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in den Jahren 1836–1844

VI.2 Denkmälerstatistik

Vom dritten Band an führte das ,Bulletin Monumental‘ den Anspruch einer Denkmälersta-tistik bereits im Titel: ,Bulletin Monumental ou Collection de Mémoires et de renseigne-ments pour servir a la confection d’une statistique des monurenseigne-ments de la France classé chro-nologiquement‘ und auch das angesprochene Bemühen um eine homogene Methode wird proklamiert. Das beste Mittel, um die Denkmäler vor ihrer Zerstörung zu bewahren, sei es, auf ihre Existenz aufmerksam zu machen, sie zu beschreiben und sie in methodischen Katalogen festzuhalten. Diese Kataloge wurden erstmals von de Caumont als Denkmäler-statistiken (statistiques monumentales) bezeichnet, und dieser Begriff fand bei den meisten Archäologen Anklang. Um die Statistiken vernünftig einzusetzen und das Alter der Denk-mäler nach sicheren Angaben bestimmen zu können, benötigte es eine einheitliche Methode.

Im ,Bulletin‘ von 1842 stellte de Caumont ein Musterbeispiel für eine Denkmälersta-tistik für ein einzelnes Departement vor.297 Dabei setzt er sich klar für eine geographi-sche Ordnung ein, die ja eigentlich allein schon durch die Aufteilung in Departemente gegeben ist. Auch wenn er bei Arbeiten, die sich mit einem einzigen Kanton beschäftigen, oder bei Monographien, die nur die wichtigsten Denkmäler einer Region umfassen, eine chronologische Ordnung für vertretbar hält, so sei eine solche für die Denkmälerstatistik eines ganzen Departements mit allen kleineren und größeren Objekten in chronologischer Reihenfolge nicht praktikabel. Auf den Einwand hin, dass man weniger katalogartig und analytisch vorgehen sollte, um nicht zu einem geographischen Lexikon zu verkommen, sondern eher nach Kunstepochen zu ordnen, um damit eine Kunstgeschichte des Landes zu entwerfen, entgegnet er, dass man wohl beides idealerweise miteinander verbinden, also auf die Beschreibung der Einzeldenkmäler einen Gesamtüberblick folgen lassen sollte.

296 B. M. 3 (1837), S. 466f. 297 B. M. 8 (1842), S. 264ff.

Im vierten Heft des dritten ,Bulletin‘ kommt es zum Abdruck eines Plans zur Erstel-lung einer Denkmälerstatistik, der durch den Congrès scientifique de France vorgeschlagen wurde.298 Auf dessen vierter Tagung 1836 in Blois wurde dieser Plan von einer eigens dafür eingesetzten Kommission erarbeitet, und mit ihm sollte ein Vorgehen für die systematische Erfassung der französischen Denkmäler des Mittelalters etabliert werden. Zunächst defi-nierte die Kommission den zeitlichen Rahmen, den sie unter dem vagen Begriff ,Mittelalter‘ verstand: Es beginne mit dem Eindringen der Franken und Goten in das Gebiet des heutigen Frankreichs und ende mit der Renaissance der Künste in Frankreich, d. h. mit den zehn letzten Jahren des 15. Jahrhunderts. Der erste Teil einer guten Denkmälerstatistik müsse die religiöse und politische Geographie des Landes aufzeigen. Für die dazu zu erstellenden Karten sollten folgende Kriterien gelten: 1. Aufteilung des Territoriums in Nationen und gallische Völker, 2. die Unterteilung in kirchliche Einheiten, 3. die Unterteilung in weltliche Herrschaften, 4. die herrschaftliche Unterteilung der zweiten Epoche in Markgrafenämter, Grafschaften, Vizegrafschaften und Baronien. In diese Karten aufgenommen werden sollten auch die Namen der Klöster und Monumente und die Veränderungen dieser Namen über die Zeiten. Nach der geographischen Ordnung müsse die eigentliche systematische und chronologische Katalogisierung der Denkmäler erfolgen. Bei den Kriterien dafür folgte die Kommission nicht unbedingt überraschend den von Arcisse de Caumont in seinen ,Cours des Antiquités‘ aufgestellten Klassen (religiöse Denkmäler, militärische und zivile), die dann wiederum mit den bereits bekannten chronologischen Einteilungen untergliedert wurden.

