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Polyadische Gespräche und Themenmanagement

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Academic year: 2022

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Polyadische Gespriiche und Themenmanagement

1. Gesprtiche mit mehreren Beteiligten

lm AlItag sind wir nicht immer in Zweiergesprllche verwickelt, und je nach Kultur geniessen das Gruppengesprllch ausserhalb der Familie, das Zu- sammentreffen mit mehreren Freunden, das Debattieren und Diskutieren einen unterschiedlichen Stellenwert und werden in verschiedenem Ausmass gepflegt.

Bisher wurde in der Interaktionsforschung der Spezifik von Gesprllchen mit mehreren beteiligten Personen nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt (s. jedoch GOFFMAN 1981, TANNEN 1984). Unausgesprochen wird wohl übli- cherweise angenommen, dass das Zweiergesprllch, die Dyade, die Grund- mechanismen filr alle anderen mOglichen Interaktionsformen in sich birgt (SACKS/SCHEGWFF/JEFFERSON 1974). Dies muss jedoch weder philo- noch ontogenetisch einen notwendigen zwingenden Grund darstellen, vielmehr dürfte es sich um eine kulturspezifische Annahme handeln.

Mein Interesse gilt hier Begegnungen mehrerer Personen, so wie sie in Gemeinschaften gepflegt werden, die der Gruppenzusammenkunft einen besonderen Raum beimessen: ln diesem Falle handelt es sich um eine italie- nischsprachige Gemeinschaft, für die Gruppenbegegnungen und sprach- liches Kr1lftemessen wichtige soziale Funktionen einnehmen, die nicht zu- letzt für das eigene Selbstverstlindnis von Bedeutung sind.

2. Metakommunikative Sequenzen

Um die Spurensuche zur Funktionsweise polyadischer Gesprliche empi- risch aufzunehmen, scheint mir das Verfolgen einer bestimmten, von den Beteiligten an den 1IIg gelegten Strategie besonders hilfreich zu sein: Die in der Interaktion verwendeten metakommunikativen Sequenzen, die - ent- gegen Watzlawicks Beobachtungen (WATZLAWICK/BEAVIN/JAKSON 1974) - auch bei nicht-konfliktuellen Alltagssituationen zu beobachten sind.

In metakommunikativen Sequenzen thematisieren die am Gesprlich Be- teiligten verbal kommunikative Aspekte der laufenden Interaktion. Dabei nimmt man Bezug auf Aussagen, die man sich selber, anderen oder der Gruppe zuschreibt oder die nachfolgend geliussert werden kOnnten. Meta- kommunikative Sequenzen werden syntaktisch, intonatorisch und/oder thematisch vom vorausgehend Produzierten abgesetzt und kOnnen auch 105

Publié dans Bulletin CILA (Commission interuniversitaire suisse de linguistique appliquée) (« Bulletin VALS-ASLA » depuis 1994) 57, 105-122, 1993

qui doit être utilisé pour toute référence à ce travail

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ausgebaut werden'. Ihre Funktionen zielen vorwiegend auf die Gesprachs- organisation hin2

ln der Folge môchte ich, ausgehend von metakommunikativen Sequen- zen, erste Beobachtungen zu zwei Problemstellungen ausführen, die auch innerhalb der Konversationsanalyse noch keine spezifische Aufmerksam- keit genossen haben: Es sind dies die Funktionsweise polyadischer Ge- sprliche sowie das Themenmanagement (eine Bezeichnung, die ais überbe- griff zu verstehen ist). Die nachfolgenden Bemerkungen sind als provisori- sche Denkanstôsse zu verstehen.

Die Wahl, für diese Betrachtung von metakommunikativen Sequenzen auszugehen, ergibt sich aus der Einsicht, dass diese privilegierte Beoba~h­

tungspunkte bieten, da man mit deren Hilfe die von den Sprechern ais lfi- tendiert dargestellte Konstruktion besonders gut nachvollziehen kann. Me- takommunikative Sequenzen enthalten besonders explizite Orientierungs- hinweise für die an der Kommunikation Beteiligten, und diese Spuren kôn- nen auch für die nachfolgenden Analysen genutzt werden.

3. Das Korpus und die Gesprlichssituation

Die Beobachtungen stützen sich auf ein Korpus von insgesamt ca. 41 Stun- den Aufnahmematerial verschiedenster Provenienz: Gesprliche zu zweit, Tischgesprliche unter Freunden, Spiele mit Kindern, Gesprache beim Ein- kauf, im Zug, Radiosendungen mit geladenen Gltsten, Fernsehsendungen,

Diese kurz umrissene Definition stülzl sich auf die vielen Arbeiten von MEYER-HERMANN und auf eigene Ergebnisse: ZUT theoretischen und prakti~ch-empirischen Ab~ren~un~sdis­

kussions. FRANCESCHINI 1992, Kap. 2. Ich verzichte an dleser Stelle daraut, die WlchtIgsten theoretischen und empirischen Arbeiten zu diskutieren, wie z. B.t nebst MEYER-HERMANN (1976, 1978. 1979), ThCHTMEIER (1984, 1990) für das Deutsche, DE GAULMYN 1987 fUr das Franzôsische,ORLETTI 1983 für das ltalienische und HERITAGE/WATSON (1979, 1980~ und SCHIFFRIN 1980 für das Englische, ebenso GARFINKEL/SACKS 1970; letztere haben dlesen Bereich schon früh in seinen Hauptzügen dargestellt.

