• Aucun résultat trouvé

Die mittlere Lebenserwartung in der Schweizhistorischer und internationaler Hintergrund und einige Gedanken zur zukünftigen Entwicklung = Mean life expectancy Switzerland — historical and international background and some remarks on futur

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Partager "Die mittlere Lebenserwartung in der Schweizhistorischer und internationaler Hintergrund und einige Gedanken zur zukünftigen Entwicklung = Mean life expectancy Switzerland — historical and international background and some remarks on futur"

Copied!
13
0
0

Texte intégral

(1)

Soz.- Pr~ventivmed. 43 (1998) 149-161 0303-8408/98/030149-13 $1.50 + 0.20/0 9 Birkh~user Verlag, Basel, 1998

Sozial- und PrSventivmedizin

Matthias Bopp, Felix Gutzwiller

Institut for Sozial- und Prgventivmedizin der Universitgt ZOrich

Die mittlere Lebenserwartung in der Schweiz -

historischer und internationaler Hintergrund

und einige Gedanken zur zuk inftigen Ent-

wicklung

Zusammenfassung

Altersspezifische Sterbedaten sind sensible Gradrnesser for die Lebens- chancen einer Bev61kerung. Aus den in der Schweiz seit 1876/80 rund alle 10 Jahre berechneten Sterbetafeln lassen sich die rnittlere Lebens- erwartung und die Oberlebens- bzw. 5terbewahrscheinlichkeiten for beliebige Altersstufen und Beobachtunqszeiten bestirnrnen. Die Oberle- benskurven haben sich kontinuierlich rektangutarisiert, doch verlief der RQckgang der Mortalit~t nicht uniform: Bis welt ins 20. Jahrhundert hin- ein war die Zunahrne der rnittleren Lebenserwartung v,a. durch einen raschen RClckgang der S~uglings- und Kindersterblichkeit bedingt; erst nach 1930 fiel auch die sinkende Mortatit~t bei den Erwachsenen starker ins Gewicht, bei den Elber 60j~hrigen sogar erst nach 1960. Irn inter- nationalen Vergleich hat sich die gQnstige Position der 5chweiz erst nach 1950 herausgebildet, v,a. wegen einer niedrigen Sterblichkeit in den hE~chsten Altersktassen. FOr die komrnenden Jahrzehnte rechnet man rnit einer nochm.aligen deutlichen Steigerung der rnittleren Lebens- erwartung, trotz der in letzer Zeit ungOnstigen Entwicklung bei den j(~ngeren Erwachsonen. Die Zaht der O~er 65- und erst recht der Elber 80jghrigen wird his 2020 stark anwachsen, selbst wenn sich die Be- v(Jlkerungsszenarien von t995 als zu optirnistisch erweisen sollten,

Die mittlere Lebenserwartung bzw. das Niveau der Gesamtmortalitfit gilt zwar unbestritten als wichtiger Gesundheitsindikator, erhfilt aber auch in modernen Public Health- Lehrbtichern verglichen mit ein- zelnen, aetiologisch ,,ergiebigeren" Todesursachen nur wenig Auf- merksamkeit 1. Geographische Un- tersuchungen zeigen, dass regio- hale Ubersterblichkeit oft nicht nur einzelne Todesursachen be-

trifft, sondern in diffuser Weise bei fast allen Todesursachengruppen gleichzeitig auftritt 2. Ahnliches gilt auch ftir die Trends: Die Gesamt- mortalitfit geht zwar tiberall in der Schweiz zurfick, aber verschieden rasch. Auch diese Divergenzen las- sen sich i.d.R, nicht auf wenige spezifische Todesursachen zurack- ft~hren. In vielen Ffillen ist somit eine erhOhte Gesamtmortalit~it oder ein relativ zum Landesmittel

unganstiger Trend das einzige Alarmzeichen ftir einen miSglicher- weise schlechteren Gesundheits- zustand der Bev01kerung. Far die regionale Beurteilung und den allenfalls angezeigten Handlungs- bedarf ist eine profunde Kenntnis der nationalen Trends grundle- gend.

Die der Berechnung der mittleren Lebenserwartung zugrundeliegen- den Sterbetafeln geben nicht nur tiber das gegenwfirtige Sterberisiko Auskunft, sondern auch t~ber die Entwicklungen in der Vergangen- heit und z.T. auch in den kommen- den Jahrzehnten. Die Sterbetafeln geben Antwort auf eine Vielzahl von Fragen mit Public-Health- Relevanz. So sind der ktinftige Altersaufbau und die absolute Zahl der Betagten - Schlt~sselgr0s- sen ft~r die Planung im Gesund- heitswesen - schon heute weitge- hend vorgezeichnet.

Die Schweiz gilt als Land mit be- senders hoher Lebenserwartung 3. Ublicherweise beschrfinkt man sich bei solchen Vergleichen auf eine reine Querschnittsbetrachtung der Angaben ffir das Alter 0 Jahre (vgl. Tabelle 1, unten). Das Datenmate- rial erlaubt jedoch eine wesentlich differenziertere Betrachtung, v.a. der zeitlichen Entwicklung und der Unterschiede nach Altersgruppen. In dieser Arbeit sollen die grossen

(2)

Entwicklungslinien der Mortalitfit in der Schweiz - Trendwechsel, -abschw~ichungen und -beschleuni- gungen - vor dem Hintergrund ausRindischer Vergleichsdaten re- konstruiert werden, in der Hoff- nung, daraus kiinftige Entwick- lungen zu erahnen.

Daten und Methoden Sterbetafeln

Als wichtigste Grundlage dienen die Sterbetafeln, die in der Schweiz meist um Volksz~ihlungen herum berechnet wurden, erstmals fur 1876/80, bisher letztmals fiir 1988/934. Sie enthalten getrennt nach Geschlecht fiir jedes Alters- jahr die l)berlebensordnung, die einj~ihrige Sterbe- bzw. Oberle- benswahrscheinlichkeit und die mittlere verbleibende Lebenser- wartung. Wie die meisten Sterbe- tafeln sind auch die schweizeri- schen nicht generationen- sondern periodenbezogen, d.h. sie gehen von der hypothetischen Annahme aus, dass die in der Berechnungs- periode beobachteten altersspezifi- schen Mortalit~iten lebensl~inglich konstant bleiben. Mit anderen Worten: ein ,,Oberblick tiber das Sterblichkeitsniveau der verschie- denen Generationen yon Perso- nen, welche die stgndige Wohn- bev61kerung zu einem bestimmten Zeitpunkt bilden ''4. Die Sterbe- tafel ist also eine andere Darstel- lung altersstandardisierter Morta- litfitsrisiken, weist aber gegent~ber anderen periodenbezogenen Mor- talit~itsmassen drei Vorteile auf, die sie fiir Langzeitvergleiche pr~ide- stinieren: Sie verwendet Ein-Jah- res-Altersklassen, womit Verzer- rungen durch unterschiedlich stark besetzte Jahrg~inge innerhalb der sonst t~blichen Ffinf-Jahres-Alters- klassen entfallen. Neben dem Ein- bezug yon mehreren Kalenderjah- ren sorgt die Glgttung mit einem SPLINE-Verfahren daffir, dass Zufallsschwankungen weitgehend eliminiert sind. Drittens k6nnen