Warum ist dieser Rückgriff auf de Caumont an dieser Stelle nicht überraschend? Weil de Caumont nicht nur wesentlich am Zustandekommen des Congrès scientifique de France beteiligt war, sondern auch aktiv an der Sektion Geschichte und Archäologie mitwirkte, auch wenn er selbst nicht Mitglied der besagten Kommission war. De Caumont schaffte es also nicht nur über das ,Bulletin Monumental‘, sondern auch über den Congrès scienti-fique, der alle provinzialen wissenschaftlichen Gesellschaften Frankreichs vereinen wollte, seine Botschaften, in diesem Fall seine Kriterien für eine Denkmälerstatistik, geschickt zu verbreiten. Umgekehrt muss man aber auch festhalten, dass seine Ideen und seine Pionier-arbeit anscheinend bei einer Mehrheit der Archäologen und Gelehrten Anklang und Aner-kennung fanden.

Auf der Generalversammlung der Société vom Juli 1839 in Amiens wurde vorab von de Caumont ein Fragenkatalog formuliert. Neben Fragen zu archäologischen Funden und geschichtlichen Abläufen auch solche zur Klassifizierung der Denkmäler oder zur Erstel-lung einer brauchbaren Denkmälerstatistik. Der konkrete Fragenkatalog wurde bereits in Kapitel IV zitiert und soll deshalb hier nicht noch einmal wieder gegeben werden. Dieses Hilfsmittel sollte zu einer möglichst einheitlichen Denkmälerstatistik führen und offenbarte

298 ,Plan, proposé par le Congrès scientifique de la France, 4e. session, pour la confection d’une Statistique monumentale et historique de la France au moyen âge‘, in: B. M. 3 (1837), S. 205ff.

bereits ein methodisches Herangehen, also eine gewisse Wissenschaftlichkeit im Umgang mit der Materie. In den Antworten wurde eingestanden, dass man zwar bereits eine große Anzahl an Denkmälern besichtigt habe, sie jedoch noch nicht ausreichend genug kenne, um sie chronologisch einordnen und eine komplette Statistik anlegen zu können. Das Bemühen um die Erfassung des Denkmälerbestandes allein reichte natürlich nicht aus, es benötigte auch eine gewisse Kennerschaft und spezielle Arbeitsinstrumente, um eine fundierte Klas-sifikation zu erhalten.

Arcisse de Caumont forderte trotzdem dazu auf, wenn auch zunächst nur summarisch, alle Kirchen zu beschreiben, selbst diejenigen, die architektonisch von geringerem Interesse seien. Denn eine Denkmälerstatistik müsse alle Monumente umfassen, egal welchen Alters sie seien. Dies scheint mir für die damalige Zeit ein erstaunlich weit gefasster Denkmalbe-griff, denn er schließt implizit auch diejenigen der Neuzeit, also der damaligen Gegenwart, mit ein.

Unter dem Titel ,Questions‘ wird im ,Bulletin‘ von 1840 nach mehrfachem Nachfragen von Mitgliedern ein Fragenkatalog von de Caumont publiziert, den dieser bereits 1830 verfasst hatte und der für die archäologischen Untersuchungen als Richtlinie gelten sollte.299

