• Aucun résultat trouvé

Betrachtungen zur "Demeter von Eleusis"

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Partager "Betrachtungen zur "Demeter von Eleusis""

Copied!
20
0
0

Texte intégral

(1)

Article

Reference

Betrachtungen zur "Demeter von Eleusis"

BAUMER, Lorenz

BAUMER, Lorenz. Betrachtungen zur "Demeter von Eleusis". Antike Kunst , 1995, vol. 38, p.

11-25

Available at:

http://archive-ouverte.unige.ch/unige:100413

Disclaimer: layout of this document may differ from the published version.

1 / 1

(2)

LORENZ E. BAUMER

BETRACHTUNGEN ZUR «DEMETER VON ELEUSIS»

Beim Studium der griechischen Rundplastik des 5. und 4· J ahrhunderts v. Chr. ist es nur ausnahmsweise méiglich, die Originale direkt und ohne den Filter der spathelleni- stischen oder kaiserzeitlichen Statuenkopien untersu- chen zu kéinnen. Ihre Seltenheit sichert diesen Skulptu- ren ein anhaltendes Interesse der Forschung und einen festen Platz in den Übersichtswerken zur antiken Plastik.

Zur Gruppe der klassischen Originalstatuen ziihlt auch die Marmorfigur der «Demeter von Eleusis», die immer wieder in einschlagige Publikationen Eingang gefunden hat (Taf 6-8, 1). Eine Durchsicht der Literatur führt al- lerdings zum etwas überraschenden Ergebnis, dass sie trotz - oder vielleicht ge rade wegen? - ihrer gros sen Be- kanntheit kaum je eine breiter angelegte Besprechung er- fahren hat und meist nur in kurzen Abstanden gewürdigt wurde1

Der vorliegende Beitrag entstand wahrend eines langeren Studien- aufenthaltes in Athen im Sommer 1992. Ich benütze die Gelegenheit, um ein erstes Mal dem Schweizerischen Nationalfonds für die finan- zielle Unterstützung und der Ecole Suisse d'Archéologie en Grèce für die Unterkunft zu danken. Für ihre Diskussionsbereitschaft bin ich G. Despinis und P. Papangeli, sowie der Dritten Ephorie in Athen für die Studienerlaubnis zu Dank verpflichtet. S. Müller übernahm freundlicherweise die Korrektur des Résumés.

Das Manuskript wurde 1992 abgeschlossen. Neuere Literatur konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Zum Heiligtum von Eleusis zuletzt K. Clinton, The Sanctuary of Demeter and Kore at Eleu sis, in: N. Ma- rinatos und R. Hagg (Hg.), Greek Sanctuaries. New Approaches (1993) 1 1off. Zu Alkibiades jetzt Chr. Meier, Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte (1993) 6o3ff. 620f. 623ff. 643ff.

1 Ausser den in dieser Arbeit gesondert erwahnten Beitragen sind zu nennen: D. Philios, Eleusis. Ses mystères, ses ruines et son musée ( 1896) 82; ders., 'Ef..Euatç. Mua"t~QW, ÈQEÎJua xaL MouaEî:ov aini'jç (1906) 1 22; K. Kourouniotes, 'OôTjyÜç "tiiç 'EÀ.Euaî:voç ( 1924) 53f. mit Ab b. 1o; ders., 'Ef..Euatç. 'OôTjyÜç 1:wv àvaaxa<j>wv xaL wü Mouadou (1934) 63; ders., Eleusis. A Guide to the Excavations and the Museum (1936) 83; G. Mylonas, Eleusis and the Eleusinian Mysteries (1961) 194f. Abb. 75; G. Kanta, Eleusis. Myth, Mysteries, History, Mu- seum ( 1 979) 63 mit Ab b. 1 8; P. Alexopoulou-Bagia, 'la"tOQLa "ti'jÇ

'EÀEUOLVUÇ. 'Anô "t~V 1tQO.lO"tOQLX~ ~ÉXQL

Lll

QW~a"lx~ 1tEQLOÔO

( 198 5) 1 34f. Taf. 20; A. Furrwangler, Griechische Originalstatuen in Venedig, Abhandlungen der Bayer. Akademie der Wissenschaften, München 21, 1901, 279f. mit Ab b.; C. Blümel, Der Fries des Tempels der Athena Nike ( 192 3) r6ff.; A. W. Lawrence, Classical Sculpture

Den ersten etwas ausführlicheren Kommentar verfasste zu Anfang dieses Jahrhunderts Paul Herrmann2, der neben einer Beschreibung des Befundes und der Rekon- struktion des Motivs die <<Demeter von Eleusis» ais er- ster mit dem Werk des Agorakritos in Verbindung brachte. Damit warf er eine Frage auf, die die Forschung mit wechselnden Ergebnissen bis heute beschaftigt. So versuchte insbesondere Hans Schrader in einem Aufsatz zur-damais noch nicht erkannten- N emesis von Rham- nous die Zuweisung der eleusinischen Statue an das Œuvre des Phidiasschülers weiter zu erharten3 In der Folge setzte sich diese Ansicht trotz vereinzelter kriti- scher Stimmen weitgehend durch4In seiner grundlegen- den Untersuchung über Agorakritos hielt allerdings Georg Despinis5 nicht vollumfiinglich an der traditionel- len Meinung fest und schrieb die Statue unter vorsichti- gem Abwagen der Argumente nicht dem berühmten Bildhaucr sclbst, sondern seiner Werkstatt zu. Trotz die- ser begründeten Einwande und der durch den Fund der originalen Nemesisfragmente veranderten Ausgangslage

(1929) 221; H.K. Süsserott, Griechische Plastik des 4· Jahrhunderts v.Chr. ( 1 938) 1 30; G. M. A. Richter, The Sculpture and Sculptors of the Greeks 3(1950) 106 Abb. 325; G. Lippold, OJh 39, 1952, 63; ders., Pla- stik 191 Taf. 70, 1; K. Schefold, Agorakritos ais Erbe des Pheidias, in:

E. Boehringer und W. Hoffmann (Hg.), Robert Boehringer. Eine Freundesgabe (1957) 563ff. Abb. 28.29; B. Greenfield Grassmann, The Eleusinian Gods and Heroes in Greek Art (Ph. D. Washington 1959) 161. 2r6ff. Taf. 6, r; B. Schlorb, Untersuchungen zur Bildhauer- generation nach Phidias ( 1964) 39; A. Peschlow-Bindokat, Demeter und Persephone in der attischen Kunst des 6. bis 4· Jahrhunderts v.Chr., Jdl 87, 1972, 127f.r56, S r; B. Sismondo Ridgway, Fifth Century Styles in Greek Sculpture ( 1981) 12 3 Ab b. 96; M. Sturgeon, AJA 86, 1982, 223 mit Anm. 12; W. Fuchs, Die Skulptur der Grie- chen 3(1983) 201 mit Ab b. 215; J. Boardman, Griechische Plastik. Die klassische Zeit (1987) 230 zu Abb. 137; A. Leibundgut, Künstleri- sche Form und konservative Tendenzen nach Perikles (= ro. Trierer Winckelmannsprogramm 1989 [1991]) 37f. Taf. 7, 1. lm grossforma- tigen und reich bebilderten Übersichtswerk von A. Stewart, Greek Sculpture (1990) bleibt die Statue erstaunlicherweise unerwahnt.

2 Text zu BrBr 536 (1902).

3 H. Schrader, Agorakritos, OJh p, 1940, 169ff. besonders 1 Sr f. mit Abb. 8o.81.

4 Widerspruch erhob L. Pallat, Nachrichten der Akademie der Wis- senschaften in Gottingen, Phil.-hist. Klasse 4, 1940/41, 203ff.

5 G. Despinis, :Lu~j)ot..Tj a1:Tj ~EÀÉ"tT] wü 'AyoQUXQL"tOU ( 1971) r86ff.

I I

(3)

wird die «Demeter von Eleusis» bis heute verschiedent- lich in den Werklisten des Agorakritos geführt6

In Erganzung zu der damit nach wie vor offenen - und an dieser Stelle nicht weiter ausgeführten - «Meister- frage» galt das Interesse wiederholt der Verwendung des Statuentypus auf klassischen Reliefs, wobei mehrfach auf ein in Paris aufbewahrtes Urkundenrelief des Jahres 4ro/o9 v.Chr. verwiesen wurde (Taf 8, 2). In der darauf gezeigten Gestalt der Athena wurde von mehreren Bear- beitern eine recht getreue Wiedergabe der eleusinischen Statue erkannt. Allerdings wurde der Rückführung der Relieffigur auf die «Demeter von Eleusis>> ebenso wider- sprochen, wie der von Gerhard Neumann vorgeschla- genen Abhangigkeit eines Relieffragments im Athener Agoramuseum (Taf 8, J), dazu unten r 5 und 17.