Sterbe- bzw. 121berlebenswahr- scheinlichkeiten fur beliebige An- fangs- und Endalter berechnet werden, z.B. das Sterberisiko in einer bestimmten Lebensspanne oder der Anteil eines Altersjahr- gangs, der nach zwei oder ftinf Jahren noch lebt.

Die mittlere Lebenserwartung ist ein arithmetisches Mittel, bei dem bei allgemein hoher Lebenser- wartung Tode in jiingeren Jahren st~irker ins Gewicht fallen als sol- che in hohem Alter. Sie liegt da- her um einige Jahre niedriger als die sogenannte ,,wahrscheinliche" oder mediane Lebenserwartung (Alter, das yon der H~ilfte der Aus- gangskohorte nicht iiberlebt wird): Bei den Sterbewahrscheinlichkei- ten um 1988/93 betr~igt die mittlere Lebenserwartung bei Geburt ft~r die M~inner 74,2, ft~r die Frauen 81,0 Jahre, doch stirbt die lang- lebigere H~ilfte der M~inner erst nach dem 77. Geburtstag, bei den Frauen sogar erst nach dem 84. Ge- burtstag.

Abgek0rzte Sterbetafeln

Neben den klassischen Sterbe- tafeln gibt es abgekiirzte und ver- einfachte Veffahren, die auf Fanf- Jahres-Altersklassen basieren (un- terste Alterklasse geteilt in 0- und l-@ihrige) und auf Gl~ittungs- algorithmen verzichten, deren Re- sultate dafiir auch zwischen den Volksz~ihlungen und ohne grosse zeitliche Verz6gerung zur VerfU- gung stehen, z.B. fur 1995/965. FUr internationale Vergleiche k6nnen entsprechende Angaben aus den Jahrbt~chern der W H O 6 entnom- men werden, wo - getrennt nach Geschlecht - die l~lberlebensord- hung und die mittleren Lebens- erwartungen flit die Alter 0, 1, 15, 45 und 65 ausgewiesen werden. Ftir gr6ssere L~inder mag ein Jahrgang gent~gend stabile Zahlen liefern, nicht aber ft~r kleinere, weswegen sich die Zusammen- fassung mehrerer Kalenderjahre empfiehlt.

Ffir die Zeit yon 1901/05 bis 1971/75 hat Alderson altersstan- dardisierte Mortalit~itsdaten ft~r die Schweiz und die meisten mit ihr vergleichbaren L~inder zusammen- gestellt 7.

Sterbedaten vor 1876/80

Aus der Zeit vor 1876/80 gibt es ft~r die Schweiz als Ganzes nur rohe Sterberaten fur beide Ge- schlechter zusammen. Entspre- chende Berechnungen bzw. Sch~it- zungen decken das ganze 19. Jahr- hundert abS; ft~r einzelne Perioden und Teilgebiete gehen sie sogar bis ins 16.Jahrhundert zurt~ck 9. Von besonderem Interesse sind trotz methodischer Mfingel die Genfer Sterbetafeln ftir das 16.- 19.Jahrhundert 9, mit nicht n~iher spezifizierten Jahrhundertdurch- schnitten der Oberlebensordnun- gen und der altersspezifischen Sterberisiken far beide Geschlech- ter zusammen.

Ffir andere L~inder gibt es mehr oder weniger ltickenlose Daten- reihen der rohen Sterberaten im 19. und teilweise auch fur die zweite Hglfte des 18.Jahrhun- derts 10.11, ftir England sogar zurt~ck bis 154112. Vereinzelt konnten so- gar altersspezifische Sterberaten nach Geschlecht berechnet wer- den, ft~r Schweden zurt~ck bis 1751, ft~r England und Wales bis 184111. Fiir sechs Gebiete in Deutschland hat man die Sterbetafelparameter im Zeitraum 1690-1859 rekon- struiert 13, wobei aus Schweizer Perspektive die bis 1740 zurack- reichende Datenreihe ft~r die am Oberrhein gelegene Landschaft Ortenau besonders interessiert.

Resultate

S~kularer Anstieg der Lebens- erwartung in der Schweiz

Der Anstieg der mittleren Lebens- erwartung bei Geburt in der Schweiz seit 1876/80 ist beein-

(3)

Soz.- Pr~vent:ivmed, 1998; 43: 149-161 o~ c- .=_ g cU.. r ~._ 100 90 84 80 84 " 70 . - j e" . m 60 C 5O C .IO 40 E 3O 20 10

Quotient M&nner / Frauen

...

Frauen,;;;~.,,,

... i ; # , , , , . : O ' " ' iii I11 i ~ : ~ . . .

t~oliilO~'~'~

~ . . . ... , : : m . . . ~ . ...

M~inner

1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 Jahr

Abbildung

1. En twicklung der mittleren Lebenserwartung nach Geschlecht, Schweiz 1876/80 bis 2050. Grund- lagen: BFS, Sterbetafeln 4.s und Bev61kerungsszenarien 14

druckend (Abb. 1). Bei den Mfin- nern stieg dieser Wert yon 40,6 auf 75,7 Jahre in der Periode 1995/96, bei den Frauen yon 43,2 auf 81,94.5. Ftir die Zukunft rechnet man mit einem weiteren Anstieg auf 81,0 Jahre bei den Mfinnern und 86,6 Jahre bei den Frauen im Jahr 2050 (Szenario A-00-95 ,,Trend" 14). Selbst pessimistischere Varianten (A-03-95) sagen eine deutliche weitere Zunahme der mittleren Lebenserwartung voraus auf rund 78 bzw. nicht ganz 85 Jahre, optimistische Varianten (A-

04-95) kommen sogar auf rund 84 bzw. 88 Jahre.