2 Zu den Begriffen s. KALLMEYERISCHÜT~ 1976 ~~d STREE.CK ~983. Bei.de Aut~ren unler- scheiden in nicht ganz unâhnlicher Welse AktlVltAten, die die Funkuonswel~e ?es Ge- sprl!.chs regeln (Gesprl!.chsorganisation, resp. Ordnungsmontage) und s?lc~e. die sich :her aufinhaltliche und semantische Strukturen beziehen (Bedeutungskonstltutlon: resp. SI~n­

montage); die Konversationsanalyse hat sich bisher vornehmlich ersterem gew~dmet. ~1De gute Einführung in die Konversationsanalyse, nebst den eben erwl!.hnten Arukeln, blet~t das VI Kapitel in LEVINSON 1983; fOr einen Forschungsüberblick. s. HERITAO~ 19~5 mIt ausfOhrlicher Bibliographie. Wichtigste Referenz der Konversauonsanalyse Ist Immer noch SACKS!SCHEOLOFFI JEFFERSON 1974.

Kongressdiskussionen'. Einen Gesprachstyp habe ich ausführlicher analy- siert, namlich Gruppendiskussionen, deren Teilnehmerzahl sich zwischen 8 und 15 bewegt und wovon ca. 7,5 Stunden des Aufnahmematerials unter- sucht worden sind. In der Foige werde ich mich lediglich auf dieses Thil- korpus stützen'.

Die Aufnahmen wurden von der SekreUlrin eines italienischen Vereins zu Protokollzwecken im Wissen aller Beteiligten erstellt. !ch war selbst an diesen Sitzungen aktiv beteiligt, mein Interesse für die Aufnahmen ergab sich einige Zeit spater, als mir klar wurde, dass das Beobachterparadoxon in dieser Situation nicht ins Gewicht fiel. Das Tonband wurde in der Regel eingeschaltet, sobald die Thilnehmer an einem langen Tisch in einem Raum des Vereinssitzes Platz genommen hatten. Meist lag eine Thgesordnung vor, Abschweifungen sind jedoch h!\ufig und ais solche auch ausgewiesen. An diesen Gruppendiskussionen nehmen Vertreter verschiedenster Organisa- tionen teil (Lehrer, Eltern, Parteien- und Gewerkschaftsvertreter sowie Be- hôrdenmitglieder), die sich teilweise schon lange kennen. Die Mehrheit da- von sind Mlinner, der Bildungsgrad, die soziale Stellung und die regionale Herkunft sind sehr gemischt. Die Personen treffen sich in Abstlinden von ca. 3 Wochen in abends stattfindenden Sitzungen, um Probleme der Ver- waltung von Kursen und allgemeine administrative Angelegenheiten (vorab die Finanzlage) zu besprechen. Die Sitzungen dauern oft über drei Stunden.

Der Prlisident oder eine andere Person wird jeweils mit der Diskussions- führung betraut. Die Gesprachsschrittübernahme wird jedoch nicht immer über diese Instanz geregelt, der Diskussionsverlauf nlihert sich strecken- weise einer «spontaneren» Konversation.

4. Polyadische Gesprliche

4.1. Haup/turns, Neben/urns und Einwürfe

Aus unserer alltliglichen Praxis wissen wir, dass es sehr unterschiedliche Konstellationen polyadischer Gesprache gibt: Vom small-talk zu dritt oder viert, bei dem die Thilnehmer sich jederzeit abwenden kônnen, bis zu verbindlicheren Formen, bei denen ein Gesprltchsleiter die Gesprltchs- schrittübernahmen mitregelt. Einige solcher Formen wurden allgemein in

3 Das gesamte Korpus ist italienisch und grôsstenteils innerhalb der nationalen Grenzen Italiens aufgenommen worden. Ein kleinererTeil wurde in der Deutschschweiz aufgenom- men, was beim sprachlich-formalen Vergleich mit der Umgangssprache in Italien Iœine nennenswerten Unterschiede erkennen Uisst (vgl. BERRUro 1991).

4 Die Thanskriptionen sind im Anhang von F'RANCESCHINI 1992 wiedergegeben.

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TANNEN (1984) dargestellt, so z. B. ein Abendessen unter Freunden; auch die Beschreibung von ERICKSON (1982) dreht sich ums Kulinarische. GOFF-

MAN (1981) hat uns interessante Oberlegungen zu diesen Forms of talk hin- terlassen, wobei sich seine Analysen auf Beobachtungen von Interaktionen stUtzen, deren Charakter im Vergleich zu dem hier vorliegenden Material informellerer Natur ist.

Solche durchaus heterogenen Gespriichskonstellationen, die sich zumin- dest dadurch auszeichnen, dass mehr als zwei Personen aktiv am verbalen Geschehen teilnehmen und sich die Beteiligten dabei gegenseitig aufein- ander ausrichten, nenne ich in einem Ubergreifenden Sinne polyadische Ge- sproche. Bei den folgenden Oberlegungen wird die Frage offen bleiben mUssen, welche Eigenschaften polyadischer Gesprliche situationsspezi- fisch sind und welche hingegen allgemeinere GUltigkeit beanspruchen kOnnen.

Wenn man die Prinzipien und Regeln des 'Iùrn-taking von SACKS/

SCHEOIDFF/JEFFERSON 1974 aus der Perspektive polyadischer Gespriiche reflektiert, erlangen einige Phanomene zuslitzliche Differenzierungen.

Dies betrifft bspw. den Begriff des turns. Wenn man darunter, wie dies in der Absicht der Schreibenden zu sein scheint, diejenigen Gesprachsbei- trage meint, welche Anspruch auf denjloor erheben, d. h. ein vollumfang- liches Rederecht beanspruchen, so beobachtet man in polyadischen Ge- sprilchen, so wie sie hier vorliegen, (mindestens) zwei verschieden be- handelte Rederechte.

