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Feuerwerk Volksrechte : die Volksabstimmungen in den schweizerischen Kantonen 1970-1996

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Feuerwerk Volksrechte : die Volksabstimmungen in den schweizerischen Kantonen 1970-1996

TRECHSEL, Alexander

TRECHSEL, Alexander. Feuerwerk Volksrechte : die Volksabstimmungen in den schweizerischen Kantonen 1970-1996 . Bâle : Helbing & Lichtenhahn, 2000, 192 p.

Available at:

http://archive-ouverte.unige.ch/unige:138391

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. Die Volksabstimmungen in den

schweizerischen Kantonen 1970-1996

Alexander Trechsel

DIREKTE DEMOKRATIE

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COLLECTION GENEVOISE

Feuerwerk Volksrechte

Die Volksabstimmungen in den

schweizerischen Kantonen 1970-1996

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COLLECTION GENEVOISE

Alexander Trechsel

Feuerwerk Volksrechte

Die Volksabstimmungen in den schweizerischen Kantonen 1970-1996

Forschungs- und Dokumentationszentrum Direkte Demokratie

Helbing & Lichtenhahn Base! · Genf · München 2000

Faculté de Droit de Genève

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Trechsel, Alexander:

Feuerwerk Volksrechte : die Volksabstimmungen in den schweizerischen Kantonen 1970-1996 /Alexander Trechsel. Forschungs- und Dokumentationszentrum Direkte Demokratie ; Faculté de Droit de Genève. - Basel ; Genf; München :

Helbing und Lichtenhahn, 2000

(Collection genevoise: Démocratie directe) ISBN 3-7190-1843-1

Dieses Werk ist weltweit urheberrechtlich geschützt. Das Recht, das Werk rnittels irgendeines Mediurns (technisch, elektronisch und/oder digital) zu übertragen, zu nutzen oder ab Datenbank sowie via Netzwerk zu kopieren und zu übertragen, oder zu speichern (downloading), liegt ausschliesslich beim Verlag. Jede Verwertung in den genannten oder in anderen ais den ge- setzlichen zugelassenen Fallen bedarf deshalb der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags.

ISBN 3-7190-1843-1

© 2000 by Helbing & Lichtenhahn, Base!

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Nach meiner mehrjahrigen Reise ins Land der kantonalen Demokratien, wel- che zur Publikation von einigen wissenschaftlichen Artikeln und zwei Bü- chem geführt hat, konnte ich auf die Unterstützung vieler Personen zahlen.

Die meisten von ihnen arbeiten bei kantonalen Verwaltungen, sind in der Bundesverwaltung tatig oder lehren und forschen an in- und auslandischen Hochschulen. Es ware gewagt, sie alle beim Namen zu nennen, denn ein sol- ches Unterfangen würde mit Sicherheit Unterlassungen mit sich bringen. Aus diesem Grund ziehe ich es vor, mich bei ihnen allen kollektiv zu bedanken.

Trotzdem mêichte ich an dieser Stelle mehreren Personen namentlich mei- nen Dank aussprechen, denn sie waren standige Begleiter auf meiner anstren- genden, oftmals mühseligen, immer aber spannenden Reise. Zuerst mêichte ich mich ganz herzlich bei meinem Doktorvater, Herm Professor Hanspeter Kriesi vom Département de science politique der Universitat Genf für seine wertvolle Unterstützung bedanken. Ich konnte in grossem Masse von seiner langjahrigen Erfahrung mit dem politischen System der Schweiz und insbe- sondere mit direktdemokratischen Entscheidungsprozessen profitieren. Seine i.iberaus konstruktive Kritik half mir, meine Analyse der kantonalen Volksab- stimmungen zu verfeinem und zu bereichem.

Für seine überaus kostbare Hilfe, vorab - aber nicht nur - bei juristischen Problemen mêichte ich Herm Professor Andreas Auer, Direktor des For- schungs- und Dokumentationszentrum Direkte Demokratie (C2D) an der Universitat Genf ganz herzlich danken. Seine bestandige Unterstützung wah- rend meiner Forschungstatigkeit war für mich von grundlegender Bedeutung.

Nebst den Professoren Stefano Bartolini (European University Institute, Florenz), Pierre Tschannen (Universitat Bern) und Jan-Erik Lane (Universitat Genf), welche in ihrer Tatigkeit als Experten meiner Doktorarbeit diese Pu- blikation in grossem Masse bereicherten, gilt mein weiterer Dank Herrn liz.

phil. hist. Uwe Serdi.ilt von der Universitfü Zürich. Frucht unserer mehrjahri- gen Zusammenarbeit ist nicht nur die Publikation eines gemeinsam verfassten Werkes zu den Institutionen der direkten Demokratie in den Kantonen; Uwe Serdi.ilt half mir in vielen Bereichen, mein Verstandnis der direktdemokrati- schen Entscheidungsprozesse auszubauen.

Fi.ir ihre wertvollen Kommentare zu früheren Versionen dieses Textes mêichte ich mich bei Frau dipl. iur. Antje Pouliguen, Herm dipl. ès sce. pol.

Michael Bi.itzer, Herm Prof. Dr. ès sce. pol. Jean-Daniel Delley, Herm dipl.

ès sce. pol. Frédéric Esposito, Herm Dr. iur. Philippe Gerber, Herm Simon Hug, PhD, Herm Dr. ès sce. pol. Pascal Sciarini, Herm Dr. iur. Frank Schuler sowie bei Herm dipl. iur. Nicolas von Arx ganz herzlich bedanken. Herrn

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dipl. iur. Nicolas von Arx mochte ich zusatzlich für seinen grossen und über- aus wertvollen Einsatz danken, den er bei der Durchsicht des gesamten Ma- nuskripts an den Tag gelegt hat.

Schliesslich muss ich unterstreichen, dass dieser Beitrag ohne die Unter- stützung durch meine Familie und meine Freunde und Freundinnen nicht zustandegekommen ware. Die wohl vollstandigste und sicherlich wertvollste Unterstützung bekam ich von meiner Ehefrau, Katia Trechsel-Soboul. Ihr gilt meine uneingeschrankte Dankbarkeit.

Florenz, im Dezember 1999 Alexander H. Trechsel

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Das vorliegende Werk von Alexander Trechsel erganzt und vervollstandigt den Band zu den Institutionen der direkten Demokratie in den schweizeri- schen Kantonen, den der Autor mit Uwe Serdült vorgelegt hat (Trechsel und Serdült 1999). Zusammen kombinieren die beiden Bande erstmals einen rechtsvergleichenden mit einem empirisch-politikwissenschaftlichen Ansatz.

Wahrend der erste Band ein vollstandiges Inventar der verfügbaren Institutio- nen der direkten Demokratie in den Kantonen und ihrer Entwicklung in der Periode 1970-1996 enthalt, prasentiert der vorliegende Band eine verglei- chende empirische Analyse der Verwendung dieser Institutionen und ihres Erfolgs in den kantonalen Volksabstimmungen. Der erste Band dokumen- tierte nicht nur die grosse Vielfalt und Variabilitat der in den einzelnen Kan- tonen verfügbaren Institutionen, er machte auch erstmals die Dynamik des institutionellen Rahmens der direkten Demokratie deutlich. Die hier vorge- legte empirisch vergleichende Analyse der Volksabstimmungen baut syste- matisch auf den Ergebnissen des ersten Bandes auf, indem sie von der dort erarbeiteten Klassifikation der direktdemokratischen Instrumente ausgeht, welche die herkommliche Klassifizierung der Elemente der direkten Demo- kratie erheblich verfeinert. Zusammen bilden diese beiden Bande ein Refe- renzwerk, das den Ausgangspunkt für alle zukünftigen Studien zur direkten Demokratie in den Kantonen darstellt.