Jedes Mitglied war aufgefordert, diese Fragen für seine eigene Region zu beantworten und die Ergebnisse dann zurück an den Direktor zu schicken. Die Unterteilung erfolgte zunächst chronologisch in keltische, gallo-römische und mittelalterliche Denkmäler und unter diesen zum Teil dann nach geographische Kriterien und in andere Denkmaltypen. Unter den geographischen wurden so unterschiedliche historische Zeugnisse wie Strassen, Herr-schaftsbereiche, Grenzmarken und ähnliches abgehandelt. Die konkreten Fragen bezogen sich auf Anzahl von Artefakten in der Region, deren zeitliche Einordnung, ihr Aussehen bis hin zu Maßangaben und Materialität, ihre Verbreitung und ihre Rezeption durch volkstüm-liche Traditionsüberlieferungen. Von den insgesamt 63 Fragen entfielen lediglich elf auf die Epoche des Mittelalters, und explizit wurden Fragen bezüglich der mittelalterlichen Archi-tektur ausgeklammert, weil diese zu umfangreich seien und auch zu unterschiedlich für die verschiedenen Regionen, so dass sie de Caumont einzeln an die entsprechenden Vertreter verschicken würde. Man merkt diesem frühen Erfassungs- und Ordnungsversuch seine Startschwierigkeiten noch an, denn die Art und Abfolge der Fragen wirkt etwas willkür-lich und lässt eine brauchbare Systematik vermissen.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass es auch Eingeständnisse gab, mit den Kategorien von de Caumont nicht zurecht zu kommen. So wandte Jules Renouvier in seinem Versuch einer Klassifizierung der Kirchen in der Auvergne ein, dass ihm bei seinem Untersuchungs-gegenstand, die von de Caumont für die normannischen Bauten verwendeten Regeln und

299 ,Questions. Rédigées en 1830 par M. de Caumont pour les enquêtes archéologiques, et adoptées en 1834 par la Société Française pour la conservation des Monuments‘, in: B. M. 6 (1840), S. 80–85.

die Terminologie nicht weiter gebracht hätten und er sich deshalb an die Modelle von Willis für italienische und Whewell für deutsche Bauten gehalten habe.300 Diese empfehle er vor allem für den Übergangsstil von Romanik zur Gotik als Autoritäten. Aus seinen verglei-chenden Betrachtungen von Kirchen der Auvergne mit solchen im Midi oder auch in der Normandie zieht er dann Rückschlüsse auf stilistische Entwicklungen.

Dass sich auch de Caumont selbst an seinen englischen Kollegen orientierte, wird in seinen Berichten über deutsche Kunstdenkmäler deutlich. Zum Beispiel in demjenigen über die religiöse Architektur des 11.–13. Jahrhunderts in den Rheinlanden (Köln, Kaiserdome, etc.), die er auf einer Exkursion besichtigt hatte.301 Bei seiner vergleichenden Untersuchung der Denkmäler der dortigen Region mit dem Denkmälerbestand im Westen Frankreichs greift er explizit auf die bereits publizierten Erkenntnisse des Engländers Whewell und seines Landsmannes und Institutsmitgliedes Schweighauser zurück. Von der Ausdehnung der Denkmälerstatistik über die Grenzen Frankreichs hinaus verspricht sich de Caumont Aufschlüsse über die Entstehung und die geographische Verbreitung des Style ogival in ganz Europa. Die Ursachenforschung für die Verspätung der Gotik in Deutschland gegenüber Frankreich überlässt de Caumont seinen deutschen Kollegen.

Er berichtet auch über die Museen von Mainz, Speyer und Mannheim und gesteht ein, dass die Franzosen sich zahlreicher Akte des Vandalismus in den Rheinlanden schuldig gemacht und aus dem Mainzer Dom einen Pferdestall gemacht hätten. Darüber hinaus stellt er fest, dass man sich in Deutschland des Nutzens der Denkmäler bewusster sei und ein größeres Interesse vorherrsche, diese zu erhalten, als das in Frankreich der Fall sei.302 Das scheint aus der heutigen Perspektive eine erstaunliche Erkenntnis, denn gerade eine so breit angelegte Bewegung zur Denkmälererfassung und -erhaltung, wie de Caumont auf privater und Vitet und Mérimée auf staatlicher Seite sie seit den 30er Jahren in Frankreich im Begriff waren aufzubauen, war in Deutschland noch lange nicht in Sicht.

