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Droit européen: Suisse - Union européenne = Europarecht: Schweiz - Europäische Union

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Droit européen: Suisse - Union européenne = Europarecht: Schweiz - Europäische Union

KADDOUS, Christine, TOBLER, Christa

KADDOUS, Christine, TOBLER, Christa. Droit européen: Suisse - Union européenne =

Europarecht: Schweiz - Europäische Union. Swiss Review of International and European Law , 2012, vol. 22, no. 4, p. 661-696

Available at:

http://archive-ouverte.unige.ch/unige:44215

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(2)

Europarecht: Schweiz - Europ iische Union

von Christine Kaddous

1

& Christa Tobler

2

Inhaltsiibersicht/Table des matires

1. fgislation- Gesetzgebung

11. Neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung: EuGH und Schweizerisches Bundes- gericht - D6veloppements r6cents de la jurisprudence: CJUE et Tribunal f6d&al suisse A. Rechtsprechung des EuGH - Jurisprudence de la CJUE

1. Rechtsprechung zum Bilateralen Recht - Jurisprudence relative au droit bilateral a) Bergstrdm

b) Schlussantrige von Generalanwalt Jtitiskinen im Flugltrm-Fall c) Zwei Entscheide zu den Fluggastrechten

2. Rechtsprechung zum EU-Recht - Jurisprudence relative au droit de l'Union europ6enne

a) Stillhalteklauseln zur Personenfreiztigigkeit

b) Niederlassungsfreiheit von Unternehmen: National Grid Indus und VALE 3. Rechtsprechung zum EWR-Recht - Jurisprudence relative au droit de l'EEE B. Jurisprudence du Tribunal f6d6ral relative au droit bilat6ral -

Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichtes zurn bilateralen Recht 1. Champ d'application de 1'ALCP

a) Champ d'application mat&iel b) Champ d'application personnel c) Champ d'application temporel

2. Droit de s6j our au titre du regroupement familial a) Admission du conjoint

b) Admission d'autres membres de la famille que le conjoint 3. Droit de s6jour sans exercice d'une activit6 lucrative

4. Droit de s6jour avec exercice d'une activit6 lucrative

5. Limites au droit de s6jour pour des motifs li6s A l'ordre et la s6curit6 publics a) D61its li6s au trafic de drogues

b) Infractions d'ordre sexuel

Christine Kaddous, Professeur A l'Universit& de Genbve. Chaire Jean Monnet adpersonam. Directeur du Centre d'&tudes juridiques europ~ennes (<www.unige.ch/ceje>). La pr~sente chronique a &t&

r&dig~e en collaboration avec Mihaela Nicola, MAS Lausanne, assistante au Centre d'&tudes juri- diques europ~ennes de l'Universit& de Genbve.

2 Christa Tobler, Professorin fur das Recht der europfiischen Integration am Europainstitut der Univer- sitt Basel (<www.europa.unibas.ch >) sowie am Europainstitut der Universitfit Leiden (<wwwlaw.

leiden. edu/organisation/publiclawleuropainstitute/europa-institute.jsp >).

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Christine Kaddous & Christa Tobler

I. Legislation - Gesetzgebung

Trotz seines im Allgemeinen im Ansatz statischen Charakters entwickelt sich das bilaterale Recht stetig weiter. Allerdings gilt dies nicht fir alle Abkommen im gleichen Masse. Wdhrend z.B. das Luftverkehrsabkommen (aus dem Paket der Bilateralen I von 1999) und das Schengen-Assoziationsabkommen (aus dem Paket der Bilateralen I von 2004) besonders oft neueren Entwicklungen im EU-Recht angepasst werden, ist das Versicherungsabkommen von 1989 seit seiner Entstehung noch nie gedindert worden. Anderungen, welche sich auf- grund von Beschliissen von Gemischten Ausschiissen ergeben, k6nnen der Website des Integrationsbfiros entnommen werden.3 An dieser Stelle besonders erwfhnt sei der Beschluss des fir das Freizfigigkeitsabkommen zustdindigen Gemischten Ausschusses vom 31. Mdirz 2012 zur Ersetzung des Anhangs I dieses Abkommens iiber die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicher- heit. Hierdurch ist das fir das Abkommen einschligige alte EU-Sekunddirrecht (Verordnungen 1408/71/EWG4 und 574/72/EWG5) durch die neuere Gesetzge- bung (Verordnungen 883/2004/EG6 und 987/2009/EG7) ersetzt worden. Die Anderung trat am 1. April 2012 in Kraft. Weiter erwdhnt sei der Beschluss des fir das Landwirtschaftsabkommen zustdindigen Gemischten Ausschusses vom 3. Mai 2012 zum besseren Schutz von Schweizer Weinen und Spirituosen. So ist nun die Bezeichnung <<Damassine>> auch ohne Ortsangabe in der EU ge- schiitzt (Anhang 8 zum Abkommen). Zudem wurde das aktuelle Schweizer Ver- zeichnis der geschiitzten Weinbezeichnungen in den Anhang 7 integriert. Die Anderungen sind am 4. Mai 2012 in Kraft getreten. Zur Erinnerung: Nicht mehr geschiitzt ist die Bezeichnung <<Champagne>> fir Schweizer Weine aus dem gleichnamigen Waadtlinder Dorf. Frankreich hatte im Rahmen der Verhandlun- gen zu diesem Abkommen durchgesetzt, dass diese Bezeichnung ffir franz6si- sche Weine reserviert wird. Eine dagegen gerichtete Nichtigkeitsklage vor dem Europfiischen Gerichtshof in Luxemburg hatte keinen Erfolg.8

3 Siehe <http://www.europa.admin.ch/dokumentation/00438/00465/index.html?lang de>.

4 Verordnung 1408/71/EWG zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit aufArbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABI. 1971 L 149/2.

5 Verordnung 574/72/EWG tiber die Durchfihrung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwen- dung der Systeme der sozialen Sicherheit aufArbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABI. 1972 L 74/1.

6 Verordnung 883/2004/EG zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABI. 2004 L 166/1.

7 Verordnung 987/2009/EG tiber die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABI. 2009 L 284/1.

Rs. T-212/02 Commune de Champagne, D~fense de l'appellation Champagne ASBL, Cave des viticulteurs de Bonvillars gegen Rat und Kommission, Slg. 2007, 11-2017. Siehe hierzu 17 SZIER/

RSDIE (2007), S. 644 if.