Einerseits gibt es Gespriichsbeitriige (der Begriff wird hier als Hyper- onym verwendet), mit denen man sich an alle richtet. Oiese Gesprachsbei- trlige sind durch hOheres Volumen gekennzeichnet und werden speziell ein- geleitet, mit oder auch ohne Beihilfe des Oiskussionsleiters. Diese Beitriige nenne ich Hauptturns. Aber auch die ZuhOrenden lassen sich hin und wie- der mit den jeweiligen Nachbarn auf Gesprilche ein. Oiese Gesprlichsbei- triige beanspruchen nicht den Hauptfloor. Sie werden durch niedrigeres Volumen markiert und sind Mrbar nicht an aile gerichtet. Wird ein solcher Gesprachsbeitrag durch ein plOtzliches Abschwellen des Diskussionsvolu- mens fUr alle Anwesenden hOrbar, d. h. fUr ein Publikum, für das er gar nicht bestimmt war, kann dies leicht ais «peinlich" behandelt werden (bspw. durch Lachen). Nebenturns haben auch eine ihnen eigene Funktion:

Die der gegenseitigen Absprache, der Kommentierung des laufenden Hauptturns, der Zustimmungserheischung und sicherlich auch eine vor- wiegend zwischenmenschliche Funktion - drei Stunden nebeneinanderzu- sitzen ohne ein Wort zu wechseln scheint im vorliegenden Falle dispreferiert zu sein. !ch nenne solche Gesprlichsbeitrilge Nebenturns. Ihre Initierung geschieht konstitutiv ohne Gesprilchsleiter, dieser kann (in seltenen Flillen 108

aber auch andere Beteiligte) die Nebenturns zurn Abbruch bringen. Wiih- rend jeweils nur ein Hauptturn besteht, kOnnen gleichzeitig mehrere von- einander und yom Hauptturn unabMngige Nebenturns irn Gange sein. Mit anderen Worten: Nebenturns kOnnen bspw. Uber den Sprecherwechsel im Hauptturn hinaus weiterbestehen. Sie treten hOrbar in <<lahmem, Phasen der Oiskussion vermehrt auf, so bspw. wenn der Hauptfloor nicht eindeutig besetzt ist.

Es gibt also (mindestens) zwei verschieden behandelte Rederechte (j/oors), zu denen sich die Sprecher mit unterschiedlichen Handlungen Zu- gang verschaffen, die jeweils andere Adressaten und andere Reichweiten - oder besser «HOrweitem, - haben.

In Transkripten, in denen mehrere Stimmen notiert werden, werden sol- che PMnomene selten gesondert Ubertragen. Meist werden Nebenturns je- doch bei Notationen des Simultansprechens, bei Oberlappungen und Kom- mentaren (z. B. «Gemurmeh,) zu suchen sein. Einer verbesserten Aufnah- metechnik und einer verfeinerten Transkription solcher <<unverstlindlicher»

Stellen - die zum Thil nur deshalb unverstandlich wirken, weil man gewohnt ist, beim ll"anskribieren seine Aufmerksamkeit fast ausschliesslich auf den Hauptturn zu richten, was jedoch nicht glinzlich der Perspektive eines Be- teiligten entspricht - wlire mehr Beachtung zu schenken. Gerade solche bisher vernachllissigte, lückenhaft transkribierte Stellen bergen einige typi- sche Phlinomene in sich, die nur in polyadischen Gespriichen auftreten kOnnen.

Ferner gilt es noch eine weitere Art von Gesprlichsbeitriigen zu unter- scheiden, welche FmHLER 1985 Einwilrfe nennt: Mit EinwUrfen reagieren Beteiligte, die eben zugehOrt hatten, empOrt oder auch beipflichtend auf den Hauptturn. Einwürfe werden nicht eingeleitet, stUtzen sich nicht auf den Gespriichsleiter, weisen oft das hOchste Volumen aller Beitrlige auf, reagieren syntaktisch «schlüssigeo, auf die Àusserung des Hauptredners.

Beobachtet man bei EinwUrfen den weiteren Verlauf des Gesprlichs, fill1t auf, dass sie nicht ein weiterreichendes Rederecht (also einen turn) zu bean- spruchen scheinen - falls man den Begriff turn für jene Gespriichsbeitriige vorbehalten will, die fUr sich ein Rederecht beanspruchen'. Weiter wird man beachten müssen, dass ein Einwurf in der Foige ais regelrechter Hauptturn behandelt werden kann, bspw. wenn die eben noch im Rederecht stehende Person den jloor dem Einwerfenden Uberllisst. EinwUrfe sind

S Wenn man auf diese Unterscheidung verzichten wo.rde, mO:sste man z. B. auch Hôrersig- nale (wie deu.ja. mhm, achjo?' sag nur! usw.) ais Redebeitrâge mit Anspruch auf Rede- recht bezeichnen. Sicherlich stellen diese keine Rederechtansprüche, sie besUitigen viel- mehr die Ansprüche der anderen.

109

(4)

nicht nur für polyadische Gesprache spezifisch, sondern sie kônnen auch in der Dyade auftreten.

Mit den hier zur Verfügung stehenden Mitteln lassen sich lediglich die Gesprllchsschrittübernahmen im Hauptfloor detailliert beobachten, wes- halb wir uns in der Foige diesen Formen widmen.

4.2. ArIen von Gesprlichsschrittübernahmen in polyadischen Gesprlichen Ein erster

1YP

von Gesprachsschrittübernahmen kann am Beispiell darge- stellt werden'.

(1) Q gallo.

