Internist 2012 · 53:1149–1150 DOI 10.1007/s00108-011-2975-4 Online publiziert: 6. September 2012 © Springer-Verlag 2012 M. Battegay · J.K. Rockstroh Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene, Universitätsspital Basel
Fortschritte im
Management der
HIV-Infektion
Einführung zum Thema
Das klinische Krankheitsbild AIDS wurde erstmals 1981 an Patienten beschrie-ben, die an einer Pneumocystis-carinii- Pneumonie und/oder an einem Kaposi-Sarkom litten. Damals wusste man noch nicht um die Existenz des humanen Im-munschwächevirus. Im Jahr 1983 entdeck-ten schließlich Françoise Barré- Sinoussi und Luc Montagnier das Virus, wofür sie später mit dem Nobelpreis bedacht wur-den. Noch Anfang der 1990er-Jahre war HIV bei jungen Männern in mehreren westlichen Ländern die führende Todes-ursache. Ab 1994 demonstrierten Stu-dien, die als Meilensteine gelten können, die Wirksamkeit der antiretroviralen The-rapie. In der Folgezeit wurde diese suk-zessiv verbessert. Entsprechend verschob sich der Fokus von der Wirksamkeit der antiretroviralen Therapie auf die Lang-zeitbetreuung, die das Management von Langzeitnebenwirkungen einschließt. Zu-nehmend traten auch Komorbiditäten wie die Hepatitiskoinfektion, Malignome, die nicht AIDS-definierend sind, und kardio-vaskuläre Erkrankungen in den Vorder-grund.
Dieses Schwerpunktheft zum Thema „HIV“, das zweite in Der Internist nach 2003, zeigt diese fundamentalen Fort-schritte auf und möchte vor allem die Brücke zu einer häufig gegebenen Mitbe-treuung der HIV-Patienten schlagen, sei dies in der Ambulanz oder in der Klinik.
In einem ersten fundierten Artikel be-leuchten Stöckle et al. die dramatische Re-duktion der HIV-assoziierten Morbidität
und Mortalität. Diese wurde so stark ver-bessert, dass die Lebenserwartung heu-te fast uneingeschränkt ist – vorausge-setzt, es besteht keine wesentliche Ko-morbidität, wie der intravenöse Drogen-konsum oder eine chronische Hepatitis.
Stöckle et al. betonen, dass auch bei
spä-ter Diagnose die Langzeitaussichten aus-gezeichnet sind, wenn die erste Phase der schweren Krankheit mit opportunis-tischen Erkrankungen überstanden ist. Dies ist auch für Intensivmediziner und Chirurgen relevant.
In einem weiteren sehr übersichtli-chen Beitrag beschreibt H.-J. Stellbrink die Fortschritte in der antiretroviralen Thera-pie der HIV-1-Infektion. Das Ziel ist die lebenslange Virussuppression, die zur Verhinderung der Krankheitsprogression sowie zur Verbesserung der Lebenserwar-tung und Lebensqualität führt. Dies er-fordert eine sorgfältige Auswahl der Erst-therapie unter der Berücksichtigung von Resistenzen, Nebenwirkungen und indi-viduellen patientenassoziierten Faktoren. Die Indikationsstellung hat sich zu einem früheren Therapiebeginn hin verschoben, da die Therapien heutzutage besser ver-träglich sind.
J.R. Bogner beschreibt HIV
eindrück-lich als chronische Krankheit. Komorbi-ditäten treten bei HIV-Patienten gehäuft auf, was möglicherweise direkt durch die HIV-Infektion bedingt ist, z. B. bei kardio-vaskulären Krankheiten. Aber auch in unterschiedlicher Häufigkeit vorliegende Risikofaktoren spielen eine Rolle. Große
Kohortenstudien ergaben beispielsweise, dass sich der Risikofaktor Rauchen viel öfter findet als in altersgleichen Kontroll-populationen.
D Trotz aller therapeutischen Fortschritte ist die Prävention nach wie vor essenziell.
Was sexuell übertragbare Krankhei-ten betrifft, haben präventive Botschaf-ten in den letzBotschaf-ten Jahren nicht den nöti-gen Widerhall gefunden, nehmen diese doch in vielen Länder zu. Umso wichtiger ist, dass der HIV-Test an Kompliziertheit verloren hat, auch hinsichtlich der Befra-gung von Patienten, bei denen ein HIV-Test durchgeführt werden soll. In einem sehr interessanten Artikel fassen A. Bickel und P. Vernazza die wichtigsten Aspekte der HIV-Testung und der wirkungsvol-len Prävention zusammen. Der Arti-kel schildert den korrekten Einsatz eines HIV-Tests. Wesentlich ist eine frühzeitige Diagnose der HIV-Primärinfektion, also der ersten Phase der Infektion in medizi-nischen Standardsituationen. Diesen be-gegnen insbesondere Internisten, u. a. auf Notfallstationen bei Patienten, die mit Fieber betreut werden. Die HIV-Primär-infektion wird zu häufig verkannt; eine unablässige Weiterbildung von Internis-ten ist in diesem Zusammenhang essen-ziell.
HIV oder AIDS, Komorbiditäten und weitere Aspekte werden intensiv erforscht. Trotz der nahezu einzigartigen Fortschritte
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in der Medizin ist die antire trovirale Therapie nach wie vor mit Nebenwirkun-gen behaftet, existiert noch keine Impfung und ist die Heilung noch nicht griffbereit.
G.M.N. Behrens beschreibt in einem sehr
stimulierenden und eleganten Artikel ver-schiedene Aspekte der Forschung in der HIV-Medizin. So präsentiert er neueste Erkenntnisse aus dem Bereich der medi-kamentösen Therapie, die sehr gut an die anderen Beiträge dieses Schwerpunkt-hefts anschließen, z. B. das Treatment-as-prevention-Konzept. Darüber hinaus be-schreibt er Befunde aus der immunologi-schen Grundlagenforschung, die wichtig für die hoffentlich erfolgreiche Entwick-lung einer Vakzine sind.
Es war uns ein Anliegen, das Thema „HIV“ – und insbesondere die Langzeitbe-treuung – in diesem Schwerpunktheft ver-ständlich zu präsentieren. Zudem hoffen wir, dass es die Kommunikation zwischen den diversen in die HIV-Versorgung in-volvierten Disziplinen verstärkt.
M. Battegay J. Rockstroh