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Weitere Anderungen auf anderen Gebieten stehen an. So ist die Schweiz an der zum Schengenrecht gehrenden Europ~iischen Agentur ffir die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen (FRONTEX) durch eine Zusatzverein- barung zum Schengen-Assoziationsabkommen beteiligt.9 Nun, da in der EU die FRONTEX-Verordnung10 gedindert worden ist,11 muss auch die Zusatzvereinba- rung mit der Schweiz angepasst werden. Weiter wird im Dezember 2012 im Bereich des Schengen- und Dublinrechts eine neue Agentur ihre Tiitigkeit auf- nehmen, niimlich die sog. IT-Agentur (Europiiische Agentur ffir das Betriebs- management von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts).2 Auch daffir soll eine Zusatzvereinbarung zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen werden. Der Schweizerische Bundesrat hofft, Thn- lich im wie Fall von FRONTEX u.a. Stimmrechte ffir die Schweiz zu erlan- gen.13

Am 16. Mdirz 2012 unterzeichneten die Schweiz und die Europiiische Ver- teidigungsagentur eine Verwaltungsvereinbarung zur Zusammenarbeit im Rfis- tungsbereich, die gleichentags in Kraft trat.14 Im Mai 2012 wurde ausserdem ein neues Abkommen iiber die Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehdrden pa- raphiert.15 Abgesehen von solchen verwaltungstechnischen Abkommen scheint aber der Abschluss neuer Abkommen zurzeit blockiert. Der Grund daffir liegt in der anhaltenden Diskussion iiber die institutionelle Erneuerung der bilateralen

9 Vereinbarung vom 30. September 2009 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Flirstentum Liechtenstein einerseits und der Europdiischen Gemeinschaft andererseits zur Festlegung der Modalitiiten der Beteiligung dieser Staaten an der Europ~iischen Agentur ffr die operative Zu- sammenarbeit an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten der Europ~iischen Union, fdr die Schweiz SR 0.362.313, ffr die EUAB. 2010 L 243/4.

1 Verordnung 2007/2004/EG des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europdiischen Agentur fdr die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten der Europi- ischen Union, ABI. 2004 L 349/ 1.

Verordnung 1168/2011 /EU des Europ~iischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Anderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates zur Errichtung einer Europ~iischen Agen- air ffr die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten der Europ~iischen Union, ABI. 2011 L 304/1.

12 Verordnung 1077/2011 /EU des Europ~iischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Errichtung einer Europ~iischen Agentur fdr das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ABI. 2011 L 286/1.

13 Hierzu Christa Tobler, Zur Beteiligung der Schweiz an der IT-Agentur, Jusletter 1. Oktober 2012.

14 Rahmenvereinbarung vom 16. Mdirz 2012 zwischen der Schweiz und der Europ~iischen Verteidi- gungsagentur fdr die Zusammenarbeit zwischen der Europdiischen Verteidigungsagentur und dem Eidgen6ssischen Departement ffirVerteidigung, Bev6lkerungsschutz und Sport der Schweizerischen Eidgenossenschaft (soweit ersichtlich weder in der SR noch im Amtsblatt der EU ver6ffentlicht;

siehe <ttp ://www.europa.admin.ch/dokumentation/00438/00464/ 01853 /index.html?lang-de >).

15 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europ~iischen Union fiber die Zusammenarbeit bei der Anwendung ibres Wettbewerbsrechts, siehe einstweilen KOM(2012) 245 endg.

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Christine Kaddous & Christa Tobler

Abkommen, welche von der EU gefordert wird. Am 15. Juni sandte der Bun- desrat der EU hierzu konkrete Vorschlige.16 Erste Signale deuten darauf hin, dass die EU diesen Vorschligen nicht vollumfdnglich zustimmen wird.17 Eine offizielle Stellungnahme der EU ist vermutlich fir den Dezember 2012 zu er- warten.

Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass das Integrationsbiiro EDA/EVD eine neue Version seiner 5iusserst niitzlichen Informationsbliitter zu den Bilate- ralen Abkommen herausgegeben hat.18

II. Neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung:

EuGH und Schweizerisches Bundesgericht

-

D6veloppements r6cents de la jurisprudence:

CJUE et Tribunal f6d6ral suisse

A. Rechtsprechung des EuGH - Jurisprudence de la CJUE

1. Rechtsprechung zum bilateralen Recht - Jurisprudence relative au droit bilateral

In der Berichtsperiode ist eine Entscheidung des Europ~iischen Gerichtshofs unmittelbar zum bilateralen Recht ergangen. Sie betrifft das bilaterale Sozial- versicherungsrecht. Weiter liegen die Schlussantr~ige zur Rechtsmittelklage im sog. Fluglirmstreit vor. Ebenfalls erwdihnt sei die Rechtsprechung des EuGH zu den Fluggastrechten.

a) Bergstriim

Die Rechtssache Bergstrdm1 9 betrifft die Berechnung der Hi6he des schwedi- schen Elterngeldes ffir eine schwedische Staatsangeh6rige, welche zuvor in der Schweiz gearbeitet hatte und dann nach Schweden zuriickgekehrt war. Um ei- nen h6heren Betrag zu erhalten, h~itte Frau Bergstr6m vor der Geburt ihres Kin-

16 Siehe hierzu <http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang de&msg-id 44974>.

1 Bruxelles dit non i la Suisse. Suisse-Europe: Le Temps vom 2. Oktober 2012.

Integrationsbdiro EDA/EVD, Die Bilateralen Abkommen Schweiz - Europdische Union. Ausgabe August 2012, Bern: Integrationsbfiro EDA/EVD 2012, erh~iltlich via <http//www. europa.admin. ch/

dienstleistungen/O0553/index.html?lang de> (unter <dnformationsbldtter <Die bilateralen Abkom- men Schweiz-EU> Ausgabe 2012>>).

19 Rs. C 257/10 F6rsdkringskassan gegen Elisabeth Bergstr6m, Urteil vom 15. Dezember 2011, noch nicht in der Sammlung der Rechtsprechung ver6ffentlicht.

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des mindestens 240 Tage in Folge in Schweden krankenversichert gewesen sein miissen. Diese Bedingung erfillte sie nur, wenn die Berufstiitigkeit in der Schweiz bei der Berechnung der schwedischen Versicherungszeit mitgerechnet wurde. Dies verweigerte die zustiindige Kasse. Der Fall gelangte vor Gericht und fiihrte schliesslich zu einem Ersuchen um eine Vorabentscheidung beim Europ~iischen Gerichtshof iber die Auslegung des EU-Sozialversicherungs- rechts. Dieses konnte im vorliegenden Fall, derja z.T. die Schweiz betraf, aller- dings nur dann anwendbar sein, wenn der Sachverhalt in den Anwendungsbe- reich des Freiziigigkeitsabkommens (FZA) zwischen der Schweiz und der EU fiel.

Die Anwendbarkeit des Abkommens wird vom EuGH u.a. mit dem Hinweis bejaht, dass die angestrebte Verwirklichung der Freiziigigkeit auf der Grund- lage der in der EU geltenden Bestimmungen beeintriichtigt wtirde, wenn ein Staatsangeh6riger eines Vertragsstaats in seinem Herkunftsland einen Nachteil allein deshalb erlitte, weil er sein Freiziigigkeitsrecht ausgeiibt hat. Dazu kommt laut dem Gerichtshof, dass der ffir die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemiiss Anhang I FZA geltende Grundsatz der Gleichbehandlung unabhdingig von Art. 2 des Abkommens gilt, der die Anwendung des Diskrimi- nierungsverbots vom Aufenthalt einer begiinstigten Person im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei abh~ingig macht. Mit anderen Worten: Die Anwend- barkeit des sozialversicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots im FZA setzt nicht voraus, dass sich die Kliigerin in einem anderen als ihrem Heimat- staat befindet.