Abgesehen von diesen beiden Themenkreisen wurde der

«Demeter von Eleusis>> nur geringes Interesse entgegen- gebracht. Wahrend sich die Mehrzahl der Beitrage in er- ster Linie auf eine Einordnung der Figur in die kunstge- schichtliche Entwicklung der Plastik im spaten 5. J ahr- hundert v.Chr. konzentriert, finden sich nur vereinzelt Überlegungen zu einer inhaltlichen Deutung des Mo- tivs7. Die damit unmittelbar verbundene Frage nach der Funktion der Statue unterblieb bisher in gleicher Weise wie die Untersuchung ihrer religionsgeschichtlichen und historischen Aspekte. lm Zeichen der wachsenden Be- deutung, die das Heiligtum von Eleusis in klassischer Zeit und insbesondere in den Jahren des Peloponnesi- schen Krieges für Athen gewann8, ist es aber gerade bei einem grossformatigen Werk wie der «Demeter von Eleusis>> angezeigt, die ausseren Bedingungen ais mitbe- stimmende Faktoren in die Betrachtung einzubeziehen.

6 Der Vorschlag von A. Delivorrias, Die Frankfurter Aphrodite, Stadel-Jahrbuch N.F. 3, 1971, 67 Anm. 59, die Statue Alkamenes zu- zuschreiben, blieb unbeachtet.

7 Ausser Herrmann a.O. (oben Anm. 2) und K. Schefold, Griechische Kunst ais religioses Phanomen (1959) 108 Taf. 11b insbesondere G. Neumann, Probleme des griechischen Weihreliefs (1979) 6o (dazu unten).

8 Zur Geschichte des Heiligtums F. Noack, Eleusis (1927); Mylonas a.O. (oben Anm. 1) passim; J. Travlos, Bildlexikon zur Topographie des antiken Attika ( 1 988) 9 Iff. Ab b. 103-2 14; Alexopoulou-Bagia a. O.

(oben Anm. r) passim, sowie die Literatur unten Anm. 20.

!2

Befund und Ergdnzung (Taf 6; 7)

Die in eine moderne Zementbasis eingelassene und in ihrem gegenwartigen Zustand noch r,78 rn hohe Statue9 aus weissem feinkornigem Marmor setzt sich aus drei

«Bruch auf Bruch>> passenden Fragmenten zusammen, von denen das grosste Stück den Korper sowie die Beine bis in die Mitte der Oberschenkel umfasst. Daran schliesst sich die restliche Beinpartie mit einem Grossteil der Plinthe an. Auf der Standbeinseite konnte ein Teil des auf dem Boden aufliegenden Mantels angefügt werden.

Die teilweise schwer auszumachenden Bruchstellen und das fehlende linke Knie sind mit eingefarbtem Gips er- ganzt. Vom Kopf blieb nur der Hals bis zum Schadel- ansatz erhalten. Der linke Arm ist unmittelbar himer dem Schultergelenk, der rechte ungefahr in der Mitte des Oberarmes abgebrochen. Die ehemals gesondert gear- beitete rechte Fusspitze ist ebenso verloren wie der einst in Metall eingesetzte Gürtelknoten, der heute nur noch von zwei kleinen Bohrlochern markiert wird. Stark gelit- ten hat auch der Mante!, dessen freiplastische Partien fast durchgehend weggebrochen sind. Zusatzlich sind viele Grate der Peplosfalten abgesplittert, wobei insbesondere die tief hinterarbeiteten Steilfalten vor dem Standbein die grossten Schaden erlitten haben. Beide Brüste und ver- schiedene Teile des Gewandes zeigen ferner Bestossun- gen.

Mehrere Beschadigungen weist auch die Plinthe auf, die von Paul Herrmann ais «ringsum gebrochen>> beschrie- ben wurde9a und seither keine Beachtung mehr fand. Eine U ntersuchung der a us de rn modern en Sockel etwas her- ausragenden Rander zeigt jedoch, dass die Verluste ge- ringer als erwartet sind (Taf 7, 1-4). Mit Ausnahme eines grosseren Stücks himer dem Spielbein und eines Teils unter der linken Sandalenspitze lassen sich nur wenige Stellen als Bruchkanten identifizieren. Obschon die Standplatte an vielen Stellen bestossen ist, kann ihr ur- sprünglicher Zuschnitt im wesentlichen erschlossen wer- den (Textabb. 1).

9 Eleusis, Museum 5076.

9' a. O. (oben Anm. 2).

(4)

-~---.;---'

Abb. 1

Trotz des auf den ersten Blick teilweise stark beeintrach- tigten Zustandes der Statue lasst sich a us dem Erhaltenen ihr Aufbau weitgehend ermitteln. Die aufgrund ihrer Grosse zu Recht als Gottin gedeutete Figur tragt einen übergegürteten und auf der rechten Seite offenen Peplos sowie einen grossen Rückenmantel. Das von schweren Rohrenfalten vollstandig verborgene Standbein ruht un- gefahr in der Mitte der Plinthe. Das Spielbein hat sie weit ausgreifend zur Seite und nach hinten gesetzt, wobei sie den Baden nur leicht mit der Innenkante der Sandalen- spitze berührt. Die linke Hüfte ist dem Standmotiv ent- sprechend gesenkt. Den kaum verhüllten Oberschenkel rahmen zwei seitliche Zugfalten. Bauch und Unterleib bedeckt der unter dem Gürtel hervorquellende Überfall des Peplos, dessen Falten in der Korpermitte ein spitz- ovales Motiv umspielen und in einem unregelmassig be- wegten Saum enden. Die darüberliegende linke Flanke wird von tief unterschnittenen Falten gerahmt, die in ein- zelnen scharfen Bogen zum Gürtel ziehen. Auf der rech- ten Taille ist die Masse des überschüssigen Stoffes trotz der gesenkten Schulter wesentlich geringer. Auf der Brust verhüllt das von scharfen Falten unterteilte Tuch den Oberkorper nur unvollstandig. Wegen des hoch er- hobenen Armes kommt die linke Brust etwas hoher als die rechte zu liegen. Der dazwischen spielerisch herab- rieselnde Staff formt sich über dem Gürtel zu einem grossen Faltenbogen.

Der schlanke Hals wird von einem Venusring unterteilt.

Die N ackenlinie zeigt, dass die Gottin den Kopf gering- fügig nach vorne neigte. Nach Aussage der Halsgrube drehte sie ihn gleichzeitig leicht nach links. Da keine Lockenreste sichtbar sind, waren die Haare entweder auf dem Hinterkopf zu einem Nest hochgesteckt oder wur- den von einer Binde zusammengehalten10

Um zu einer Rekonstruktion der Armhaltung zu gelan- gen, ist der Mantel in den Blick zu nehmen, der den Rücken fast vollstandig bedeckt (Taf 6, 2 ). Ein kleines Stück des schweren Stoffes liegt hinten auf der linken Schulter und dem Ansatz des Oberarmes auf. Der um-

10 Einen Kranz vermutet Herrmann a.O. (oben Anm. 2).

geschlagene und in sich verdrehte Saum führt in einem zweifach geschwungenen Bogen über den Rücken zur rechten Hüfte. Die Faltenzüge laufen auf einen neben dem Korper liegenden Punkt zu und weisen damit auf die Stelle, an der die Gottin das Tuch mit der rechten Hand ergriff. Darunter bildete das !ose Ende des Mantels senkrechte Steilfalten aus, deren Reste noch zu erkennen sind und die in dem auf dem Baden aufliegenden Zipfel enden. Der untere Mantelsaum schwingt von der Stand- beinferse nach oben. Darunter wird das Ende des Peplos sichtbar. Die über den Rücken nach links oben laufenden Stoffbahnen konvergieren zu dem heute verlorenen Mantelzipfel, den die Gottin in der linken Hand hielt.

