Article
Reference
Tektonik und zyklische Sedimentation in der helvetischen Zone der Schweizer Alpen
CAROZZI, Albert V.
Abstract
In der helvetischen Kreide scheint es also im ganzen so zu sein, daß die einfachen Rhythmen (Feinschichtung und Kalk-Mergel-Schichtwechsel) klimatisch, d.h. exogen, die Zyklen und Großzyklen tektonisch, d.h. endogen, begründet sind.
CAROZZI, Albert V. Tektonik und zyklische Sedimentation in der helvetischen Zone der Schweizer Alpen. Geologische Rundschau , 1954, vol. 42, no. 2, p. 233-237
Available at:
http://archive-ouverte.unige.ch/unige:128099
Disclaimer: layout of this document may differ from the published version.
Sonderabdruck aus der Geologischen Rundschau Band 42, 1954J_..Heft 2
·~5-- ß
TEKTONIK UND ZYKLISCH-E SEDIMENTATION IN DER HELVETISCHEN ZONE DER SCHWEIZER ALPEN
_ Von ALBERT
~OZZI,
Gtni-J<19 s 4
Beirn Versuch, eine Hypothese über die Ursachen der zykllschen Sedi- mentation in der helvetischen Zone aufzustellen, befindet rnan sich vor dern Prob-lern ~ wie übrigens in allen ähnlichen Synthesen -, ist die
Aufsätze
Tektonik oder das Klima als verantwortlich zu betrachten. Ein genaues Studium erlaubt jedoch, die klimatisch verursachten Kleinzyklen von den tektonisch bedingten Großzyklen abzugrenzen.
Bezüglich der Wetterabhängigkeit der Feinschichtung sind keine Zweifel vorhanden, ebenfalls nicht betreffend den klimatischen Ursachen des Kalk-Mergel-Schichtwechsels. Wir haben seit langem (4,8) auf die petro- graphischen Charaktere dieser regelmäßigen Schichtwechsel aufmerksam gemacht und gezeigt, daß diese nicht das Resultat des tausendfältigen Auf und Ab des Meeresbodens sein konnten, sondern in Verbindung mit Ver- änderungen der chemischen Bedingungen sind. Als Ursache der Sedimen- tationszyklen hat W. BRÜCKNER (2) letzthin eine klimatische Hypothese aufgestellt: Es erfolgt eine unaufhörliche Absenkung, ungefähr im Tempo der mittleren Sedimentationsgeschwindigkeit, und gleichzeitig ein zykli- scher Wechsel im ·Kalkgehalt von klimatischer Bedingtheit. Kalkabnahme bedeutet also verlangsamte und Kalkzunahme bescltleunigte Sedimentation, d. h. in kühlen, kalkarmen Zeiten wäre die Sedimentationsgeschwindigkeit kleiner als die Senkungsgeschwindigkeit, und es ergäbe sich eine Meeres- vertiefung. Andererseits hätte die Sedimentationsgeschwindigkeit in war- men, kalkreichen Perioden die Senkungsgeschwindigkeit übertroffen, was Tiefabnahme zur Folge hätte. Je nach Stärke und Dauer der Temperatur- schwankungen ließen sich auf diesem Wege alle Varianten der helvetischen Zyklen befriedigend erklären. Die Klimaveränderungen müßten sich über große Gebiete auswirken, währenddem die Hebungen und Senkungen der bisherigen Zyklentheorie mit Wahrscheinlichkeit nur in relativ eng begrenz- ten Gebieten gleichzeitig sein konnten.