Der Fall Bergstrim betraf aber das Gleichbehandlungsgebot erst in zweiter Linie. In erster Linie ging es um spezifische Koordinationsvorschriften. Zum rechtlich relevanten Zeitpunkt galt noch die alte Sozialversicherungsverord- nung 1408/71/EWG. Der Fall betraf eine von derVerordnung erfasste Leistung, ndimlich eine Familienleistung. Hierzu sehen die Koordinationsvorschriften die sog. Zusammenrechnungsregel sowie die Pflicht vor, in diesem Rahmen die Versicherungstriiger (also die Sozialversicherungsorganisationen der Vertrags- staaten) in der Schweiz zuriickgelegte Versicherungs- oder Beschiiftigungszei- ten zu berticksichtigen. Da sich die H6he der fraglichen Familienleistung nach dem schwedischen Recht am Krankengeld ausrichtet und mit dem jdihrlichen Erwerbseinkommen der sozialversicherten Person zusammenhiingt, stellte sich aber zusiitzlich die Frage, ob ein in der Schweiz erzieltes Erwerbseinkommen dem inldindischen Einkommen gleichgestellt ist, das in Schweden zur Berech- nung des Betrags der Familienleistung dient. Der EuGH stellt fest, dass nach den Koordinationsvorschriften iiber die Krankenversicherung das in Schweden erzielte (tatsiichliche oder pauschale) Einkommen relevant ist. Dem Problem, dass Frau Bergstr6m in den erwdihnten 240 Tagen in Schweden gar kein Ein- kommen erzielt hatte, begegnet der EuGH mit dem Hinweis auf die praktische

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Christine Kaddous & Christa Tobler

Wirksamkeit der Zusammenrechnungsregel sowie auf das Gebot der Gleichbe- handlung in Art. 8 lit. a FZA und in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung. Sie erfordern, dass das relevante Einkommen von Frau Bergstr6m unter Berficksichtigung des Einkommens einer Person berechnet wird, die in Schweden eine Tditigkeit aus- iibt und iiber eine berufliche Erfahrung und Qualifikation verffigt, die mit de- nen von Frau Bergstr6m vergleichbar sind.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Art. 8 FZA einen allgemein gehaltenen Gleichbehandlungsgrundsatz statuiert, der nicht an ein besonderes Kriterium wie die Staatsangeh6rigkeit gebunden ist und deshalb nur (aber immerhin) die Gleichbehandlung von vergleichbaren Personen verlangt.

Aus diesem Grund kann dieser Grundsatz ohne Weiteres zu einer Berficksichti- gung des Einkommens einer in Schweden tfitigen und mit Frau Bergstr6m ver- gleichbaren Person fihren. Eine Argumentation mit einer Diskriminierung we- gen der (auslfindischen) Staatsangeh6rigkeit ist dagegen schwierig, weil j a Frau Bergstr6m in Schweden nicht Auslinderin ist. Dennoch stiitzt der EuGH seine Entscheidung neben Art. 8 FZA (allgemeines Gleichbehandlungsgebot) auch auf Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 1408/71/EWG (Gleichbehandlung spezifisch mit Bezug auf die Staatsangeh6rigkeit).

Im 1Tbrigen stehen die Ausffihrungen des Gerichtshofs zum sozialversiche- rungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot in einem interessanten Kontrast zur Rechtsprechung desselben Gerichtshofs zur Gleichbehandlung von Arbeits- krfiften mit Bezug auf die Arbeitsbedingungen (Art. 9 des Anhangs I des Ab- kommens). Dort setzt das Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangeh6- rigkeit laut der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Grimme2 0 der sich dabei auf den Wortlaut stfitzt, voraus, dass sich die begiinstigte Person im Ho- heitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhfilt. Im Gegensatz dazu versteht das Schweizerische Bundesgericht die einschligigen Vorschriften nicht w6rtlich und wandte sie ohne Bezugnahme auf die friiher ergangene Entscheidung Grimme in einem Fall an, in welchem sich ein in Frankreich erwerbstfitiger Schweizer in der Schweiz wegen der Quellensteuer beklagte (BGE 136 11 24 1).21 Dieser Widerspruch in der Auslegung ist bislang ungel6st.

b) Schlussantriige von Generalanwalt Jaiskinen im Fluglirm-Fall In der letztj 5hrigen Rechtsprechungsiibersicht wurde berichtet, dass die Schweiz im Luftlirmstreit mit Deutschland ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des

2' Rs. C-351/08 Christian Grimme gegen Deutsche Angestellten-Krankenkasse, S1g. 2009, 1-10777;

hierzu 20 SZIER/RSDIE (2010), S. 601 If.

21 Dazu CHRISTA TOBLER, Der Genfer Quellensteuerentscheid des Bundesgerichts - im Widerspruch zur Rechtsprechung des EUGH zum FreLizigigkeitsabkommen, 21 SZIER/RSDIE (2011), S. 389- 396.

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Gerichts" (untere Ebene des Europ~iischen Gerichtshofs) eingelegt hat.23 Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die gegen eine Entscheidung der EU-Kommission24 gerichtete Klage der Schweiz wegen der im siddeutschen Raum geltenden deutschen Lirmvorschriften ab. Mit der Rechtsmittelklage be- antragt die Schweiz die Aufhebung dieses Urteils, insbes. wegen der ihrer An- sicht nach fehlerhaften Auslegung des einschliigigen bilateralen Rechts durch das Gericht. Am 13. September 2012 legte nun Generalanwalt Jii5skinen seine Schlussantriige hierzu vor.

Vorab befasst sich der Generalanwalt mit der verfahrensrechtlichen Frage nach der Klagelegitimation der Schweiz im Nichtigkeitsverfahren vor dem EuGH nach Art. 263 AEUV (es handelt sich um einen Aspekt, auf den die Vor- instanz nicht eingegangen war). Die Schweiz hatte bei der Einreichung ihrer Klage gegen die Entscheidung der Kommission hierzu argumentiert, ihr mtisse wie den Mitgliedstaaten die Stellung einer privilegierten K1iigerin eingerfiumt werden. Dies wird vom Generalanwalt mit dem Argument verneint, der von der Schweiz gewiihlte Weg der bilateralen Zusammenarbeit k6nne diesen Staat hin- sichtlich der verfahrensrechtlichen Stellung nicht auf die gleiche Stufe wie die Mitgliedstaaten stellen und «nicht dazu fiihren [...], dass dieser 6i la carte>- Weg den mit einem Beitritt zur Union verbundenen Vorteilen entspricht . Der Generalanwalt reiht die Schweiz bei den nicht privilegierten Klageberechtigten ein, welche in einem Fall wie dem vorliegenden ihre unmittelbare und individu- elle Betroffenheit durch den angefochtenen Akt nachweisen miissen. Diese ver- fahrensrechtlichen Voraussetzungen sind nach der Auffassung des Generalan- waltes im vorliegenden Fall gegeben.

Auf der inhaltlichen Ebene bewegt sich die Argumentation des General- anwalts auf der Linie der Kommission und des Gerichts. So geht der General- anwalt gleich wie Kommission und Gericht davon aus, dass das Abkommen einzig gemeinsame Vorschriften iber Verkehrsrechte und damit verwandte As- pekte betrifft. Auf der Seite der Schweiz wird dagegen argumentiert, das Ab- kommen bezwecke als partielles Integrationsabkommen eine vollumfingliche Integration der Schweiz in den EU-Luftraum, was sich auch auf die inhaltlichen Aspekte des Abkommens auswirken miisse. Im Ubrigen verneint der General- anwalt das Vorliegen der von der Schweiz geltend gemachten Diskriminierung.

