Berichte aus der Psychologie
Michael Krämer, Siegfried Preiser,
Kerstin Brusdeylins (Hrsg.)
Materialien aus der Sektion Aus-, Fort- und Weiterbildung in Psychologie (AFW) im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) Band 15
Dem Wunsch mehrerer Autorinnen und Autoren folgend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, wenn in den folgenden Beiträgen entweder nur die
männliche oder nur die weibliche Sprachform genutzt wird, so sind jeweils beide Geschlechter gemeint. Es geschieht ausschließlich der besseren Lesbarkeit halber.
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Inhalt
Aus-, Fort- und Weiterbildung in Psychologie –
Grundlegende Konzepte
MICHAEL KRÄMER
Novellierung des Psychotherapeutengesetzes – Anmerkungen zum
Arbeitsentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit 3
ELMAR SOUVIGNIER
„Aktivieren ist besser als Erklären!(?)“
Einstellungen zum Lehren und deren Bedeutung 11
JULIA MENDZHERITSKAYA, SABINE FABRIZ, MIRIAM HANSEN,
NICOLA REIMANN, JAMIE THOMPSON, MALCOLM MURRAY,
JULIE RATTRAY UND TETI DRAGAS
Förderung der Reflexion über eigene Lehre durch interkulturellen kollegialen Austausch im Rahmen von hochschuldidaktischen Weiterbildungsprogrammen in Deutschland und England
19
MARIA TULIS
Da ist immer noch Luft drin! Zur Notwendigkeit einer
didaktischen Konzeption kognitiver Umstrukturierungsprozesse im Psychologieunterricht
27
JONATHAN BARENBERG UND STEPHAN DUTKE
Drei Untersuchungen zum Testeffekt – drei Perspektiven
auf das Konzept evidenzbasierter Lehre im Lehramtsstudium 37
GESA UHDE, BARBARA THIES, HANNAH PERST UND LENA HANNEMANN
Kompetenzorientierte Beratungs- und Begleitstrukturen im Lehramtsstudium: Selbstreflexionskompetenzen und Classroom-Management-Strategien fördern
45
PAUL HINNERSMANN
Warum mache ich das? Und warum ist diese Frage wichtig?
Ein Workshop zur Motivationspsychologie für Psychologielehrkräfte 55 ULI SANN UND FRANK UNGER
Konzeption und Weiterentwicklung einer wissenschaftlichen Weiterbildungsveranstaltung zum „Umgang mit herausfordernden Situationen“ in der öffentlichen Verwaltung
63
Ps y c h ol o gi e st u di e re n i n u nt e rs c hi e dli c h e n I nstit uti o ne n
U T E- RE GI N A R O E D E R U N D SA R A H -IN E S M E U D TPs yc h ol o gie st u dier e n na c h B ol o g na 7 3
M I C H A E L A Z U P A NI C , JA N P. E H L E R S , ST E F A N J. T R O C H E
A us w a hl g es pr ä c h e i m G ut a c ht er -Ta n d e m f ür d e n B a c hel orst u die n g a n g 7 9 Ps yc h ol o gie d er U ni v ersit ät Witt e n/ H er d e c k e
N I N A Z E U C H, LE N A K E G E L, MA R L E N E M E R T E N S U N D L E O NI E SC H R Ö D E R
P artizi p ati v e Ele me nt e bei d er G est alt u n g v o n L e hr e a m 8 9 I nstit ut f ür Ps yc h ol o gie d er Westfälisc he n Wil h el ms-U ni v ersit ät M ü ns t er
R O B E R T G A S C H L E R U N D ST E F A N ST Ü R M E R
Erfa hr e n u n d Ü be n i m Br o wserfe nst er – I nt er a kti v es Ler ne n 9 9 i m B. S c. Ps yc h ol o gie a n d er Fer n U ni v ersit ät
S I E G F RI E D PR EI S E R U N D T I M O ST O R C K