In der durch die Studie abgedeckten Periode kam es zu nicht weniger als 3000 Volksabstimmungen in den Kantonen. Diese bilden die Basis für die empirische Analyse in dem vorliegenden Band. Der Datensatz zu diesen Volksabstimmungen, den der Autor unter grossem personlichem Einsatz im Laufe mehrerer Jahre zusammengetragen bat, erlaubt es zum ersten Mal, verlassliche Aussagen über die Zahl und die Entwicklung der verschiedenen Arten von Referenden und Initiativen in den Kantonen zu machen. Bisherige Studien beschrankten sich entweder auf kurze Zeitraume oder auf eine Aus- wahl von Institutionen. Es ergibt sich unter anderem aus dieser Analyse, dass Zahl und Art der Abstimmungen je nach Kanton stark variieren, wobei die Zahl der Abstimmungen vor allem in den Kantonen der franzosisch- und italienischsprachigen Schweiz relativ begrenzt ist. Es zeigt sich auch, dass die direktdemokratischen Institutionen im Bund trotz ihres allgemein beschrank- teren Ausbaus im Vergleich zu den Kantonen insgesamt überdurchschnittlich intensiv genutzt werden. lm Vergleich zum Bund ist zudem die Zahl der obli- gatorischen Referenden in den Kantonen relativ hoch. Auf Bundesebene gibt es also nicht nur verhaltnismassig viele Volksabstimmungen, sie werden auch verhiiltnismassig Ofter vom Volk selbst ausgelüst als in den Kantonen.

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Der Autor beschrankt sich in diesem Band aber nicht auf einfache Be- schreibung, sondern er sucht die vielfültigen Ergebnisse auch zu erklaren.

Dabei geht es ihm in erster Linie darum, die Wirkung der institutionellen Bedingungen zu verdeutlichen. So Iasst sich das eben erwahnte Ergebnis zu den obligatorischen Referenden natürlich ohne weiteres auf die Tatsache zurückführen, dass einige Kantone im Gegensatz zum Bund noch immer obligatorische Gesetzes-, Finanz- und Verwaltungsreferenden kennen. Der institutionelle Erklarungsansatz erweist sich als sehr fruchtbar, aber seine Ergebnisse sind nicht immer so evident wie im eben erwahnten Beispiel. Die Rolle der Institutionen wird manchmal überschatzt. Dies trifft insbesondere auf die Wirkung des sogenannten «Eintrittspreises» der direkten Demokratie zu, wornit die Zahl der erforderlichen Unterschriften und die Sammlungsfri- sten gemeint sind. So ergibt sich aus den empirischen Analysen der kantona- len direkten Demokratie, dass ein hoher Eintrittspreis nicht unbedingt die von einigen wissenschaftlichen Beobachtern (auch vom Schreibenden) und von der offentlichen Meinung (im Zusammenhang mit der Diskussion um die Reform der direkten Demokratie auf Bundesebene) erwarteten abschreckende Wirkung auf den Gebrauch der Instrumente der direkten Demokratie hat. Die empirischen Analysen zum Gebrauch dieser Instrumente dokumentieren die Bedeutung der Institutionen, aber auch die Grenzen institutioneller Regelun- gen. Andere Faktoren wie die konjunkturelle Situation (für das obligatorische Finanzreferendum), die Grosse des Kantons (für die Injtiativen), die Intensitat der kantonalen gesetzgeberischen Aktivitat (für das fakultative Referendum) oder die Strategien der politischen Eliten (für den Gegenvorschlag oder das ausserordentliche obligatorische Referendum) spielen oft eine entscheidende Rolle.

Die Untersuchung des Erfolgs direktdemokratischer Vorstüsse erweist sich im allgemeinen als ein besonders schwieriges Unterfangen. Alexander Trechsel legt auch dazu hoch interessante Ergebnisse vor. Seine Resultate erlauben erneut einen Vergleich zwischen der Bundesebene und den Kanto- nen. Dabei zeigt sich zunachst einmal, dass nicht nur auf Bundesebene, son- dern auch in den Kantonen im allgemeinen 4 von 5 Volksabstimmungen zu- gunsten der Behürden entschieden werden. Es ergeben sich aber auch Unterschiede zwischen den beiden Ebenen, etwa in Bezug auf die Volksi- nitiativen, deren Urheber auf kantonaler Ebene Ofter zum Erfolg gelangen als auf Bundesebene. Zudem variiert der Erfolg der fakultativen Referenden und Initiativen auf kantonaler Ebene nach Sprachregion: Urheber dieser beiden Arten von Vorstüssen haben mehr Erfolg in der Westschweiz als in der Deutschschweiz. Auch in diesem Punkt gelingt es dem Autor, die Zusam- menhange nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erklaren. So Iasst sich auf beiden Ebenen - im Bund und in den Kantonen - ein enger Bezug her-

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stellen zwischen dem Ausmass des in der jeweiligen Elite erreichten Konsen- ses und dem Ausgang der Abstimmungen: je hoher der Konsens in der politi- schen Elite in Bezug auf eine der Volksabstimmung unterliegenden Vorlage, desto grosser die Chance, dass die Abstimmung zu ihren Gunsten entschieden wird. Ein weitgehender Konsens kommt sehr oft zustande, weshalb die Volksabstimmungen in der Regel zugunsten der Behürden ausgehen. Dieses Ergebnis hat natürlich ebenfalls mit den institutionell bestimmten Funktions- bedingungen der Schweizer Politik zu tun und entspricht der berühmten Hy- pothese von Neidhart: die direktdemokratischen Institutionen veranlassen die politische Elite zur intensiven Suche nach einem gemeinsamen Nenner, damit ihre Vorlagen in der Volksabstimmung nicht desavouiert werden.

Die Frage allerdings, unter welchen Bedingungen es zu einem Konsens in der politischen Elite kommt, bleibt weitgehend offen. Dies ist nur ein Beispiel für die moglichen Fragestellungen, die aufgrund des von Alexander Trechsel geschaffenen Datensatzes weiter verfolgt werden konnte. Mit diesem Band verfügen wir nun über eine erste Studie des Gebrauchs und des Erfolgs der direkten Demokratie in den Kantonen. Das Potential des Datensatzes zur kantonalen direkten Demokratie für das Verstandnis der Funktionsweise der direkten Demokratie im allgemeinen wird durch die hier vorgelegten Analy- sen aber keineswegs erschopft. Die Schweizer Kantone bilden eine Art natür- liches Laboratorium für die Untersuchung der direkten Demokratie, und das von Alexander Trechsel erarbeitete lnstrumentarium erlaubt es der Forscher- gemeinschaft, allgemeine Fragestellungen vertieft und vergleichend zu über- prüfen. Es bleibt zu hoffen, dass die damit gegebenen Moglichkeiten in Zu- kunft auch ausgenützt werden.

Genève, den 13. Oktober 1999 Hanspeter Kriesi

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Dank ... VII Vo\vort ... IX EINLEITUNG ... .