Er schliigt deshalb die Ablebnung der Klage vor.

22 Rs. T-319/05 Schweiz gegen Kommission, Urteil vom 9. September 2010, noch nicht in der Samm- lung der Rechtsprechung ver6ffentlicht. Siehe hierzu die 20 SZIER/RSDIE (2010), S. 607 ff.

23 Rs. C-547/10 P Schweiz gegen Kommission, hingig.

24 Entscheidung der Kommission vom 5. Dezember 2003 zu einem Verfahren beztiglich der Anwen- dung von Art. 18 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens und der Verordnung Nr. 2408/92 (Sache TREN/

AMA/1 1/03 - Deutsche Massnahmen beztiglichch An-/Abfligen zum/vom Flughafen Zirch), ABI.

2004 L 4/13.

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Christine Kaddous & Christa Tobler

Am 4. September 2012 unterzeichneten die Schweiz und Deutschland einen neuen Staatsvertrag iber die strittige Materie, was aber auf den hdingigen Fall keinen Einfluss hat.

c) Zwei Entscheide zu den Fluggastrechten

Am 4. Oktober 2012 erliess der EuGH zwei Urteile zu den Rechten von Flug- gfisten nach denVorschriften der Verordnung 261/2004/EG25 (Rodriguez Cacha- feiro und de los Reyes Martinez-Reboredo Varela-Villamor2 6 sowie Finnair).27

Darin geht es um die Begriffe der Nichtbefdrderung (welche Passagierrechte ausl6st) und der <<aussergew6hnlichen Umstfinde>> (mit denen sich eine Flugge- sellschaft u.U. entschuldigen kann, sodass keine Entschuidigungspflicht gegen- iber den Fluggfisten entsteht). Die beiden Entscheidungen betreffen zwar nicht unmittelbar den Text eines bilateralen Abkommens mit der Schweiz, doch ge- h6rt die Verordnung Uber die Fluggastrechte zum bilateralen Acquis des Luft- verkehrsabkommens. Allerdings stellt sich in diesem Rahmen die Frage, inwie- fern die Rechtsprechung des EuGH ffir die Schweiz verbindlich ist. Nach Art. 1 Abs. 2 LVA «gelten die Bestimmungen, die in diesem Abkommen sowie in den im Anhang aufgeftihrten Verordnungen und Richtlinien enthalten sind, unter den im Folgenden genannten Bedingungen. Soweit diese Bestimmungen im Wesentlichen mit den entsprechenden Regeln [der Vertrfige] und den in Anwen- dung [der Vertrige] erlassenen Rechtsvorschriften tibereinstimmen, sind sie hinsichtlich ihrer Umsetzung und Anwendung in Ubereinstimmung mit den vor der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassenen Urteilen, Beschltissen und Entscheidungen des Gerichtshofs und der Kommission der Europfiischen

[Union] auszulegen. Die nach Unterzeichnung dieses Abkommens erlassenen Urteile, Beschltisse und Entscheidungen werden der Schweiz iibermittelt. Auf Verlangen einer Vertragspartei werden die Folgen der letztgenannten Urteile, Beschltisse und Entscheidungen im Hinblick auf ein ordnungsgemisses Funk- tionieren dieses Abkommens vom Gemeinsamen Ausschuss festgestellt.>

Das Luftverkehrsabkommen sieht insofern Thnlich wie das Freizfigigkeits- abkommen (Art. 16 Abs. 2 FZA) eine auf die Auslegung des bilateralen Luft- verkehrsrechts bezogenes Homogenitfitsprinzip mit Datumsgrenze vor. In der Rechtsprechung zum Freizfigigkeitsabkommen geht das Bundesgericht seit

2 Verordnung 261/2004/EG fiber eine gemeinsame Regelung fur Ausgleichs- und Untersttitzungsleis- tungen fur Flugg~iste im Fall der Nichtbef6rderung und bei Annullierung oder grosser Verspitung von Fligen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91, ABI. 2004 L 46/1.

26 Rs. C 321/11 Germdin Rodriguez Cachafeiro und Maria de los Reyes Martinez-Reboredo Varela- Villamor gegen Iberia, Lineas A&eas de Espafia SA, Urteil vom 4. Oktober 2012, noch nicht in der Sammlung der Rechtsprechung ver6ffentlicht.

2 Rs. C 22/11 Finnair Oyj gegen Timy Lassooy, Urteil vom 4. Oktober 2012, noch nicht in der Samm- lung der Rechtsprechung ver6ffentlicht.

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BGE 136 1 65 ungeachtet der Datumsgrenze und dihnlich dem EFTA-Gerichts- hof von einer grundsditzlich parallelen Auslegung aus. Mangels einschliigiger Rechtsprechung zum Luftverkehrsabkommen ist nicht deutlich, ob dasselbe auch ffir das Luftverkehrsabkommen gelten soll. Die EU-Kommission vertrat in ihrer Entscheidung zum Flugldirmstreit mit Deutschland28 die Auffassung, neuere Rechtsprechung k6nne entsprechend dem Wortlaut des letzten Teils von Art. 1 Abs. 2 LVA nur relevant sein, wenn sie der Schweiz mitgeteilt wor- den sei. Es liesse sich aber durchaus argumentieren, dass gerade der besondere Charakter dieses Abkommens fflr eine grundsditzlich parallele Auslegung spre- chen sollte. In diesem Falle wdire die Auslegung der Verordnung 261/2004/EG in den beiden zur Diskussion stehenden Fillen auch fflr die Schweiz verbind- lich. Danach ist der Begriff <<Nichtbefdrderung>> im Sinne der Art. 2 Buchst. j und 4 der Verordnung dahin auszulegen, dass er sich nicht nur auf die Nichtbe- fdrderung wegen Uiberbuchung bezieht, sondern auch auf die Nichtbef6rderung aus anderen, wie z. B. betrieblichen Griinden. In einem der Fiille (Finnair) kam es wegen eines Streiks zu Annullationen von Fligen. In einem solchen Fall kann sich die Fluggesellschaft ffir den Streiktag (aber nur ffir diesen) auf au- ssergew6hnliche Umstfinde berufen. Im zweiten Fall (Rodriguez Cachafeiro und de los Reyes Martinez-Reboredo Varela-Villamor) wurden Passagiere auf einen Anschlussflug nicht mitgenommen, weil der erste Flug verspditet war und die Fluggesellschaft (flilschlicherweise) davon ausging, der zweite Flug k6nne nicht mehr erreicht werden. Der EuGH fiihrt aus, dass der Begriff <«Nichtbefdr- derung> auch den Fall erfasst, dass ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines einheitlichen Bef6rderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flfgen umfasst, bestimm- ten Flugg~isten die Bef6rderung verweigert, weil es auf dem ersten in ihrer Bu- chung ausgewiesenen Flug zu einer von diesem Unternehmen zu vertretenden Versptiing gekommen ist und das Unternehmen irrig angenommen hat, die Fluggiiste wiirden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen.