Der Blick über die nationalen Grenzen hinaus geht sogar so weit, dass im ,Bulletin‘ von 1838 ein historischer und architekturgeschichtlicher Abriss über den Dom von Speyer vom dortigen Bischof J. Geissel inklusive eines Grundrisses abgedruckt wird. Weitere Berichte über die Forschungssituation in Deutschland folgten. So z. B. ein ,Coup-d’œuil sur les Ouvrages publiés en Allemagne, concernant l’architecture du moyen âge‘ von M. Miche-lant.303 Man muss sich also fragen, warum man im ,Bulletin‘ gerade erst den Anspruch einer französischen Denkmälerstatistik formuliert hatte und schon kurz darauf den Rahmen auf die Dokumentation weiterer europäischer Länder erweiterte. Diese Strategie der Einbe-ziehung nicht nur der eigenen Forschung zu ausländischen Denkmälern, sondern auch der

300 Jules Renouvier, Essai de classification des églises d’Auvergne, in: B. M. 3 (1837), S. 376. 301 Ibid., S. 233.

302 Ibid., S. 427.

europäischen Forschung über Vergleichsmaterial kommt einer modernen Kontextualisie-rung ziemlich nahe und wird in den folgenden Bänden kontinuierlich fortgesetzt.

So findet sich im ,Bulletin‘ von 1839 gleich als erster Beitrag eine Abhandlung unter dem Titel ,Relation d’une excursion monumentale en Sicile et en Calabre‘ des englischen Parlamentsmitgliedes M. Gally-Knight, versehen mit einer historischen Einführung über die normannische Eroberung von Sizilien. Dabei handelt sich um eine annotierte histori-sche Abhandlung, die aus dem Englihistori-schen ins Französihistori-sche übersetzt wurde und inklusive einer anschließenden ,Dissertation sur l’architecture ogivale‘ insgesamt über 200 Seiten und damit beinahe die Hälfte des gesamten Bandes einnimmt. Bei diesem bedeutenden Platz, den man einem englischen Forschungsbericht über sizilianische Kunstdenkmäler des Mittelalters einräumte, stellt sich die Frage, ob denn die Konzeption einer französi-schen Denkmälerstatistik auf der Strecke geblieben sei. Der Nutzen dieser Vorgehensweise wird jedoch schon im einleitend publizierten ,Avertissement‘ deutlich: zum einen hätten die Mitglieder der Société diesen Beitrag von de Caumont gefordert.304 Zum anderen sollte er offenbar als vorbildlich für die eigene Arbeit dargestellt werden: de Caumont betont ausdrücklich die klaren, präzisen und vollständigen Beschreibungen, das nach Bedeutung abgestufte Interesse für alle Details und die Bereitschaft des Autors seine Erkenntnisse mit Autoritäten des Faches zu diskutieren.305

Und auch an der folgenden Abhandlung über den architektonischen Charakter der Kir-chen Siziliens, die zu einer Analyse darüber führte, wie der gotische Stil seinen Weg nach Sizilien gefunden habe und wie die Adoption dieses Stils in den anderen Ländern Europas verlaufen sei, lässt sich das Interesse einer solchen Arbeit für die Gelehrten, die sich mit der Geschichte der Entwicklung der Architektur des Mittelalters beschäftigten, erken-nen.306 Vielleicht ist es aber auch das besondere Interesse des Normannen de Caumont an der Geschichte der Normannen in Sizilien, welches ihn dazu veranlasste, dieser Abhand-lung in seinem ,Bulletin‘ so viel Platz zu geben: „elle offre un resumé si interessant de l’histoire des Normands en Sicile que je me serais fait un reproche d’en priver le lecteur.“

Anfang der 40er Jahre wird der Rahmen dieser Denkmälerstatistik noch einmal er-weitert, wenn der deutsche Maler und Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie Fried-rich Wilhelm von Schadow im ,Bulletin‘ Platz für eine Darstellung über den Einfluss des Christentums auf die Kunst und die Tendenzen in den Schulen von München und

Düs-304 „J’ai annoncé dans le 4° volume du Bulletin Monumental [p. 211], que le 5° volume de ce recueil renfermerait la traduction de l’ouvrage de M. Gally-Knight en Sicile; les lecteurs du Bulletin ont accueilli avec joie cette promesse; nous nous empressons de les satisfaire.“

305 „Il n’a admis aucun fait sans le discuter, et il s’est entouré des autorités les plus respectables, il a toujours donné les raisons de ce qu’il avancait.“, in: B. M. 5 (1839), S. IIIf.