Die Abbildung illustriert, dass die mittlere Lebenserwartung der Frauen in der Schweiz seit Beginn der Datenreihe ht~her liegt als bei den M~innern. Diese Differenz betrug w~ihrend langer Zeit rund drei Jahre. Erst nach 1920 und v.a. nach 1945 hat sich die Schere ge- 6ffnet bis zu einem Unterschied von 6,9Jahren ftir die Periode 1988/93. FiJr die Zukunft rechnet man generell mit einer leichten Angleichung der mittleren Lebens-

erwartung von Mann und Frau. Es wird sich weisen mtissen, ob die Abnahme auf 6,2 Jahre far die Periode 1995/96 bereits auf einer Trendumkehr beruht oder bloss durch M~ingel des abgektirzten Be- rechnungsverfahrens bedingt ist. Internationaler Vergleich um 1990 Eine Zusammenstellung der mitt- leren Lebenserwartung bei Geburt ftir eine Auswahl industrialisierter L~nder (Tabelle 1) offenbart wich- tige Grundztige:

(4)

Tabelle 1. Mittlere Lebenserwartung bei Geburt um 1992-94 in Jahren (sortiert nach dem Durchschnitt von Mann und Frau).

- Auch wenn keine Entwicklungs- l~inder aufgeffihrt sind, ergeben sich betr~ichtliche geographische Unterschiede: Verglichen mit Ja- pan sterben die M~inner in Ungarn im Durchschnitt 12 Jahre frfiher, die Frauen 9 Jahre.

- In allen L~indern haben die Frau-

en eine wesentlich h6here Lebens- erwartung als die M~inner, doch variiert dieser Unterschied yon 3,7-3,8 (Island, Israel) bis 8,4 (Frankreich) und sogar 9,4 Jahre (Ungarn).

- Die Reihenfolge der L~inder ist bei Mann und Frau ahnlich, wenn auch mit Abweichungen: Island, Schweden, Griechenland und Israel haben nur bei den Mgnnern Spit-

zenpositionen, Frankreich und Spanien nut bei den Frauen. Auch die Schweiz hat nur bei den Frauen einen echten Spitzenrang, der 1992-94 weltweit nur yon Japan (urn 1,3 Jahre), Hong Kong (0,5 Jahre) und Frankreich (um 0,4 Jah- re) fibertroffen wurde. Bei den M~innern ist nicht nur der absolute Abstand zur Spitze (1,8 Jahre auf Island, 1,6 Jahre auf Japan, 1,5 Jab- re auf Hong Kong) gr6sser, son- dern auch die Zahl der L~inder mit gleich hoher oder h6herer Lebens- erwartung (neben den sieben auf Tabelle 1 aufgeffihrten L~indern w~ire noch Australien zu nennen). - Obwohl die Lgnder an der Spitze der Tabelle reicher sind als dieje-

nigen am Schluss, wird der Zu- sammenhang zwischen Lebens- erwartung und nationalem Reich- turn von zahlreichen Ausnahmen in Frage gestellt, etwa durch die giinstige Position der Mfinner von Griechenland und Israel oder der Frauen von Frankreich und Spanien, aber auch durch die relativ ungt~nstige Position von D~inemark, Deutschland und den USA.

Internationale Entwicklung im 20. Jahrhundert

Die relativ gfinstige Position der Schweiz ist keine s~ikulare Kon- stante. Noch 1935 wurde die Posi- tion der Schweiz im europ~iischen Vergleich als ,,goldene Mitte" umschrieben, aber nur die mittlere Lebenserwartung bei Geburt be- treffend; bei den fiber 60j~ihrigen schnitt die Schweiz schlechter ab als alle 13 aufgeffihrten anderen europ~iischen L~inder 15. Vergleichs- daten fur 1950/54 (Tabelle 2) zei- gen die Schweiz ebenfalls nur im (oberen) Mittelfeld, obwohl Hong Kong, Griechenland und Israel wegen fehlender Vergleichsdaten nicht aufgeffihrt sind. Gegenfiber dem Spitzenreiter Norwegen ergibt sich ein Rfickstand der Schweiz yon 2,7 Jahren bei den Frauen und yon rund 4 Jahren bei den M~n- nern. Noch 1976 wurde ftir die Periode um 1970 lapidar festge- halten, dass ,,die Schweiz bezUglich der Lebenserwartung nicht an der Spitze der westlichen Industrie- l~inder" stehe 16. Immerhin betrug der Abstand zum Spitzenreiter Schweden nun nur noch gut einein- halb Jahre (M~inner) bzw. ein Jahr (Frauen).

In den gut 40 Jahren zwischen 1950 und 1994 hat die Lebenserwartung iiberall zugenommen, aber in sehr unterschiedlichem Ausmass. Bei den Frauen sehen wir durchwegs st~irkere Zunahmen als bei den M~innern. In den skandinavischen Landern, den Niederlanden, Gross- britannien und den USA war die

(5)

Soz.- Pr~ventivmed, 1998; 4 3 : 1 4 9 - 1 6 1 M~inner Zunahme bis 1992-1994 Frauen Zunahme bis 1992-1994 Norwegen 70,9 3,3 Niederlande 70,8 3,5 Island 69,7 7,0 Schweden 70,3 5,2 D~nemark 69,6 3,1

England und Wales 66,9 7,1

Schweiz 67,0 7,9 Kanada 66,8 8,1 USA 66,0 6,3 74,4 6,0 73,2 7,1 74,1 6,3 73,1 7,9 72,3 5,7 72,1 7,4 71,7 10,1 71,5 9,7 71,9 7,3 Frankreich 64,6 9,2 70,5 11,7 Deutschland ~ 65,2 7,6 69,4 10,0 Schottland 64,9 6,4 69,4 7,9 Itatien 64,6 9,4 68,2 12,5 Osterreich 63,6 9,4 68,8 10,8 Finnland 62,9 9,3 69,3 10,5 Spanien 62,3 11,4 67,0 14,1 Ungarn 61,4 3,2 65,7 8,3 Japan 60,5 16,0 64,0 19,1 Polen 57,8 9,4 63,4 12,5 Portuga 57,4 13,5 62,6 15,6

1950-54 nut atte Bundest~nder,

Grundtage: Tabelle 1 und World Health Statistics Annual ~, Ausgabe 1981.

Tabolle 2. Mittlere Lebenserwartung bei Geburt um 1950-54 (sortiert nach dem Durchschnitt von Mann und Frau) und Zunahrne bis 1992- 1994 in Jahren.