Mit der damit festgelegten Position der Hande und den noch vorhandenen Armstümpfen lasst sich ihre Arm- haltung weitgehend rekonstruieren. Wahrend der rechte Arm dem Leib entlang nach unten und nur geringfügig zur Seite geführt war, streckte sie den anderen Arm seit- lich weit vom Korper ab und mit angewinkeltem Ellen- hagen nach oben. Die hochreckende Bewegung drückt die linke Schulter etwas nach hinten, so dass eine leichte Torsion den Korper durchzieht.

Wenn die Anlage der Statue damit in der Hauptsache erfassbar ist, so bleibt noch die Frage nach moglichen At- tributen zu stellen. Die unausgeglichene Korperhaltung führte verschiedentlich zum Vorschlag, dass der Gottin eine zusatzliche Stütze in die linke Hand ZU ge ben sei 11.

A us der Plinthe ergibt sich aber, dass die Erganzung eines Szepters oder einer Fackel nicht moglich ist: Die unmit- telbar neben dem linken Fuss endende Standplatte bietet keinen Platz für eine Einlassung, wie sie ein in Metall oder Holz gefertigtes Attribut verlangen würde (Textabb. 1 ). Da beide Hande mit dem Halten des Man- tels beschaftigt sind, konnen auch andere Gegenstande wie beispielsweise das von Konstantinos Kourouniotes12 vorgeschlagene Ahrenbündel mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden.

11 Philios a.O. (oben Anm. 1 [1896]) 82; ders. a.O. (oben Anm. r [1906]) 122; Schefold a.O. (oben Anm. r) 565; Grassmann a.O. (oben Anm. r) 161.217; Ridgway a.O. (oben Anm. 1) 123.

12 Kourouniotes a. O. ( oben An m. 1 [ 1 924]) 53; ders. a.O. (ob en An m. 1 [1936]) 83.

13

(5)

Komposition und Datierung13

Die breitgelagerte Komposition entwicke!t sich vor dem Hintergrund des segelartig aufgespannten Mantels, des- sen Steilfalten auf der Standbeinseite eine markante Begrenzungslinie bilden. Damit kontrastiert die weit- geschwungene Stoffbahn unter dem linken Arm. Die Differenzierung zwischen einer geschlossenen und einer offenen Seite wiederholt sich in der Gestaltung des Kor- pers. Wahrend auf der rechten Flanke die senkrechten Linien mit dem nach unten gehaltenen Arm und den tief unterschnittenen Rohrenfa!ten des Peplos dominieren, wird die Spielbeinseite von einem schwungvollen Bogen bestimmt, der sich vom weit nach aussen gesetzten Fuss bis zum hochaufragenden linken Arm spannt. Die damit entstehende Dynamik wird durch die leichte Torsion des Oberkorpers und die angedeutete Linkswendung des Kopfes zusatzlich unterstützt. Den Gegensatz von linker und rechter Seite überbrücken auf dem Oberkorper die Falten des Peplos, so dass eine komplizierte Schwingung die Figur durchzieht.

Trotz der formlich aufgerissenen linken Flanke ist die Statue auf eine klare Vorderansicht ausgelegt (Taf 6, 3).

Sowohl entlang dem Brustkorb wie auch an der Aussen- seite des linken Oberschenkels bilden scharf abgegrenzte Faltenzüge einen Rahmen, der Vorder- und Schmalseite abrupt voneinander trennt. Gleichzeitig hebt sich da- durch der Korper in der Vorderansicht reliefartig von der Flache des Mantels ab. Die frontale Ausrichtung der Komposition bestatigt auch die Betrachtung der linken Seite (Taf 6, 4), die nur wenig von der Kühnheit der Be- wegung erahnen lasst. Geradezu enttauschend wirkt der Blick a us der entgegengesetzten Richtung (Taf 6, I ). Ins- besondere die Falten im Bereich des Oberkorpers, der auch im ursprünglichen Zustand nicht vom Mante! ver- deckt wurde, wirken a us dieser Perspektive schematisch.

Nur geringe Mühe wurde auch auf die Ausarbeitung der

13 vgl. dazu insbesondere F. Hiller, Formgeschichtliche Untersuchun- gen zur griechischen Statue des spaten 5. Jahrhunderts v.Chr. ( I 971) 21.71ff. Taf. 7, Abb. q; 13 Abb. 47; Beilage 9, Abb. 92; L. Alscher, Griechische Plastik 2, 2 ( 1982) 207ff. Ab b. 39·

Rückseite verwendet, die mit wenigen Fa!tenzügen ein- zig eine grobe Skizze des Gewandes bietet (Taf 6, 2 ).

Durch den Gürtel und den Saum des Überfalls wird der Peplos in drei vertikal gestaffelte Teile gegliedert, die je- weils unterschiedlich gesta!tet sind (Taf 6, J). So domi- niert im Bereich des Standbeins der Wechsel von hellen Faltengraten und dunklen -talern. An das rhythmische Spiel von Licht und Schatten schliesst sich die sanfte Rundung des Spielbeins an, wobei die horizontal zum Rist schwingenden Falten die weitausgreifende Stellung des Fusses statisch erscheinen lassen. Dieselbe beruhigte Gestaltung zeigt auch der Peplossaum, der den Boden nicht berührt und gleichmassig vor- und zurück- schwingt. Den ausgeglichenen Rhythmus der Beinpartie unterbricht die heftig auf und ab bewegte Saumkante des Überfalls, der gleichzeitig eine viel kleinteiligere Bin- nengliederung aufweist. Die Struktur des Stoffes wird vor dem Unterleib von einer raschen Folge von Falten bestimmt, die zusammen einen nach oben gerichteten spitzen Bogen bilden. Darüber legt sich der breitgela- gerte Gewandbausch, der über den Gürtel hervorgezo- gen ist und den Oberkorper von der Bauchpartie trennt.

Die damit eingeleitete, emeute Beruhigung der Form setzt sich im Brustbereich fort, der durch weit aus- schwingende Falten mit feinen Graten und breite Flachen charakterisiert ist. Die hochaufragende Geste des linken Armes schlagt sich in der nach rechts verscho- benen Anlage der Faltenbogen nieder. Insgesamt wird das Gewand hauptsachlich mit linearen Elementen diffe- renziert, wahrend die plastische Wirkung des Stoffes nur verha!ten zum Ausdruck kommt. lm Gegensatz dazu drückt sich der Korper in sensibel gesta!teter Plastizitat durch den Stoff. So ist beispielsweise auf die linke Brust hinzuweisen, die durch die Bewegung des linken Armes nicht nur nach oben gezogen wird, sondern durch die einseitige Dehnung des Brustkorbes auch ein leicht ge- spanntes Profil erhalt (Taf 8, I ).

In Komposition und Stil schliesst sich die eleusinische Statue mit einer Gruppe von Skulpturen zusammen, die am En de des 5. J ahrhunderts v. Chr. entstanden sind. Die stilgeschichtliche Entwicklung der Plastik dieser Jahre und die zeitliche Einordnung der «Demeter von Eleusis>>

ist bereits von verschiedener Seite ausführlich untersucht

(6)

worden und braucht hier nicht im einzelnen wiederholt zu werden14Ihre besten Entsprechungen findet die Sta- tue auf zwei Urkundenreliefs, die beide im Jahre 410/09 v. Chr. entstanden sind. Die nach links gewendete und auf ihren Schild gestützte Athena auf der Ehreninschrift für Neapolis15 entspricht in der labilen Ponderation und der Linearisierung der Faltenzüge der Statue in Eleusis im gleichen Ma6e wie die Athena der Schatzmeister- urkunde in Paris (Taf 8,2) 16Gerade bei der letztgenann- ten Figur wurde von verschiedener Seite zusatzlich zur stilistischen eine typologische Abhangigkeit von der

«Demeter von Eleusis» postuliert17 Die Übereinstim- mungen beschranken sich jedoch auf die Formulierung des Peplos, wahrend die Unterschiede überwiegen. Ins- besondere findet sich bei der Relieffigur keine Spur des Mantels, der ein wesentliches Element der eleusinischen Statue bildet. Hinzu kommen die unterschiedliche Arm-

14 Ausser den in der vorigen Anm. genannten Publikationen grundsiüzlich: A. H. Borbein, Die griechische Statue des 4· Jahrhun- derts v.Chr., Jdi 88, 1973, 43ff. besonders ro8ff.