1. Forschungsbedarf . . . 3

2. Abgrenzung des Gebietes . . . 6

2.1 Definition der direkten Demokratie .. .. . .. .. .. . . .. .. .. .. .. . .. . . .. 6

2.2 Institutionelle Abgrenzung zwischen Referendum und Initiative . . . 7

2.3 Raumliche Abgrenzung . . . 8

2.4 Zeitliche Abgrenzung . . . 9

3. Aufbau der Studie . .. .. .. . .. .. .. .. .. ... . . .. ... .. .. ... ... .. . . .. .. . ... ... 12

I. TEIL: DIE PRAXIS DER DIREKTEN DEMOKRATIE IN DEN KANTONEN . . . 13

1. Die Urnengange aufBundesebene (1848-1997) .. .. .. . .. .. .. ... .. 15

2. Allgemeine Tendenzen der Urnengange in den Kantonen (1970-1996) . . . 22

3. Kantonale Unterschiede bei der Entwicklung der Abstimmungsfrequenz . . . 26

4. Die Praxis der direkten Demokratie in den Kantonen nach Institutionen . . . 33

4.1 Das obligatorische Referendum . . . 35

4.1.1 Sind obligatorische Gesetzesreferenden obsolet geworden? . . . 37

4.1.2 Haufen sich die obligatorischen Finanzreferenden? .. . 42

4.1.3 Sind Verfassungsreferenden auch in den Kantonen im Aufwartstrend? . . . 48

4.1.4 Wird das ausserordentliche obligatorische Referendum salonfahig? . . . 51

4.2 Das fakultative Referendum . . . 56

4.2. l Normative Stufen, kantonale Verteilung und Referendumsfrequenz . . . 56

(16)

4.2.2 Institutionelle Verfügbarkeit und

Referendumsfrequenz . . . 60

4.2.3 Ôffnung des Systems und Referendumsfrequenz . . . 63

4.2.4 Angebot und Referendumsfrequenz . . . 70

4.3 Die Volksinitiative . . . 73

4.3.1 Normative Stufen, kantonale Verteilung und Initiativfrequenz . . . 74

4.3.2 Ôffnung des Systems und Initiativfrequenz .. .. .. .. .. .. 83

4.4 Der Gegenvorschlag .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. . . .. .. 94

4.4.1 Normative Stufen, kantonale Verteilung und Gegenvorschlagsfrequenz . . . 94

5. Konkordanz, Konsens und Praxis der direkten Demokratie 1 OO 5.1 Konsens ... ... .... 101

5.2 Konkordanz . .. . . .. . . . .. .. . . . .. .. . . ... .. . .. .. . . .. .. . . ... . . . 109

5.3 Diskussion . . . .. . . .. . .. . . .. . . .. . .. . . ... ... .. ... . . ... . 123

6. Zusammenfassung 126 II. TEIL: DER ABSTIMMUNGSERFOLG IM KANTONALEN VERGLEICH ... ... ... ... ... 131

1. Einleitung 133 2. Behorden und Volk: Symbiose oder Konflikt? . . . 134

2.1 Behürdenstützendes vs. behtirdendesavouierendes Abstimmungsverhalten im Bund .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. 137

2.1.1 Institutionelle Differenzierung . . . 137

2.1.2 Konkordanz . .. . .. .. .. . . .. . . .. . .. . . . .. . . . .. . . .. . . 142

2.1.3 Konsens . . . 145

2.2 Behürdenstützendes vs. behtirdendesavouierendes Abstimmungsverhalten in den Kantonen .. .. . . ... .. .. .. . .. .. .. 147

2.2.1 Institutionelle Differenzierung .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. 14 7 2.2.2 Konkordanz . . . 160

2.2.3 Konsens . .. . . .. .. . . .. .. . . .. . .. . . .. . .. .. . .. .. . . 163

3. Zusammenfassung . . . 169

SCHLUSSFOLGERUNGEN . . . 173

LITERATUR 185

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Einleitung

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Institutionell und praktisch befindet sich die direkte Demokratie seit mehreren Jahren weltweit in einer Phase des Aufschwungs (Butler & Ranney 1994). Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Erforschung direktdemokratischer Institu- tionen vermehrt das Interesse von Wissenschaftlem aus der ganzen Welt weckt. Nebst einer Fülle an Beitragen in Form von Aufsatzen sind in letzer Zeit auch mehrere Bücher, welche sich ausschliesslich mit diesem Thema befassen, erschienen (beispielsweise ASSP 1991, Auer 1989, Barber 1984, Budge 1996; Butler and Ranney 1994; Caciagli & Uleri 1994, Cronin 1989, Gallagher & Uleri 1996, Grisel 1987 und 1997, Guillaume-Hoffnung 1987, Hamon 1995, Kobach 1993, Kriesi et al. 1993, Luthardt 1994, Magleby 1984, Mockli 1994, Papadopoulos 1998, Papadopoulos 1994a, Pouvoirs 1996, Rourke et al. 1992, Suksi 1993). Ein Grossteil dieser aus Europa und Nord- amerika stammenden Literatur bezieht sich auf die Schweiz. Dies ist kein Zufall, stellt die Schweiz doch das Land der direkten Demokratie par excel- lence dar, ja ein Laboratorium für jeden Forscher, der sich für die Analyse der Volksrechte zu begeistem weiss. In den meisten Beitragen über die Schweiz konzentrieren sich die Autoren allerdings auf die Analyse der direktdemokra- tischen Institutionen und ihres Gebrauchs auf Bundesebene. Dieser Befund sollte eigentlich erstaunen. Jeder der 26 Kantone und Halbkantone stellt ein selbstandiges politisches System dar, dem der schweizerische Foderalismus wichtige Kompetenzen zuspricht. Jedes dieser Systeme verfügt über eine reiche Anzahl direktdemokratischer Institutionen, welche seit über hundert Jahren die politische, wirtschaftliche, soziale und rechtliche Landschaft in tiefgreifender Weise mitpragen. Die grosszügige Freiheit, welche die Kantone bei der Ausdifferenzierung ihrer demokratischen Systeme seit der Gründung des Bundesstaates im letzten Jahrhundert geniessen, führte zu einem Prozess permanenten Wandels dieser 26 institutionellen Gefüge. Heute zeichnen sich deshalb die kantonalen direktdemokratischen Institutionen durch eine grosse Vielfalt aus.

Trotz dieser einzigartigen Vielfalt direktdemokratischer Systeme in ein und demselben Bundesstaat besitzen wir nur wenige vergleichende Werke.

Die wenigen Monographien, die sich mit einzelnen kantonalen Systemen befassen, sind fast ausschliesslich juristischer Ausrichtung (siehe beispiels- weise Giacometti 1941, Auer 1978, Grisel 1987 und 1997, Hemekamp 1979, Moser 1985). Dank dieser Studien konnte das Wissen über die Volksrechte in den Kantonen stark erweitert werden, allerdings lediglich durch eine syste- matische Bestandesaufnahme der institutionellen Gefüge, welche zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschten. Die eigentliche Dynamik der Volks-

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rechte, Quelle der Vielfalt und Grundlage für den Weiterbestand der direkten Demokratie selbst, wurde weitgehend vernachlii.ssigt.

Zusammen mit meinem Kollegen Uwe Serdült habe ich wahrend der ver- gangenen Jahre an diesem Problem gearbeitet. Unsere Studie zu den Institu- tionen der direkten Demokratie in den Kantonen ist kürzlich in diesem Verlag in Buchform erschienen (Trechsel & Serdült 1999). lm Kaleidoskop Volks- rechte1, so der Haupttitel dieses Buches, verfolgten wir mehrere Ziele. Zuerst haben wir versucht die Institutionen der direkten Demokratie in den Kantonen zu definieren und zu klassifizieren. Anhand mehrerer Kriterien haben wir ein analytisches Raster dieser Institutionen erstellt, das uns erlaubte, alle Formen von Referenden, Initiativen und Gegenvorschlii.gen, welche in der Zeitspanne von 1970 bis 1996 in den Kantonen vorhanden waren, zu klassifizieren.

lm Gegensatz zu bisherigen Darstellungen konnten wir aufgrund dieser systematischen Klassifizierung einen Schritt weiter gehen und nicht nur die Vielfalt an direktdemokratischen Instrumenten in den Kantonen aufzeigen sondern bestatigen, wie stark letztere einer institutionellen Dynamik unter- worfen sind. Das «Kaleidoskop» soll einen vertieften Einblick in die komple- xe und lebendige Welt der kantonalen direktdemokratischen Institutionen vermitteln. Würde sich dieser Einblick auf einen bestimmten Zeitpunkt be- schranken, ergabe sich ein überaus buntes Bild der institutionellen Realitat in den Kantonen. Betrachtet man aber eine mehrjahrige Zeitspanne, beginnt sich dieses Bild zu bewegen. Mittels einer detaillierten Analyse der direktdemo- kratischen Einrichtungen in jedem Kanton, sowie anhand einer sorgfültig vergleichenden Studie dieser Institutionen, haben Uwe Serdült und ich ver- sucht den Blick nicht nur über ein regungsloses Bild schweifen zu lassen, sondern vielmehr in ein farbenprachtiges Kaleidoskop zu schauen, das durch seine Vielfalt und Wandlungsfühigkeit unabfüssig und aufs neue Staunen erregt.