Die Ps yc h ol o gis c he H o c hsc h ule B erli n – ei n Ort f ür die Di v ersit ät 1 0 7 v o n T he me n, Met h o d e n u n d Me nsc h e n
I V
Ps y c h ol o gi e i m K o nt e xt d e r B e r ufs - u n d All g e m ei n bil d u n g
G I S LI N D E B O V E TPs yc h ol o gisc he Bil d u n g f ür S c h üleri n n e n u n d S c h ü ler 1 1 3 P A U L G E O R G G EI ß
Psy c h ol o gi c al lit er a c y als Ziel d es Ps yc h ol o giest u di u ms 1 2 1 u n d d es Ps yc h ol o gie u nt erric hts
N A DJ A B A D R
B eitr ä g e d es Ps yc h ol o gie u nt erric hts z ur all g e mei n e n Bil d u n g 1 3 1 a uf d er S e k u n d arst ufe II
H A N S - PE T E R N O L TI N G
Leitli nie n ps yc h ol o gisc her All g e mei n bil d u n g 1 3 9 D A VI D FR AI S S L
Ps yc h ol o gisc he Bil d u n g: F ür ei ne a ut o n o mie orie ntiert e 1 4 5 Ps yc h ol o gie v er mittl u n g – ei n erst er E nt w urf
L e hre n u n d L er n e n - P r a xis k o n z e pt e
M A R K U S G E R T EI SA uf b a u ei n er wisse ns c haftlic he n H alt u n g i n d er A us bil d u n g
v o n a n g e he n d e n Le hr p ers o n e n 1 5 5
B A S TI A N H O D A P P
„ We ni g er R efer at e! “ − Ei ne e m piris c he U nt ers u c h u n g z u
Br ai n w al ki n g, T hes e n p a pier, F orsc h u n gs w er kst att u n d R olle ns piel 1 6 5 G UI D O B R EI D E B A C H
Ei n e Di d a kti k d er differ e nziert e n I n di vi d u alisier u n g 1 7 3 N A T A LI E E N D E R S
F ör d er u n g sel bstr e g ulat oris c her Fä hi g k eit e n i n ei n e m E -Le ar ni n gse mi n ar
f ür Le hr a mtsst u dier e n d e 1 8 3
S I N A SC H Ü R E R , BE A B L O H, ST E F A NI E V A N O P H U Y S E N U N D
L A R S B E H R M A N N
Ver mittl u n gsstr at e gie n z u m F orsc he n d e n Ler ne n i n d er Le hr er bil d u n g –
Was n ut zt d er N ut z e n ? 1 9 1
S T E F A N Z I M M E R M A N N, PA T RI C K M Ü L L E R U N D T H O M A S B Ä U M E R
Pr oje kt basiert e Met h o d e nle hr e als Plattf or m z ur
A usei n a n d erset z u n g mit g esellsc haftsr ele v a nt e n Fr a g est ell u n g e n 2 0 1 M I RJ A M B R A ß L E R
I nt er diszi pli n är e N a c h halti g k eits bil d u n g –
Ei n e gr o ß e C ha nc e f ür a n g e he n d e Ps yc h ol o g *i n ne n 2 0 9 U L RI K E ST A R K E R
N a c h h alti g k eits k o m p et e nz f ör d er n d ur c h „ G a mi n g “ –
ei n i nt er diszi pli n är es Le hr -Ler n -Pr oje kt 2 1 7
L A R S B E H R M A N N
Die F ör d er u n g dia g n ostisc h er K o m p et e nz e n v o n L e hr kr äft e n –
Ei n t he orie basiert es S e mi n ar k o nz e pt mit pr a ktisc h e n Ü b u n g e n 2 2 7 L A R S H A U T E N U N D IN G O JU N G C L A U S S E N
Kas uisti k i m Verfa hr e ns dial o g ( Ki V) – N e u e di d a ktisc h e We g e i n d er verfa hr e ns dial o gisc h e n Ps yc h ot her a pie -A us bil d u n g a m I nstit ut f ür Ps yc h ol o gisc he Ps yc h ot her a pi e B erli n ( p pt )
2 3 7
MONIKA SKLORZ-WEINER
Die Vermittlung von Grundlagen eines professionellen 245
Therapeut-Klient-Verhältnisses im Rahmen des Psychologieunterrichts an einer Berufsfachschule für Atem-, Sprech- und Stimmlehrer/innen
