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Möglichkeiten und Grenzen der Einrichtung von Unionsagenturen von Andreas Orator

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Orator, Andreas, Möglichkeiten und Grenzen Einrichtung von Unionsagenturen.

Studien zum europäischen und deutschen Öffentlichen Recht, Band 19. Tübingen 2017, Mohr Siebeck, XXX, 549 S.

Mit der Schaffung von Agenturen ist in den vergangenen drei Jahrzehnten eine zu- nehmende Differenzierung der Strukturen der EU Exekutive erfolgt, die sich nur an- satzweise direkt aus den Verträgen ablesen lässt. Nur wenige EU Agenturen sind, wie zum Beispiel Europol oder die Europäische Verteidigungsagentur, in den Verträgen ausdrücklich erwähnt. Die meisten Agenturen basieren für die Gründung und die Übertragung von Kompetenzen auf die Agentur schlicht auf einem Gesetzgebungsakt.

Nicht zuletzt wegen dieser Rechtslage hält seit Jahrzehnten eine intensive Debatte über die Möglichkeiten und Grenzen der Differenzierung der EU Exekutive an. Ausweislich der ausgezeichnet zusammengestellten Bibliographie dieses Buches wird in vielen Sprachgruppen seit Jahrzehnten über den Zweck, die Rechtsgrundlage und die Gren- zen von Übertragung von Befugnissen an Agenturen diskutiert. Auch die Rechtspre- chung befasst sich seit den frühesten Urteilen des EuGH, z. B. in der RechtssacheMe- roniaus den Zeiten der Kohle und Stahl Gemeinschaft um Fragen der Delegation an in den Verträgen nicht vorgesehenen Einrichtungen. Dieses hier besprochene Buch ist ein Beitrag zu dieser Debatte, die unter anderem deswegen bis heute hartnäckig anhält, weil der Vertrag von Lissabon eigentlich auf eine stärkere Zusammenführung der Exe- kutive in der Hand der Kommission ausgerichtet war. Nicht nur wurde die Säulenar- chitektur des vorherigen Gemeinschafts- und Unionsmodells zu einer Union und einer weitgehend einheitlichen Typologie der Rechtsakte zusammengefasst. Auch sehen Ar- tikel 290 und 291 AEUV ausdrücklich vor, dass der Unionsgesetzgeber Kompetenzen für exekutive Rechtssetzung auf die Kommission übertragen könne. Ausnahmen gelten nur für die Übertragung an den Rat. Von Agenturen ist hingegen keine Rede. Auch ent- hielt die 2011 erlassene Verordnung zur Komitologie (Artikel 291(3) AEUV) keinerlei Hinweise auf die Existenz von Agenturen und trägt damit auch nicht zur Klärung des Verhältnisses zwischen Agenturen und Komitologie Ausschüssen bei.

Daher drängen sich hinsichtlich der Rechtsstellung von Agenturen im EU Recht auch heute noch grundsätzliche Fragen von Verfassungsrang auf. Wie ist mit dem Paradox eines auf die Kommission als primärem Exekutivorgan zugeschnittenen Verfassungs- rahmens und der Verfassungsrealität immer weitgehender Übertragung von Befugnis- sen auf Agenturen umzugehen? Wie sind die Grenzen der Übertragung zu ziehen? Wel- che Vor- und Nachteile ergeben sich aus der weiter voranschreitenden Differenzierun- gen für die Union, die Mitgliedstaaten und die Durchsetzung von Rechten Einzelner?

Welches Modell einer Übertragung von Kompetenzen ist vorstellbar? Wie können die mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Agenturen zur Verantwortung gezogen werden, wie kann ihre Kontrolle oder aber auch ihre Unabhängigkeit von Partikular- interessen sichergestellt werden? Wie können im Angesicht der weitreichenden Kom- petenzen der Agenturen die Unionsverfassungsrechtlichen Vorgaben der Transparenz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie des Rechts auf eine gute Verwaltung und des gesicherten Rechtschutzes verwirklicht werden?