15 Athen, Epigraphisches Museum 6598-6589: J.N. Svoronos, Das Athener Nationalmuseum 3 (1937) 663 Nr. 427 Taf. 204; R. Binne- boessel, Studien zu den attischen Urkundenreliefs des 5. und 4· Jahr- hunderts (Diss. Leipzig 1932) 38ff., Nr. 1 5; M. Meyer, Die griechi- schen Urkundenreliefs (=AM Beiheft 13, 1989) 269f., A 15 Taf. 5, 2 mit Verweisen und Bibliographie; I. Kasper-Butz, Die Gi:ittin Athena im klassischen Athen (1990) 44ff., T4 Taf. 9; 7!.79·

16 Paris, Louvre MA 8 3 1: J. Charbonneaux, La sculpture grecque et romaine au Musée du Louvre (1963) 124 Nr. 831 mit Abb.; M. Ha- miaux und A. Pasquier, Les sculptures grecques 1. Des origines à la fin du IV' siècle avant J.-C., Musée du Louvre (1992) 140 Nr. 132 mit Abb.; Binneboessel a.O. (vorige Anm.) 37f. Nr. 14; Hiller a.O. (oben Anm. 13) 21.50.63 Taf. 7, Abb. 17 (Detail); Fuchs a.O. (oben Anm. 1) pof. Abb. 6o8; U. Kron, Die zehn attischen Phylenheroen (=AM Bei- heft 5, 1976) 209f.259, E 75 Taf. 29; LIMC 2 (1984) 1013 Nr. 6o8 mit Ab b. s. v. Athena (P. Demargne); LIMC 3 (1986) 379 Nr. 43 s. v. Demos (0. Alexandri-Tzahou); LIMC 4 (1988) 941 Nr. 76 s.v. Erechtheus (U. Kron); Meyer a.O. (vorige Anm.) 270, A 16 mit Verweisen und Bibliographie; Kasper-Butz a.O. (vorige Anm.) 47.69ff., T 13 Taf. 19;

200; LIMC 6 (1992) 1089 Nr. 37 s.v. Kekrops (I. Kasper-Butz und I. Krauskopf).

17 Lippold, Plastik 191; T. Dohrn, Attische Plastik vom Tode des Phi- dias bis zum Wirken der grossen Meister des IV. Jahrhunderts v.Chr.

(1957) 57; R. Kabus-Jahn, Die Grimanische Figurengruppe in Venedig (=Antike Plastik 11, 1972) 92; Kron a.O. (vorige Anm.) 209; Kasper- Butz a. O. (oben An m. 15) 69.200.

haltung und die Vertauschung von Spiel- und Standbein.

Der gelassen am linken Bildrand stehenden Gottin auf dem Relief fehlt damit die Spannung, die die Komposi- tion der Statue pragt. Die zuletzt von Marion Meyer18 vorgebrachten Einwande gegen eine Rückführung der Athena auf die «Demeter von Eleusis» bestehen daher zu Recht. Wenn die Nahe der Gottin der Schatzmeister- urkunde zur eleusinischen Statue sich damit allein auf eine enge stilistische Verwandtschaft zurückführen lasst, so sichert sie cloch ma6geblich deren Datierung in die Jahre um 410 v.Chr.

Hinweise zur Aufstellung

Sowohl in der kompositionellen Anlage ais auch hin- sichtlich der unterschiedlich weit vorangetriebenen Aus- arbeitung der «Demeter von Eleusis» zeigt sich, dass sie ausschliesslich auf einen vor ihr stehenden Betrachter hin ausgelegt und ein Umschreiten der Statue nicht vorgese- hen war. In der konsequenten Fixierung auf eine einzige Ansichtsseite und in der reliefartigen Trennung des Kor- pers vom dahinter aufgespannten Man tel geht sie über ihr zeitlich nahe stehende Rundplastiken hinaus.

Die geringe Tiefe, die die «Demeter von Eleusis» im Ver- haltnis zu ihrer Breite aufweist, führt zu der Annahme, dass sie nicht frei aufgestellt war. Darauf deutet auch die Form der Plinthe hin, die eine unregelmassig geformte Vorderkante besitzt, hinten aber geradlinig geschnitten ist (Taf 7, 1-4 und Textabb. 1). Wahrend auf die Ausar- beitung der Vorderseite einige Mühe verwendet wurde, sind auf der Rückseite und unter dem linken Fuss eine Reihe grober Bohrlocher stehengeblieben. Diese lieblose Zurichtung lasst sich nur verstehen, wenn die Rückseite nach der Aufstellung den Blicken des Betrachters ent- zogen war. Dies alles weist darauf hin, dass die Statue unmittelbar vor einer Wand stand19

18 Meyer a.O. (oben Anm. 15) 224. Ahnlich A. Delivorrias, Attische Giebelskulpturen und Akrotere des fünften Jahrhunderts ( 1974) r 5 rf.

Anm. 643.

19 So schon Herrmann a.O. (oben Anm. 2). Zu den Bohrli:ichern auch S. Adam, The Technique of Greek Sculpture ( 1966) 52.91 Taf. 2 p-c sowie Ridgway a.O. (oben Anm. 1) 123, die die «Demeter von Eleu- sis>> deshalb eher für eine gu te ri:imische Kopie hait.

(7)

Form und Zurichtung der Plinthe konnten zunachst als Hinweis auf eine Anbringung der Figur in einem Giebel verstanden werden. Eine Überprüfung der dazu in Frage kommenden Bauten lasst jedoch von dieser Plazierung Abstand nehmen. So ist für das Telesterion wegen der auf rund fünf Meter zu rekonstruierenden Tympanonhohe der Vorhalle ein plastischer Schmuck im Giebel auszu- schliessen20. Für die Giebel der übrigen klassischen Bau- ten in Eleusis - wie beispielsweise das kürzlich ausführ- lich vorgelegte «Demeter und Kore»-Tor21 - ist die Statue jedoch viel zu gross. Ebenfalls ist zu beachten, dass sie im Rücken keine zusatzlichen Befestigungslocher aufweist, wie sie zur sicheren Verankerung einer derart grossen Giebelfigur unbedingt zu fordern waren.

Die auffallige Form der Plinthe erbringt noch einen weiteren Hinweis auf die ursprüngliche Aufstellung (Taf 7, 1-4 und Textabb. 1). Der unregelmassige Zu- schnitt ihrer Vorderkante ist ausserst kompliziert. Ins- besondere springt links des Standbeins eine recht tiefe Einbuchtung ins Auge, die bei einer Einlassung in eine normale Basis nur schwer zu erklaren ware und unge- wohnlich viel Bleiverguss verlangen würde22Ferner ist zu beachten, dass der Plinthenrand hinten und auf der rechten Schmalseite deutlich hoher als vorne ist. Auffal- lig ist ebenfalls, dass die Plinthe bei der Errichtung der Statue offensichtlich nachbearbeitet werden musste. lm Bereich der erwahnten Einbuchtung und bei der Einzap- fung des rechten Fusses ist die Oberflache nachtraglich vorne abgeschragt worden (Taf 7, r). Da die Bearbei- tungsspuren teilweise vom Einsatzfuss überdeckt wur- den, müssen sie noch vor dessen Anbringung entstanden

20 Noack a. O. (oben Anm 8) 163. Auch Akroterfiguren scheint das Te- lesterion nicht besessen zu haben: Noack a. O. 13 If. mit Ab b. 6o-63.

Zur Baugeschichte die Literatur oben Anm. 8 sowie G. Gruben, Die Tempe! der Griechen 2( 1 976) 21 8ff. Zur Bauchronologie zuletzt K. Clinton, in: <j)tÀLa EJtY]. Festschrift Georgios E. Mylonas 2 (1987)

2 5 4ff.

21 D. G. Ziro, 'EÀEuoiç. 'H Kugia Etooôoç LEQOÜ 1:fjç 'EÀEuoivoç (1991) 57ff. Zu den übrigen klassischen Bauten die Literatur oben Anm. 8.

22 Für den Hinweis danke ich J. Di:irig t.

!6

und damit unmittelbar bei der Einlassung der Statue not- wendig geworden sein23Mit einer Basis mit einer flachen Oberseite lassen sich diese Beobachtungen nur schwerin Einklang bringen. Es ist deshalb anzunehmen, dass die

«Demeter von Eleusis» nicht auf einem kanonischen Sockel stand, sondern in eine unregelmassig geformte Oberflache eingelassen war. Zur Erklarung dieses unge- wohnlichen Befundes bieten sich zwei Môglichkeiten an.

