DER TRACHTWERT VON POLYGALA CHAMAEBUXUS
Annemarie FOSSEL
Aigen
inz Ennstal(Autriche)
SOMMAIRE
Der
Xwergbuchs,
Polygala (hamaebuxus, ist in denAlpen
auf sonnigen, trockenen Magermattenauf Ka)kunter)age sehr verbreitet und seine weissgelbeii Blüten werden lebhaft von IIonigbienen
besucht. Dennoch lassen sich bei der
pollenanalytischen
Untersuchung vonhrühtrachthonigen
keinePollenkörner von
Polygala
chamaebuxus nachweisen, obwohl ihr Bau so charakteristisch und auffallend ist, dass sie kaum übersehen werden können. Der Autor beobachtete daher die Bienen beim Besuch der Blüten und stellte fest, dass dieHonigbienen
hiergeschickt
Nektardiebstahl begehen und beimBlütenbesuch
garnicht
mit den Staubbeuteln in Berührung kommen, so dass der eingetragene Nelctarz
W
<lngslä l
l f1g pollenfrei
ist.EINLEITUNG
Mein Bienenstand befindet sich im steirischen
Ennstal,
einem von West nachOst verlaufenden
Gebirgstal,
zwischen derZentralalpenkette
und den NördlichenKalkalpen
in 680 m Seehöhe. Dieses Tal ist einausgesprochenes Frühtrachtgebiet,
wo die ersten
ausgiebigen Waagstockzunahmen
bereits EndeApril
oderAnfang
Mainach
wenigen
vorangegangenenFlugtagen
mit Pollentracht ganz unvermittelt ein- setzen. Der Monat Mai ist hier die beste Trachtzeit desBienenjahres
und liefertje
nach
Wetterlage 5 o-So
p. 100 dergesamten Honigernte.
Obst,
Weiden(Salix), Bergahorn (Acer pseudoplatanus)
und die ersten F’rüh-lingsblumen bringen
sonst imallgemeinen
nur eineEnt!s·icklungstracht,
die dieBienenvölker erstarken lässt und dabei fast zur Gänze verbraucht wird. Im Ennstal kommt es
dagegen
zuTageszunahmen
bis zu 4kg,
so dass aus der FrÜhtracht ge- schleudert werden kann.Diese
Frühtrachthonige
sindpollenreiche Blütenhonige,
die in ihrem Sediment bei derpollenanalytischen Untersuchung
die ganze, artenreiche Flora desBerg- frühlings enthalten,
die denHonigbienen
Nektarliefert,
nur derZwergbuchs
fehltim Pollenbild !
Den charakteristischen Pollen von
Poly g ala
chamaebuxus mit seinen 12-1
6
Längsfalten
konnte ich bisher noch in keinemPrühtrachthonig finden,
obwohldie wohlriechenden Blüten von den
Honigbienen
sehr lebhaftbeflogen
werden undin grosser
Menge
vorkommen. Erst dieBeobachtung
der Sammlerinnen klärte dieseFrage
und machte mich auf eine guteTrachtquelle aufmerksam,
von der das Pollen- bild derHonige
nichts verrät.SYSTEMATIK UND VERBREITUNG VON « I’OI,YC!AI,A CHAMAEBUXUS »
Polygala chamaebuxus,
wegen derimmergrünen, ledrigen
Blätter Zwerbuchsgenannt
und im Volksmund als Marillenblümerlbezeichnet,
weil es köstlich undzart nach Marillen
(Aprikosen) duftet, gehört
zur Familie derPolygalaceen (Kreuz- blumengewächse),
einer in sichgeschlossenen,
sehr natürlichenPflanzenfamilie,
diemit keiner anderen näher verwandt
ist,
was sich auch imeigenartigen
Bau der Pollen-körner
zeigt,
die nach ZA-,DLR( 1941 ),
durch eine grosse Zahl von schmalenLängs-
falten oder Schlitzen
( 9 - 24 ) gekennzeichnet
sind.Die Familie umfasst nach Hzcr
( 1935 )
10Gattungen
mit ca 800Arten,
vondenen die
Gattung 1’oly!ala
mit über 450 Arten diegrösste
undzugleich kosmopo-
litisch ist. Die Sektion Chamaebuxus mit ca 23 Arten ist
hauptsächlich
in der Nord-hemisphäre
verbreitet(America, Asien, I;uropa),
reicht aber auch bis insKapland
von Afrika.