KERSTIN BRUSDEYLINS
Psychoedukation und Schmerzbewältigung in der multimodalen 253
Schmerztherapie AILEEN WOSNIAK
Entwicklung und Evaluation einer Intervention für Kindergartenfachkräfte 261 zur Förderung des Emotionswissens von Kindern
MARKUS KNÖPFEL, TIM KÖHLER UND FRANK MUSOLESI
Handlungsempfehlungen für die Durchführung von 265
Problem-Based Learning (PBL) auf Basis der Lehrevaluationsergebnisse ANITA KNÖFERLE UND DOROTHEA DORNHEIM
Entwicklungsförderliche sprachliche Intervention – 273
ein Theorie-Praxis-Seminar für Studierende mit Unterrichtsfach Psychologie BRIGITTE STEINHEIDER, VIVIAN HOFFMEISTER AND JAMES MCKENZIE
Combining Team-based Learning with Creativity to Increase Learner 281 Engagement in a Non-Traditional Graduate I/O Psychology Program
ARISTI BORN
Mit Psychologie und Praxiserfahrung ins Lernen starten: 289
Die Projektwerkstatt als neues Lernformat im Studiengang Soziale Arbeit
VI
Evaluation der Lehre
STEPHAN DUTKE, UTE-REGINA ROEDER UND JONATHAN BARENBERG
Findet in Psychologie-Lehrveranstaltungen verteiltes Lernen statt? 299 Eine Untersuchung zu Einflussfaktoren und Effekten auf
die metakognitive Lernleistung MICHAEL KRÄMER
Einflussfaktoren auf den Studienerfolg aus subjektiver Perspektive 307 TIMO HERDEL UND SIEGFRIED PREISER
Trainingskompetenzen – Validierung eines Trainer-Selbstkonzept- 317 Fragebogens und Evaluation eines Trainings
Evaluation des Lernens
INES DEIBL, JÖRG ZUMBACH UND VIOLA GEIGER
Constructive Alignment im Bereich der Pädagogischen Psychologie – Entwicklung und Anwendung eines Fragebogens zur Erfassung von Constructive Alignment
327
PETIA GENKOVA UND MANUELA BÖCKENFELD
Generation Y und Stressbewältigungsstrategien: Studiert man heute anders? 335 BASTIAN HODAPP
Entwicklung, Erprobung und Evaluierung eines neuen Prüfungsformates
beim Forschenden Lernen 343
HEIKE M. BUHL, CARLA BOHNDICK, SABRINA BONANATI, CHRISTIAN GREINER,
JOHANNA HILKENMEIER UND ROBERT KORDTS-FREUDINGER
Fallbasierte Modulabschlussprüfungen zur Verzahnung von
Theorie und Praxis im Master des Lehramtsstudiums 351
MICHAELA ZUPANIC, STEFAN J. TROCHE, JAN P. EHLERS
Absolvierendenniveau im formativen Progress Test Psychologie:
Anspruch oder Wirklichkeit? 359
FLORIAN KLAPPROTH
Die Eignung von Mehrfachwahlaufgaben für die Lernverlaufsdiagnostik 369 ANGELIKA TAETZ-HARRER, MICHAELA ZUPANIC UND
STEFAN J. TROCHE
Was würden Sie tun? - Generieren von Antwortoptionen in der Entwicklung eines Situational-Judgement-Test zur Erfassung sozialer Kompetenzen
377
A uf b a u ei ne r wisse ns c h aftlic h e n H alt u n g i n d er A us bil d u n g
v o n a n g e he n d e n L e h r pe rs o n e n
M a r k us G e rt eis