Das vorliegende Buch stellt den Folgeband zum «Kaleidoskop» dar. Es geht einen wichtigen Schritt weiter, indem es sich zum Ziel setzt, nicht nur die institutionelle Ebene der direkten Demokratie in den Kantonen zu erfas- sen, sondern auch deren Gebrauch und E1folg zu untersuchen. In der politik- wissenschaftlichen Literatur fehlen vergleichende Studien zum effektiven Gebrauch der direkten Demokratie in den Kantonen weitgehend. Christian Moser (1985 und 1987) publizierte in seinen Beitragen zwar einige Zahlen zum Gebrauch des Referendums und der Initiative. Der zeitliche Rahmen seiner Analysen ist aber ziemlich eingeschrankt und umfasst lediglich die Jahre 1980 bis 1984. Auf Seiten der ausschliesslich deskriptiven Beitrage

1 Bei den haufigen Verweisen auf dieses Werk werden wir jeweils die Abkürzung

«Kaleidoskop» verwenden.

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kann die Arbeit von Ruth Gullo (197 I) genannt werden, welche den Ge- brauch der direkten Demokratie in den Kantonen von 1966 bis 1970 betrach- tete. Ihre Studie verfolgt aber in erster Linie den Zweck die Abstimmungsfre- quenz zu dokumentieren und erhebt keinerlei Anspruch auf eine eingehende politikwissenschaftliche Analyse. Es muss also unterstrichen werden, dass bis heute keine wissenschaftliche Untersuchung die vielen empirischen Fragen auch nur ansatzweise zu beantworten vermag, welche sich im Zusammenhang mit der Ausübung aller direktdemokratischen Rechte in den Kantonen stellen.

Mit diesem Buch sollen hier neue Ergebnisse prasentiert werden.

(22)

2.1 Definition der direkten Demokratie

Über die Jahrhunderte hinweg konnte sich der Gedanke der Demokratie sehr stark verbreiten. Heute gehürt das Demokratieprinzip weltweit zu den grund- legendsten Elementen politischer Systeme. Die Literatur zum Thema «Demo- kratie» ist in ihrem Umfang nicht mehr überblickbar. Unzahlbare historische, politikwissenschaftliche, rechtliche, philosophische, soziologische, psycholo- gische, wirtschaftliche, ethische und literarische W erke sind diesem Thema gewidmet. In zahlreichen Beitragen wird die Demokratie dabei in zwei grundsatzlich unterschiedliche Regierungsformen aufgeteilt: die reprasentati- ve und die direkte Demokratie. Wir mochten an dieser Stelle weder die Ge- schichte der Demokratie neu aufzeichnen, noch eine theoretische oder philo- sophische Abhandlung über die angesprochene Aufteilung in reprasentative und direkte Demokratie verfassen. Allein dieses Unternehmen an sich würde genügend Substanz für mehrere Bücher liefern. Wir mochten die Leserschaft hierbei auf die bereits vielfültige Literatur zu diesem Thema verweisen (einen guten Einblick gewahren beispielsweise Budge 1996 oder Mockli 1994).

Trotzdem ist es wichtig, dass wir die direkte Demokratie genauer definieren, ohne deren Ideengeschichte von neuem aufzurollen. Dabei ist die Gegenüber- stellung der direkten Demokratie mit der reprasentativen Demokratie hilf- reich. Grob vereinfacht konnen wir diese beiden Demokratieformen folgen- dermassen beschreiben:

• Die reprasentative Demokratie umfasst alle Formen politischer Entschei- dungsprozesse, die zur Wahl oder Abwahl von Volksvertretern durch die Stimmbürger führen. Beim reprasentativen Element der Demokratie steht die Vertretung des V olkes durch gewahlte Personen im Zentrum. In repra- sentati ven Entscheidungsprozessen regieren vom Volk gewahlte Vertreter an der Stelle des Volkes. Regierende und Regierte müssen hier unterschie- den werden.

• Die direkte Demokratie hingegen umfasst alle Formen politischer Ent- scheidungsprozesse, welche zu Sachentscheiden durch die Stimmberech- tigten führen. Beim direkten Element der Demokratie steht der Volksent- scheid über eine Sachfrage im Zentrum. In direktdemokratischen Entscheidungsprozessen regiert <las Volk über sich selber. Regierende und Regierte sind hier deckungsgleiche Subjekte.

(23)

Diese einfachen Definitionen sind weder normativer noch empirischer Art.

Sie entsprechen weder einem Ideal noch einer praktischen Erfahrung. Es ist selbstverstandlich, dass diese beiden Formen der Demokratie in der Praxis nicht immer so leicht unterscheidbar sind. Bei allen Wahlen versprechen die Kandidaten zukünftiges Handeln zu teils sehr konkreten Sachfragen. Ein Wahler kann somit auch für oder gegen eine zukünftige Politik stimmen. In diesem Fall zeigt sich, dass gemass unserer Definition die reprasentative De- mokratie nicht reiner Art ist, sondem durch direktdemokratische Elemente verfürbt wird.

Man kann auch den umgekehrten Fall antreffen: lm Vorfeld der meisten Sachabstimmungen nehmen Parteien, Interessenverbande, Regierungen, Par- lamente, Medien und andere Akteure offentlich Stellung zu den Vorlagen.

Ein Abstimmungskampf kann sich dadurch sehr personenbezogen abwickeln, was wiederum einen direkten Einfluss auf die nachsten Wahlen haben kann.

In diesem Fall wird die direkte Demokratie durch ein reprasentatives Element verfarbt.

Allerdings erlaubt uns diese Definition, Phanomene wie jene des Abberu- fungsrechts der Stimmbürger vom Wirkungsfeld der direkten Demokratie auszuklammem. Gemass unserer Definition, und anders als dies mehrheitlich in der Literatur gehandhabt wird2, handelt es sich dabei um ein Recht, das in den Bereich der reprasentativen Demokratie füllt.

2.2 Institutionelle Abgrenzung zwischen Referendum und Initiative

Grundsatzlich kann ein direktdemokratischer Prozess in zwei Formen auftre- ten, namlich als Referendum oder als Initiative. Das Kriterium für unsere Unterscheidung zwischen Initiative und Referendum bildet der Verfasser des Textes, der vom Volk abschliessend bewertet wird. Stammt ein solcher Text aus der Feder der V olksvertretung, so untersteht er dem Referendumsprozess.

Stammt er jedoch aus der Feder eines Teiles der Stimmberechtigten, so unter- steht er dem Verfahren der Volksinitiative.

Diese Unterscheidung wird von der einschlagigen Literatur nicht immer übemommen. Dabei steht vereinzelt das Kriterium des Auslosers einer Volksabstimmung im Vordergrund: So vertreten die Herausgeber des neusten vergleichenden Beitrages zur direkten Demokratie in Europa, Gallagher und

2 So zahlt beispielsweise Cronin (1989) den recall (Abberufungsrecht) zu den Formen der direkten Demokratie in den amerikanischen Gliedstaaten.