Zunahme geringer als in den mei- sten tibrigen L~indern. Mit Ausnah- me von Ungarn waren die Zunah- men in den Landern mit niedri- gerer Lebenserwartung um 1950 tiberdurchschnittlich, ganz beson- ders aber in Japan, das aus einer ungtinstigen Position an die Spitze vorgertickt ist. In der Schweiz waren die Zunahmen bei Mann und Frau gr6sser als in allen um 1950-54 besser situierten Lfindern, aber mit Ausnahme von Deutsch- land geringer als in den Nachbar- landern. Im historischen Riickblick erweisen sich die 60er und frtihen 70er Jahre als diejenige Periode, in der sich die relative Position der Schweiz gegentiber allen Landern ausser Japan stark verbessert hat. Seit 1980 scheinen v.a. bei den

M~innern viele andere Lander wie- der ,,aufzuholen".

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurtickgehende altersstandardisier- te Datenreihen 7 belegen, dass sich die Mortalit~it in der Schweiz mit Ausnahme der Kriegs- und Krisen- zeiten bis gegen 1960 innerhalb des sakularen Abnahmetrends erstaun- lich parallel zur Mehrzahl der europaischen Lander verhalten hat (Tabelle 3). Deutschland fehlt in dieser Aufstellung, doch zeigen die Sterbetafeln f~ir das Deutsche Reich unter Ausschluss der S~iug- linge bis in die 1930er Jahre ftir die Frauen eine fast identische und ftir die M~inner sogar eine h6here

Lebenserwartung als in der

Schweiz 17. Offensichtlich bewegte sich die Mortalitat in der Schweiz

in Friedenszeiten bis in die Mitte unseres Jahrhunderts auf einem ahnlichen Niveau wie in den Nach- barlgndern oder in England, aber auf einem h6heren als in skandi- navischen Landern.

Entwicklung vor dem 20. Jahrhundert

Ein Vergleich der rohen Sterbe- raten ab 18018,2~ legt nahe, dass diese Feststellung grosso modo auch far das 19.Jahrhundert gilt; allerdings fallen die rohen Sterbe- raten in Schweden erst ab etwa 1860 gttnstiger aus als fiir die Schweiz oder England. Generell scheint die Mortalitat im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts und ab 1875/80 gesunken zu sein, nicht aber in der Mittelperiode - ftir die Schweiz zeigen die Rohraten sogar einen ausgesprochenen Gipfel in den frtihen 1870er Jahren.

In der zweiten H~lfte des 18. Jahr- hunderts liegen die Rohraten far England, Schweden und Norwe- gen 12,18 im langj~ihrigen Durch- schnitt bei leicht abnehmendem Trend nicht weit auseinander und, fiir uns besonders bedeutsam, in einer fihnlichen Gr6ssenordnung wie die von Mallet bereits 1837 berechneten Werte fiir die Stadt- republik Genf 9. Schatzungen der mittleren Lebenserwartung ftir Frankreich seit 174011 liegen tiefer als die ftir Genf berechneten Wer- te, zeigen aber ebenfalls eine stei- gende Tendenz. Aus den deutschen Daten lfisst sich hingegen kein Trend ablesen 13

Ftir das 17. Jahrhundert liegen die rohen Sterberaten in England eher tiefer als im 18.Jahrhundert, was nicht zu den Genfer Daten passt, die eine relativ deutliche Abnahme der Mortalit~it seit dem 16.Jahr- hundert suggerieren.

Rektangularisierung der 0berlebenskurven

Trotz der Unsicherheit, die den v o n d e r ,,Trias Pest, Hunger und

(6)

:iefer als die _Tw. gut 5 %

Fabelle 3. Standardisierte Sterberaten europ~ischer LSnder zwischen 1900 und 1955 im Verh8ftnis zur Schweiz.

Krieg ''a9 gepr~igten Sterbedaten dieser weit zuriickliegenden Epo- che anhaftet, verlockt es, die Genfer Daten zur Illustration der zunehmenden Rektangularisierung der Oberlebenskurven einzube- ziehen (Abb. 2). Auch wenn die Verh~iltnisse in einer Stadt nicht unbesehen auf das ganze Land iibertragen werden k6nnen, passen die Genfer Kurven so gut zu den Sterbetafeldaten ab 1876/80, dass man ihnen eine recht hohe Plau- sibit~it zugestehen muss.

Aus dieser Abbildung wird das zunehmende Herausschieben des medianen Sterbealters (mediane Lebenserwartung, vgl. oben) deut- lich: Im 16.Jahrhundert starb die H~ilfte der Neugeborenen vor Ende des 10. Altersjahrs, im 18. Jahrhun- deft vor Ende des 30. Altersjahrs. Noch 1876/80 betrug das mediane Sterbealter der Manner in der Schweiz nur etwas mehr als 47 Jah- re, 1910/11 fast 60, 1939/44 69,3 und 1988/93 bereits 77,8 Jahre. Die Frauen waren um 1988/93 sogar bei 84,3 Jahren angelangt und wer- den um 2020 voraussichtlich ein medianes Sterbealter von fund 90 Jahren erreichen. Die Herausbil- dung einer "rechtwinkligen Ab-

sterbekurve" (rectangular survival curve), die fast allen eine Lebens- dauer von rund 85 Jahren ver- spricht, ist also schon weit fortge- schritten. Aus dieser Abbildung wird abet auch ersichtlich, dass sich eine weitere Lebensverl~ingerung in zunehmendem Ausmass nut noch durch ,,Gewinne" in den hohen und hOchsten Lebensaltern realisieren l~isst - die weitere Senkung der Sauglingssterblichkeit oder der Mortalit~it vor dem 60. Altersjahr spielt seit etwa 1970 fiir die Zunahme der mittleren Lebenserwartung nut noch eine untergeordnete Rolle.

Verschiebung der Lebenszeit-

gewinne in h6here Alter

Der Rtickgang der Mortalit~it ver- lief nicht uniform tiber alle Alters- klassen. Mit Hilfe der detaillierten alterspezifischen Mortalitfitsraten aus Schweden t8 lassen sich die Verh~iltnisse in der Schweiz seit Beginn des 19.Jahrhunderts ab- stecken. Dabei k6nnen drei sich tiberlappende Phasen in der Zu- nahme der mittleren Lebenserwar- tung unterschieden werden.