(Eigenname)

F si io volevo dire alcune cose. no. cioè, effettivamente - eh quando io ho ja ich wo/lte einige Sachen sagen. nein. also, wirklich - wie ich ricevuto la lettera di dimissione di nardini, - io devo dire una cosa. - diesen Rücktrittsbrief von Nardini erhalten habe, - ich muss dazu elwas sagen. -

no, eh - si nein, eh - ja

Er weist folgende Struktur auf:

(1.) «gallo»

(2.) «si»

(3.) <<io volevo dire alcune cose»

Zuschreibung des Tùrns Obernahme

Foige

(5,148)

Die Strukturbeschreibung lehnt sich an ThRASKI (1976) an, obwohl dort eine besondere Art von Ankündigungen untersucht wird (Pre-Announce- menls).

Der Zuschreibung des Thrns folgt in (2.) die Übernahme der spezifischen konditionellen Relevanz (KALLMEYER 1978, 227), hier die Übernahme des

6 Zur Notation: Namen und andere Bezeichnungen sind abgeêndert (oder mit XX anonymi- siert), Grossbuchstaben werden fOr die Lautstêrke ver~ende~; ein Trennstrich beze~chnet Pausen ein Komma eine Stirnrnhebung, ein Punkt eme Shmmsenkung; < bezelchnet hôher ~erdendes Volumen, > ein leiser werdendes Volumen, ". bezeichnet ein Anheben und Senken der Stimme; Emphasen sind unterstrichen, Unverstêndliches steht in ein- fachen Klammern die darin enthaItenen x geben ungeflihr die Silbenlànge wieder, Kom- mentare sind in d~ppelten Klammern enthalten, das Ende des Kommentars wird mil + markiert.

110

verlangten Rederechts, womit die Foigeausserung (kurz: Folge) in (3.) an- schliessen kaon. (1.) wird durch den Gesprachsleiter gellussert, der damit für alle Beteiligten eine klare Fokussierung auf den folgenden Kandidaten für den Hauptfloor vornimmt. (2.) und (3.) werden durch denjenigen Spre- cher geaussert, der in (2.) die Zuschreibung übernommen hat und in (3.) zur inneren Struktur des Thrns ansetzt. Er kündigt an, «einige Sachen sagen zu wollen», was aIs Hinweis interpretiert wird, dass ein Uingerer Thrn zu erwarten ist.

Diese Strukturbeschreibung ist allerdings noch unbefriedigend, da sie wichtige vorangehende Handlungen nicht berücksichtigt, solche namlich, die auch non-verbal ausgedrückt werden kônnen, z. B. durch Gesten, Blick- kontakte, Kôrperhaltung, usw. und massgeblich die Folgehandlungen des Gesprllchsleiters beeinflussen'. Diese Positionen werden manchmal auch verbal ausgedrückt, wie im folgenden Beispiel 2:

(2)

D ee - pOSSOA.

ee - darf ich

Q prego

bitte

dunque io volevo - eh fare un'offerta. - l'offerta è also ich wo/lle - eh ein Angebot machen. - das Angebot ist

(4,65) Strukturbeschreibung:

1. «ee»

2. «posso.»

3. «prego»

4. «dunque»

5. «io volevo ... »

Minimale Besetzung des Kanals Rederechtforderung

Zuschreibung Obernahme Foige

Diese Strukturbeschreibung ist aus dem Vergleich aller metakommunikati- ven Gesprachsschrittübernahmen hervorgegangen' und fasst angemessen die in meinem Korpus enthaltenen Falle.

7 LEVINSON 1983 (vgI. Kap. 6.2) spricht von Reaktionen und Antworten, die auch «ver hal- tensrnàssig» gegeben werden kônnen, durch eine bestimmte VeIii.nderung der KOrperhal- tung, durch Gesten, Blickkontakt, usw.

8 Am Rande sei hier erwêhnt, dass alle Obernahmen dieser Art in meinem Korpus zu langen Thrns fOhren. Dabei nehmen die ZuhOrenden die nachfolgenden, sonst Obergaberelevan- ten Stellen nicht zurn Anlass, auf dem HauptfIoor mit Rederecht aktiv zn werden. Die mit einem solchen kooperativ hergestellten Rederecht ausgestattete Person kann sich SOM

mit, fOr eine gewisse Zeit zumindest, auf andere Aufgaben konzentrieren (inhaltliche The- rnengestaltung, Argumentationsweise, etc.). Ort wird der Thrn auch explizit abgeschlossen, mit Ausdrücken wie «ho cruuso» (<<ich habe geschlossen))), «ho finito» (<<ich bin fertig))), III

(5)

Wenn ein Gesprachsleiter wie im nachfolgenden Bsp. (3) nicht verbal explizit agiert, sondern die Aufgaben mit Gesten vollzogen haben kann,

(3)

T nostro. - un po' di più lavoro da parte> nostra.

unser. - ein bisschen Arbeit unsererseits.

G maaApossoAdire

jaa kann ich (etwas)

G A(una cosa)? - ma secondo me comunque io sono d'accordo adesso sagen? - ja meiner Meinung nach bin ich jetzt also einverstanden

(2,118) sieht die Strukturbeschreibung folgendermassen aus:

1. «maa»

2. «"POSSO "dire "una "cosa?»

3. - 4. «ma»

5. «secondo me . .. »

Minimale Besetzung des Kanals Rederechtforderung

Zuschreibung Obernahme Foige

Es wird ersichtiich, dass die Zuschreibung durch Absenz einer verbalen Âusserung - von seiten der Anwesenden, eingeschlossen des Gesprlichs- leiters - auf die Nachfrage von G erfolgt. Oft ist die Position 3 durch eine Pause gegeben, die den sequenziellen Platz fUr die stillschweigende Bestiiti- gung bildet.