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Uleri (1996) die Ansicht, dass alle Prozesse, die potentiell zu einer Volksab- stimmung führen, ohne dass sich ein Teil der Stimmbürger mobilisieren muss, zur Kategorie des Referendums gehüren. Hingegen zahlen sie Volksab- stimmungen, die nur aufgrund einer Unterschriftensammlung ausgelüst wer- den konnen, zu den Initiativprozessen. Eine solche Unterscheidung bevorzugt das Konzept der Mobilisierung der Stimmbürger. lm schweizerischen Kon- text bedeutet eine solche Sichtweise, dass ein dem fakultativen Referendum unterstehender Erlass, gegen den eine erfolgreiche Unterschriftensammlung durchgeführt wurde, zu einer Volksinitiative im üblichen Sinne wird. In unse- rem Fall wollten wir uns an die «klassische» Unterscheidung halten, um da- mit eine vermutlich auftretende Verwirrung zu verhindern.

lm «Kaleidoskop» haben Uwe Serdült und ich jeweils eine grundsatzliche Unterscheidung zwischen Referenden und Initiativen beachtet. Die Gegen- vorschlage wurden bewusst ausgekoppelt, da sie einerseits unserer Definition gemass in den Referendumsbereich gehoren, anderseits aber auf das Zustan- dekommen einer Initiative angewiesen sind, bevor sie vom Parlament verab- schiedet werden konnen. In diesem Buch wurden diese Unterscheidungen übernommen.

2.3

Raumliche Abgrenzung

Gegenstand der vorliegenden Studie sind die Volksabstimmungen, welche in 21 Schweizer Kantonen durchgeführt wurden. Bewusst verzichten wir auf den Einbezug der fünf Kantone, welche immer noch die Landsgemeinde praktizieren (Appenzell Innerrhoden und Glarus), oder bis vor kurzem noch praktiziert haben (Appenzell Ausserrhoden, Nidwalden sowie Obwalden).

Die meisten vergleichenden Analysen des Gebrauchs der direkten Demokra- tie würden unter Einbezug der Landsgemeindekantone verunmoglicht, da wir hier lediglich Angaben zur Annahme, respektive zur Ablehnung eines Ge- schaftes vorweisen konnen. Da dieser Beitrag Fragen aufwirft, welche wir empirisch und mehrheitlich mit Hilfe quantitativer Methoden überprüfen mochten, haben wir uns entschieden, diese Kantone nicht zu berücksichtigen.

Ob der Volksentscheid knapp oder eindeutig war, ob die Beteiligung daran stark oder schwach war, kann nicht berechnet werden. Statistische Auswer- tung solcher Angaben waren nur in sehr beschranktem Ausmasse moglich.

Hinzu kommt, dass Landsgemeinden <loch eine sehr besondere Form der Ausübung direktdemokratischer Rechte darstellen. Der Hauptunterschied zu einer Urnenabstimmung liegt darin, dass der Entscheid an der Landsgemeinde nicht geheim ist. Auch ist die Teilnahmemoglichkeit an der Volksversamm-

(25)

lung nicht gleich gross wie bei einer Umenabstirnrnung: An der Landsge- meinde wird nur an einem Tag abgestimmt, wahrend an der Ume ein ganzes W ochenende zur Verfügung steht, beziehungsweise seit einiger Zeit brieflich abgestimmt werden kann (Von Arx 1998). Auch muss der Stimmbürger an die Landsgemeinde reisen, sofem er nicht im Landsgemeindeort wohnt, wah- rend an der Urne in der jeweiligen Gemeinde abgestimmt werden kann.

Zusammenfassend kann man bei der Landsgemeinde von der «alten» di- rekten Demokratie sprechen, welche im Gegensatz zur «neuen», an der Ume ausgeübten, steht. In dieser Arbeit werden wir uns auf die «neue» direkte Demokratie konzentrieren.

2.4 Zeitliche Abgrenzung

Auch zeitlich muss diese Studie eingeschrankt werden. Die von uns gewahlte Zeitspanne reicht, analog zur Zeitspanne, welche im «Kaleidoskop» gewahlt wurde, vom Jahre 1970 bis zum Jahre 1996. Wenn man bedenkt, dass die Kantone eine zeitlich sehr ausgedehnte Erfahrung mit direktdemokratischen Institutionen aufweisen, kann die von uns gewahlte Zeitspanne als bescheiden betrachtet werden. Zu Beginn dieser Studie hat sich allerdings früh abge- zeichnet, dass bereits diese 27 Jahre gelebter V olksrechte einen unermessli- chen Reichtum an Ausgestaltungen und Erfahrungen darstellen.

Auf der Ebene der Institutionen konnten wir rasch feststellen, dass die verschiedenen kantonalen Rechtsordnungen nicht nur eine Vielfalt von di- rektdemokratischen Einrichtungen aufweisen, sondem dass diese in den ver- gangenen 27 Jahren auch ausnahmslos wiederholte Male geandert wurden.

Die im «Kaleidoskop» prasentierte Analyse kann dernnach wichtige Bewe- gungen der 21 direktdemokratischen Institutionengefüge erfassen.

Dem fügt sich an, dass der Jahrzehntewechsel von den sechziger zu den siebziger Jahren einen für die schweizerische Politik wichtigen Zeitpunkt darstellt. Zwei miteinander verbundene Phanomene, das eine wirtschaftlicher,

<las andere politischer Art, haben gemass Kriesi (1981 a) das schweizerische System zu Beginn der siebziger Jahre gepragt. lm Jahre 1970 kam die Schweiz in die dritte Phase der wirtschaftlichen Entwicklung der Nachkriegs- zeit (Kriesi 1981 a: 68). Zum ersten Mal seit den fünfziger J ahren wurde ein N achlassen des W achstums festgestellt. Hinzu kam eine V erdoppelung der Inflation.

lm Zusammenhang mit dieser wirtschaftlich einschneidenden Verande- rung steht eine ausgepragte politische Bürgeraktivierung, welche sich bereits ende der sechziger Jahre bemerkbar machte. Abbildung 1 zeigt, dass trotz

(26)

abnehmender Stimmbeteiligung die unkonventionellen Formen politischer Aktivierung seit Ende der sechziger Jahre eine deutlich steigende Tendenz aufweisen.

Abbildung 1:

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Entwicklung der Stimmbeteiligung an eidgenossischen Abstim- mungen und der Hiiufigkeit politischer Aktivierung in weniger traditionellen Formen von 1945 bis 1978

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Quelle: Levy ( 1981: 4)

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Die Abnahme der Stimmbeteiligung, welche auf eine V erminderung der für die Schweiz klassischen Partizipationsform «Abstimmen» - zugunsten weni-

(27)

ger konventioneller politischer Beteiligungsformen - schliessen lasst, tauscht jedoch. Fast die Halfte aller Volksabstimmungen, welche auf Bundesebene stattgefunden haben, sind nach 1970 durchgeführt worden. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Abstimmungsfrequenz seit der Mitte des letzten Jahr- hunderts. Leicht erkennt man den markanten Anstieg der Anzahl Urnengange seit dem Jahre 1970.

Abbildung 2:

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Quelle: C2D

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Prognose (1991-2000)

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Die sinkende Stimmbeteiligung verdeckt also eine klare Zunahme der Fre- quenz konventioneller politischer Aktivitaten der Stimmbürger seit dem Be- ginn der siebziger Jahre. Dieser sichtbare Einschnitt dient als weiteres Argu- ment für die zeitliche Abgrenzung dieser Studie.

Schliesslich muss bemerkt werden, dass ein wichtiger Teil der für diese Arbeit aufgewandten Zeit mit dem Zusammentragen von Daten qualitativer und quantitativer Art verbracht wurde. Eine noch langere Zeitspanne zu be- rücksichtigen, beispielsweise die gesamte Nachkriegszeit, hatte einen unver- gleichlich grosseren Aufwand für die Datenbeschaffung und -bearbeitung mit sich gebracht.

(28)

Die vorliegende Arbeit ist in zwei Teile gegliedert, welche die eher staats- rechtlich ausgerichtete Studie im «Kaleidoskop» direkt erganzen. Der erste Teil ist der Praxis der direktdemokratischen Institutionen gewidmet. Dabei werden wir die von Kanton zu Kanton variierenden Abstimmungsfrequenzen der einzelnen Institutionen genauer betrachten und versuchen diese empiri- schen Beobachtungen zu erklaren.