Rgtckgang der Siiuglings- und

Kindersterblichkeit

In Schweden hat diese Phase bereits ab 1780 und v.a. nach 1810 eingesetzt; als Griinde werden die fl~ichendeckende Pockenschutz- impfung und eine Senkung der Inzidenz gastrointestinaler Krank- heiten dank vermehrtem Stillen angenommen z~ Nach 1850 wurde in verschiedenen Lfindern wieder eine Zunahme der

Siiuglingssterb-

lichkeit

beobachtet, die bis gegen 1870 anhieltn,19,2~ soweit dies aus den fragmentarischen Daten 8 ge- schlossen werden kann, war dies auch in der Schweiz der Fall. Um 1885 war die Sauglingssterblichkeit in den skandinavischen L~indern und in Grossbritannien deutlich niedriger als in der Schweiz, in Schweden um rund ein Drittel. Noch um 1880 hatten Neuge- borene in der Schweiz ein h6heres einj~ihriges Sterberisiko als 80j~ih- rige (Abb. 3). Nach 1880 hat die S~iuglingssterblichkeit rascher ab- genommen als in fast allen andern L~indern - mit Beschleunigung kurz nach 1900 - und geh6rte bereits um 1930 zu den niedrigsten in Europa 15,18. Bei den 1-10j~ihri-

(7)

Soz.- Praventivme& 1998; 4~: 149:- t 6:1: e - t - 100 90 80 70 60 40 30 20 10 -% 9 3 9 / b, 44 1910/ ...

...

\

1 8 7 6 / ~ 8 0 9 ' '\b, %%~ 7.J h. ... ~2: ... N~ F r a u e n

2o o

i..t

... 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Alter in Jahren

A b b i l d u n g 2. Uberlebensordnungen in der Schweiz seit dem 16. Jahrhundert. t6. - 18. Jahrhundert: Gen f, beide Geschlechter kombiniert g; 1876/80 bis 1939/44: Schweiz, Manner (Sterbetafel4), 9 1988/93. 5chweiz, Manner bzw.

4 " 1 4

Frauen (Sterbetafel 9; 2020. Schweiz, Frauen (Szenario A-00-95 ,, Trend ).

gen Kindern verharrten die alters-

spezifischen Mortalitfitsraten in Schweden ab etwa 1825 auf glei- chem Niveau, stiegen dann aber vor der Jahrhundertmitte als Folge von Cholera-, Diphterie- und Scharlachepidemien wiederum an und sanken erst im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts unter die Werte um 1820. Far das letzte Vier- tel des Jahrhunderts ergeben sich

far die Schweiz und Schweden bei den Kindern fast identische Ster- bewahrscheinlichkeiten, in beiden L~indern mit nur geringen Ge- schlechtsunterschieden.

In den 100 Jahren zwischen 1880 und 1980 ging zumindest in der Schweiz die Sterblichkeit bei den S~iuglingen und Kindern verhNt- nism~ssig st~irker zurtick als in allen anderen Altersklassen.

S e n k u n g der Mortalitiit bei den Erwachsenen

In Schweden nahm die Mortalitfit in der ersten Hglfte des 19.Jahr- hunderts nut bei den Frauen ab. Erst ab etwa 1850 begannen mit der epidemiologischen Transition von den infekti/Ssen zu den chro- nischen Krankheiten 19 auch die M~nnerraten zu sinken, eventuell

(8)

200 ..~ 100 O 50 E o O. .E 20 .u 1 O t - o 9 ~ 5 e - e e,- 1 :co 1

=

i

.5 20j~ihrige :::80j&hrige::::: ~ . - . ~ . ~ ... i~ihrige . . . . . .

.2

]j ,v%~ 10j~ihrige

118 6/80 1'881/88 1'889/1900 1;i0/11 1920/21 429/32 19'3 /44 1;48/53 19s8/63 i768/73 ;978/83 1 88/9a

Periode

Abbildung 3. Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten nach Geschlecht, Schweiz 1876/80 bis 1988/93.

Grundlage: BFS, Sterbetafeln 4.

als Folge abnehmenden Alkohol- konsums 2~ In der Schweiz nahm die Mortalit~it in den mittleren Altersklassen seit Beginn der Datenreihe (1876/80) ab, besehleu- nigt jedoch erst nach 1930. Die Genfer Sterberaten ft~r das 18. Jahrhundert liegen in gleicher Gr6ssenordnung wie in Schweden und der Ortenaul3; ft~r das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts fallen die Schweizer Sterberaten zwar niedriger aus, liegen abet rund ein Viertel bis t~ber ein Drittel h/Sher als die schwedischen Vergleichs-

werte, was fur eine langsamere Abnahme spricht.

Abnahme der Mortalitiit bei den ~ber 60jiihrigen

In Schweden begann die Mortalit~it der ~iber 60j~hrigen gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu steigen bis zu einem Gipfel um 1810; erst nach 1860 und z.T. sogar 1870 sanken die Raten unter das Niveau yon 1750. Die rasche Abnahme seit den 1860er Jahren geriet nach 1880 ins Stocken, auf einem Niveau, das bei

allen Altersklassen unter 75 deut- lich niedriger lag als in der Schweiz. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts scheint das Sterberisiko der tiber 65j~ihrigen nur wenig gesunken zu sein, in der Schweiz noch lang- samer als in Schweden, was erkl~irt, warum die Schweizer M~inner t~ber 60 um 1930 im internationalen Vergleich schlecht abschnitten (vgl. oben). Erst nach 1920/40 und v.a. nach 1970 beschleunigte sich auch in den oberen Altersklassen die Abnahme der Mortalitfit, beson- ders bei den Frauen.

(9)

Soz.- Pr~ventivmed, 1998; 43:149-161

__=

' 0 U J v C~ p. r U) e- JO - - I

M inner

0 1 im Alter (Jahre) 20 40 60 80 90- m 80- ' 0 I,U :m 70- e- 60- C 9 50- ,,D ,-I 40-

Frauen

o 1 im Alter (Jahre) 20 40 60 80

Abbildung 4. Verbleibende Lebenserwartung for verschiedene Ausgangs- alter, Schweiz 1876/80 bis 2020. Grundlagen: BFS, Sterbetafeln 4,5 und Bevdlkerungsszenarien 14