Hierzu möchte ich folgendes bemerken:
1. Bathyme t rische Lage der Kalke und Mergel Gemäß der klimatischen Theorie bestünde ein enger Zusammenhang zwischen dem Vorherrschen der Mergel in kühlen Perioden (Vertiefung) und Kalken in warmen Perioden (neritisch). Die Neritisation müßte sich unbedingt durch einen Übergang von kalkarmen zu kalkreichen Sedimenc ten ausdrüCken, wobei das Gegenteil unmöglich wäre. Ein solcher Über- gang kann vorkommen, aber dessen Verallgemeinerung vereinfacht die epikontinentalen Sedimentationsbedingungen zu stark, da verschiedene Arten von Mergel und Kalken existieren; z. B. viele Zyklen des Berriasien (4, 6, 8) zeigen an ihrer Basis Kalke mit pelagischer Fauna· von Calpio- nellen und Radiolarien (BRÜCKNER's Fauna Nr. 3 von Tiefcharakter), die allmählich durch Kalk-Mergel-Schichtwechsel in Mergel mit benthonischer Fauna (BRÜCKNER's Fauna Nr. 2, teilweise Nr. l) übergehen. Diese litho- logische EntwiCklung ist von einer gleichzeitigen Zunahme an Eisengehalt und klastischen Mineralienzufuhr begleitet. In diesem Falle ist die Tiefen- abnahme deutlich durch die Fauna bezeugt, sie zeigt sich aber lithologisch durch einen Übergang von Kalken zu Mergeln. Im Valanginien besitzen die Zyklen an der Basis die gleichen Mergel wie oben erwähnt, welche nach oben in grobkörnige Korallenkalke übergehen. In diesen beiden 234
Stufen befinden sich die Mergel in bathymetrischer Lage zwischen fein- pelagischen Kalken und littoralischen Riffkalken (6).
Andererseits zeigt die Transgression des Cenomans eine Zunahme der Tiefe, die sich durch den Übergang von glauconitischen und phosphat- haltigen Sandsteinen, quartzosen Mergeln und mergeligen Kalken mit ben~
thonischer Fauna (Inoceramen, Seeigel usw. entsprechend BRÜCKNER's Fauna 1-2) zu reinen Kalken mit pelagischen Kleinforaminiferen (Lage- niden, Globotruncanen, Globigerinen, d. h. Fauna 3, BRÜCKNER) ausdrückt.
Mögen diese Beispiele zeigen, daß eine Vereinfachung der Sedimen- tationsbedingungen der helvetischen Becken zu Trugschlüssen führt, wäh- renddem eine unveränderliche Lage der Mergel und Kalke, ohne Berück- sichtigung ihrer verschiedenen Charaktere, den Resultaten der Ozeano- graphie widerspricht.
2. H o r i z o n t a 1 e r Ü b e r g an g v o n K a 1 k e n z u M e r g e l n Die wichtigsten Bestandteile der Zyklen gehen auf sehr kurzer Distanz ineinander über, und diese Veränderung trifft man häufiger an, als man denken könnte. In diesen Fällen erlauben die petrographischen Charaktere der klastischen Mineralien, den Synchronismus zwischen den Rhythmen herzustellen, in welchen sich die Neritisation durch verschiedene litho- logische Folgen zeigt (7). Zur gleichen Zeit haben sich in eng begrenzten Gebieten kalkarme und kalkreiche Sedimente, sogar ohne nennenswerten Tiefenunterschied, deponiert. Diese Fälle sind im helvetischen Gebiet stark verbreitet, und die klimatische Theorie ist unfähig, diese Variationen, welche durch lokale Temperaturschwankungen verursacht seien, zu er- klären, wenn man andererseits vermutet, daß sich die Klimaänderungen auf große Gebiete auswirken. Diese Sedimentationsbedingungen ohne nennenswerte. Tiefenänderungen werden mittelst der unterseeischen Mor- phologie und der Verteilung der Bodenstörungen viel besser erklärt.
3. H o r i z o n t a l e V erb r e i t u n g d e r Z y k 1 e n
In einem stratigraphischen Glied beobachtet man, daß sich die Zahl der Zyklen für eine Mächtigkeitseinheit viel und unabhängig von der Lithologie verändert. Man sollte in diesem Falle wieder klimatische Perio- dizität mit starken Veränderungen auf kleinräurnigem Gebiet in Betracht ziehen, w.ährenddem wir annehmen, daß in einem epikontinentalen Gebiet in der Absenkungsphase die lokale Empfindlichkeit von den Eigentümlich- keiten des Substratums gegenüber tektonischen Wirkungen abhängt (5).
Wir haben seit 1948 auf diese Faktoren aufmerksam gemacht, die später von KRUMBErn's Schule als „tectonic control of lithologic associations" über- nommen und entwickelt wurden. Andererseits hat BRÜCKNER zwischen den verschiedenen Arten von Zyklen und Großzyklen (6) keinen Unterschied gemacht, welche mit den Schemen von P. ARBENZ (1) und S. VON BuBNOFF (3) übereinstimmen.
Aufsätze
4. V e r t i k a l e V e r b r e i t u n g d e r Z y k l e n
Gewisse Gebiete zeigen einen starken oder schwachen zyklischen Charak- ter, der sich durch verschiedene lithologische Schichtenreihen fortsetzt.