D esi d er at a na c h ei n er St är k u n g d es Wisse ns c hafts b e z u gs i n d er Le hr er - u n d Le hr eri n ne n bil d u n g ( B u c h er ¸ Bir c her, Le d er et al., 2 0 1 0) st e he n i m S p a n n u n gs -ver hält nis z ur a ble h ne n d e n H al t u n g St u dier e n d er ( z. B. H u m p ert, H a user & N a g el, 2 0 0 6). Es st ellt sic h die Fr a g e, mit w elc h e n di d a ktisc h e n S etti n gs p ä d a g o gisc he n M yt h e n, u n wisse ns c haftl ic he n K o nz e pt e n ( z. B. Wis nie ws ki, 2 0 1 4 ) u n d u n g ü nsti g e n H alt u n g e n e nt g e g e n g e wir kt w er d e n k a n n. I m A ns c hl uss a n ei n e U nt erric htsse q u e n z z u m T he ma E d u ki nest eti k w ur d e n mit Ler nt a g e b ü c her n Ler neffe kt e a us St u dier e n d e n -p ers -p e kti ve ü ber -pr üft. Die e x -pl or ati ve n Er g e b nisse w eise n d ar a uf hi n, d ass d er i nt e n diert e Ler neffe kt se hr g ut err eic ht w ur d e. Die D at e n st üt z e n a u c h die Met h o d e n w a hl u n d -I m ple me nt ati o n. Es r es ultier e n z u d e m M o d er at or varia ble n, die i n d er di d a ktisc he n Pla n u n g be a c ht et w er d e n m üsse n.
G e mä ß A n g e b ots - N ut z u n gs m o d ell v o n H el m k e ( 2 0 1 1) si n d f ür die N ut z u n g d es U nt erric htsa n g e b ots u n d let ztlic h d e n Ler nertr a g u n d u nt er a n d er e m die Vor a us -set z u n g e n d er Ler ne n d e n ( M oti vati o n, I nt er esse, H alt u n g), die Wa hr ne h m u n g u n d I nt er pr et ati o n d es U nt erric hts s o wie d er A us bil d u n gs k o nt e xt ma ß g e be n d u n d m üsse n bei d er U nt erric hts pla n u n g b er ü c ksic hti gt w er d e n .
D ass D esi d er at a na c h ei n er St är k u n g d es Wisse nsc hafts be z u gs i m K o nt e xt d er Le hr er u n d Le hr eri n n e n bil d u n g ( B u c her , Bir c her, Le d er et al., 2 0 1 0) i m S p a n n u n gs -ver hält nis z ur a ble h ne n d e n H alt u n g St u dier e n d er st e he n (D e nzler & Wolt er, 2 0 0 6, S c hr o et er, 2 0 0 9; H u m p ert , H a user & N a g el, 2 0 0 6; H o p p e-Gr af , Fla g me yer, H erft er et al., 2 0 0 9 ), st ellt ei n e b es o n d er e H er a usf or d er u n g bei d er di d a ktisc h e n U nt erric hts-g est alt u n hts-g d ar. Dies u ms o me hr, als d ass i m Hi n blic k a uf ei ne K o m p et e nz orie ntier u n hts-g ne be n Ke n nt nisse n u n d Ferti g k eit e n d er F o k us a u c h a uf H alt u n g e n g ele gt wir d, wie a u c h a us ei n e m Gr u n dla g e n p a pier d er S c h w eiz erisc h e n K o nfer e n z d er k a nt o nale n Er zie h u n gs dir e kt or e n ( E D K) ( 1 9 9 3) her v or g e ht:
Pädagogische Hochschulen sind dem Ethos der Wissenschaft als einer Grundhaltung verpflichtet. Diese Grundhaltung besteht in der Bereitschaft, sich in Bezug auf Denken und Handeln unter den Anspruch einer auf Objektivität abzielenden Begründung und Rechtfertigung zu stellen und Behauptungen und Lösungsvorschläge selbstkritisch einem methodisch-geregelten Überprüfungs-verfahren zu unterwerfen (S.12).
Es stellt sich daher die Frage, mit welchen didaktischen Settings pädagogischen Mythen, unwissenschaftlichen Konzepten (Wisniewski, 2014; Quast, 2008) und ungünstigen Haltungen von Lernenden entgegengewirkt werden kann. Gerteis (2013) hat hierzu an einer Tagung der Pädagogischen Hochschule Zürich einen Überblick über potentielle Zugangsmöglichkeiten (verschiedene didaktische Orientierungen) präsentiert.