Es ist nicht auszuschliessen, dass die Statue direkt in den felsigen Grund eingelassen war, wie er im Bereich des Heiligtums überall an die Oberflache tritt. Naheliegen- der- und besser mit der klassischen Tradition vereinbar- ist allerdings die Annahme, dass die «Demeter von Eleu- sis» auf einer Basis ruhte, die eine ungleichmassige Struk- tur aufwies. Die unten besprochenen Vasenbilder lassen vermuten, dass sie die Form eines Felsens besass. Dass in der zweiten Halfte des s.Jahrhunderts v.Chr. vereinzelt zu aussergewohnlichcn Aufstellungsarten gegriffen wer- den konnte, belegt ausser der weiter unten besproche- nen Nike des Paionios die Basis einer Bronzestatue im Museum von Olympia2\ die einen überdimensionalen Knochel imitiert (Textabb. 2 a. b ).

Es ist allerdings festzuhalten, dass sich in Eleusis bis- her für keine dieser Moglichkeiten ein archaologischer Nachweis erbringen lasst und die Lokalisierung des Auf- stellungsortes deshalb nicht moglich ist. Bei der langdau- ernden Benutzung, die das Heiligtum bis in romische Zeit erfahren hat, erschiene es allerdings als wenig er- staunlich, wenn bei der fortgesetzten und zeitweise

23 Auch die Plinthe der Nike von Olympia (dazu die Literatur unten Anm. 33·34) wurde bei der Aufstellung nachbearbeitet: Herrmann a.O. (unten Anm. 34) 249f.

24 Olympia, Museum L 42: G. Treu, Die Bildwerke von Olympia (=Olympia 3, 1897) 212ff. Textabb. 239 Taf. 55, 4·5· Ferner erwahnt bei E. Berger, AntK 21, r 978, 61 f., der auch für weitere klassische Statuen eine nicht horizontal verlaufende Basisoberflache vermutet.

Nicht zuganglich war mir O. Benndorf, in: Festgabe für Anton Sprin- ger (1885) 1ff. In M. Jacob-Felsch, Die Entwicklung griechischer Statuenbasen und die Aufstellung der Statu en ( 1 969) 49ff. findet si ch hingegen kein Hinweis auf unkanonische Basenformen im 5 .Jahrhun- dert v.Chr.

(8)

Abb. 2a

intensiven Bautatigkeit alle Spuren davon verwischt worden waren. Unabhangig davon werden inhaltliche Gründe den Ausschlag dazu gegeben haben, bei der

«Demeter von Eleusis>> von der allgemein üblichen Auf- stellungsweise abzuweichen.

Zusammenfassend ergibt sich aus der Betrachtung des statuarischen Befundes folgendes Bild: Gezeigt ist die hochaufgerichtete Gestalt einer Gottin, die einen über- gegürteten attischen Peplos tragt und mit den Handen einen grossflachigen Mamel segelartig im Rücken auf- spannt. Den linken Arm und das Spielbein streckt sie weit vom Korper ab. Trotz der auffallenden- und mit der leichten Wendung des Kopfes noch betonten - Links- lastigkeit der Komposition war ihr keine zusatzliche Stütze beigegeben. Auch andere Attribute, die zur Be- nennung der Gestalt beitragen konnten, scheint sie nicht besessen zu haben. Die auf eine eindeutige Vorderansicht ausgelegte, ruhig stehende Figur erhob sich auf einem unregelmassig geformten (Fels- ?)Sockel, der sich ur- sprünglich dicht vor einer (Fels- ?)Wand befunden ha ben mus ste.

Demeter oder Persephone?

Die traditionelle Lesung der Statue als Darstellung der Demeter ist in der Forschung bisher nur selten bestritten, allerdings auch nie auf ihre Richtigkeit überprüft wor- den. In einer knappen Besprechung wandte jedoch Ger- hard N eumann25 mit Recht ein, dass der übergegürtete attische Pep los in der griechischen Klassik in erster Linie für jugendliche Gottinnen Verwendung gefunden hat.

25 Neumann a.O. (oben Anm. 7) 6o; zustimmend Meyer a.O. (oben Anm. 1 5) 224 Anm. 1572.

Abb. 2b

Auch die Korperformen scheinen eher auf eine junge Gottin und damit auf Persephone hinzuweisen26

Eine Bestatigung dieser Benennung liefert ein von Neu- mann mit der eleusinischen Statue in Verbindung gebrachtes Relieffragment im Athener Agoramuseum (Taf 8, 3)27Es zeigt den Torso einer weiblichen Figur im attischen Peplos, die aufgrund ihrer diagonal vor den Korper gehaltenen Fackel als Persephone zu deuten ist.

Am linken Bildrand ist der Rest eines Szepters zu erken- nen, so dass dort wohl Demeter zu erganzen bleibt. Eine direkte Abhangigkeit der Relieffigur von der Statue ist freilich nicht mit letzter Sicherheit zu erweisen, da insbe- sondere der grosse Rückenmantel fehlt. Da ferner die im Relief gezeigte Fackel bei der Statue auszuschliessen ist, kann es sich ohnehin nicht um eine prazise Wiedergabe handeln. Die vergleichbare Haltung der Arme reicht je- doch- wie an anderer Stelle ausführlicher zu zeigen sein wird - für eine sichere typologische Bestimmung nicht a us. Die um 420/4ro v.Chr. entstandene Platte liefert aber zumindest eine ikonographische Parallele und belegt, dass der attische Peplos am Ende des 5· Jahrhunderts v.Chr. für Darstellungen der Persephone Verwendung gefunden hat. Von der herkommlichen Benennung ist daher mit guten Gründen Abstand zu nehmen und die überlebensgrosse Statue als Persephone zu erkennen.

Dies bestatigt auch die Untersuchung des Motivs und seiner religionsgeschichtlichen Bedeutung im eleusini- schen Kult und Mythos.

26 Besonders betont bei Grossmann a.O. (oben Anm. 1) 216, die den- noch an der Benennung ais Demeter festhalt.

27 Athen, Agoramuseum S 1045: T.L. Shear, Hesperia 8, 1939, 2ro;

Peschlow-Bindokat a.O. (oben Anm. r) II8 Abb. 40; 150, Rr; Neu- mann a.O. (oben Anm. 7) 59 Taf. 34a.

(9)

Motiv und Deutung

Ein ahnlich geringes Interesse wie der Frage nach der Be- nennung wurde bisher auch der inhaltlichen Bewertung der Figur entgegengebracht. Es blieb wiederum Gerhard Neumann28 vorbehalten, den hinter dem Rücken aufge- spannten Man tel als Epiphaniemotiv zu erkennen. Damit wies er die Statue einem Bereich der griechischen Reli- gion zu, dessen unterschiedliche Facetten im Einzelfall eine eingehendere Untersuchung verlangen29

Wenn die von Neumann angedeutete Interpretation auch überzeugend ist, so bleibt cloch festzuhalten, dass in der bildenden Kunst der Klassik anscheinend kein einheit- licher Gestus zur Kennzeichnung von Gottererschei- nungen verwendet wurde. lm Unterschied zu früheren Darstellungen, bei denen die Gotter ihre Epiphanie mit hocherhobenen Armen deutlich zu erkennen geben30, scheinen den Künstlern im 5· Jahrhundert v.Chr. ver- schiedene Motive zur Verfügung gestanden zu haben, die eine starkere Differenzierung des Geschehens zuliessen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Betrachter gewis- sermassen eine eindeutige <<Leseanweisung>>31 mitgege- ben werden musste, die ihm das Verstandnis der Darstel- lung ermoglichte. Leider liegt bis heu te keine Studie vor, die sich ausführlich mit der Ikonographie der Gotter- erscheinung in der klassischen Zeit auseinandersetzen

28 Neumann a.O. (oben Anm. 7) 6o. Hingegen lehnt Alscher a.O.

(oben Anm. 13) 212 eine inhaltliche Bedeutung des auŒilligen Man- telmotivs rundum ab: «Das geradezu ostentative Ausbreiten des Mantels hinter dem Rücken, das sich weder aus motivisch noch the- matisch zwingenden Gründen ergibt, dient vornehmlich dazu, der stattlichen Gestalt der Gôttin eine Folie zu bieten und sie damit dem Auge des Betrachters hervorzuheben.»