Der zweite Teil dieser Studie befasst sich mit dem Elfolg, den die unter- schiedlichen direktdemokratischen Instrumente bei Volksabstimmungen ver- zeichnen konnen. Dabei werden wir insbesondere untersuchen, ob das Volk bei Abstimmungen den politischen Behürden folgt oder ihre Politik verwirft.

Auch werden wir die gegenseitigen Einflüsse der Ausübung der direkten Demokratie auf das politische System und umgekehrt betrachten.

(29)

Die Praxis der direkten Demokratie

in den Kantonen

(30)
(31)

Die Schweiz das Land der Umengange par excellence. Nirgendwo sonst wer- den die Stimmberechtigten so oft in einen demokratischen Entscheidungspro- zess eingebunden wie in der Schweiz. Von den 728 Volksabstimmungen, die gemass Butler & Ranney (1994) zwischen den Jahren 1900 und 1993 stattge- funden haben entfiel nahezu die Halfte (357) auf den schweizerischen Bun- desstaat. Tabelle 1 zeigt, dass diese Vorrangstellung der Schweiz vor allem auf die Anzahl Umengange, die seit dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden haben, zurückzuführen ist.

Aus Tabelle 1 wird ersichtlich, dass es zwischen den Jahren 1848 und 1997 zu 451 Volksabstimmungen auf Bundesebene gekommen ist. Fast die Halfte davon waren obligatorische Referenden. Zwischen den Jahren 1848 und 1874 waren lediglich obligatorische Referenden oder Initiativen auf To- talrevision der Verfassung moglich. Mit der Ausnahme der Verfassung im Jahre 1848 sowie einer Abstimmung über die Rechte der Juden und eingebür- gerten Personen im Jahre 1866 wurden in dieser Zeitspanne alle anderen Vorlagen vom Volk und von den Standen verworfen. Als das fakultative Re- ferendum im Jahre 1874 eingeführt wurde, stieg der Erfolg obligatorischer Referenden sehr rasch an. Von diesem Moment an nahm das V olk drei von vier Verfassungsreferenden an, ein Zeichen, dass sich das politische Klima nach den Kampfen um die Totalrevision der Verfassung der sechziger und siebziger J ahre des letzten J ahrhunderts stabilisieren konnte. Trotzdem kam es vor, dass teils ausserst wichtige Vorlagen der Behürden verworfen wurden.

In der letzten Zeit war dies zum Beispiel der Fall beim Uno-Beitritt der Schweiz im Jahre 1986, sowie bei der Abstimmung über den Beitritt der Schweiz zum Europaischen Wirtschaftsraum (1992). Wir werden im zweiten Teil dieser Studie die Frage der politischen Harmonie zwischen Behürden und Volk eingehender behandeln.

(32)

-

Tabelle 1: Der Gebrauch der direktdemokratischen lnstitutionen zwischen den Jahren 1848 und 1997

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--Periode-- Alle Abstimmungen ---Obligatorische--- ---Fakultative--- ---Volksinitiativen---

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1991-1997 70 40 30 27 21 6 336 26 17 9 35 7 17 2 15 z

(33)

Das fakultative Referendum entwickelte sich mit den Jahren zu einer der wichtigsten W affen mit denen das Volk <las Handeln der Behürden bekamp- fen konnte. Tabelle 1 zeigt zwar, dass von den 1890 legislativen Erlassen, die dem fakultativen Referendum unterstanden, nur gerade 129 knapp 7 Prozent - von einem Referendumskomitee an die Urne gezwungen wurden. Studien zeigen zudem, dass dieses Verhaltnis seit dem zweiten Weltkrieg verblüffend konstant blieb (Sciarini & Trechsel 1996: 212). Tabelle 1 weist auch auf, dass ein legislativer Erlass in der Volksabstimmung in einem von zwei Fallen verworfen wird. In diesen Zahlen kommen allerdings die indirekten Auswir- kungen dieser Institution nicht zum Ausdruck. Es sind gerade diese, welche dem fakultativen Referendum seine ungemein wichtige Rolle im Gesetzge- bungsprozess verleihen. Wir werden auf diesen Punkt im zweiten Teil dieser Arbeit zurückkommen.

Bei der Volksinitiative konnen zwei wichtige Aussagen gemacht werden (vgl. Tabelle 1). Erstens ist es seit dem J ahre 1970 zu einem spektakularen Anstieg der Nuzung dieses Instrumentes gekommen. Mehr ais die Halfte aller Initiativen kam in den vergangenen 27 Jahren zustande. Zweitens sehen wir, dass der Volksinitiative nur selten ein Erfolg an der Urne beschieden war.

Insgesamt wurde lediglich eine von zehn Initiativen von Volk und Standen angenommen. Der Erfolg ist allerdings nicht gleichmassig über die Zeit ver- teilt. Nach einem spektakularen Start Ende des neunzehnten und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts verlor die V olksinitiative - zumindest an ihrem Erfolg an der Urne gemessen stark an Bedeutung. Zwischen den Jahren 1928 und 1982 gelang es nur gerade einer einzigen Initiative die Hürde der Volksabstimmung zu überwinden3 Lediglich in den vergangenen fünfzehn Jahren verbuchte die Institution der Initiative wieder einige Erfolge.

An dieser Stelle muss der allgemeine Trend zum klaren Anstieg der Nut- zung direktdemokratischer lnstitutionen unterstrichen werden. Fast die Halfte aller Abstimmungen auf Bundesebene wurde in den vergangenen 27 Jahren abgehalten. Wie kann diese rasante Steigerung der Abstimmungsfrequenz in den letzten drei Jahrzehnten erklart werden? Wie Sciarini & Trechsel (1996:

211) zeigen, muss dieses Phiinomen auf eidgenossischer Ebene - zumindest füngerfristig - ausserhalb des institutionellen Rahmens erklart werden. Oft betonen Beobachter die offensichtliche «Inflation» an Volksinitiativen und

3 Die ausserst geringe Wahrscheinlichkeit, dass eine Initiative angenommen wird, erklaren auch die Resultate einer Studie, die sich auf Aggregatsdaten stützte: Nef (1979) hat 137 Vorlagen zwischen den Jahren 1950 und 1977 untersucht und dabei festgestellt, dass die Art der Vorlage über 69 Prozent der Varianz der Ja- Stimmen erklart, was in Anbetracht der in Tabelle 1 enthaltenen Erfolge der einzelnen Institutionenjedoch kaum erstaunt. Siehe auch Schneider (1985: 32).

(34)

fakultativen Referenden. Wie Abbildung 3 zeigt, sollte diese Erkliirung aber nuanciert werden.

Abbildung 3: Abstimmungen nach Institution (1947-1995)

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So kam es zunachst wahrend der beiden Legislaturperioden von 1955-63 zu einem deutlichen Anstieg an obligatorischen Referenden. Zur gleichen Zeit sank aber die Abstimmungsfrequenz bei den Initiativen und, vor allem, bei den fakultativen Referenden. Wahrend der sechs folgenden Legislaturen (1963-87) verlief dagegen die Entwicklung bei allen drei institutionellen Typen mehr oder weniger parallel. In den beiden jüngsten hier berücksich- tigten Legislaturperioden (1987-95) kam es dann emeut zu institutionellen Unterschieden: Initiativen und fakultative Referenden wurden wahrend dieser Zeitspanne wieder vermehrt benutzt, wahrend der seit <lem Ende der siebziger J ahre rückliiufige Trend bei obligatorischen Referenden weiter anhielt. Der emeute Anstieg der Abstimmungen wahrend der letzten beiden Legislaturen ist somit in der Tat auf die intensivere Nutzung der Initiative und des Refe- rendums zurückzuführen.