Konzeption des didaktischen Settings
Lernende im Kontext der Lehrer- und Lehrerinnenbildung lassen sich gut auf einen Lerngegenstand ein, wenn der Berufs- und Praxisbezug hervorgehoben wird (vgl. die Diskussion hierzu von Oelkers, 2000) und bisherige Erwartungen im Sinne eines confirmation bias (Dreger, 2012) tendenziell bestätigt und nicht sofort hinterfragt werden. Aus diesem Grund wurde zum pädagogischen Mythos der Wirksamkeit der Edukinestetik (Quast, 2008) eine Unterrichtssequenz konzipiert, welche den Studierenden den Praxisbezug näherbringt, indem zuerst mit den Lernenden Braingym-Übungen durchgeführt und anschliessend ein Video gezeigt wurde, wie es im Rahmen der Primarschule umgesetzt wird. Darauffolgend sollten die Studierenden arbeitsteilig einen positiv konnotierten Textauszug aus Dennison & Dennison (1995) bearbeiten in dem die Hintergründe und Effekte von Braingym dargelegt werden. Der Test suggeriert mit seinem Duktus und (nicht belegten!) Verweisen sowie durch die akademischen Titel seiner Autoren einen wissenschaftlichen Hintergrund. Ebenso wirkt die Tatsache, dass ein Dozent einer tertiären Bildungseinrichtung diese Inhalte vermittelt auf seine Glaubwürdigkeit hin. Zum Schluss werden die Argumente aus dem Text im Plenum zusammengetragen. Um zu überprüfen, ob dieser erste Teil der Unterrichtsequenz die intendierte Wirkung erzielt hat (Treatment-Check), werden die Studierenden gebeten die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes solcher Methoden in ihrem künftigen Unterricht und die allgemeine Beurteilung auf einer bipolaren Skala (semantisches Differential) anzugeben (s. Abb. 1).
A b b . 1: Tre at m e nt -C h e c k n a c h d e r e rst e n P h as e i m U nt e r ri c ht: A n g a b e n d e r L e r n e n d e n, wi e w a h rsc h ei nli c h B r ai n g y m ei n g eset zt u n d wi e es all g e mei n b e u rt eilt wi r d
Die D at e n lass e n er k e n ne n, d ass die St u dier e n d e n se h r p ositi v g esti m mt si n d g e g e n ü b er d er Met h o d e u n d diese mit ei ner h o h e n Wa hrsc hei nlic h k eit a u c h ei nset z e n w ür d e n.
I m Si n ne ei n er P ert ur bati o n ( Vo n S c hli p p e & S c h w eit z er, 2 0 0 0) u n d z ur Er z e u g u n g k o g niti ver Diss o na nz ( Festi n g er, 1 9 5 7, zit. n. Zi m b ar d o & G erri g, 1 9 9 9 ) wir d d e n Ler n e n d e n a nsc hliesse n d ei n Arti k el z ur Le kt ür e a b g e g e be n ( Q u ast, 2 0 0 8), w elc h er a ufz ei gt, d ass g e mäss a kt u elle m F orsc h u n gsst a n d E d u ki n est eti k st ar k z u hi nt erfr a g e n ist. Dies e B otsc haft k o m mt f ür die St u dier e n d e n ü b e rr asc he n d u n d l öst d a d ur c h a u c h E m oti o ne n a us, w as f ür d e n Ler n pr o z ess g ü ns ti g ist (H asc her & E dli n g er, 2 0 0 8 ). Ei ne Pr äse nt ati o n u n d B e ar beit u n g w eit er er B eis piele v o n u n wisse nsc haftlic h e n p ä d a g o gisc he n M yt he n (z. B. Wis nie ws ki, 2 0 1 4 ) be e n d et die Ler nse q u e nz.