Meine
Beobachtungen
beziehen sich nur aufPoly;ala
chamaebuxus.Der
niedere,
bis 30cm hoheZwergstrauch
ist in der ganzenAlpenkette
von Süd-frankreich bis zu den
Ostalpen
und in denIllyrischen Gebirgen
beheimatet undgehört
zummediterran-präalpinen
Element oder zurpontischen Steppengemeinschaft.
Die Pflanze ist ein
reichverzweigter Halbstrauch,
der mit Vorliebe auf Kalkgedeiht,
aber auch aufGranit, Gneis, Porphyr
und Glimmerschiefer dichteTeppiche
bildet,
die in Gesellschaft von Erica carnea oder Callunavulgaris,
Vaccinium sp.,Helianthemum, Thymus
usw.,gute Trachtgebiete
darstellen.In Osterreich ist das Marillenblümerl besonders auf Kalk von der Ebene bis in die untere
alpine
Stufe stellenweise starkverbreitet,
im Wallis(Schweiz) steigt
essogar bis 2
4 8 0
m. A bb. 1zeigt
blühendenZwergbuchs
in einemSchwarzföhrenwald
(Pinus aust y iaca)
in IBTieder-Osterreich undveranschaulicht,
wie dicht und ausge- dehnt diese Bestände sind.BI,ÜTFNBAU
UNDBESTÄUBUNGSVERHA.I/TNISSE
Die
Blütenknospen
vonPolygala
chamae buxus werden schon im Herbstangelegt
und treten voll entwickelt in die Winterruhe
ein,
bedürfen aber in denAlpen
desSchutzes einer winterlichen Schneedecke.
Die
weisslichgelben,
etwa r5 mmlangen Blüten,
die sich imzeitigen Frühjahr
öffnen, besitzen 5 Kelch- und 5 Kronblätter von
ungleicher
Gestalt.Das obere Kelchblatt ist
blassgrün,
klein undhochgewölbt
oder wie eineKappe geformt
und verdeckt denEingang
zum Nektar. Die beiden seitlichen Kelchblätter sind gross,länglich-spatelförmig
undweisslich,
wie Kronblätter und bilden zweiaufgerichtete
oderzurückgeschlagene
Fahnen. Auf der Unterseite befinden sich die beiden restlichenKelchblätter,
dieklein,
schmal undblassgrün
sind. Die zwei Fahnen färben sich nach der Blüte braunrot oder purpurn.Die 5 Kronblätter
schmiegen
sich dicht aneinander und bilden einen seitlichzusammengedrückten Behälter,
eine ArtSchiffchen,
das sich nur nach oben öffnet und die 8-10 Staubblätter und denoberständigen
Fruchtknoten samt Griffel und Narbe umschliesst. Die seitlichen Kronblätter sindgelb
oderweisslich,
das vordere istzitronengelb
bisorangerot
und färbt sich nach der Blüte purpurn bis bräunlich.Die Blüten von
Polygala
ch2maebuxus sindproterandrisch,
diedreifächrigen
Staubbeutel lassen ihre drei
Klappen
schon in derBlütenknospe aufspringen
undentleeren den
gelben,
starkölhaltigen
Pollen in den Vorderteil des von den Kron- blätterngebildeten
Behälters.Als Bestäuber kommen vor allem Hummeln in
Frage,
die sich auf dem waag- recht stehenden Schiffchen niederlassen und esherabdrücken,
wobei ihnen ein Teil desPollens,
der sich im Behälterbefindet,
an den Bauchgedrückt
wird. Auch die Narbe tritthervor,
berührt den Insektenleib und kann so mit Blütenstaubbelegt
werden.
Selbstbestäubung führt
nicht zurFruchtbildung.