29 Zur Epiphanie in der griechischen Religion: RE Suppl. 4 ( 1924) 277ff. s.v. Epiphanie (Pfister); Reallexikon für Antike und Christen- tum 5 (1982) 8pff. s. v. Epiphanie (E. Pax); B.C. Dietrich, Numen 30,

1983, 53ff.; B. Gladigow, Visible Religion 7, 1990, 98ff. mit ausführ- licher Bibliographie.

30 G. Neumann, Gesten und Gebarden in der griechischen Kunst ( 196 5) 91 ff.; E. Brandt, Gruss und Gebet ( 196 5) 61 ff.

31 Gladigow a.O. (oben Anm. 29) 100. Ein erster Ansatz, Kriterien für klassische Epiphaniedarstellungen zu finden, jetzt bei F. T. van Straten in: R. Hagg (Hg.), The Iconography of Greek Cult in the Archaic and Classical Periods (=Kernos Suppl. 1, 1992) 47f.

r8

würde. Die von den einzelnen Bearbeitern jeweils unter- schiedlich weit gefasste Vorstellung, was unter einer Epi- phanie zu verstehen sei, erschwert zusatzlich die Zusam- menstellung des Materials.

Ausser dem von Neumann zitierten Innenbild einer weissgrundigen Schale in Boston32 zeigt insbesondere die berühmte Nike von Olympia (Taf 9, 1.2)33 in mehrfacher Hinsicht Vergleichbares. Das etwas mehr als ein Jahr- zehnt altere Werk des Paionios von Mende wurde von den Messeniern und den Naupaktiern nach einem Sieg über die Spartaner im Heiligtum des olympischen Zeus geweiht. Die geflügelte Siegesgottin schwebt vom Him- mel herab, wobei die Schwerelosigkeit des Fliegens durch die schraggestellte Korperachse und den unter ihren Füssen durchziehenden Adler deutlich gemacht wird. Der dünne Pep los wird vom Wind eng an den Kor- per gedrückt und blaht sich hinter den Beinen auf. Die Absicht, die über zwei Meter hohe Marmorstatue «Zum Fliegen zu bringen>>, spiegelt sich auch in der Wahl des ru nd 9 rn hohen Pfeilers wider (Textabb. 3 )34Er weist ei- nen dreieckigen Querschnitt auf, so dass er in der Vor- deransicht nur als zweidimensionale Flache sichtbar wurde. Dadurch verbarg er, welches Gewicht er im Grunde zu tragen hatte. Dem Betrachter wurde so die Illusion vermittelt, dass die Gottin aus der Luft direkt auf ihn zuschwebe. Die Epiphanie der Nike wurde damit für

32 Boston, Museum of Fine Arts oo. 3 5.6 (ca. 460 v. Chr., a us Vari):

J.D. Beazley und L.D. Cas key, Attic Vase Paintings in the Museum of Fine Arts, Boston r (193 1) 33f. Nr. 36 Taf. 1 9; Beazley, ARV 741; Neu- mann a.O. (oben Anm. 7) 6o Taf. 34b; LIMC 2 (1984) 269 Nr. 689a mit Abb. s. v. Apollon (G. Kokkourou-Alewras).

33 Olympia, Museum ohne Nr.: Lippold, Plastik 205 Taf. 71, 2; Bor- bein a.O. (oben Anm. 14) 165ff. Abb. 89.90; T. Hôlscher,Jdl 89, 1974, 7off. Abb. 1-3; Ch. Hofkes-Brukker, Der Bassai-Fries (1975) 129ff.

Abb. 39.40; 137ff. Abb. 42; W. Schiering, in: A. Mallwitz und H.-V.

Herrmann (Hg.), Die Funde aus Olympia. Ergebnisse hundertjahri- ger Ausgrabungsratigkeit (1980) 189ff. Nr. 134 Abb. 28 Taf. 134a.b;

A. Gulaki, Klassische und klassizistische Nikedarstellungen (Diss.

Bonn 1981) 41ff. Abb. 17.18; Fuchs a.O. (oben Anm. 1) 202ff.

Abb. 218; Boardman a.O. (oben Anm. 1) 230 zu Abb. 139; Stewart a.O. (oben Anm. 1) 89ff.16p71f. mit Lit. Abb. 408-411; LIMC 6 (1992) 862f. Nr. 137 mit Abb. s.v. Nike (A. Gulaki-Voutira).

34 Zur Rekonstruktion des Pfeilers K. Herrmann, Jdl 87, 1972, 2pff.

(10)

Abb. 3

den Besucher des Heiligtums in Olympia zu einer per- sonlichen Erfahrung35 beziehungweise - um es auf ein Paradox zu bringen - zu einer realen Vision.

Die Statue in Eleusis schliesst sich unter verschiedenen Aspekten an die Siegesgottin an. Am augenfalligsten ist die fast identische Armhaltung mit dem im Rücken auf- gespannten Mantel, die die Deutung des Motivs als Epiphanie absichert. Beachtenswert sind jedoch auch verschiedene formale Analogien, die zum weiteren Ver- standnis der Statue beitragen konnen. Dies gilt zunachst für die auf eine klare Vorderansicht ausgelegte Komposi- tion beider Werke, die zwar zunachst auf die Stilent- wicklung des letzten Viertels des 5· Jahrhunderts v.Chr.

zurückgeht, in Verbindung mit dem Motiv der Epipha- nie jedoch eine zusatzliche inhaltliche Bedeutung ge- winnt. lm Unterschied zu den weiter unten besproche- nen Vasenbildern wird nicht eine Gottererscheinung im Rahmen einer mythischen Handlung geschildert, die man als Aussenstehender passiv verfolgt. Durch die fron- tale Ausrichtung der Statuen auf einen davorstehenden Betrachter wird dieser vielmehr selbst unmittelbar in das Geschehen einbezogen.

Die Unmittelbarkeit des Ereignisses unterstreichen zu- satzlich die Bewegungsmotive der beiden Figuren. So wurde bei der Nike bereits festgestellt, dass sie direkt auf den Betrachter zufliegt. Dabei streckt sie den linken Fuss tastend vor, um sich auf die in Kürze bevorstehende Lan- dung vorzubereiten. Gezeigt ist also der nur wenige Augenblicke wahrende Übergang zwischen Fliegen und Stehen. Mit der Wahl dieses transitorischen Motivs wird das Momentane der Erscheinung in besonderer Weise hervorgehoben. In ahnlicher Weise ist auch die Haltung der eleusinischen Statue zu verstehen, deren auffallige Linkslastigkeit bereits hervorgehoben wurde. Bei ge- nauer Betrachtung fallt zudem auf, dass der Schwerpunkt

35 So ausdrücklich auch R. Harder, in: R. Lullies (Hg.), Neue Beitrage zur klassischen Altertumswissenschaft. Festschrift Bernhard Schweit- zer (1954) 194f.: <<Die Gi:ittin ... fliegt geradenwegs auf den Platz des ideal en Beschauers ZU ... Sie landet, und wird im nachsten Augenblick hier unten vor dem Beschauer stehen. Die Epiphanie einer Gottheit, derart konkret verdichtet und auf einen Aufnehmenden hin gerichtet, das ist in seiner Art wohl einzig.»

(11)

des Korpers nicht über dem Standbein zu liegen kommt, sondern deutlich nach links versetzt ist. Der den Boden nur leicht berührende Fuss des Spielbeins scheint aber die Last nicht aufzufangen. Auf eine schreitende Bewegung, die allenfalls die einseitige Ponderation erklaren konnte, deutet nichts hin. In ahnlicher Weise wie bei der Nike des Paionios ist vielmehr der nur einen Augenblick anhal- tende Zustand zwischen Gehen und ruhigem Stehen ge- meint, bei dem der Korper noch nicht vollig ins Gleich- gewicht gekommen ist.

Beiden Figuren gemeinsam ist auch das Bemühen, ihr statuarisches Wesen zu verschleiern. So wurde für die Nike bereits darauf hingewiesen, dass mit der unge- wohnlichen Aufstellung auf einem dreieckigen Pfeiler versucht wurde, die Figur optisch der Schwerkraft zu entheben und sie frei aus dem Himmel herabschweben zu lassen. Wenn die Form ihres Sockels auch nicht mehr rekonstruierbar ist, so ergibt sich auch für die eleusini- sche Statue, dass sie nicht auf einer normalen Basis auf- gestellt war und als leibhaftige Gottin irgendwo im Be- reich des Heiligtums erschien.