Diese stillschweigende Bestatigung ist ein weiteres Merkmal polyadi- scher Gesprache und tritt gehliuft in formaleren Situationen auf. In Zweier- gesprachen stellt die nichtverbale Reaktion (z. B. auf eine Anfrage oder beim Geschichtenerzahlen, vgl. SACKS 1971, GUELICH/QUASTHOFF 1986) eine dispreferierte Handlung dar, die in der Regel zu unerwUnschten Impli- kationen führt. Mit der polyadischen Situation hlingt auch die Thtsache zusammen, dass eine verbal explizite Bestatigung aller Beteiligten an dieser Stelle zu unôkonomisch ware. Wahrend also in nicht-polyadischen Situa- tionen eine explizite Bestatigung konstitutiv notwendig ist, wird hier die konstitutive Notwendigkeit gleichsam durch das Ausbleiben einer solchen Aktivitat vollzogen.

Die in diesem Korpus analysierten Falle legen die soeben dargestellte Strukturbeschreibung nahe. lm ausgebautesten Fall werden alle 5 Positio-

anderen inhaltlich zusammenfassenden Abschlüssen oder mit einer Stimmführung, die ais Ausstieg aus dem Thrn interpretiert wird. Zur kooperativen Herstellung von Thrns siehe exemplarisch SCHEOWFF 1982.

112

nen verbal explizit ausgefUhrt. Falls der Gesprachsleiter aktiv auftritt, wer- den die Positionen 1. und 2. vornehmlich nicht-verbal ausgeführt. lm Fall von Selbstselektion wird die Position 3. in der Regel stillschweigend voll- zogen. In den wenigen Flillen in denen an dieser Stelle interveniert wird, wird eine solche Handlung eindeutig ais Unterbrechung markiert und bi!- det demnach eine dispreferierte Handlung. In diesen Fallen kann man im weiteren Interaktionsverlauf jeweils regelmassig feststellen, dass ein ver- langtes Rederecht lediglich für kurze Zeit als suspendiert gilt. Kurz danach erlangt diejenige Person, welche zum Thrn angesetzt hatte, das Rederecht wieder. Das bedeutet, dass die konditionelle Relevanz einer solchen Erôff- nung in ihrer Wirkung nicht vollstilndig tilgbar zu sein scheint, sondern nur für kurze Zeit in den Hintergrund tritt und ais Zutrittsberechtigung zum Hauptfloor weiterhin aktiv bleibt.

Anhand dieser Falle Iiess sich die fünfteilige Sequenz besonders deutlich nachvollziehen. Hat man einmal diese Struktur der sequenziellen Abfolge der GesprachsschrittUbernahme vor Augen, lassen sich auch jene haufige- ren Falle interpretieren, die auf den ersten Blick noch keine eindeutige Struktur erkennen lassen. Aus der gewonnenen Perspektive kann man diese als verkürzte VollzUge der ausgebauten fünfteiligen Sequenz ansehen.

Siehe dazu Beispiel (4):

(4)

«ca. 7 Sek. Gemurmel»

V cioè io direi, - visto che siamo - (entrati; convocati) qua a esprimerci also ich wUrde sagen, - da wir hier - (eingetreten; eingeladen) sind

um uns auszudracken (4,107)

Strukturbeschreibung:

(1) «cioè»

(2) (3) (4)

(5) <do direλ

Minimale Besetzung des Kanals Rederechtforderung

Zuschreibung Obernahme Foige

ln diesem Beispiel werden die Positionen 2. bis 4. als Einschubsequenz (in- sertion sequence, lERASKI 1976) behandelt. Diese Positionen sind in ihrem Vollzug optional.

Aufgrund meiner Daten las sen sich drei verschiedene Arten der Ge- sprlichsschrittUbernahme ausmachen, von denen jede die fOnf Positionen auf verschiedene Weise durchlauft. In der folgenden Darstellung erschei- nen die optionalen Positionen, die nicht explizit verbal sondern verhaltens- miissig vollzogen werden kônnen, in Klammern:

113

(6)

GesprIJchsschrittUbernahmen: die optionalen Positionen

Positionen 1YP 1 1Yp2 1Yp3

Min. Besetzung d. Kanals 1 1 (1)

Rederechtforderung (2) 2 (2)

Zuschreibung (3) (3) 3

Obernahme (4) 4 4

Folge 5 5 5

Bsp. (4) Bsp. (3) Bsp. (1) Der 1YP 1 stellt den unmarkiertesten und Mufigsten Fall dar. Der 1YP II umfasst jene Flille, in denen der Sprecher explizit das Rederecht verlangt.

Der 1YP III betrifft Falle, in denen ein Gesprllchsleiter verbal explizit agiert.

Von 1YP 1 bis III nimmt auch der <<formelle Charaktem zu, den wir solchen Gesprllchsschrittübernahmen beimessen.

5. GesprIJchsschrittübernahme und polyadische GesprIJche

Ausgehend von Gesprllchsschrittübernahmen, in denen metakommunika- tive Sequenzen auftreten, habe ich spezielle, für polyadische Gesprliche je- doch typische Flille beschrieben. Dank der durch diese Explizierung resul- tierenden Verdeutlichung, Ilisst sich die sequentielle Organisation, der die Sprecher folgen, klarer aufzeigen.