(35)

Wir haben den Datensatz um die 28 Vorlagen erweitert, über die wahrend der Legislatur 1995-1999 an der Ume befunden wurde (berücksichtigt wurde die Zeitspanne von Ende 1995 bis Marz 1999). 12 dieser Urnengange waren obligatorische Referenden, 6 Vorlagen unterstanden dem fakultativen Refe- rendum und in 10 Fallen betraf die Abstimmung eine Volksinitiative. Auf- grund dieser neusten Entwicklung ergibt sich, dass die sinkende Tendenz beim obligatorischen Referendum gebremst wurde: Letztere stellten wahrend dieser Zeitspanne wieder die wichtigste Gruppe unter den institutionellen Abstimmungstypen. Auch hat die Initiative gegenüber dem fakultativen Refe- rendum wieder deutlich an Boden gewonnen.

Allgemein - und unter Berücksichtigung der angesprochenen Ausnahmen - darf das Verhaltnis der Praxis der drei direktdemokratischen Institutionen auf Bundesebene als recht ausgeglichen betrachtet werden. So überfluteten die Initiativen und fakultativen Referenden das helvetische Abstimmungsge- biet nicht konstant starker, ais das obligatorische Referendum4

Wenn die allgemeine Hochkonjunktur im Abstimmungsbereich zwar nicht mit den Institutionen selber erklart werden kann, so kann sie als eine Konse- quenz der gesteigerten Komplexitat der Gesellschaft einerseits sowie der Entwicklung des schweizerischen Staatswesens andererseits betrachtet werden (siehe auch Trechsel & Kriesi 1996: 196). Zum ersten Faktor: Das Schweizer Institutionengefüge stammt zum grossten Teil aus dem letzten Jahrhundert.

Es ist unbestreitbar, dass sich die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten seither stark verandert haben. Neue Gebiete, wie der Umwelt- schutz, neue soziale und wirschaftliche Entwicklungen, wie die Globalisie- rung, neue Energiequellen, erhohte Personenmobilitat, die rapide Entwick- lung der modemen Technologie und viele andere Prozesse illustrieren diese wachsende Komplexitat. Solche Prozesse führen in der Regel zu einer Aus- dehnung der Verfassungs- und Gesetzgebung. Um dies mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Bevor die Gentechnologie entwickelt wurde bestand kein An- lass, ihren Gefahren rechtliche Schranken zu setzen. Es waren weder Geset- zestexte noch Verfassungsartikel notwendig. Mit der Entstehung der Gen- technologie anderte sich die Situation allerdings dramatisch. Politische Parteien und Gruppierungen, kritische und weniger kritische Experten, Ethi- ker, internationale Organisationen, chemische Industrien, Àrzte, Apotheker,

4 lm übrigen kann darauf hingewiesen werden, dass die Gegenvorschliige zu Volksinitiativen, welche selbstverstiindlich nur durch Initiativen ausge!Ost werden konnen und die in dieser Grafik zu den obligatorischen Referenden geziihlt wer- den, nur gerade 15 Prozent der Abstimmungen in der hier berücksichtigten Zeit- spanne ausmachen. Gegenvorschliige zeigen zudem eine recht ausgeglichene Frequenz über die Zeit.

(36)

Konsumenten, Lebensmittelhandler, sie alle nahmen zur Gentechnik Stellung.

Viele kommen zum Schluss, dass die Gentechnologie, auch wenn man sie bejaht, mit einer staatlichen Kontrolle versehen werden sollte.

So wurde denn die Gentechnologie von der direkten Demokratie auch gleich mehrmals berührt. Am 15. Oktober 1985 lancierte der «Schweizer Beobachter» die eidgenossische Volksinitiative «gegen Missbrauche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen», welche am 13. April 1987 mit 126'686 gültigen Unterschriften zustande kam. Am 21. Juni 1991 beschloss die Bundesversammlung eînen direkten Gegenvorschlag, worauf die Initianten ihr Begehren am 14. August 1991 zurückzogen. Schliesslîch kam es am 17. Mai 1992 zur Volksabstimmung über den Gegenvorschlag des Parlaments, der einen neuen Verfassungsartîkel (Art. 24decîes BV) vorsah und der vom Volk mit 73.8 Prozent der Ja-Stimmen sowie von allen Standen deutlich angenommen wurde. Der neue Verfassungsartikel verpflîchtete die Behürden, eine Gesetzesgrundlage zu schaffen. Mit der sogenannten «Gen- Lex-Motion», welche nach <lem Nationalrat im Marz 1997 vom Standerat an den Bundesrat überwiesen wurde, soll nun eîn Gesetzespaket ausgearbeitet werden, <las nîcht weniger als acht Bundesgesetze5 betreffen wîrd, und <las nach dessen voraussichtlicher Annahme im Parlament <lem fakultativen Refe- rendum unterstehen wîrd. In der Zwîschenzeit wurde aber auch eine zweite Volksînîtîatîve mit <lem Tite! «ZUm Schutz von Leben und Umwelt vor Gen- manîpulation (Gen-Schutz-Initîative)» eingereicht, die eîne ausserst restrîkti- ve Politîk îm Umgang mît der Gentechnik verlangte. Dîeses Volksbegehren wurde am 7. Juni 1998 von Volk und Standen klar verworfen.

Der zweite Faktor, der unseres Erachtens für den spektakularen Abstim- mungsboom mitverantwortlich îst, dürfte in der Entwicklung des schweizeri- schen Staatswesens und însbesondere des Füderalismus liegen. So wird in Art. 3 BV festgehalten: «Die Kantone sind souveran, soweit îhre Souveranitat nicht durch die Bundesverfassung beschrankt îst, und üben als solche alle Rechte aus, welche nicht der Bundesgewalt übertragen sînd.» Mit anderen Worten konnen <lem Bund nur durch eîne Verfassungsanderung neue Kom- petenzen übertragen werden. Trotz des aufwendigen Verfahrens konnte sich im Verlaufe der Zeit ein Zentralisierungsprozess entwickeln. Studien zeigten, dass es zwischen den Jahren 1874 und 1987 zu insgesamt 130 Ânderungen der Bundesverfassung kam, von denen ungeführ zwei Drittel die Kompe-

5 Es handelt sich dabeî um das Bundesgesetz über den Umweltschutz, das Pro- duktehaftpflichtgesetz, das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz, das Tierschutzgesetz, das Lebensmittelgesetz, das Epidemiengesetz, das Landwirt- schaftsgesetz sowie das Tierseuchengesetz (siehe auch den Erliiuternden Bericht zum Vorentwurf «Gen-Lex» vom 15. Dezember 1997).

(37)

tenzteilung zwischen Bund und Kantonen betraf (siehe Fagagnini 1991: 46 oder Kriesi 1995: 45 ff.). Wie Kriesi aber richtigerweise bemerkt, verlief der Zentralisierungsprozess nicht immer problemlos. Vielmehr stellten und stel- len sich ihm regelmassig füderalistische Krafte in den Weg. Trotzdem ist es ein offenes Geheimnis, dass sich die Kompetenzpalette des Bundes in den vergangenen hundert Jahren um eine nicht zu unterschatzende Anzahl neuer Farben bereichem konnte. Dieser Machttransfer, der auch heute stetig voran- schreitet, wenn auch weder in organischer noch in linearer Weise, führt sei- nerseits zu einem steigenden Bedarf an eidgenossischer Gesetzgebung und darnit zu Volksabstimmungen.

lm folgenden mi:ichten wir nun die Bundesebene verlassen und uns der Abstimmungsfrequenz in den Kantonen zuwenden. Wie sieht die jüngste Vergangenheit in den Kantonen aus? Kann auf kantonaler Ebene eine ahnli- che Tendenz zu einer vermehrten Nutzung direktdemokratischer Institutionen vermerkt werden? Verlauft die Entwicklung in allen Kantonen gleich oder gibt es dabei substantielle Unterschiede? Inwiefem lasst sich ein Zusammen- hang zwischen institutionellem Wandel und Abstimmungsfrequenz herstel- len?