2 Entscheidung der Kommission vom 5. Dezember 2003 zu einem Verfahren beztiglich der Anwen- dung von Art. 18 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens und der Verordnung Nr. 2408/92 (Sache TREN/

AMA/1 1/03 - Deutsche Massnahmen beztiglich An-/Abfligen zumvom Flughafen Zfirich), ABI.

2004 L 4/13, Erw. 35 in Verbindung mit Erw. 26.

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Christine Kaddous & Christa Tobler

2. Rechtsprechung zum EU-Recht - Jurisprudence relative au droit de I'Union europeenne

Im Berichtsjahr sind zahlreiche Entscheide des EuGH ergangen, welche auch aus der Sicht der Schweiz von Interesse sind. Im Folgenden werden zwei As- pekte der PersonenfreizOigigkeit herausgegriffen. Im Ubrigen sei ffir die Perso- nenfreizfigigkeit auf die Rechtsprechungsiibersicht im Schweizerischen Jahr- buch ffir Europarecht hingewiesen.29

a) Stillhalteklauseln zur Personenfreiziigigkeit

Das Personenfreiziigigkeitsabkommen enth~ilt eine Anzahl iibergreifender ma- terieller Bestimmung, worunter eine sog. Stillhalteklausel. In Art. 13 FZA ver- pflichten sich die Vertragsparteien, «in den unter dieses Abkommen fallenden Bereichen keine neuen Beschriinkungen ffir Staatsangeh6rige der anderen Ver- tragspartei einzufoihren>>. Das Schweizerische Bundesgericht 5iusserte sich hierzu in seiner Entscheidung zum Ziircher Arztestopp (BGE 130 1 26) und entschied, die Klausel gehe nicht weiter als ein Verbot der indirekten (mittelba- ren) Diskriminierung wegen der Staatsangeh6rigkeit. Das Bundesgericht bezog sich hierbei auf Kommentarliteratur zu (veralteter) Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung einer heute nicht mehr existierenden Stillhalteklausel des dama- ligen EWG-Rechts.

Demgegeniiber bestditigt eine Entscheidung des EuGH zu einer Stillhalte- klausel im Assoziationsrecht zwischen der EU und der Toirkei (sog. Ankara- Abkommen), dass eine solche Klausel nicht nur Diskriminierungen verbietet, sondern auch andere Beschrdinkungen. Der Fall Dereci u.a.3 ° betraf neben ande- ren Personen einen tfirkischen Staatsangeh6rigen, der unrechtmfissig nach Os- terreich eingereist war, dort spditer eine 6sterreichische Staatsbiirgerin heiratete und mit ihr drei Kinder hatte, und einen Coiffeursalon betrieb. Er ersuchte urn einen Aufenthaltstitel, der ihm jedoch verweigert wurde. Der Grund daffir lag darin, dass im 6sterreichischen Recht ein friiheres Gesetz iber diese Fragen verschfirft worden war, sodass Herr Dereci nun die Bedingungen ffir einen Auf- enthaltstitel nicht mehr erffillte. Der mit der Sache befasste 6sterreichische Ver- waltungsgerichtshof wandte sich an den Europfiischen Gerichtshof mit Fragen zur Unionsbiirgerschaft (Art. 20 AEUV) und zu den Stillhalteklauseln im An- kara-Assoziationsrecht.

29 ASTRID EPINEY/ROBERT MOSTERS, Die Rechtsprechung des EuGH zur Personenfreizfigigkeit und ihre Implikationenfir das Freizfigigkeitsabkommen, in: ASTRID EPINEY/TOBIAS FASNACHIT (Hrsg.), Schweizerisches Jahrbuch fur Europarecht 2011/2012, Bern /Zirich 2012, 51-95.

3o Rs. C-256/11 Murat Dereci und andere gegen Bundesministerium fdr Inneres, Urteil vom 15. No- vember 2011, noch nicht in der Sammlung veraffentlicht.

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Der Gerichtshof entschied, dass die Unionsbtirgerschaft in einem solchen Fall keine Rolle spielt. Zur Stillhalteklausel bemerkte er, dass der Fall von Herrn Dereci die Niederlassungsfreiheit betrifft, sodass die Stillhalteklausel nach Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Ankara-Abkommen relevant ist. Der Ge- richtshof hilt vorab fest, dass die Stillhalteklausel eine klare, priizise und nicht an Bedingungen gekntipfte, eindeutige Verpflichtung der Vertragsparteien be- griindet, auf welche sich Einzelpersonen berufen k6nnen (unmittelbare Wir- kung). Eine solche Klausel verbietet «allgemein die Einfiihrung neuer Mass- nahmen, die bezwecken oder bewirken, dass dieAusiibung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch einen tfirkischen Staatsangeh6rigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denj enigen unterworfen wird, die fflr ihn galten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat (Dereci u.a., Erw. 88). Sie verlangt deshalb, «dass kein neues Hindernis eingefiihrt wird, damit die schrittweise Einfliirung [der Niederlassungsfreiheit]

nicht zusditzlich behindert wird>> (Erw. 91). Die Tragweite der Stillhaltever- pflichtung erstreckt sich <auf siimtliche neuen Hindernisse ffir die Ausiibung der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs oder der Freizii- gigkeit der Arbeitnehmer [...], die eine Verschuirfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen, sodass gewiihrleistet sein muss, dass sich die Mitgliedstaaten nicht von dem mit den Stillhalteklauseln ver- folgten Ziel entfernen, indem sie Bestimmungen dindem, die sie nach Inkraft- treten des Beschlusses Nr. 1/80 oder des Zusatzprotokolls in ihrem Gebiet zu- gunsten der genannten Freiheiten tfirkischer Staatsangeh6riger erlassen haben>

(Erw. 94). Daraus ergibt sich, dass jegliches neue Hindernis verboten ist, unge- achtet dessen, ob es diskriminierender Art ist oder nicht.

In seiner Rechtsprechung zum Freiziigigkeitsabkommen bemiht sich das Bundesgericht um eine m6glichst parallele Auslegung zum EU-Recht, selbst Uber die eigentlich im Abkommen statuierte Datumsgrenze der Unterzeichnung des Abkommens hinaus (Art. 16 Abs. 2 FZA). Es wire deshalb wiinschbar, dass das Bundesgericht seine Rechtsprechung zu Art. 13 FZA korrigiert und im sel- ben Sinne wie der EuGH in Dereci u.a. entscheidet.

b) Niederlassungsfreiheit von Unternehmen:

National Grid Indus und VALE

In mehreren F5ilen musste sich der Gerichtshof mit wichtigen Fragen zur pri- mdiren Niederlassungsfreiheit von Untemehmen befassen. Dabei geht es um die Situation, in welcher ein Unternehmen aus einem Mitgliedstaat ganz oder teil- weise in einen anderen Mitgliedstaat «umziehen> will. Dazu besteht eine umfangreiche Rechtsprechung, in welcher der Gerichtshof betont, dass Unter- nehmen Sch6pfungen des nationalen Rechts sind, welches deshalb die Anknfip- fungspunkte ffir die Anerkennung als Unternehmen des nationalen Rechts selbst

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Christine Kaddous & Christa Tobler

bestimmen kann. Mit Bezug auf die neueren Flle ragen zwei Entscheidungen des EuGH heraus: National Grid Indus31 und VALE. 2 Im ersteren Fall geht es urn eine nach niederlfindischem Recht gegriindete GmbH, welche ihren tatsfich- lichen Verwaltungssitz in das Vereinigte K6nigreich verlegte und darauf ffir ih- ren Unternehmensgewinn und ihre Verm6gensertrfige neu dort besteuert wurde.