Die Ausbaumôglichkeiten von Gesprllchsschrittübernahmen haben mit der polyadischen Situation zu tun. Die Aufgabe, die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf sich zu ziehen - Fokussierungsaufgaben auf die eigene Per- son also - ist in solchen Situationen, in denen mehrere Kandidaten Zugang zum Rederecht haben, besonders schwierig und aufwendig. Daher auch die ôkonomische Einsetzung eines Gesprlichsleiters, der diese Aufgaben mitzugestalten hilft. Die Einschrlinkung im Augenkontakt, der nicht mit allen Beteiligten aufgenommen werden kann, erschwert die Gesprllchs- schrittübernahme und wird ein weiterer Grund sein, dass diese Sequenzen ausgebauter ais in informellen Zweiergesprlichen ausfallen. Zudem spielt auch der Bekanntheitsgrad eine wichtige Rolle: ln informelleren Situatio- nen wird das gemeinsame Wissen nicht ais ein allen gleichermassen zugllng- liches behandelt, so dass besondere Verdeutlichungen, Absicherungen und Interpretationsvorwegnahmen gemacht werden. lm Zusammenhang mit dem Themenmanagement kônnen diese Phlinomene besonders deutlich er- kannt werden.

6. Das Themenmanagement

In einer polyadischen Situation gestaltet sich eine Aufgabe als besonders aufwendig: Durch die Anwesenheit mehrerer Adressaten muss man das ei- gene recipient design - die Ausrichtung auf die Hôrer (SACKS/SCHEGWFF

1978) - angemessen potenzieren. Die vielen rnôglichen und unterschiedli- chen Interpretationen der Anwesenden müssen beim Sprechen mitgedacht werden, vorausgreifend werden Annahmen darüber getroffen, und môg- liche ungewollte Foigen versucht man vorwegzunehmen. In einer Diskus- sionsrunde, wie der hier beschriebenen, ist angesichts der zahlreichen lan- gen Redebeitrlige zudem der unmittelbar direkte Anschluss von seiten des nachfolgenden Sprechers auf eine vorgllngige Âusserung oft nicht direkt môglich. So kann eine Reaktion auf eine Âusserung (oder auf einen Teil eines Redebeitrags) meist nur viel spliter erfolgen, oft sogar erst nach eini- gen Thrn-Abstllnden. Aber gerade diese Unmôglichkeit, einen direkten An- schluss zu tlItigen, gibt uns durch die Wiederaufnahmehinweise aufvorglln- gig Gesagtes ein interessantes Beobachtungsinstrument in die Hand, mit dem wir diesen gliedernden Aktivitllten der Thilnehmer folgen kônnen.

Dass dies v. a. für die noch sehr strittigen Probleme rund um das Thema Thema nützlich sein kônnte, môchte ich im nachfolgenden Thil darstellen.

Der Begriff Themenmanagement wird der Einfachheit wegen ais Hyper- onym gebraucht und soll die hier nicht weiter ausgeführten verschiedenen Prozesse der interaktiven Konstitution und Behandlung von Diskurs- themen bezeichnen'. Ais Diskursthema soll dabei jenes erwllhnte oder im- plizierte Objekt gelten, dem von seiten der Interagierenden Aufmerksam- keit geschenkt wird, über das sie referieren und auf das sie sich über die Grenzen eines einzelnen Gesprlichsbeitrags hinweg beziehen, wobei die Referenz auch über IlIngere Distanzen zustande kommen kann.

Aufgrund der Analyse metakommunikativer Sequenzen sollen einige thematische Bezüge untersucht werden". Dabei beschrllnken wir uns auf

9 Auch hier verzichte ich darauf, die Definitions- und Terminologiediskussion aufzugreifen, welche Begriffe wie topie change, topie continuity. topie shift, abrupt shift usw. und die unvermeidlichen Überschneidungen der Bedeutungen bei Autoren wie KEENAN/SCHIEFFE- LIN 1976, ScHEOLOFF/SAcKS 1973. BUT1OS/CASEY 1985, 1988/89, BUBLITZ 1988, DE FORNEL 1988 und Grv6N 1983 zurn Gegenstand hitte; s. FltANCESCHINI 1992, Kap. 3.6.1.

10 Dabei ergibt sich ein methodologisches Problem: Entgegen der konversationsanalytischen Vorgehensweise lassen sich thematische BexOge nicht sa leicht immer aus dem direkten Anschluss des Gesprlchspartners interpretieren, vielmehr liegen zeitverschobene Reaktio- nen vor. Dies ist im vorliegenden Falle deshalb besonders aufflUlig, da im Karpus lange Redebeitrige hlufig sind und der anschliessende Thrn selten auf das unmittelbar letztge- nannte Element eingeht. Gleichzeitig bietet gerade die Beobachtung metakommunikativer Sequenzen Orientierungshilfen an, die thematische BezUge explizit hervortreten lassen.

(7)

einen speziellen Kontext: Nicht die Themeneinführung zu Anfang eines 'films oder die tumübergreifende thematische Progression (COYELLII MURAY 1980) sollen Gegenstand der Beobachtung sein, sondem jene Hin- weise innerhalb eines 'films, die metakommunikative Sequenzen in bezug auf das Themenmanagement geben kOnnen.

6.1. Vier Hinweisarten

Eine erste Art betrifft Wechsel in der Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf ein Objekt:

(5)

S informazione dei genitori, soltanto i problemi scolastici. - questo 10 vedo

information der E/tern, nur die Schulprobleme. - das sehe ich soprattutto nei corsi quando vado a parlarne. - e si parla molto di queste cose.

vor a/lem in den Kursen wenn ich darüber spreche. - und man spricht viel von diesen Dingen.