Der Nektar wird am
Blütengrunde
von einer Drüseabgesondert,
die aus demreduzierten Diskus
hervorgegangen
ist. DieNektarproduktion
ist soreichlich,
dassman den
Tropfen
mit freiemAuge
erkennenkann,
wenn man das obere Deckblatt abhebt.INSEKTENBESUCH UND TRACHTWFRT
In meinem
Beobachtungsgebiet
wird derZwergbuchs
vor allem vonHonigbienen
und räuberischen Hummeln besucht. Stellenweise werden über go p. 100der Blüten
von Hummeln
ausgeraubt.
Die Hummeln beissen entweder ein Loch in das obere Kelchblatt
(A bb. 2)
odersie zwicken die
Spitze
des Kelchblattes einfach ab undgelangen
so mit ihrem Rüsselzum Nektar. Sie sind dabei so flink und
geschickt,
dass man zunächst kaumbemerkt,
was hier
vorgeht.
Eine Hummel soll nach HEGI( 1935 )
in 5 Minuten 4oLöcher
beissen können! 1Ein Teil der
Honigbienen
benützt die Einbruchslöcher derHummeln,
um Nektarzu sammeln. Sie bilden eine
gut eingeflogene Diebsbande,
die aus den grossen Bisslö- chern der räuberischen Hummeln mühelos Nutzen zu ziehen weiss.Abb. 3
zeigt
uns eine solche Biene und wir erkennendeutlich,
dass sie sich seit- lich des Schifichensniedergelassen
hat und mit den von den Kronblättern umschlossenen Staubbeuteln und der Narbe
garnicht
inBerührung
kommt.Der Bau und die
Stellung
der Blüten verhindernauch,
dass derBlütenstaub,
der ganz vorn im Schiffchen
deponiert ist,
durch Zufall zum Nektargelangt,
denndie Nektardrüse befindet sich hinter dem
Fruchtknoten,
wie die Skizze auf A bb. 2zeigt.
Eine grosse Zahl von
Honigbienen
ist aber nicht von den Bisslöchern der Hummelnabhängig,
sondern benützt einen andernWeg.
Diese Diebefliegen
dieMarillenblümerln ganz seitlich an und
zwängen
ihren Rüssel am Ansatz der Blüte unter das obere Kelchblatt und erreichen auf diese Weise den Nektar. Nach der grossen Zahl der sammelndenHonigbienen
zuschliessen,
ist dieseNektarquelle
sehrbeliebt. Man findet aber stets nur diebische
Nektarsammlerinnen,
nie eine Biene mitPollenhöschen,
so dass dieHonigbiene
nach meinenBeobachtungen
nicht zu denBestäuberinnen von
Polygala
chamaebuxus zu zählen ist.Frischt man
einige
blühendeZweige
vonZwergbuchs
zu Hause in Wasserein,
so
zeigt
sichbald,
dass der Nektar so reichlichabgesondert wird,
dass er an derStelle,
an der die Bienen saugen, zwischen den Kelchblättern austritt. Ich halte daher denZwergbuchs
für eine sehrgute Trachtquelle,
diegewiss
überalldort,
wo diePflanze in grossen
Mengen gedeiht
eine bienenwirtschaftlich nicht unbedeutende Rollespielt.
SCHI,UssFol!c!tRUNG
Um das
Trachtangebot
imFlugkreis
bestimmter Bienenvölker genau kennenzu lernen
ist,
wieobiges Beispiel zeigt,
neben derpollenanalytischen Untersuchung
von zahlreichen
Honigproben
auch eine Kontrolle der verbreitetstenTrachtpflanzen,
die Kenntnis ihres Blütenbaues und die
Beobachtung
desBienenbesuches
sehrwichtig.