Die Niederlande erhoben eine Wegzugssteuer, fir die sie auch den sehr erhebli- chen Kursgewinn eines Guthabens der Gesellschaft im Vereinigten K6nigreich einbezogen. Vor Gericht argumentierte National Grid Indus, dass eine solche Besteuerung seine Niederlassungsfreiheit nach den Vorschriften des EU-Rechts in unzulfissiger Weise beschrdinke. Der Gerichtshof befand, dass dies nur zum Teil der Fall ist: Eine Wegzugssteuer ist nicht grundsditzlich unzulfissig, muss aber gewissen Modalitditen folgen. Der Gerichtshof entschied deshalb, dass Art.

49 AEUV (in Verbindung mit Art. 54 AEUV) iiber die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen dahin gehend auszulegen ist, «dass:

- er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wonach der Betrag der Steuer auf die nicht realisierten Wertzuwdichse beim Verm6gen einer Gesellschaft end- gifiltig - ohne Beriicksichtigung m6glicherweise spditer eintretender Wertminderungen oder Wertzuwdichse - zu dem Zeitpunkt festgesetzt wird, zu dem die Gesellschaft aufgrund der Verlegung ihres tatsichlichen Verwaltungssitzes in einen anderen Mit- gliedstaat aufh6rt, in dem ersten Mitgliedstaat steuerpflichtige Gewinne zu erzielen

I...];

- er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die sofortige Einziehung der Steuer auf die nicht realisierten Wertzuwdichse bei den Verm6gensgegenstiinden einer Gesellschaft, die ihren tatsichlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, zum Zeitpunkt dieser Verlegung vorschreibt.>

Im Fall VALE verlegte eine italienische GmbH ihren Sitz nach Ungarn und wollte sich nach LUschung im italienischen Register in j enem von Ungarn ein- tragen lassen, und zwar unter Nennung ihrer friiheren italienischen Rechtsform.

Dies wurde ihr verweigert, weil nach ungarischem Recht nur ungarische Gesel- lschaften als Rechtsvorgdingerinnen eingetragen werden konnten. Auch hier machte die Gesellschaft eine Beschrdinkung ihrer Niederlassungsfreiheit gel- tend. Der Gerichtshof entschied, dass Art. 49 AEUV und Art. 54 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar fir inldindische Gesellschaften die M6glichkeit einer Umwandlung vorsieht, aber die Umwandlung einer dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unter- liegenden Gesellschaft in eine inldindische Gesellschaft mittels Griindung der letztgenannten Gesellschaft generell nicht zulfisst. Ausserdem ist es unzulfissig,

31 Rs. C-371/10 National Grid Indus BV gegen Inspecteur van de Belastingdienst Rijnmondlkantoor Rotterdam, Urteil vom 29. November 2011, noch nicht in der Sammlung ver6ffentlicht.

32 Rs. C-378/10 VALE ]tpit~si kft., Urteil vom 12. Juli 2012, noch nicht in der Sammlung ver6ffent- licht.

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bei grenztiberschreitenden Umwandlungen die Eintragung der die Umwan- diung beantragenden Gesellschaft als Rechtsvorgdingerin zu verweigem, wenn eine solche Eintragung der Vorgiingergesellschaft im Handeisregister bei in- nerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist, und sich zu weigem, den von den Beh6rden des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Dokumenten im Verfa- hren zur Eintragung der Gesellschaft gebifirend Rechnung zu tragen.

Die Bedeutung dieser im EU-Recht diusserst wichtigen Rechtsprechung fir das bilaterale Recht ist beschriinkt, weil hier die Personenfreiziigigkeit von Un- ternehmen nur sehr selektiv geregelt ist. Wdihrend das Freiztigigkeitsabkommen diesen Aspekt gar nicht erfasst (hierzu z.B. wiederum Grimme), regelt das Ver- sicherungsabkommen nur die sog. sekundiire Niederlassung, d.h. die Errich- tung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften. Einzig das Luftverkehrsabkommen gewiihrt unter bestimmten Bedingungen auch das Recht der Griindung und Leitung von Untemehmen (Art. 4 LVA). Dazu kommt, dass es in den erw~ihnten Entscheiden des EuGH um nicht diskriminierende Beschriinkungen der Niederlassungsfreiheit geht. In den bilateralen Abkommen ist dagegen offen, ob im Zusammenhang mit dem Marktzugang (d.h. ausser- halb oben erwihnten der Stillhalteklausel) Uber Diskriminierungen wegen der Staatsangeh6rigkeit hinaus auch Beschrdinkungen verboten sind33

3. Rechtsprechung zum EWR-Recht - Jurisprudence relative au droit de I'EEE

Ergdinzend sei bemerkt, dass die soeben erwiihnte Thematik der primdiren Nie- derlassung von Untemehmen auch im EWR-Recht spielt, wo der EFTA-Ge- richtshof gestiitzt auf das Homogenitiitsprinzip der Rechtsprechung des EuGH folgt. Illustrativ ist die Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs in der Rechtssa- che Arcade Drilling,14 betr. ein im Vereinigten K6nigreich tiitiges, norwegisches Olfdrderuntemehmen, das, nachdem es seine Verwaltungsratssitzungen ins Ver- einigte K6nigreich verlegte hatte, von Norwegen mit einer Wegzugssteuer be- legt wurde. Wegen der engen Verwandtschaft des EWR-Rechts mit dem EU- Recht k6nnen die Entscheidungen des EFTA-Gerichtshof auch ffir das bilaterale Recht von Interesse sein.

33 Hierzu bereits 18 SZIER/RSDIE (2008), S. 360 f.

3' Rs. E-15/11 Arcade Drilling AS gegen The Norwegian State, represented by Tax Region West, Ent- scheidung vom 3. Oktober 2012, noch nicht in der Sammlung ver6ffentlicht.

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Christine Kaddous & Christa Tobler

B. Jurisprudence du Tribunal f6d6ral relative au droit bilat6ral - Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichtes zum bilateralen Recht

La pr~sente contribution portera sur la jurisprudence relative i l'accord sur la libre circulation des personnes (ALCP) 5 Elle est articul~e autour de cinq the- mes: champ d'application de I'ALCP (1), droit de sjour au titre du regroupe- ment familial (2), droit de s~j our sans exercice d'une activit6 lucrative (3), droit de s~jour avec exercice d'une activit6 lucrative (4), limites au droit de s~jour pour des motifs lies i l'ordre et la s~curit6 publics (5).