__ un'allra cosa in riferimento a nardini. - - a me, - ha colpito molto __ etwas anderes in bezug auf Nardini. - - mich, - hat dein Rücktritt sehr

la tua disdetta. - ecco. adesso dopo questa discussione

getroffen. - so. jetzt nach dieser Diskussion (6,195) Beobachtet man den gesamten 'film, ist ersichtlich, dass die Sprecherin S damit eine Rahmung vomimmt, das vorg!lngige Thema yom folgenden deutlich abgrenzt und ais etwas <<Verschiedenes» ausweist. Vorgangig bezog sie sich auf einen Beitrag eines Sprechers, der einige 'films früher behauptet hatte, man arbeite zu wenig. Die Sprecherin widersetzt sich dieser Meinung.

In der Foige wendet sie sich an den Prasidenten, in einer emotionaleren und persOnlichen Stellungnahme, in der sie dessen Rücktritt bedauert. Der Wechsel wird a1so nicht nur rein thematisch (der Bezug zu verschiedenen Referenzobjekten) und in bezug auf die Adressaten vollzogen, sondem be- trifft auch die Aussageart: Von einem Teil, der argumentativ gehalten ist und mit Fokusoppositionen operiert (KALLMEYERISCHMITT 1991), geht die Sprecherin zu einem anderen Teil über, welcher in einem persOnlicheren Thn gehalten ist.

Sequenzen dieser Art weisen auf Handlungswechsel hin. In Anlehnung an den Begriff der switch-reference, habe ich die dabei verwendeten meta- kommunikativen Sequenzen switcher genannt. Sie treten an Umbruch- 116

stellen auf und erlauben, ais nicht zusammenhiingend empfundene Ele- mente miteinander zu verbinden Il. Sie erleichtem dem ZuhOrer die Inter- pretationsarbeit, geben den Hinweis: <<Verknüpfe das Folgende nicht direkt mit dem vorangehend Behandelten, lass dich an einen anderen Punkt führen.» Dieser Punkt kann irgendwo in der zurückliegenden Interaktion lokalisiert werden, er kann aber auch ein nachfolgendes Element ankündi- gen. Mit solchen switchern werden abrupte Themenüberg!lnge, die dispre- feriert sindl2, ôkonomisch vermieden.

Diese besonders deutlichen Rahmungen kOnnten für weitere Analysen der intemen Struktur der dergestalt abgegrenzten thematischen Einheiten nützlich sein. Es ist a1lzu of! der Fall, dass Analysen zum Thema <<Thema»

der Persistenz nominaler Referenzobjekte nachgehen (z. B. GIV6N 1983).

Meines Erachtens müsste man jedoch auch andere sprachliche und rhetori- sche Mittel mitberücksichtigen.

Wie schon angedeute!, sind Bezüge auf Punkte in der nachfolgenden Interaktion nicht unüblich". Dazu Bsp. (6):

(6)

T l'informazione che noi dovremmo dire (xxx) questo à un'altro «qual- cuno tossisce» (xx)+

die Information, die wir geben müssen (xxx) dies ist ein anderes ((je- mand hustet)) (xx) +

- - cloè noi dovremmo dir tre cose che - la prima. - - è quella - che il - - das heisst wir müssten drei Dinge sagen - das erste. - - ist, dass XX «nome dell'ente» che

- das XX ((Name des Vereins) (2,2)

Solche Bezüge projizieren eine Organisationsform, indem sie Angaben zur Sequenzialitat der weiteren zu füllenden Rahmen (slots) machen. ln der Literatur" übersieht man of t, dass es noch eine zweite Funktion dieser Re- deprojektionen gibt: Sie projizieren nicht nur für die nachfolgenden the- matischen Elemente eine mOgliche Gliederung (eine Abfolge, eine Gewich- tung, eine Bewertung usw.), sondem geben gleichzeitig auch für den eige- nen nachfolgenden Redebeitrag eine Struktur an. Referentielle, inhaltliche

Il Âhnlich die von FRITZ (1982, 218) beschriebenen «Koharenzjoken) oder die «thematischen Diskontinuitlltsmarkem von BEROMANN (1980, 248).

12 Siehe dazu ausführlicher BUBLITZ 1988.

13 ln der ~iteratur sind einige dieser Strategien beschrieben worden, s. z. B. KALLMEYEIl 1978, der wlederho1t von «vorausgreifend verdeutlichem) spricht, wie auch die Arbeiten SCHEGlDFFS (bspw. SCHEGlDFF 1982 zu «first of ail))).

14 Vg!. MEYER-HERMANN 1978, welcher âhnliche Fâlle «Hypostasierungem) nennt (S. 140);

oder REHBEIN 1978.

117

(8)

Funktionen verbinden sich also auf engstem Raum mit strukturierenden, organisatorischen Funktionen.

Eine dritte Art von Hinweisen zum Themenmanagement habe ich Redeaufnahmen" genannt. Dazu Beispiel (7):

(7)

T certe decisioni. - - L'altro è quelle che nel senso generAle, - - delle case. - come

gewisse Entscheidungen. - Das andere ist im a/lgemeinen Sinn, -. der Sache wie

si spiega. - XXXX. - XXX. ((località» -lei ha detto prima, - che nella erkllirt sich. - XXXx. - XXx. ((Ortschaften)) - sie haben vorhin ge- sagt, - dass

situazione in cui, - gli anni pass~ti - p~sano. -

in der Situation in der, - die letzten Jahre - drUcken. - (6,25) Redeaufnahmen weisen einen stlirker strukturierenden, organisierenden Charakter auf, gegenüber inhaltlichen, für die Bedeutungskonstitution wichtigere Funktionen. In Redeaufnahmen werden Rückbezüge getlitigt und im Sinne einer leichteren Erkennung - wie bei denswitchern - Veranke- rungspunkte für die lnterpretationsarbeit der Beteiligten geschaffen.