(38)

tonen (1970-1996)

Die Politikwissenschaft konnte bis heute nur ein ausserst unvollstandiges Bild der Urnengange auf kantonaler Ebene geben. So beschranken sich die weni- gen vergleichenden Studien, die bis zum heutigen Zeitpunkt erschienen sind, entweder auf einen kurzen Zeitraum (siehe beispielsweise Gullo: 1971 oder Moser: 1985) oder aber auf eine Auswahl an Institutionen (siehe beispiels- weise Moser: 1987 oder Vatter: 1997). In dieser Arbeit mochten wir versu- chen, aile Volksabstimmungen, die in allen Nicht-Landsgemeindekantonen von 1970 bis 1996 stattgefunden haben, zu untersuchen.

Zwischen den Jahren 1970 und 1996 wurde von den Stimmberechtigten in den 21 hier berücksichtigten Kantonen über insgesamt 3064 Sachvorlagen entschieden. Dies entspricht einem Durchschnitt von knapp 146 Abstimmun- gen pro Kanton.

Tabelle 2 zeigt allerdings, dass die Volksabstimmungen sehr ungleichma- ssig über die 21 Kantone verteilt sind. Der klare Abstimmungsspitzenreiter unter den Kantonen ist Zürich: In diesem Kanton mussten die Stimmbürger wahrend der Untersuchungsperiode über insgesamt 380 Sachvorlagen ent- scheiden. Dies entspricht einem Jahresdurchschnitt von mehr als 14 Abstim- mungen. Tabelle 2 zeigt aber auch, dass der Kanton Zürich eine klare Aus- nahme darstellt. Über 110 Abstimmungen trennen namlich das zweitplatzierte Solothurn vom Ersten. Es ist interessant festzustellen, dass sich der Bund auf dem dritten Platz der Rangliste findet. Eine zusatzliche Analyse ergibt zudem, dass, wenn man ausschliesslich die neunziger Jahre betrachtet, der Bund so- gar auf die zweite Stelle (hinter Zürich) vorrückt. Trotz des allgemein be- schrankteren Ausbaus der direktdemokratischen Institutionen im Bund ist deren Praxis im Vergleich zur kantonalen Ebene überdurchschnittlich inten- siv.

Dem unbestrittenen Leader Zürich folgen drei unterschiedliche Gruppen von Kantonen. Zuerst die Gruppe, der Solothurn, Schaffhausen, Basel-Land- schaft, Basel-Stadt, Bern und Graubünden angehüren: Diese Kantone ver- zeichneten wahrend der Untersuchungszeit zwischen 193 und 269 Abstim- mungen. Knapp vierzig Abstimmungen hinter dem letzten Kanton dieser Gruppe bildet Uri die Spitze des Hauptfeldes, dem der Reihe nach die Kanto- ne Thurgau, Aargau, Wallis, Genf, Schwyz, Neuenburg und St.Gallen ange- hüren. Diese zweite Gruppe ist, wie auch die erste, geographisch überaus heterogen, wobei zu beachten ist, dass im Hauptfeld die ersten welschen Kantone (Wallis, Genf und Neuenburg) anzutreffen sind. Weniger ais je hun- dert Abstimmungen verzeichnen schliesslich die Kantone Luzern, Freiburg,

(39)

Tabelle 2: Anzahl kantonale Abstimmungen ( 1970-96) Kan ton

Zürich Solothurn Bund

Schaftbausen Basel-Landschaft Basel-Stadt Bern Graubünden Uri

Thurgau Aargau Wallis Genf Schwyz Neuenburg St.Gallen Luzern Freiburg Zug Waadt

Jura (1978-1996) Tessin

Total (ohne Bund) Total (mit Bund) Quelle: C2D

Anzahl Abstimungen 380

269 223 220 218 202 200 193 154 146 133 128 120 116 115 101 78 74

72 63 41 41 3064 3287

Zug, Waadt, und Tessin. Das Schlusslicht dieser Gruppe bildet der Kanton Jura, der erst im Jahre 1977 Kanton geworden ist. Zu dieser dritten Gruppe gehoren also mehrheitlich Kantone der franzosisch- und italienischsprachigen Schweiz.

Die Streuung ist, wie bereits angetèint, sehr gross: Die durchschnittliche Abstimmungsfrequenz (unter Ausschluss des Kantons Jura, der nicht die ganze Untersuchungsperiode ausfüllt) liegt bei 151.1, die Sandardabweichung bei 81.6. Abbildung 4 verdeutlicht die Unterschiede zwischen diesen drei Gruppen von Kantonen.

(40)

Abbildung 4: Die drei Abstimmungsgruppen ( 1970-1996)

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Wir werden zu einem spateren Zeitpunkt auf die Gründe zurückkommen, die diese breitgefücherte Erfahrung mit direkter Demokratie in den Kantonen erklaren. Vorerst mèichten wir uns der Entwicklung der kantonalen Abstim- mungsfrequenz wahrend der hier berücksichtigten 27 Jahre zuwenden. Wie wir gesehen haben, kam es in dieser Zeit auf Bundesebene zu einem massiven Anstieg der Abstimmungshaufigkeit. Wie steht es damit auf der Ebene der Kantone? Anhand der Abbildung 5 konnen wir diese Frage beantworten.

Die Kurve in Abbildung 5 zeigt eine durchschnittlich stabile Entwicklung der kantonalen Abstimmungsfrequenz. Wahrend der vergangenen 27 Jahre kann, im Gegensatz zur Bundesebene, kein Trend festgestellt werden. Zu Beginn der siebziger J ahre verzeichnet man zwar einen leichten Rückgang der direktdemokratischen Urnengange, ansonsten aber bewegt sich die Kurve nahe am Mittel von 113 Abstimmungen pro Jahr: Die Standardabweichung betragt nur gerade 13.5. Diese Stabilitat erstaunt. Wie Butler & Ranney (1994) feststellen, geht der allgemeine, weltweite Trend in Richtung Intensi- vierung der Abstimmungsfrequenz. Auch im Bund ist diese Entwicklung sehr deutlich, nicht aber auf kantonaler Ebene. Sicherlich ware es denkbar, dass

(41)

Abbildung 5: Entwicklung der Anzahl kantonaler Abstimmungen (1970- 1996)

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die auf Bundesebene sichtbaren Prozesse zeitlich verschoben, das heisst be- reits zu einem früheren Zeitpunkt auch auf kantonaler Ebene einsetzten. Lei- der ist es uns nicht mi:iglich, diese Frage zu beantworten, denn wir besitzen keine weiter zurückreichenden Daten zur Praxis der direkten Demokratie in den Kantonen. Stattdessen wenden wir uns der Frage zu, oh diese Stabilitat auf kantonaler Ebene nicht zufallig ist. Es ist moglich, dass starke interkanto- nale Schwankungen im Aggregat verschwinden und somit der Eindruck hoher Stabilitat erweckt wird. Mit anderen W orten stellt sich die Frage, ob die sta- bile Entwicklung der kantonalen Abstimmungsfrequenz nur ein Scheinbild ist, das in der Aggregierung kantonaler Frequenzen gründet, welche unterein- ander starke Unterschiede aufweisen.

(42)

Abstimmungsfrequenz

Die These der interkantonalen Schwankungen der Entwicklung der direktde- mokratischen Praxis kann anhand der Abbildungen 6 bis 26 bestatigt werden.

In diesen Grafiken haben wir für jeden Kanton einzeln die Abstimmungsfre- quenz über die J ahre abgebildet, wobei wir zwecks besseren Überblicks je- weils Perioden von drei Jahren gebildet haben.

Abbildung 6: Kanton Aargau

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Abbildung 8: Kanton Basel-Land

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