Auf viele der sich aufdrängenden Fragen versucht das hier besprochene Buch unter dem Titel „Möglichkeiten und Grenzen der Einrichtung von Unionsagenturen“ Ant- worten zu geben. Es bezieht dabei in exemplarischer Art und Weise in klarer Sprache und Gliederung die verschiedenen über Jahrzehnte geführte Diskussionen ein, sodass man in diesem Buch blättern, sich an verschiedenen Stellen einlesen und eigentlich im- mer eine interessante Ausführung zu einem der vielen Aspekte der Fragen der Agentu- ren vorfinden kann. Die Sichtweise des Autors auf die verschiedenen Problemstellun-

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gen ist meist ohne Umschweife erkenntlich. Sehr erfolgreich zeichnet dieses Buch im Dialog mit der bisherigen wissenschaftlichen Aufarbeitung ein umfassendes Bild von EU Agenturen und der Problemstellung ihrer Aufgaben und Möglichkeiten der Kon- trolle der Ausübung dieser Aufgaben.

Dass sich die Arbeit auf den ersten 180 Seiten fast ausschliesslich der Klassifizierung der unter verschiedensten Namen auftauchenden Agenturen widmet, mag der Tatsache geschuldet sein, dass die Vielfalt der Namen, Organisationsformen und Aufgaben von EU Agenturen das Ergebnis von Politikfeld-spezifisch, oft durch den Gesetzgeber ad- hoc erfolgten herbeigeführten Entwicklungen sind. Die Darstellungen zeigen, wie schwer es fällt, ein klares Verständnis des komplexen Phänomens der Agenturen der EU zu erlangen, indizieren aber auch, dass eine gewisse Vereinheitlichung, ähnlich der seit 1987 im Bereich der Komitologie erfolgten Bemühungen, der Transparenz des Unionsrechts nicht abträglich wäre.

Die weiteren Ausführungen drehen sich um die Frage, dass rechtlich gesehen die Schaffung von Agenturen und die Übertragung von Kompetenzen auf diese, eine Frage der Delegation im weiten Sinne ist. Eines der Kernprobleme ist dabei auch die Frage der Übertragung von Ermessensbefugnissen. Beide Themen – Delegation und Ermessen – sind dann die zentralen Begriffe, an denen die Möglichkeiten und Grenzen der Unions- agenturen in diesem Buch diskutieret werden – nicht zuletzt auch, weil sich diese Fra- gestellungen wie ein roter Faden durch die Rechtsprechung zu Agenturen ziehen. Hilf- reich für die Begriffsbildung und das Verständnis der EU-spezifischen Themenstellung ist daher auch der im Buch enthaltene kurze rechtsvergleichende Abriss des deutschen, österreichischen und, interessanterweise auch des US amerikanischen Rechtssystems und der darin geführten Diskussionen. Diese Fragen der Delegation und des Ermessens sind aber auch die zentralen Probleme, die sich aus dem auf den ersten Blick scheinba- ren Auseinanderklaffen zwischen Verträgen und Verfassungswirklichkeit auftuen.

Das zentrale Problem in der Gründung und der Übertragung von Exekutivbefugnissen auf EU Agenturen ist die exklusive Regelung der Artikel 289, 290 und 291 AEUV, die die Übertragung von Durchführungsbefugnissen ausschließlich auf die Kommission zu- lassen. Der Autor versucht dies mit der vom EuGH im UrteilLeerverkäufevertretenen Ansicht zu überbrücken. Nach dieser Lesart des EU Rechts besteht wegen des Bedarfs nach Expertenwissen in manchen Rechtsbereichen, quaside factodie Möglichkeit einer Subdelegation von der Kommission an Unionsagenturen durch den Gesetzgeber. Dies erscheint jedoch problematisch, ist doch das Bedürfnis nach Expertenwissen keine uni- onsverfassungsrechtlich anerkannte Grundlage der Umgehung von Vertragsnormen.