Was bei diesen Formen wie auch bei den switchern in der Regel nicht bemerkt wird, ist, dass in solchen Âusserungen meist anaforische und kata- forische Referenzen enthalten sind: In ihnen ist ein Synkretismus aktiv, der Rückbezüge und Projektionen in die Zukunft ermôglicht. So ruft <dei ha detto prima" im obigen Beispiel eine Aussage in einem anderen Thrn eines andern Sprechers in Erinnerung (ebensogut kann man auf eigenes oder gemeinsam Gesagtes verweisen) und gibt durch die Reformulierung die Môglichkeit, für den eigenen Thrn eine Struktur vorwegzunehmen. Mit anderen Worten: Redeaufnahmen projizieren einen nlichstfolgenden Rah- men, der aus der Vergangenheit reaktiviert wird und in den die Foigeliusse- rung gestellt wird. Diese doppelte Verankerung schafft jenen kohlirenzstif- tenden Wert, der solchen Aussagen eigen ist und kônnte nutzbringend für die genauere Analyse der Themenprogression herangezogen werden. lm unmittelbaren Kontext der Redeaufnahmen kann beobachtet werden, dass mit ihrer Hilfe nicht Themawechsel wie mit switchern volizogen werden, sondern eher ein Prozess der graduellen Relevanzhochstufung (KALLMEYER

1978) mitgestaltet wird. In den so reaktivierten neuen Rahmen finden zu- slitzliche Argumente zum vorgangig Gesagten Platz.

15 SCHIFPRIN 1980 nennt sie renewal brackels (S. 221-222); in KEENAN/ScHIEFFELIN 1976 wird wiederholt von «re-introducing discourse topie» gesprochen.

118

Eine weitere hilfreiche Stütze ZUT Analyse der Themenprogression bieten metakommunikative Sequenzen, die strukturell ais Nebensequenz (oder deren Einleitung und Abschluss, JEFFERSON 1972) zu erkennen sind und funktional ais Kommentare dienen. So im Bsp. (7):

(8)

T di altri organismi di muoversi - verso verso una una via - diversa. __

abbiamo,

andere Organisationen sich zu bewegen - in eine in eine andere Rich- tung. - - wir haben, -

- abbiamo, per esempio, e io vorrei subito precisare. - - che non sono wir haben, zum Beispiel, und ich mochte sofort priizisieren. - _ dass ich nicht

contra gl'insegnanti. - e mi dimostra appunto le telefonate che ho rice- vuto - in

gegen die Lehrer bin. - ein Beweis dafUr sind die vielen Anrufe, die ich in diesen Tagen,

questi giorni, - che non ho mai io ho ho difeso gl'insegnanti - ma anche erhalten habe - dass ich nie ich habe habe die Lehrer verteidigt - aber ich habe auch

preteso, - come cittadino, come emigrando, preteso la responsabilità di . verlangt, - - ais BUrger, ais Emigrant, Verantwortung verlangt

>

ognuno. - - uon vorrei essere frainteso

>

qui. - abbiAmo, - e qui do

von jedem. - - ich mochte hier nicht missverstanden werden. wir haben, - und hier

ragione a morosini, - quando - - parla - di die delibera - di

>

spese. __

gebe ich Morosini recht, - wenn - er von von FinanzbeschlUssen

spricht. - - (6,41)

Hier rahmen die metakommunikativen Sequenzen eine Nebensequenz ein.

In ihr werden Elemente angeführt, die Yom vorausgegangenen Diskurs nicht vôllig unabhlingig sind, aber doch ais zuslitzliche konstitutive Ele- mente dargestellt werden. lm eben angeführten Beispiel findet man in der Nebensequenz lnterpretationen und Bewertungen der Vorrede. Mit ande- ren Worten: Es wird ein neuer Fokus eingeführt, der jedoch den vorange- henden nicht konkurrenziert und nur für kurze Zeit aufrechterhalten wird.

Es handelt sich demnach nicht um einen Themawechsel, sondern um eine Gradierung der Foki, in welchem Vordergrund und Hintergrund einander für kurze Zeit ablôsen.

119

(9)

7. Ausblick

Gerade in polyadischen Gesprllchen sind besondere Explizierungen nôtig, da, wie schon ausgeführt, viele Interpretationsvorwegnahmen im Auge be- halten werden müssen. Gerade diese Gesprllche kônnen demnach filr die Aufdeckung von strukturierenden Aktivitliten besonders fruchtbar genutzt werden. Dies wird durch die hier gewllhlte Perspektive, nilmlich die Beob- achtung der Funktionsweise metakommunikativer Sequenzen, noch poten- ziert, überwiegen in ihnen doch mehrheitlich die strukturierenden, organi- satorischen Funktionen gegenüber den inhaltlichen. Die metakommunika- tiven Sequenzen gleichen dabei Elementen, die eher wie erratische Blôcke hervorragen, und die an die bekannten «Winke mit dem Zaunpfahh> erin- nem. Mit ihrem wegweisenden Charakter interpunktieren sie das Gesprach für das bessere Verstllndnis der Beteiligten, aber auch für diejenigen, die das aufgezeichnete Gesprllch beobachten.

!ch plildiere demnach dafUr, mittels metakommunikativer Sequenzen empirisch die auf verschiedene Weise miteinander verbundenen und ver- schachtelten Rahmungen, welche sich die Sprecher selbst geben, empirisch zu verfolgen, damit in einem zweiten Schritt die innere Struktur solcher Einheiten im gegenseitigen Vergleich herausgearbeitet werden kann.

U niversitilt ZUrich Romanisches Seminar Plattenstrasse 32 CH -8032 Zürich

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