Phase I i s t auch in der Schweiz noch nicht abgeschlossen, hat aber seit etwa 1960 keinen grossen Ein- ftuss mehr auf die Verlfingerung der mittleren Lebenserwartung (Abb. 4). Phase 2 hat erst um 1920 st~irkere Bedeutung erlangt und ist bei den unter 45jfihrigen in den letzten Jahrzehnten abgeebbt. Phase 3 schliesslich hat erst nach 1940 richtig begonnen und befindet sich nun wohl auf dem H6hepunkt. Die gesunkene Mortalit~it in der Altersgruppe der t~ber 65jfihrigen hat bei den Mfinnern zwischen 1958/63 und 1988/93 zu einer Er- h6hung der mittleren Lebenser- wartung um 1,96 Jahre geft~hrt, bei den Frauen sogar um 3,87 Jahre4; dies entspricht einem Anteil von 36 % bzw. 56 % an der gesamten Lebensverl~ingerung in dieser Zeit- spanne und fibertrifft den Gesamt- beitrag ffir die fast dreimal so lange Periode 1876/80 bis 1958/63. Abbildung3 zeigt, dass in der Schweiz zu Beginn des Jahrhun- derts nur bei den Neugeborenen und den mittleren Altersklassen eine konstante m~innliche Uber- mortalit~it bestand; fttr die fiber 60jghrigen sind die Geschlechts- unterschiede vernachlfissigbar. Erst nach 1920 hat sich die Differenz zwischen den Geschlechtern ver- gr6ssert und auf alle Altersklassen ausgedehnt. Bei den jtmgeren Er- wachsenen ist der Rackgang der Mortalitfit z.T. schlagartig zum Er- liegen gekommen. 20j~ihrige Mfin- ner in der Schweiz haben heute kein geringeres kurzfristiges Ster- berisiko als um 1950, 20j~ihrige Frauen ein fihnliches wie um 1960.

D i s k u s s i o n

Fazit und Ausblick

Die Steigerung der Lebenser- wartung in der Schweiz wurde in den letzten 100 Jahren zunfichst haupts~ichlich durch einen Rtick- gang der Sfiuglingssterblichkeit vorangetrieben, dann auch durch

(10)

~i ilil ii! ~ i!/! i! i ~i!ii?;! ii!!~i~!!!i!

i!~!!!~ii!

~i!!;;!;;!!!iiii!~ii;i!~il

ii!iii:!!

! iiiili i; !~ i?i!i;

die sinkende Sterblichkeit der Erwachsenen im Reproduktions- alter; heute spielen zunehmend nur noch die hohen und h6chsten Lebensalter die Rolle eines Motors, w~hrend Kinder- und S~iuglingssterblichkeit kaum mehr ein Potential ffir eine weitere Erh6hung der Lebenserwartung bilden: Die Ausschaltung aller Tode vor dem 16. Geburtstag wiar- de die durchschnittliche Lebens- spanne der M~inner bloss um 0,84 Jahre verlangern, die der Frauen sogar nur um 0,7 Jahre (abgeleitet aus der Sterbetafel 1988/934). Vor hundert Jahren (Sterbetafel 1889/19004) erreichten in der Schweiz nur 32,7% der M~inner und 38,4% der Frauen ihren 65. Geburtstag, heute (Sterbetafel 1988/93) sind die Anteile mehr als doppelt so hoch, n~imlich 78,6% bzw. 89,2%. Ein betr~ichtlicher Anteil - 38,8% der M~inner und 62,4 % der Frauen - k6nnen unter den heutigen Bedingungen sogar damit rechnen, ihren 80. Geburts- tag zu erleben.

Was bedeutet das konkret? Um 1990 stellten die tiber 80j~ihrigen 3,7 % der Gesamtbev61kerung, die 65-79j~ihrigen 10,7 %. Die absolute Zahl der fiber 80j~ihrigen M~inner hat sich seit Beginn des Jahrhun- derts bis um 1990 mehr als ver- zehnfacht, die der tiber 80j~ihrigen Frauen sogar mehr als veracht- zehnfacht (Tabelle 4); die Gesamt-

bev61kerung hat sich in dieser Zeit- spanne nur gut verdoppelt. In den 30 Jahren bis 2020 rechnet man mit einer weiteren Zunahme der fiber 80j~ihrigen um mindestens zwei Drittel auf insgesamt 435'000 Per- sonen oder 5,8% der Gesamtbe- v61kerung. Auch bei den 65-79#ih- rigen wird eine weitere deutliche Zunahme von knapp 735'000 auf 1'110'000 Personen (14,7% der Gesamtbev61kerung) erwartet. Selbst wenn sieh die pessimistische Hypothese des Auftretens neuer, bisher nicht bekannter Alters- krankheiten 2~ nicht bewahrheiten sollte, wird die zunehmende Kopf- lastigkeit der Alterspyramide mit einer gewaltigen Herausforderung an das Gesundheitswesen und ins- besondere die Alterspflege ver- bunden sein: Um 1990 lebten fast 52'000 fiber 80j~ihrige (20,5%) in der Schweiz in Krankenanstalten oder Heimen 22, ein im internatio- nalen Vergleich eher hoher Weft 23, der zudem immer noch eine leicht steigende Tendenz zeigt 24.

Schatten im allgemein gOnstigen Bild

Das Bild v o n d e r Schweiz als Land mit hoher Lebenserwartung ist heute ein Gemeinplatz. Bei n~ihe- rer Betrachtung ergibt sich aber ein differenzierteres Bild. Die Spitzen- position hat sich erst nach Mitte der 50er Jahre herausgebildet. Im

Tabelle 4. Uber 80j~hrige in der Schweiz (in 1000).

internationalen Vergleich schnei- den die M~inner zudem schlechter ab als die Frauen, d.h. sie bleiben nicht nur zunehmend hinter Japan zurfick, sondern auch hinter Island und Schweden und sind in den letzten Jahren von einigen ausser- europ~iischen L~indern eingeholt worden. Zudem beruht die gfin- stige Position der Schweiz fiberwie- gend auf den hohen und h6chsten Altern, wo sich die Abnahme der Sterbewahrscheinlichkeit in den letzten 1 - 2 Jahrzehnten noch be- schleunigt hat. Auch bei den Kin- dern war die Entwicklung an- haltend gfinstig, nicht aber bei den jfingeren Mannern und Frauen, wo seit 1980 und z.T. sogar seit 1950 kein Rtickgang der Sterblichkeit mehr festgestellt werden kann, weshalb die Schweiz bei der Alters- gruppe 15-44 im europ~iischen Vergleich schlecht abschneidet 4. In den 1980er Jahren ist das Sterberisiko ffir die 24-40j~ihrigen M~inner und die 25-3@ihrigen Frauen sogar gestiegen; insbeson- dere die ledigen M~inner unter 65 schneiden zunehmend ungfinstig ab 4. Hier besteht zweifellos ein bedeutendes Pr~iventionspotential, das sich auch in betr~ichtlichen Un- terschieden innerhalb der Schweiz ~iussert - sowohl geographisch 25 als auch nach Sozialschicht bzw. Berufen 26.