Der zyklische Charakter ist also gemäß privilegierten Zonen verteilt, welche sich später während den Paroxysmen zu bestimmten tektonischen Einheiten entwickeln werden. Die klimatische Hypothese würde also eine Verbindung zwischen diesen submarinen, embryoartigen Strukturen eines Beckens und den veränderlichen Klimaschwankungen hervorrufen. Wir denken in der Tat, daß die tektonischen Einflüsse im helvetischen Becken seit langem privilegierte Gebiete verursacht haben (5).
5. Para II e li sie r u n g mit Hilfe der Sedimentations - zyklen
Wir haben oben darauf aufmerksam gemacht, daß die Zahl der Zyklen in horizontaler Richtung in einem stratigraphischen Glied wechselt. Dieser horizontale Fazieswechsel verkleinert den Wert der Parallelisierung mit Hilfe der Sedimentationszyklen, weil die Zyklengrenzen nicht gleichaltrig sind. Nur die Großzyklengrenzen konnten zu diesem Zwecke benützt wer- den, denn sie entsprechen den wichtigsten Phasen der Gebirgsbildung.
6. As y mm et r i scher Bau der Sedimentations z y k 1 e n Die helvetischen Sedimentationszyklen zeigen, wie viele andere außer diesem Gebiet (4), eine allmähliche Abnahme der Meerestiefe, in verschie- denen Fällen bis zur Emersion und meistens begleitet von Erosions- oder Lösungsvorgängen, worauf eine relativ rasche Zunahme folgt. Diese lang- same Deformation, begleitet von einer raschen Zurückkehr nach dem Gleichgewicht, scheint für die tektonischen Tätigkeiten charakteristisch zu sein (diktyogenetisch) und hat meines \Vissens kein klimatisches Äquivalent.
7. Die tektonischen Faltungsphasen
Während der Ablagerung der helvetischen Kreideschichtenfolge hat zweifellos eine Absenkung stattgefunden, denn 1200 m von epikontinen- talen Sedimenten wurden dort aufgehäuft. Aber es ist schwer anzunehmen, daß diese Absenkung ohne jegliche Störung vom Malm bis zum Maestrich- tien unaufhörlich und ungefähr im Tempo der mittleren Sedimentations- geschwindigkeit verlaufen sei. Der helvetische Trog wäre unter diesen Umständen durch die tektonischen Faltungsphasen (jungkimmerisch, austrisch, subherzynisch und laramisch) nicht beeinflußt worden, und die helvetischen Faltungen würden somit keine vortertiäre Geschichte wie die anderen Sedimentationsbecken besitzen.
Da die Spuren dieser tektonischen Faltungsphasen meistens mit den Großzyklengrenzen übereinstimmen (6), müßte man gemäß der klimati- 236
den kühleren Perioden der Klimaschwankungen annehmen.
Zusammenfassung
In der helvetischen Kreide scheint es also im ganzen so zu sein, daß die einfachen Rhythmen (Feinschichtung und Kalk-Mergel-Schichtwechsel) kli- matisch, d. h. exogen, die Zyklen und Großzyklen tektonisch, d. h. endogen, begründet sind (3).
Schriften
1. ARBENZ, P.: Probleme der Sedimentation und ihre Beziehungen zur Ge- birgsbildung in den Alpen. Festschrift ALBERT HEIM, Vierteljahrsschrift Natur Ces. Zürich 64, 246, 1919. - 2. BRÜCKNER, W.: Lithologische Studien und zykli- sche Sedimentation in der helvetischen Zone der Schweizer Alpen. Geol. Rdsch.
39, 196, 1951. - 3. VON BuBNOFF, S.: Rhythmen, Zyklen und Zeitrechnung in der Geologie. Geol. Rdsch. 35, 6, 1947. - 4. CAROZZI, A.: Contribution
a
l'etud~des rythmes de sedimentation. Archives des Sciences 3, 17, Geneve 1950. - 5. Tectonique et rythmes de sedimentation. Idem, 4, 24, 1951. - 6. Sedimentation rythmique dans la nappe de Morcles-Aravis. Proc. Third Int. Cong. Sedimen- tology Wageningen, 81, 1951. - 7. La notion de synchronisme en geologie. Rev.
Gen. Sciences Paris, 58, 7-8, 1951. - 8. Rythmes de sedimentation dans le Cretace helvetique. Geol. Rdsch. 39, 177, 1951.