Trotz der deutlichen stilistischen Unterschiede erweisen sich beide Statuen insgesamt nicht nur motivisch, son- dern auch hinsichtlich ihrer Konzeption ais eng ver- wandt. Beide Werke waren darauf ausgelegt, die Epipha- nie der Gottheit für den Betrachter zu einem individu- ellen Erlebnis werden zu lassen. Davon ausgehend stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Epiphanie der Per- sephone im eleusinischen Kult und Mythos zukam.

Anodos und Epiphanie

Die früheste schriftliche Fassung des Mythos liefert der homerische Demeterhymnus36, der wahrscheinlich gegen

36 Die ausführlichste Edition von N.J. Richardson, The Homeric Hymn to Demeter (1974); erganzend J. Haig Gaisser, Hymn to Demeter (198o). Übersetzungen bei F. Càssola, Inni Omerici (1975) 23ff. (ital.); A. N. Athanassakis, The Homeric Hymns ( 1976) rff.

(engl.); J. Humbert, Homère. Hymnes (1951) 41ff. (franz.); R. Bor- chardt, Altionische Gotterlieder (1924) 6ff. (dt.); H. Gsanger, Myste- rienstatten der Menschheit. Eleusis (1961) 38ff. (dt.); A. Weiher (Hg.), Homerische Hymnen 4(1979) 6ff. (dt.).

20

Ende des 7· oder zu Anfang des 6. Jahrhunderts v.Chr.

niedergeschrieben worden ist. In 495 Versen schildert das Epos den Raub der Persephone durch Hades, die verzweifelte Suche Demeters nach ihrer Tochter und schliesslich die Rückkehr der verloren Geglaubten zu ihrer Mutter. Darin eingeflochten sind die Stiftung des Mysterienkultes und der Bau des Tempels in Eleusis. Auf die vielfaltigen Aspekte des Textes ist von kompetenter Seite bereits mehrfach eingegangen worden. So ist seit langem erkannt, dass sich in verschiedenen Elementen des eleusinischen Ritus Einzelheiten des darin erzahlten M ythos widerspiegeln37 Erwahnt sei en beispielsweise Demeters Fasten, ihr Umherziehen auf der Suche nach Persephone, das Verhüllen ihres Kopfes in Trauer und schliesslich das Weihen eines Kindes im Feuer. Diese und weitere Handlungen der Gottin vollzogen die Mysten teils in symbolischer, teils in realer Weise nach. Den Hohepunkt des Festes bildete die Erscheinung der Per- sephone, die nach Apollodors Bericht durch einen Gongschlag angekündigt wurde38In ritualisierter Weise durchlebten die Glaubigen den Mythos aus dem Blick- winkel der Demeter, empfanden ihre Trauer und Ver- zweiflung im selben MaGe wie ihre grosse Freude, wenn Persephone endlich aus der Unterwelt zurückkehrte.

Wenn sich der einzelne damit subjektiv in die Situation und Gefühlswelt der Demeter zu versetzen suchte, so bildete die Rückkehr der Persephone das Ziel all seiner Handlungen39

37 M. P. Nilsson, Geschichte der griechischen Religion ( = Handbuch der Altertumswissenschaft 5, 2, 13, 1967) 653ff.; W. Burkert, Homo Necans (1972) 274ff. besonders 304; ders., Amike Mysterien 2(1991) 78ff.

38 F. Jacoby, Die Fragmente der griechischen Historiker 2 B (r962) 244 F 110. Dazu auch Burkert a. O. (oben Anm. 37 [1972]) 3 r 5; ders., Grie- chische Religion der archaischen und klassischen Epoche (1977) 430.

Siehe auch unten 22.

39 Am deutlichsten formuliert bei C. G.Jung und K. Kerényi, Das gatt- liche Madchen. Die Hauptgestalt der Mysterien von Eleusis in mytho- logischer und psychologischer Beleuchtung (1941) 6of.: <<Der Einge- weihte trat in die Gestalt der Demeter ein, indem er wie die trauernde und grollende Gottin tat. .. >>

(12)

Die inhaltliche Ausrichtung der eleusinischen Riten auf Persephone spiegelt sich auch in einer bisher wenig be- achteten Diskrepanz des Kultes zum Hymnus. In den Versen 275ff. ist eine detailreiche Schilderung einer Got- tererscheinung enthalten. Die bisher unerkannte Deme- ter gibt sich Metaneira, der Frau des eleusinischen Ko- nigs Keleus zu erkennen, ais diese die vermeintliche Amme bei der Feuerweihung ihres Kindes überrascht.

Dabei verwandelt sich die Gottin zu einer grossen Ge- stalt von überirdischer Schonheit. Gleichzeitig erfüllen Strahlenblitze und ein lieblicher Wohlgeruch den Raum, wahrend Metaneira voiler Schrecken das Wunder ver- folgt. Alle diese Elemente gehoren zu den Konventionen einer Gottererscheinung im Epos und finden in anderen Texten ihre Entsprechungen40Für den hier betrachteten Zusammenhang ist von Bedeutung, dass Demeter, nach- dem sie sich Metaneira zu erkennen gegeben hat, die My- sterien zu stiften verspricht und den Bau eines Tempels befiehlt. Damit legt sie den Grundstein des eleusinischen Kultes41lm Gegensatz zu anderen Kulten hat die für seine Entstehung bedeutsame Episode jedoch keinen Eingang in den Ritus gefunden, der wie erwahnt in der Epiphanie der Persephone gipfelte.

Die grosse Bedeutung, die der Wiederkehr Persephones beigemessen wurde, gibt auch die Vasenmalerei wieder42

Nachdem vereinzelte frühere Darstellungen den Ab- schied der Gottin von Hades in der Unterwelt zum Thema hatten, findet um die Wende zum 5.]ahrhundert v. Chr. ein neues Mo ti v Eingang in das Repertoire der Maler. Eine Anzahl rotfiguriger Vasenbilder zeigt Perse- phone, wie sie gerade der Unterwelt entsteigt und an das Tageslicht zurückkehrt. lm wesentlichen lassen sich die

40 Zusammenstellung bei Richardson a.O. (oben Anm. 36) 252; ferner die Literatur oben Anm. 29.

41 Zur Epiphanie ais Ausloser cines Kultes (Initiationsepiphanie) Pax a.O. (oben Anm. 29) 839f.; C. Angier Sowa, Traditional Themes and the Homeric Hymns (1984) 236ff.

42 Das Material gesammelt bei C. Bérard, Anodoi. Essai sur l'imagerie des passages chthoniens (1974) 91ff.129ff. Dazu auch K. Kourounio- tes, ADele 15, 1933-35, 1ff.; Grossmann a.O. (oben Anm. 1) 188ff.;

Peschlow-Bindokat a.O. (oben Anm. 1) 94ff.; K. Schefold, Die Got- tersage in der klassischen und hellenistischen Kunst ( 1981) 69ff.

Darstellungen der Anodos der Gottin in zwei Gruppen unterteilen. Dabei beschrankt sich die erste auf die Wie- dergabe der im Mythos beteiligten Gotter (d.h. Perse- phone, Demeter, Hermes und Hekate), wahrend bei der etwas grosseren zweiten Gruppe die Szenerie durch eine Anzahl wild agierender Waldwesen bereichert ist. Diese letztgenannten Bilder werden von der Forschung mehr- heitlich auf ein verlorengegangenes Satyrspiel zurück- geführt, dessen Handlung zwar unbekannt bleibt, das jedoch ebenfalls in der Anodos der Persephone seinen - wenn auch etwas burlesken - Hohepunkt gefunden haben muss43

Ein Vergleich der Vasenbilder mit der entsprechenden Szene im Demeterhymnus bringt einen auffalligen Un- terschied zutage. In den Versen 375ff. schildert das Epos, wie Persephone den goldenen Wagen des Hermes be- steigt und mit ihm nach Eleusis fliegt, wo sie ihre vor Freude wie besinnungslos umhertanzende Mutter stür- misch begrüsst. Auf den Vasen fehlt der Wagen des Got- terboten, und Persephone steigt zu Fuss a us dem Schlund der Erde auf. Als Beispiel sei der hervorragend gearbei- tete Glockenkrater im New Yorker Metropolitan Mu- seum of Art (Taf 9,])44 genannt, der um 440 v.Chr. ent- standen ist. Am linken Bildrand steigt Persephone mit angewinkeltem Knie aus einer Erdoffnung. Sie tragt ein feingefalteltes Gewand und ist in einen Mantel gehüllt, ihr Haupt schmückt ein Diadem. Die rechte Hand hat sie grüssend erhoben. lm Hintergrund steht Hermes, der die Gottin mit unbewegter Haltung in Empfang nimmt.