Ein kritischer Blick in die Zukunft Die BevOlkerungsszenarien von 1995 beruhen auf Trendextrapola- tionsalgorithmen, die im Einzelfall zu einigen biologisch wenig p!au- siblen Resultaten ftihren k6nnen (z.B. im Hauptszenario die Ver- doppelung des Sterberisikos ffir 30j/ihrige M~inner auf ein Niveau, das 3-4mal h6her liegt als das- jenige der 20-, 40- oder 50j~ihrigen, oder die ungebrochene Abnah- me der S~iuglingssterblichkeit auf einen Bruchteil der heutigen Wer- te, wobei die Knaben nach 2020 sogar geringere Raten als die M~idchen aufweisen sollen). Eben-

(11)

Soz:- Pr~ventivmed. t 998;: 43: 149- i 61

falls wenig einsichtig ist, warum der Zuwachs in der mittleren Lebens- erwartung bei den Frauen ftir 2021/30 auf nur noch einen Viertel des Zuwachses ftir 2011/20 prog- nostiziert wird, und dies ohne Parallele bei den Mfinnern ~4. Ob die Stagnation in der Abnahme der Mortalit~it der 20-45j~ihrigen in den kommenden Jahrzehnten tiberwunden werden kann und die insgesamt von den Szenarien an- genommenen ganstigeren Sterbe- raten in diesem Alterssegment realisiert werden kOnnen, ist kei- neswegs sicher. Uberhaupt schei- nen die ffir 2050 ins Auge gefassten mittleren Lebenserwartungen der Frauen (86,6 Jahre 14) und v.a. der Manner (81,0 Jahre) sehr opti- mistisch, liegen sie doch deutlich h6her als etwa die Resultate einer Modellberechnung fiir die 1993 Geborenen in Deutschland (85,0 bzw. 77,6 Jahre 27). Die postulierten Zunahmen um rund 5 Jahre ge- genttber 1995/96 erscheinen hoch: Die m6gliche Lebensverl~ingerung durch die wenig wahrscheinliche Elimination aller tabakbedingten Tode wird bei den Mfinnern auf weniger als drei Jahre veran- schlagt 4,28, bei den Frauen, wo diese Tode immer noch zunehmen, auf weniger als ein Jahr. Selbst wenn zusfitzlich alle gewaltsamen Tode verhindert werden kOnnten, w~ire man v. a. bei den Frauen noch deutlich von den oben erwghnten Zunahmen entfernt. Allerdings wurden bei besonders gesund lebenden Populationen in den USA bereits in den 1980er Jahren noch weit h6here mittlere Lebens- erwartungen beobachtet 29

Bei der Rest-Lebenserwartung

der 65jfihrigen steht die Schweiz schon heute weir vorne und der Abstand zum ,,Musterschtiler" Ja- pan betr~igt weniger als ein Jahr. Wie weit hier noch ein Steigerungs- potential liegt, bleibt abzuwarten. Bei den 20-50jghrigen fehlt vorerst jedes Anzeichen ftir eine erneute Abnahme der Mortalitgt. Vor die-

sem Hintergrund ist es keineswegs so sicher, dass die Schweiz auch in Zukunft zu den (europ~iischen) L~indern mit besonders hoher Lebenserwartung geh6ren wird. Altersspezifische Sterbewahr- scheinlichkeiten und Rest-Lebens- erwartungen sind sensible Grad- messer ftir die Lebenschancen in einer Bev61kerung. So leben unter den ft~r die Sterbetafel 1988/93 massgebenden Umstgnden von einer Ausgangspopulation 70j~ihri- ger Mfinner im Durchschnitt nach 10 Jahren noch 59,6% - be- schrfinkt man sich auf Verheirate- te, so sind es sogar 62,3 9/0, bei den

Geschiedenen hingegen nut 49,4 %. Diese Masse empfehlen sich ffir ein st~indiges Monitoring, denn sie rea- gieren sehr rasch auf )imderungen der allgemeinen Lebensbedingun- gen 3~ Bei einer Verschlechterung kann die mittlere Lebenserwar- tung in kurzer Zeit drastisch absin- ken, wie das Extrembeispiel Russ- land zeigt (bei den M~nnern Abnahme um 6.2 Jahre zwischen 1990 und 19943~). Daher ist es ge- rade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gesundheitspolitisch uner- l~isslich, die entsprechenden Para- meter stets sorgf~iltig im Auge zu behalten.

Summary

rnd international

Age-specific mortality rates are a sensitive measure for the conditions of

life in a population. Life tables - in Switzerland calculated approximately

all ten years since 1876/80 - indicate for any age and any observation

period the mean life expectancy as well aS the probabilities of death and

group& For the decades to ~o~e, experts predict a fufthe~ substantial

increase of mean life expeCtancy, in: spite :of actOally rathek Onfavourable

trends in the mortality rates ofyoun# aduits Conse~uently, the number

of thOSe aged over 65 and parti~ularly th6Se ~ve~ 80 ~ears wilt Con#ider-

ably increase ti112020, eveh i f the SCenarios o f 995 would prove to b e

too optimistic.

:

(12)

Soz.- Pr~vent~vme~: I ~98; ;43: 149-- 161

Literaturverzeichnis

1 Gutzwiller F, Jeanneret O, eds. Sozial- und Pr/~ventivmedizin Public Health. Bern: Hans Huber, 1996.

2 Bopp M, Schiller G. Band B: Ge- samtmortalit~it und wichtige Nicht- Krebs-Todesursachen. In: Scht~ler G, Bopp M. Atlas der Krebsmorta- lit/it in der Schweiz 1970-1990. Basel: Birkh/~user, 1997.

3 Vader J-P, Minder CE, Spuhler T.

Sterblichkeit. In: Weiss W, ed. Gesundheit in der Schweiz. Ztirich: Seismo, 1993: 17-28.

4 Wanner P. Sterbetafeln ft~r die Schweiz 1988/1993. Statistik der Schweiz, Fachbereich 1: Bev61ke- rung. Bern: Bundesamt ftir Stati- stik, 1996.

5 Bundesamt ft~r Statistik. Statisti- sches Jahrbuch der Schweiz 1998. Z~rich: Verlag Neue ZiJrcher Zei- tung, 1997.

6 WHO. World health statistics annual, 1981-1995. Gen~ve: WHO.

7 Alderson M. International mortal- ity statistics. London: Macmillan, 1981.

8 Siegenthaler H, Ritzmann-Blickens- torfer H, eds. Historische Statistik der Schweiz. Ziirich: Chronos, 1996.

9 Bickel W. Bev61kerungsgeschichte und Bev61kerungspolitik in der Schweiz seit dem Ausgang des Mittelalters. Ztirich: Btichergilde Gutenberg, 1947.