Auch kann die Praxis der Institutionen selbstverständlich nicht eine stillschweigende Vertragsänderung erlauben. Daher scheint mir die vom Autor diskutierte, aber im Er- gebnis abgelehnte Alternative einer vertragskonformen Auslegung des Unionsrechts deutlich attraktiver: Danach ist, entsprechend vom EuGH wie zum Beispiel in den RechtssachenENISAvertretenen Ansicht, davon auszugehen, dass die Gründung einer Agentur und die Übertragung von Kompetenzen nach Artikel 114 AEUV als Maßnahme zur Teil-Harmonisierung von Kompetenzen der Mitgliedstaaten vorzusehen ist. Dies gilt insbesondere, wenn Agenturen die Koordination mitgliedstaatlicher Maßnahmen zur Umsetzung von Unionsrecht vornehmen und auch Informationsnetzwerke unter- halten.

Beide Ansätze kommen aber letztlich zu dem Ergebnis, dass verschiedenste Faktoren zur Kontrolle von an EU Agenturen übertragene hoheitlichen Aufgaben wichtig und relevant sind. Diese umfassen sowohl Fragen derex ante-Kontrolle z. B. durch Ernen- nung von Schlüsselpersonal von Agenturen, deren Budgetkontrolle und deren Anbin- dung an die Kommission, Rat und Parlament. Sie umfassen aber auchex post-Elemente

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wie die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Aktivitäten der Agenturen so- wie ihrer Kontrolle seitens OLAF, des Rechnungshofes, des Ombudsmanns. Regelung von Verfahren, nicht zuletzt zur Einbindung von Expertengruppen, gesellschaftlicher Akteure und mitgliedsstaatlicher Stellen können weitere Möglichkeiten darstellen.

Insgesamt gilt, entsprechend dem europarechtlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit und Grenzen der Delegation, dass eine zunehmende Übertragung von Befugnissen mit zunehmender verfahrensrechtlichen Durchdringung der Materie und zunehmen- den Kontrollmöglichkeiten einhergehen muss. In allen diesen Fragen ist die Arbeit vonOratorein verlässlicher und klarer Führer durch die Fragestellungen und bisher entwickelter Möglichkeiten und Ansätze.

Nur hinsichtlich zweier Fragestellungen hätte der Autor von den Linien der beste- henden Diskussion der bisherigen Literatur abweichen und sich neueren Entwicklun- gen zuwenden sollen. Diese zwei Bereiche erfordern meiner Ansicht nach in der künf- tigen Literatur zu EU Agenturen der verstärkten Betrachtung: Zum einen schaffen sich EU Agenturen in zunehmenden Masse eigene internationale Netzwerke und verstetigen diese Beziehungen mit Vereinbarungen verschiedenster Art. Auf dieser Basis werden Informationen ausgetauscht, Rechtsdurchsetzung koordiniert und Regulierungsstan- dards entwickelt und in das Rechtssystem der Union eingegliedert. Diese Aktivitäten, ihre Kontrolle und Rechtsformen werden in der Arbeit von Orator nur selten (z. B. auf S. 46) angesprochen, obwohl sie an den Grundfesten des Unionsverständnisses der Rol- le von Agenturen und ihren Tätigkeitsfeldern rütteln. Zum anderen hätten mehr kon- zeptionelle Überlegungen über Beschwerdekammern von Agenturen dem Buch gut zu Gesicht gestanden. Diese sind eine fundamentale Entwicklung im System des Verwal- tungsrechts der Union. In der Arbeit von Orator sind sie in der Einführung in die Agen- turen und deren Klassifizierung vermerkt, spielen aber später bei der Diskussion um Delegation und Ermessensgebrauch eine nur untergeordnete Rolle.

Dies schmälert aber nicht die von Orator erbrachte Leistung. Es zeigt vielmehr, dass selbst nach Jahrzehnten der Diskussion wichtige Bereiche und Fragestellungen offen sind. Das Buch ist ein außerordentlich gelungenes Werk, informativ, kenntnisreich und klar argumentiert und mit einer Vielzahl von Verweisen in Rechtsprechung und Li- teratur angereichert. Die weitere Diskussion um Agenturen in der EU und die weitere Entwicklung der Exekutivgewalt in der EU wird sicherlich nicht mehr ohne seine Ori- entierungshilfen auskommen.

Herwig Hofmann, Luxemburg

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