Ü b e r p r üf u n g d e r L e r neff e k t e
Mitt els Ler nt a g e b u c h w ur d e n dir e kt na c h d er U nt erric htsse q u e nz die Ler neffe kt e er h o be n. G e mäss H asc h er, Kast aller & Kitti n g er ( 2 0 1 2) z eic h ne n sic h L er nt a g e b ü c her d ur c h ei n h o hes P ot e ntial f ür die Le hr - Ler nf orsc h u n g, ei ne h o he ö k ol o gisc he Vali dit ät, ei ne h o h e D at e n dic ht e u n d Differ e nziert heit, ei ne gr osse N üt zlic h k eit f ür die
U nt erric htse nt wic kl u n g s o wie d ur c h ei n e v er halt e ns n a he Mess u n g a us. Sie r e pr äse ntier e n g ut i n di vi d u elle Ler n pr o z ess e u n d ver d e utlic he n, w as St u dier e n d e als wic hti g er a c ht e n.
U nt ers u c ht w ur d e n 3 8 St u dier e n d e ( 4 mä n nli c h, 3 4 w ei blic h) i m erst e n St u die nja hr a n d er P ä d a g o gisc h e n H o c hsc h ule i n Fr ei b ur g ( C H). I n ei n e m q u a ntit ati ve n Teil w ur d e n A ns pr u c hs ni v e a u , B e d e utsa m k eit f ür d e n k ü nfti g e n B er uf , Ler nz eit n ut z u n g , A uf mer ksa m k eit u n d E n g a g e me nt i m U nt erric ht d ur c h ei n e vierst ufi g e S k ala erfasst ( «trifft g ar nic ht z u » bis «trifft se hr st ar k z u »). I m q u alit ati ve n Teil w ur d e n die Ei ntr ä g e d ur c h f ol g e n d e « Pr o m pts », w elc he g e mäss H ü b ner et al. ( 2 0 0 7, zitiert na c h Ve n n, 2 0 1 1) die Q u alit ät v o n Ei ntr ä g e n er h ö he n , g eleit et: 1. Was w ar i n haltlic h ne u ? 2. Was ist a us w elc h e n Gr ü n d e n wic hti g g e w or d e n f ür d e n L e hr ber uf? 3. Wie be urt eile n sie di e Met h o d e n i m K urs ? u n d 4. Welc he w eit erf ü hr e n d e n G e d a n k e n u n d Ü berle g u n g e n ha b e n sie sic h g e ma c ht ?
Die q u a ntit ati v e n D at e n z ei g e n u nt er a n d er e m, d ass die St u dier e n d e n d e m T he ma ei n e n h o he n B er ufs be z u g z usc hr ei b e n (s. Ta belle 1), w as g ü nsti g ist f ür die A n ba h n u n g ei n er p ositi ve n H alt u n g g e g e n ü b er wisse nsc h aftlic he n Fa kt e n z u m G e g e nst a n d.
Ta b . 1: A n g a b e n d e r St u di e re n d e n z u r F r a g e „ Di e I n h alt e w a re n b e d e uts a m f ü r mei n e n kü nf ti g e n B e r uf “
Trifft g ar nic ht z u Trifft et w as z u Trifft st ar k z u Trifft se hr st ar k z u
0 1 1 6 2 1
B ei d e n q u alit ati ve n D at e n w ur d e n v or erst vier T y p e n v o n St u dier e n d e n nä her betr a c ht et: a. H at Erfa hr u n g e n mit Br ai n g y m , b. Ka n nt e Br ai n g y m n o c h nic ht , c. Ist st ar k ü ber z e u gt v o n Br ai n g y m s o wie d. H at b er eits fr üh er e Erfa hr u n g e n mit d e m di d a ktisc h e n S etti n g (i n z eitlic h v or g ela g ert e n Bil d u n gs g ä n g e n). D ar g est ellt w er d e n di e A ussa g e n dieser St u dier e n d e nt y p e n i n d e n Ler nt a g e b ü c her n o h ne Z u or d n u n g z u d e n ei nz el n e n Pr o m pts. Die K ür z u n g e n, w elc he v or g e n o m me n w ur d e n, betr effe n r ei n s pr a c hlic h e As p e kt e u n d die ne n da z u, die A ussa g e n z u ver dic ht e n.
