Hilfen werden in der heutigen, fast ausschliesslich auf das Krankheitsmanagement ausgerichteten On
kologie jedoch nur sporadisch angeboten. Es muss gefordert werden, dass das Ressour
censcouting zum obligatorischen Leistungs
spektrum der modernen Onkologie gemacht wird.
Zu diesem Ressourcenscouting (Ziel der Kompetenzberatung ist die Entdeckung der Ressourcen und persönlichen Handlungs
muster zur Krankheitsbewältigung) wurden in den letzten Jahren neue Beratungsmodelle entwickelt. Die Stiftung Patientenkompetenz wird im Jahr 2012 ein erstes derartiges Bera
tungsmodell validieren und dazu Patienten
berater ausbilden.
Patientenkompetenz…
und wie sie gefördert wird
Quadrimed 2012
G. Nagel
Pr Dr med Gerd Nagel Stiftung Patientenkompetenz und Brustzentrum
Facharzt Onkologie Brust-Zentrum Seefeldstrasse 214, 8008 Zürich mail@gerd-nagel.ch
Rev Med Suisse 2012 ; 8 : 194
Bibliographie
• Bopp A, Delia N, Gerd N. Was kann ich selbst für mich tun ? Patientenkompetenz in der modernen Me- dizin. Zürich : Verlag Rüffer&Rub, 2005.
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