306 „On voit combien un pareil écrit présente d’intérêt pour les savants qui s’occupent de dé-brouiller l’histoire et les progrès de l’architecture du moyen âge.“, ibid.

seldorf erhält.307 Bemerkenswert daran ist nicht nur, dass hier ein deutscher Künstler über Stilentwicklungen in der Kunstgeschichte schreibt, sondern der Bogen bis zu zeitgenössi-schen Kunstphänomenen gezogen wird, an denen der Autor selbst Anteil hatte, denn der nazarenisch beeinflusste Schadow zählte zu den Mitbegründern der Düsseldorfer Schu-le. Einem Künstler wird hier also ein Podium gegeben, seine eigene Kunst in die große Kunstgeschichte einzuordnen. Das ist allerdings vom proklamierten Ziel einer französi-schen Denkmälerstatistik schon ziemlich weit entfernt.

VI.3 Terminologie

Bei der hier zu beobachtenden Entstehungsgeschichte einer wissenschaftlichen Termino-logie handelt es sich streng genommen um zwei verschiedene Kategorien. Zum einen haben wir es mit einer sich entwickelnden Terminologie für die Beschreibung der Monumente sowie der stilistischen Einordnung zu tun, bei der es sich im eigentlichen Sinn um eine kunstgeschichtliche Terminologie handelt. Und auf der anderen Seite bildet sich ebenfalls in dieser frühen Phase eine spezielle Terminologie der Denkmalpflege heraus. Beide Phäno-mene sollen im folgenden Abschnitt etwas näher betrachtet werden, wobei natürlich eine Beschränkung auf den Untersuchungsgegenstand betont werden muss. Die Herausbildung v. a. der kunsthistorischen Terminologie erfolgte bereits früher und auch in systematischer Weise von verschiedener Seite her. De Caumont war dabei nur einer von vielen, aber es ist vor allem seine Begriffsvorstellung, die in den frühen Bulletins vorherrscht.

VI.3.1 Kunstgeschichtliche Terminologie

Bei der für die Beschreibung von Baudenkmälern verwendeten Terminologie greift de Caumont auf Begriffe zurück, die explizit von den englischen Kollegen übernommen wurden. So z. B. den Begriff des triforium, der lancettes, gâble oder clérestory für den Ober-gaden.308 Während die ersten drei Begriffe auch heute noch Verwendung finden, konnte sich der letztere nicht durchsetzen und wurde schon bei Viollet-le-Duc mit fenêtres hautes ersetzt, wie es auch heute noch üblich ist. Dass aber auch solche Begriffe zur damaligen Zeit noch nicht allgemein akzeptiert waren, zeigt ein Blick in die ,Annales Archéologique‘ von 1845, in denen Didron, selbst ansonsten ein Vorreiter in der Mittelalterarchäologie und

307 ,De l’influence du Christianisme sur les monuments des arts et sur la tendance des Ecoles de Munich et de Dusseldorf‘ von M. Schadow, in: B. M. 8 (1842), S. 526–540.

308 B. M. 2 (1836), S. 157f., Pl. XV. Siehe dazu auch den Begriff ,Triforium‘ im ,Dictionnaire rai-sonné de l’architecture française‘ von Viollet-le-Duc (Anm. 138), der die englische Herkunft bestätigt. Zum Begriff lancettes schreibt de Caumont selbst in seinem ,Abécédaire‘ im Kapi-tel ,Style ogival primitif‘ unter dem Stichpunkt ,Fenêtres‘: „[...] comme elles ressemblent en quelque sorte à un fer de lance, les antiquaires anglais leur ont donné le nom de lancettes.“, in: Abécédaire ou rudiment d’archéologie (Anm. 214), Bd. 1 (5e édition), S. 424.

der Verwissenschaftlichung, in der Rezension eines Lexikons der mittelalterlichen Archi-tektur folgendes zum Begriff triforium äusserte: „Le mot de triforium, par exemple, autre ridicule expression, ne peut presque jamais désigner les galeries ou tribunes auxquelles on l’applique.“309