Beim Besuch von
Polygala
ehamaebuxus erweisen sich dieHonigbienen
alssehr
geschickte Nektardiebe,
die in grosser Zahl eine sehr verbreiteteNektarquelle ausbeuten,
ohne dass sich diese Tracht im Pollenbild dergeernteten Honige
bemerk-bar macht. Bei den ersten
Frühjahrsblumen
ist dies zwar beiTröpferltracht
leichtmöglich,
weil dergrösste
Teil desSammelgutes
bei der stürmischenEntwicklung
derBienenvölker sofort wieder verbraucht
wird,
aber inausgesprochenen
FrÜhtracht-gebieten,
wie z. B. iml!&dquo;nnstal, pflegt
die ganze Skala der erstenNektarspender
imPollenbild vertreten zu sein.
Der Blütenbau und das Verhalten der
Honigbienen erklären,
wieso beim Besuchvon
Polygala
chamaebuxusüberhaupt
kein Pollen in denHonigmagen
der Nektar- sammlerinnengelangt.
Diese
Feststellung
schmälert in keiner weise dievielseitige Aussagskraft
derheute bereits altbewährten
Pollenanalyse,
sondern beweist nur, dass die Tracht-quellen
der Bienen und die Geschicklichkeit der kleinen Sammlerinnen noch immer nicht bis in alle Einzelheiten bekannt sind.Recu pour
publication
enjuin
r967.RÉSUMÉ
LA RÉCOLTE DU POLLEN ET DU NECTAR SUR « POLYGALA CHAMAEBUXUS »
Le buis nain,
Polygala
chamaebuxus, est trèsrépandu
dans lesAlpes,
dans lesprairies maigres,
sèches et ensoleillées, sur les sols calcaires ; ses fleurs
jaune
clair sont activement visitées par les Abeilles.Cependant l’analyse pollinique
de miels provenant d’une miellée précoce ne montre aucunpollen
del’olygala
chamaebuxus alors que samorphologie
est sicaractéristique
et sifrappante qu’il
est difficile de ne pas le voir. C’est
pourquoi
l’auteur a observé lebutinage
des abeilles et a constatéqu’elles
dérobent adroitement le nectar sans entrer en contact avec les anthères des fleurs visitées si bien que dans le nectar ainsi obtenu iln’y
a absolument pas depollen.
SUMMARY
THE POLLEN AND NECTAR HARVEST OF « POLYGALA CHAMAEBUXUS p
The dwarf box
(Polygala
chamaebuxus) is verywidespread
in theAlps
in poordry
and sunny meadows on calcareous soils ; itsbright yellow
flowers aroactively
visited by bees. However,pollen analysis
of honeys from anearly
honey-flow shows no pollen fromPolygala
chamaebuxus. For thisreason the author observed the
honey-gathering
of bees on these flowers and established thatthey
remove the nectar so
skilfully
thatthey
do not come into contact with the anthers.ZUSAMMENFASSUNG
Die niedere, dichtverzweigte Polygala charreaebuxus ist in den Alpen von der Ebene bis in die untere alpine Stufe auf sonnigen Magermatten stark verbreitet und bildet in Gesellschaft von Erica
carnea oft
ausgedehnte
Bestände, die schon im erstenFrühjar
blühen. Die nektarreichen, zart nach Marillen duftenden Blüten locken neben räuberischen Hummeln auch zahlreicheHonigbienen
an,die
jedoch
dieBestäubung
nicht vollziehen sonderngeschickt
Nektardiebstahlbegehen,
indem sieentweder die Einbruchslöcher der Hummeln benützen oder seitlich zwischen den Kelchblättern einen
illegalen Zugang
zum Nektar finden.Durch diese Art des Blütenbesuches und den besonderen Bau des
Zwergbuchses
gelangt keinPollen in den Ncktar oder in den
Honigmagen
der Sammlerinnen, so dass dieseTrachtquelle
immikroskopishcen
Pollenbild derHonige
nicht nachzuweisen ist, obwohl sie stellenweise bienenwirt- schaftlich eine nicht unbedeutende Rollespielen
dürfte.LITERATUR
H
EGI G., 1935. Illustrierte Flora Mitteleuropas, Bd 5-1, 86-95, Karl Hanser-Verlag BW nchen.
Z AND E
R E., r9qr. Beiträge zur Herkunftsbestimnzung bei Honig, Bd. 3, 48-50, Verlag Liedloff, Leipzig.