1. Champ d'application de I'ALCP

La jurisprudence du Tribunal f~d~ral sera pr~sent~e en distinguant le champ d'application materiel (a) du champ d'application personnel (b) et du champ d'application temporel (c).

a) Champ d'application mat6riel

Dans un arr6t du 18 juillet 2012, le Tribunal f6d6ral a trait6 du champ d'appli- cation de l'interdiction de discrimination pr6vue dans le cadre de 1'ALCP. I1 s'agissait d'un ressortissant suisse avec domicile dans le canton de Thurgovie, qui exerqait la profession d'avocat en Allemagne i titre d'ind6pendant. I1 avait b6n6fici6, jusqu' la fin de l'ann6e 2009, d'une autorisation d'utilisation tem- poraire d'un v6hicule commercial, d6livr6e par le bureau de douane de Kreuz- lingen. Suite i une d6cision de la Direction g6n6rale des douanes prise en appli- cation de l'article 35, paragraphe 2, lettre a), de l'OD,36 l'autorit6 douanire comp6tente a refus6 la prolongation de ladite autorisation. La proc6dure s'est poursuivie et le requ6rant a ult6rieurement d6pos6 un recours contre le juge- ment du Tribunal administratif confirmant la d6cision de l'autorit6 douanire, invoquant que la disposition litigieuse, qui r~servait le b~n~fice de l'admission temporaire d'un moyen de transport 6tranger destin6 i un usage personnel aux seules personnes domicili6es en Suisse ( employees >> l'6tranger, instituait no- tamment une discrimination entre les travailleurs ind6pendants et les travailleurs salari6s, contraire au principe d'6galit6 de traitement inscrit i l'article 8 de la Cst. f6d6rale et dans les dispositions pertinentes de I'ALCP.

S'agissant des all6gations du requ6rant relatives i une pr6tendue violation de l'article 8 de la Cst., le Tribunal f6d6ral a soulign6 que les exceptions au

35 La p~riode couverte s'kend du 12 aofit 2011 au 31 juillet 2012.

36 Ordonnance sur les douanes (OD), du 1 novembre 2006, RS 631.01.

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principe d'assujettissement 6nonc6 fi l'article 7 de la LD,3 7 aux termes duquel les marchandises introduites dans le territoire douanier ou sorties de celui-ci sont soumises aux droits de douane et taxies conform~ment aux dispositions de cette loi et de la LTaD,38 doivent 6tre express~ment pr~vues par une loi ou un ac- cord international et sont, eu 6gard i leurs effets sur le plan de la TVA, d'interpr6- tation stricte. Une telle exception figure i l'article 35, paragraphe 2, lettre a), de l'OD, qui permet i l'administration des douanes d'autoriser l'admission tempo- raire d'un moyen de transport 6tranger pour un usage personnel pour des per- sonnes ayant leur domicile sur le territoire douanier, i condition que celles-ci soient ( employeesv chez une personne ayant son siege ou son domicile en de- hors du territoire douanier et qu'elles utilisent le moyen de transport 6tranger mis i leur disposition exclusivement pour des transports transfrontaliers sur or- dre de service et pour des transports entre le lieu de domicile et le lieu de travail i l'6tranger. Le Tribunal f~d~ral a consid~r6 que les conditions d'application de l'article 35, paragraphe 2, lettre a), de l'OD n'6taient pas remplies car le requ6- rant exer~ait une activit6 i titre d'ind~pendant et qu'il ne pouvait donc pas se pr~valoir du b~n~fice de l'autorisation d'admission temporaire au titre de cette disposition. En outre, la distinction op~r~e par la disposition concern~e entre les personnes ( employees> et celles exer~ant leur activit6 i titre ind~pendant ne pouvait pas 6tre consid~r~e comme une discrimination prohib~e par l'article 8 de la Cst. car les situations i comparer pour appr~cier l'existence d'une 6ven- tuelle discrimination n'6taient pas 6quivalentes. Ainsi, dans une situation rele- vant de l'article 35, paragraphe 2, lettre a), de l'OD, le travailleur salari6 est cens6 utiliser le moyen de transport 6tranger simplement pour effectuer le par- cours entre le lieu de son travail i l'6tranger et le lieu de son domicile en Suisse.

Par consequent, il n'y a pas d'int~gration dudit moyen dans l'6conomie int6- rieure du territoire douanier. Comme cette constatation ne pouvait pas se v6ri- fier l'6gard de l'usage personnel d'un moyen de transport 6tranger par un travailleur ind~pendant, le Tribunal f~d~ral a consid~r6 que l'article 35, para- graphe 2, lettre a), de l'OD 6tait conforme / l'article 8 de la Cst.

S'agissant de I'ALCP, le Tribunal f6d~ral a d'abord rappel6 que l'interdic- tion de discrimination inscrite de manibre g~n~rale / l'article 2 de l'accord, / l'article 9, alin~a 1, de l'annexe I, en matibre de libre circulation des travailleurs salaries ainsi qu' I l'article 15, alin~a 1, de l'annexe I, en faveur des travailleurs ind~pendants, correspond / celle ancr~e / l'article 18 du trait6 FUE. I1 a ensuite 6cart6 l'hypothbse d'une 6ventuelle discrimination directe par l'article 35, para- graphe 2, lettre a), de l'OD, dans la mesure oP l'article pr~cit6 ne subordonne l'octroi de l'autorisation / aucune condition li~e / la nationalit6 des b~n~ficiai-

17 Loi sur les douanes (LD), du 18 mars 2005, RS 631.0.

38 Loi f~d&rale sur le tarifdes douanes (LTaD), du 9 octobre 1986, RS 632.10.

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Christine Kaddous & Christa Tobler

res. I1 a ensuite examin6 si la r6glementation en cause 6tait susceptible de cr6er une discrimination indirecte. Sur ce point, le Tribunal f6d6ral a soulign6 que la diff6rence de traitement pr6vue par la disposition litigieuse entre les travailleurs salari6s et les travailleurs ind6pendants, dans le cadre de leur assujettissement i la loi sur les douanes et i la LTaD, en lien avec l'usage personnel d'un moyen de transport 6tranger, tirait son origine dans la nature des douanes. Dans la mesure oA les domaines couverts par I'ALCP sont exhaustivement 6num6r6s i l'arti- cle 1, lettres a) i d) de l'accord, et que ceux-ci ne visent pas la cr6ation d'une union douanire,39 la diff6rence de traitement op6r6e par I'OD ne pouvait pas 6tre sanctionn6e au regard de l'interdiction de discrimination 6nonc6e par I'ALCP. D~s lors, le grief tir6 d'une pr6tendue violation des dispositions de I'ALCP n'6tait pas non plus fond et le recours a W rejet6.

b) Champ d'application personnel

La question du champ d'application personnel de I'ALCP a d6ji fait l'objet d'une jurisprudence abondante du Tribunal f6d6ral. Celui-ci a toutefois eu connaitre de plusieurs recours introduits par des ressortissants d'Etats tiers qui ont invoqu6, sans succ~s, les dispositions de I'ALCP.