Die Verwendung von Begriffen wie plan (Grundriss), appareil (Mauerverband), colonnes (Säulen), pilastre (Pilaster), entablement (Gebälk), arcades (Arkaden), voûtes (Gewölbe), nef (Schiff), transept (Querhaus) etc. waren zwar keine Neuerungen von de Caumont, aber ihre standardmäßige Verwendung für Architekturbeschreibungen festigten das allgemein akzeptierte Vokabular und schufen eine Art Kanon der verwendeten Fachterminologie. De Caumont zeigte die Ursprünge mancher Begriffe auf, so z. B. diejenigen für tribune (Empore) und chœur (Chor). Wenn er von der Entwicklung der ersten Kirchen aus den römischen Basiliken spricht, schreibt er: „L’espace réservé aux avocats entre l’hémicycle et les nefs devint une enceinte privilégiée pour les chantres et les ecclésiastiques. En raison de cette circonstance, il prit le nom de chœur...“310 Oder im gleichen Kapitel: „Ce caveau fut appelé la Confession, en mémoire des martyrs qui avaient versé leur sang pour confesser la foi chrétienne, et dont il contenait les reliques.“311

An manchen Stellen kommt es auch zur parallelen Verwendung von verschiedenen Begriffen für ein und dasselbe Architekturelement, so z. B. bei den Begriffen pied-droits und jambage, die beide ein Türgewände bezeichnen, oder fronton triangulaire und gâble, die beide ein heute im Deutschen als Wimperg bezeichnetes Element meinen.312 Daran lässt sich auch eine gewisse Unsicherheit, ein Ausprobieren der Begrifflichkeit erkennen. Man ist noch auf der Suche nach einer zutreffenden Terminologie. Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei den übergreifenden Stilbezeichnungen feststellen. De Caumont führt verschiedene Stilbezeichnungen ein, bei denen er darauf verweist, dass sie synonym zu seinen Begriffen von anderen Gelehrten gebraucht werden: so gibt er z. B. bei seinem Style ogival tertiaire folgende Synonyme an: gothique flamboyant, style perpendiculaire (beides Begriffe, die noch heute verwendet werden) und style prismatique. Den Begriff gothique flamboyant hatte er allerdings bereits 1824 in seinem ,Essai sur l’architecture religieuse du moyen âge‘ von seinem Kollegen und Landsmann Auguste Le Prévost übernommen und verwendet.313

Auch bei den Epochenbegriffen, die ja weiter oben in diesem Kapitel schon näher bespro-chen wurden, lässt sich feststellen, dass eine endgültige Festlegung noch nicht stattgefunden

309 Annales Archéologiques 2 (1845), S. 576. 310 B. M. 2 (1836), S. 32.

311 Ibid., S. 33.

312 „La façade est terminée par un gable [sic] ou fronton tirangulaire [...].“, ibid., S. 54f.

313 Arcisse de Caumont, Essai sur l’Architecture religieuse du moyen âge, particulièrement en Normandie; communiqué à la société d’Émulation de Caen, en décembre 1823, lu à la société des Antiquaires de la Normandie, le 8 mai 1824, publiziert in der ersten Nummer der Mé-moires de la Société des Antiquaires de la Normandie 1835, S. 535–677; darin enthalten gibt es

hat. So wird trotz des frühen Plädoyers de Caumonts für die Verwendung des Begriffs style roman synonym dazu der Begriff style byzantin gebraucht.314 Und die Wiedergabe des ausgie-bigen Diskurses über die Verwendung der Begriffe ogival oder gothique würde an dieser Stelle zu weit führen. Als ein Beispiel von vielen sei hier lediglich eine Abhandlung über den Ursprung der Gotik in Wort und Stil angeführt.315 Sie stammt aus der Feder des Insti-tutsmitgliedes Toussaint-Bernard Emeric-David und versucht eine Herleitung des Begriffs gothique, der tatsächlich mit den Goten als gute und innovative Baumeister in Zusammen-hang gebracht wird. Auch wenn dieser Autor mit genauen Quellenangaben von

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