10 Mercer A. Disease, mortality and population in transition. Epidemio- logical-demographic change in England since the eighteenth century as part of a global pheno- menon. Leicester: University Press, 1990.

11 Bouvier-Colle MH, Vallin J, Hatton

F, eds. Mortalit6 et causes de d6cbs en France. Paris: Doin, 1990.

12 Wrigley EA, Schofield RS. The population history of England 1541-1871. A reconstruction. Lon- don: Edward Arnold, 1981. 13 Imhof A. Lebenserwartungen in

Deutschland vom 17.-19.Jahr- hundert. Weinheim: VCH, Acta humaniora, 1990.

14 Baranzini E, Cotter S, Haug W, Wanner P. Szenarien zur Bev61- kerungsentwicklung der Schweiz

1995-2050. Statistik der Schweiz, Fachbereich 1: Bev61kerung. Bern: BFS, 1996 (CD-ROM).

15 Eidg. Statistisches Amt. Schwei- zerische Volkssterbetafeln 1876- 1932. Beitr~ige zur schweizerischen Statistik, Heft 4. Bern, 1935. 16 Bundesamt fiir Statistik. Schweize-

rische Sterbetafel 1968/73. Statisti- sche Quellenwerke der Schweiz, Heft 577. Bern, 1976.

17 Bundesministerium fiir Gesund- heit. Daten des Gesundheits- wesens, Ausgabe 1991. Schriften- reihe des Bundesministeriums fur Gesundheit, Band 3. Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, 1991. 18 Lancaster HO. Expectations of life.

A study in demography, statistics and history of world mortality. New York: Springer, 1990.

19 Imhof A. Die Lebenszeit - Vom aufgeschobenen Tod und yon der Kunst des Lebens. Miinchen: C.H. Beck, 1988.

20 Sundin J. Vom Sterberisiko zur Lebenschance - Der abendl~indi- sche Weg zum l~ingeren Leben. In: Imhof AE, Weinknecht R, eds. Er- fiillt leben - in Gelassenheit ster- ben. Berlin: Duncker und Hum- blot, 1994: 113-128.

21 Olshansky SJ. The practical impli- cations of increasing human life expectancy. Eur J Public Health 1995; 5:35-39.

22 Bundesamt fiir Statistik. Eidg. Volksz~ihlung 1990 (Individual- daten).

23 Schwarz K. Die Haushalte der /ilteren Bev61kerung. Zs f Bev61- kerungswiss 1992; 18: 519- 525. 24 HOpflinger F, Stuckelberger A.

Alter und Altersforsehung in tier Schweiz. Ztirich: Seismo, 1992.

(13)

Soz.- Pr~ventivmed, 1998~ 43: 149-161

25 Bopp M. Regionale Sterblichkeits- unterschiede in der Schweiz: ein nicht ganz einfach zu bestimmen- der Indikator far regional unglei- che Lebenschancen. Geographica Helvetica 1997; 52:133-141. 26 Gass R, Bopp M. Berufsspezifische

Mortalitfitsrisiken der Mfinner in der Schweiz 1979/83. Statistik der Schweiz, Reihe 14: Gesundheit. Bern: BFS, 1997.

27 IrnhofAE. Vorwort. In: Imhof AE, Weinknecht R, eds. ErfUllt leben - in Gelassenheit sterben. Berlin: Duncker und Humblot, 1994: 9-14. 28 Valkonen T, van Poppel F. The contribution of smoking to sex dif-

ferences in life expectancy: four Nordic countries and The Nether- lands 1970-1989. Eur J Public Health 1997; 7:302-310.

29 Manton KG, Stallard E, Tolley HD. Limits to human life expect- ancy: evidence, prospects, and im- plications. Population and Devel- opment Review 1991; 17:603-637. 30 Chenet L, Osler M, McKee M,

Krasnik A. Changing life expect- ancy in the 1980s: why was Den- mark different from Sweden? J Epidemiol Commun Health 1996;

50: 404 - 407.

31 Leon DA, Chenet L, Shkolnikov VM, et al. Huge variation in Rus-

sian mortality rates 1984-94: arte- fact, alcohol, or what? Lancet 1997;

350:383 -388.

Korrespondenzadresse

Dr. Matthias Bopp Institut fiir Sozial- und Prfiventivmedizin der Universit~it Ztirich Sumatrastr. 30 CH-8006 Ziirich Fax +41 1 634 49 86 bopp@ifspm.unizh.ch

Figure

Abbildung  1.  En twicklung  der mittleren  Lebenserwartung nach  Geschlecht,  Schweiz  1876/80 bis 2050
Tabelle 1.  Mittlere  Lebenserwartung  bei  Geburt  um  1992-94  in Jahren  (sortiert nach dem Durchschnitt von Mann  und Frau)
Abbildung  3.  Altersspezifische  Sterbewahrscheinlichkeiten  nach  Geschlecht,  Schweiz  1876/80  bis  1988/93
Abbildung  4.  Verbleibende Lebenserwartung  for verschiedene Ausgangs-  alter,  Schweiz  1876/80  bis  2020
+2

Références

Documents relatifs

Important productsImplementation periodFinancial/technical supportExternal support source (ministry, NGO, United Nations agency, World Bank, etc.) Develop HIS strategic

Diese Fragen – die von der Normenhierarchie über die Auslegung bis zur Anpassung an die Weiterentwicklung des Rechts in der EU – gehen, sind vor allem vor dem Hintergrund zu

Für die Haftung aus Vertrag mit Drittschutzwirkung lässt es zwar die Grundsatzfrage offen, ob eine solche Haftung als Rechtsinstitut des schweizerischen Rechts zu bejahen wäre,

Für diese Studie wurde vom Anbau von Futterpflanzen für Tiere über den Transport nach Deutschland bis zur Lagerung und Zubereitung in den Haushal- ten alles in

Cette analyse des épreuves phonologiques, en fonction de l’âge des enfants dès qu’ils ont commencé à apprendre à lire, nous permet de saisir l’importance

While modulating cortical state by electrical activation of the BF, we recorded LFP and spiking responses during visual stimulation with a natural movie segment

das Kind bezeichnet.. Die Erfahrungen der Kinder prägen ihre Kenntnisse und Kategorien. Sie sind in hohem Masse individuell biographisch. Verschiedene

Der Schulaufgaben-Charakter wird durch die Sprachform, die zu wählen ist, verstärkt. Hochdeutsch, vor allem gesprochenes Hochdeutsch, das man selber.. produzieren muss, wird