Studierendentyp: Erfahrung mit Braingym
«Ich habe gedacht, dass Braingym sehr sinnvoll ist, um die Aufnahmefähigkeit des Gehirns zu fördern und bessere Lernleistungen zu erreichen»
«Der Text klang vielversprechend und bestätigte meine Annahmen»
«Ich habe gelernt, dass man kritisch lesen und nachforschen soll, ob etwas wirklich wissenschaftlich bewiesen wurde»
«Die ganze Klasse hat den Text über Braingym total ernst genommen und niemand ist auf die Idee gekommen, zu hinterfragen, ob diese Theorie wirklich stimmt. Wir gingen alle davon aus, dass uns der Lehrer einen stichfesten Text abgibt…»
«Die Methode war also sehr gut und wir haben alle gelernt oder erkannt, dass wir mit solchen Werbetexten kritischer umgehen sollten»
«Ich habe an meine Zeit in der Orientierungsschule gedacht. Da haben wir jeden Morgen in der Zwischenpause Braingym gemacht (…) Aber ich habe nie wirklich festgestellt, dass ich dadurch besser wurde im Lesen, Schreiben oder beim Rechnen, so wie Dennison es in seinem Handbuch verspricht. Daher sehe ich die Methode seit heute als sehr viel kritischer an».
Studierendentyp: Kannte Braingym noch nicht
«Ich habe noch nie etwas davon gehört und war recht begeistert, aber eben nur am Anfang»
«Ich merkte, dass ich so Zeugs viel zu leicht glaube und mir gar keine grossen Gedanken darüber mache, ob es auch wahr ist»
«Als Lehrperson muss ich, bevor ich solche Methoden im Unterricht verwende, zuerst nach Studien suchen und schauen, ob die Methode auch wirklich so wirken, wie es die Erfinder versprechen»
«Herr G. erreichte also mit den angewendeten Methoden genau sein Ziel des heutigen Kursteils»
«Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie kritisch ich sonst so bin und merkte, dass ich eigentlich ganz schnell etwas glaube, was ich zum Beispiel in der Werbung sehe».
St u di ere n d e nt y p: St ar k ü b erze u gt v o n Br ai n g y m
«I c h gla u be sc h o n, d ass alle S c h ü ler verst a n d e n h a be n, d ass ma n Br ai n g y m nic ht o h ne na c h z u d e n k e n ü ber ne h me n u n d gla u be n s ollt e. Je d o c h fa n d ic h mic h nic ht verst a n d e n. I c h hatt e d as G ef ü hl, als w ollt e n Sie u ns ei ntric ht er n, d ass wir n ur n o c h gla u be n u n d a usf ü hr e n s olle n, w as d ur c h St u die n « be wiese n » w ur d e. I c h fi n d e a ber, d ass g e na u d a die P ers ö nlic h k eit v o n u ns I n di vi d u e n z u m Vorsc hei n k o m mt u n d d ass es g e na u d a U nt ersc hie d e gi bt, w eil es e b e n A nsic htss a c h e ist »
« Die Le kti o n hat i n u nser er Klasse f ür d e n R est d er Wo c he Dis k ussi o ne n a us g el öst. B ei mir s el b er hat sie s o g ar ei ne Art W ut a us g el öst, w eil ic h u n d ei ni g e Klasse n -k a mer a di n n e n u ns pr o v o ziert f ü hl t e n ( …) »
«I c h fi n d e es wic hti g, d ass ma n g er a d e bei Mei n u n gs dis k ussi o ne n die Mei n u n g d er Mit me nsc he n a k z e ptiert u n d nic ht vers u c ht, sei ne Mei n u n g d e n a n d er e n a ufz u z wi n g e n » .