43 E. Buschor, Feldmause (=Sitzungsberichte der Bayerischen Akade- mie der Wissenschaften, Phil.-hist. Abteilung 1937, Heft 1) 10ff. 19ff.;

Schefold a.O. (oben Anm. 42) 69f.

44 New York, Metropolitan Museum of Art 28.57.53 (Fletcher Fund, 1928): Beazley, ARV 1012, 1; Kourouniotes a.O. (oben Anm. 42) 4 Abb. 3; Grossmann a.O. (oben Anm. 1) 19rf. Taf. 9, r; H. Metzger, Recherches sur l'imagerie athénienne (1965) 11 Nr. 7 mit Literatur;

Peschlow-Bindokat a.O. (oben Anm. 1) 94f. mit Abb. 31; 148, V 96;

Bérard a. O. (oben Anm. 42) 76·99.129.1 31 Taf. 15, 5o; Schefold a. O.

(oben Anm. 42) 7of. mit Abb. 87; Ch. M. Edwards, AJA 90, 1986, 308 Taf. 21, 9; LIMC 4 (1988) 872 Nr. 328 s. v. Demeter (L. Beschi); LIMC 5 (1990) 339 Nr. 637 mit Ab b. s. v. Hermes (G. Siebert); LIMC 6 (1992) 990f. N r. 13 s. v. Hekate (H. Sarian).

21

(13)

Rechts dieser Gruppe ist Hekate zu erkennen, die zwei Fackeln in den Handen halt und in heftiger Bewegung davoneilt, um Demeter die frohe Botschaft zu überbrin- gen. Diese steht mit dem Szepter in der Hand am rechten Biidrand und erwartet in ruhiger Pose die Rückkehr ih- rer Tochter.

In Mythos und Kult sowie Vasenbildern und Satyrspiei besass die Rückkehr der Persephone gleichermaBen grosse Bedeutung, wahrend die Epiphanie der Demeter einzig im archaischen Demeterhymnus beschrieben

wird. Die Benennung der eieusinischen Statue als Perse-

phone findet darin nicht zuletzt eine zusatzliche Bestati- gung.

Die Vasenbilder liefern dazu noch eine Erkiarung für die oben angedeutete Gestaltung ihrer Basis. Bei einer An- zahi der Darstellungen entsteigt die Gottin nicht dem ebenen Grund, sondern einer Felsoffnung, dem xaafta yfiç. Damit unterstützen sie die Vermutung, dass die Sta- tue wahrscheinlich auf einem natürlichen oder künstli- chen Feissockel stand. Wie im Falle der Vasenbilder cliente er als Symbol für das Tor zur Unterwelt, aus der sie soeben zu Fuss zurückgekehrt war.

Kultbild oder Weihgeschenk?

In den Besprechungen zur «Demeter von Eleusis» (der Name sei der besseren Verstandlichkeit willen ais «nom de guerre» beibehalten) finden sich keine Überlegungen zur Funktion der Statue. Einzig im Demeter-Artikel des Lexicon Iconographicum M ythologiae Ciassicae wird sie von Luigi Beschi45 kommentarlos unter dem Stichwort der «statue di culto originali» geführt. Mit einer Kult- statue im herkommlichen Sinn lassen sich allerdings weder das Motiv noch die ungewohnliche Aufstellung in Einkiang bringen. Da sich aber auch die Mysterienfeiern von einer normaien Kulthandiung unterschieden, ist zu überprüfen, ob der Statue innerhalb des Ritus nicht dennoch eine kultische Bedeutung zugekommen sein konnte.

45 LIMC 4 ( 1 988) 8 51 N r. 50 s. v. Demeter (L. Beschi), mit falscher Ab- bildung.

22

Die Schwierigkeiten, aus den sparlichen schriftlichen und biidlichen Quellen Hinweise auf den exakten Abiauf der Feiern zu schopfen, sind hinianglich bekannt46Soviei ist deutlich, dass die schon erwahnte Epiphanie der Per- sephone ihren Hohepunkt bildete. Wenn die vorgeschla- gene Deutung der eleusinischen Statue ais Epiphanie Persephones zutrifft, so konnte sie einzig an dieser Stelle des Ritus eine konkrete Funktion ausgeübt haben. Die Ergebnisse der Reiigionswissenschaft zeigen jedoch, dass die Erscheinung der jugendlichen Gottin wohl nicht in materialisierter Form stattfand, sondern sich wahr- scheinlich allein in den Kopfen der Mysten abspielte. Ob es sich dabei um ein rein psychologisches Phanomen handelte, das durch den Gongschlag des Priesters und eine Lichterscheinung ausgelost wurde47, oder ob dabei zusatzlich halluzinogene Drogen eine Rolle spielten48, ist für die hier untersuchte Fragestellung unerheblich. Dazu ist allein schon aus technischen Gründen schwer vor- stellbar, wie eine über zwei Meter hohe Marmorstatue bei der Inszenierung einer Gottererscheinung Verwen- dung gefunden haben konnte.

Die «Demeter von Eieusis» ist daher dem anderen gros- sen Bereich sakraler Kunst zuzuweisen und als Weih- geschenk zu verstehen. Thematisch und hinsichtlich ihrer Grosse ragt sie allerdings weit aus der Menge der Weihreliefs und Statuetten hervor. Es wird sich daher kaum um eine private Stiftung, sondern um eine staat- liche Weihung gehandelt haben. Leider ist weder eine klarende Inschrift noch eine iiterarische Quelle bekannt, die konkrete Hinweise auf die Umstande ihrer Errich- tung liefern konnten. Wenn die abschliessenden Über- legungen zu den historischen Hintergründen deshalb letztlich hypothetisch bleiben müssen, so mag die Nahe der eleusinischen Statue zur Nike in Olympia zumindest den Versuch rechtfertigen.

46 Dazu die Literatur oben Anm. 37 sowie K. Clinton, The author of the Homeric Hymn to Demeter, Opuscula Atheniensia 16 (=Skrifter Svenska Institutet i Athen 34, 1 986) 4 3ff.;]. Strauss Clay, The Poli tics of Olympus (1989) 202ff.

47 Burkert a.O. (oben Anm. 37 [1972]) 315ff.

48 K. Kerényi, Eleusis. Archetypal Image of Mother and Daughter (1967) 177ff.

Références

Documents relatifs

auch Nicole Mathé, Gleichstellungsrecht zwischen Frauen und Männern in der EU, Schwei- zerisches Jahrbuch für Europarecht 2004/2005, 79 (80).. Diese gesetzgeberische Tätigkeit

L’archive ouverte pluridisciplinaire HAL, est destinée au dépôt et à la diffusion de documents scientifiques de niveau recherche, publiés ou non, émanant des

Bei Alexander von Humboldt war dies anders. Schon bei Friedrich Wilhelms Großvater war er nicht nur als Gelehrter mit dem Titel geehrt worden, sondern auch häufig – etwa als

die gegenseitige Verstärkung von Racelessness und Racial Profiling auch über eine affektive Hierarchisierung auf den (juristischen, medialen, zwischen- menschlichen)

Disclaimer: layout of this document may differ from the published version. 1

Der Terminologiebestand eines Unternehmens kann eine wichtige Ressource für das Wissensmanagement im Unternehmen sein – vor allem, wenn es sich dabei um

Neben einer automatischen Plagiats- prüfung, die ausschließlich von Tutoren genutzt werden kann, stehen sowohl Tutoren als auch Studierenden Syntax- und Funktionstests

Bei einer Abfrage, nach welchen Kriterien die Teilnehmenden Bücher für den pädagogischen Alltag auswäh- len, wurden primär inhaltliche Aspekte sowie ästhetische Gründe („die