St u di ere n d e nt y p: Fr ü h e re Erf a hr u n g e n mit d e m di d a ktisc h e n S etti n g
« ( …) d a ic h et w as Ä h nl ic hes i m G y m n asi u m s c h o n hatt e. Aller di n gs ha be ic h g eler nt, d ass ic h tr ot z d e m nic ht g e g e n dieses H er ei nle g e n g efeit bi n, d a ic h er ne ut i n die Falle g et a p pt bi n ( …) »
« N o c h sc hli m mer w ar, d ass ic h w ä hr e n d d er Z u gfa hrt m or g e ns mit z w ei K olle gi n n e n ( a us P ar allel gr u p p e ) ü ber d e n K urs g es pr o c he n h a be u n d sie mir nic ht sa g e n w ollt e n, w as g e na u sie g e ma c ht hatt e n, a ber mei nt e n, d ass ic h bes o n d ers v orsic hti g sei n s ollt e . I c h ha b e w ä hr e n d d er g esa mt e n K urs d a u er a n diese Wort e g e d a c ht , mic h a ber ei nfa c h n ur g efr a gt, w as die bei d e n w o hl d a mit g e mei nt hatt e n »
« D as p ositi ve G ef ü hl f ür Br ai n g y m w u c hs , als wir die Ü b u ng e n a u c h sel b er d ur c hf ü hrt e n ( …) m usst e n Vor- u n d N a c ht eile her a us ar beit e n, w as ei n e s p a n n e n d e Ar beit w ar, d a z u erst alle i n d er Gr u p p e n ur Vort eile na n nt e n. Erst na c h u n d na c h w ur d e n a u c h kritisc her e G e d a n k e n a us g e dr ü c kt ( …) »
«I c h fa n d d e n K urst eil g ut a uf g e ba ut, d a d er S c hei n bis z ulet zt a ufr e c ht er halt e n w ur d e u n d klei n e D et ails i m mer wie d er z u d er p ositi ve n B e urt eil u n g v o n Br ai n g y m bei g etr a g e n ha be n ».
F a zit u n d Dis k ussi o n
B ei d er Ei n or d n u n g d er Er g e b nisse ist z u ber ü c ksic hti g e n, d ass ei n e p ot e ntiell e Te n d e n z z u s o zial er w ü nsc ht e n A nt w ort e n nic ht k o ntr olliert w ur d e. E be ns o w är e die
Interraterreliabilität und die Validität (z.B. Kommunikative Validierung) sowie die Frage nach der Generalisierbarkeit der Ergebnisse durch Replikationen in anderen thematischen Kontexten noch genauer zu prüfen. Die Ergebnisse der Kursevaluationen (auch in anderen Kohorten) stützen jedoch im Sinne einer Validierung die Daten.
Gemäß den vorliegenden quantitativen und qualitativen Ergebnissen scheinen die intendierten Effekte grösstenteils erreicht worden zu sein (Kritische Haltung, Quellen prüfen, Berufsbezug etc.). Das didaktische Setting wurde von den Studierenden explizit als effektiv bewertet und die Methode löste nachweislich die beabsichtigten Emotionen, Überraschungseffekte und nachhaltigen Diskussionen aus.
Beachtet werden muss, dass eine kritische Haltung damit erst angebahnt wurde und im weiteren Ausbildungsverlauf noch gefestigt/automatisiert werden muss. Es müssen insbesondere noch Kriterien und Instrumente vermittelt werden, um Mythen zu entlarven und Erkenntnisse auf den wissenschaftlichen Gehalt zu überprüfen. Des Weiteren muss bedacht werden, dass zweisprachige Studierende die Botschaft falsch auffassen könnten, wie sich in Einzelfällen gezeigt hat (Sie dachten bis zum Schluss, dass die Kursleitung Braingym als valable Methode betrachtet). Betont man die Wissenschaftlichkeit als Leitprinzip allzu stark und unkritisch, ist weiter mit Reaktanzeffekten zu rechnen, besonders bei von Braingym überzeugten Studierenden. Das präsentierte didaktische Setting ermöglicht also einen ersten, vielversprechenden Schritt hin zu einer wissenschaftlichen Haltung von angehenden Lehrpersonen und macht die Thematik für die Lernenden in gutem Masse zugänglich.
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