Dans un arr6t du 20 f6vrier 2012,40 le Tribunal f6d6ral a examin6 un recours introduit par un demandeur d'asile d6bout6 d'origine guin6enne, qui avait 6 condamn6 pour deux infractions i la loi sur les stup6fiants ainsi que pour une infraction de violence ou menace contre les autorit6s et les fonctionnaires et pour d6nonciation calomnieuse. La dur6e totale des peines privatives de libert6 prononc6es i son encontre correspondait i cinquante mois. Alors qu'il 6tait sous le coup d'une expulsion i vie du territoire suisse, il a 6pous6 une ressortis- sante suisse. Ses demandes de regroupement familial aupr~s de sa conjointe et ensuite aupr~s de son enfant n6 dans le cadre de cette union avaient W rejet6es par l'Office f6d6ral de la migration (ODM) et le Tribunal f6d6ral avait, dans deux arrets de 2008 et 2009, conclu au rejet des recours introduits par le requ6- rant i l'encontre des d6cisions du Tribunal administratif f6d6ral confirmant le refus de I'ODM de lui octroyer un droit de s6jour. Les d6marches entam6es par le requ6rant apr~s la naissance de son deuxi~me enfant, aux fins de la recon- naissance d'un droit de s6jour au titre du regroupement familial, ne lui ont 6 d'aucun secours. Saisi d'un nouveau recours, le Tribunal f6d6ral 6tait invit6 i examiner si un droit de s6jour pouvait lui tre reconnu sur le fondement de l'ar- ticle 8 de la CEDH, de l'article 20 du trait6 FUE et de l'article 3, de l'annexe 1, de I'ALCP.

3 Voir le Message relatif Ai l'approbation des accords sectoriels entre la Suisse et la CE, du 23 juin 1999, FF 1999, p. 6132, 6149 et 6161.

41 Arret 2C_968/2011, du 20 f~vrier 2012.

(18)

Compte tenu de la nationalit6 du requ6rant, le Tribunal f6d6ral a soulign6 que celui-ci n'6tait pas au nombre des sujets auxquels I'ALCP s'applique et a rejet6 ses pr6tentions i un droit de s6j our r6sultant de l'accord. i1 ne pouvait pas non plus pr6tendre i l'application des dispositions du trait6 FUE relatives i la citoyennet6, dans la mesure oA celles-ci s'appliquent uniquement aux ressortis- sants des Etats membres de l'Union. La pes6e des int6rets en jeu ne justifiait pas non plus la reconnaissance d'un droit de s6jour sur le fondement de l'arti- cle 8 de la CEDH. A cet 6gard, le Tribunal f6d6ral a notamment retenu le fait que le requ6rant avait fait usage jusqu' son mariage d'une fausse identit6, qu'il n'avait pas coop6r6 avec les autorit6s en vue de son renvoi et que les infractions qu'il avait commises 6taient graves. Ces diff6rents 616ments 6taient de nature i

justifier la mesure d'expulsion prise i son 6gard en vertu de l'article 96 LEtr.

En outre, le Tribunal f6d6ral a soulign6 que le requ6rant avait connaissance, au moment de son mariage, de l'existence de la mesure d'expulsion et ne pouvait donc ignorer le risque qu'il courrait de devoir vivre separ6 de sa famille.

Les requ6rants dans les arrets du 18 novembre 201141 et du 5 avril 201242 n'ont pas connu un sort plus favorable. Ils s'estimaient victimes d'une pr6ten- due discrimination par rapport aux citoyens suisses et aux citoyens de l'Union europ6enne, du fait de la non-application i leur 6gard des dispositions de I'ALCP.

La premiere affaire concernait un couple de ressortissants du Kosovo, titu- laires respectivement d'une autorisation d'6tablissement et d'une autorisation de s6j our. Ils cherchaient i obtenir un droit de s6j our en faveur de leurs enfants ressortissants du Kosovo, r6sidant dans le pays d'origine, alors qu'ils n'avaient pas indiqu6 l'existence de ceux-ci aux autorit6s cantonales au moment de l'oc- troi de leurs titres de s6jour. Le Tribunal f6d6ral a conclu au caractbre arbitraire de la demande de regroupement familial formul6e par les requ6rants au titre de l'article 43 de la LEtr, dans la mesure oP ils avaient manqu6, par leur comporte- ment, a leur devoir de renseigner exactement les autorit6s nationales sur tout aspect de nature i d6terminer la d6cision de ces dernires. Une telle obligation figurait aux articles 3, alin6a 2 et 13 f, de la LSEE,43 applicable au moment des faits et sa violation 6tait susceptible d'entraner la r6vocation de leurs titres de s6jour. Dans le meme ordre d'id6es, le Tribunal f6d6ral a rejet6 les all6gations des requ6rants, selon lesquelles l'instance pr6c6dente avait omis d'examiner leur situation ' la lumire de l'article 8 de la CEDH, dont l'application devait conduire i la reconnaissance d'un droit de s6jour en faveur de leurs enfants.

A cet 6gard, il a constat6 que la d6cision attaqu6e proc6dait i une analyse des

41 Arret 2C_360/2011, du 18 novembre 2011.

42 Arret 2C_298/2012, du 5 avril 2012.

43 Loi sur le sjour et l'tablissement des 6trangers (LSEE), du 26 mars 1931, RS 142.20.

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Christine Kaddous & Christa Tobler

pr6tentions des requ6rants sous l'angle de l'article 93, alin6a 1, de la LEtr. Dans la mesure oA la pes6e des int6rets effectu6e au titre de cette disposition ne dif- fare pas de celle impos6e par l'article 8 de la CEDH, il ne se justifiait pas d'op6rer un examen i la lumire de cette dernire disposition et la d6cision de l'instance pr6c6dente 6tait donc correcte. Enfin, le Tribunal f6d6ral a relev6 que les requ6rants, compte tenu de leur nationalit6, ne pouvaient pas d6duire un droit au regroupement familial en faveur de leurs enfants sur le fondement de I'ALCP et ne pouvaient pas se plaindre d'une discrimination par rapport aux ressortissants suisses et aux ressortissants des Etats membres de l'Union euro- p~enne.44

Dans la seconde affaire, le Tribunal f6d6ral a examin6 la possibilit6 d'oc- troyer un droit de s6jour en faveur d'un pare ressortissant dominicain en vue d'un regroupement familial aupr~s de son enfant n6 dans le cadre du mariage avec une ressortissante de la meme nationalit6 titulaire d'une autorisation d'6ta- blissement en Suisse. Suite au divorce des 6poux, la garde de l'enfant avait 6 confi6e i la mere et le pare jouissait d'un droit de visite. Sa demande de prolon- gation de l'autorisation de s6j our avait 6 rejet6e par les autorit6s cantonales en raison de sa condamnation i une peine privative de libert6 de dix-huit mois pour trafic de cocaYne. Dans le cadre de son recours, le requ6rant avait invoqu6 un droit de s6jour sur la base de l'article 8 de la CEDH et demand6 i b6n6ficier de la protection i l'encontre des mesures d'expulsion conf6r6e par I'ALCP, en fai- sant valoir une discrimination r6sultant de l'exclusion de l'application dudit accord aux ressortissants d'Etats tiers non parties i l'accord. Selon le Tribunal f6d6ral, la r6vocation de l'autorisation de s6jour du requ6rant 6tait 16gitime au regard de l'article 62, lettre b), de la LEtr., car il a 6 condamn6/ une peine privative de libert6 d'une dur6e sup6rieure / un an. En effet, vu la gravit6 de l'infraction commise, il existait un int6ret ind6niable / l'61oigner de Suisse, de sorte que la mesure d'expulsion prise / son encontre 6tait proportionn6e. Le Tribunal f6d6ral a 6galement examin6 si le requ6rant pouvait se pr6valoir des relations avec son fils pour en d6duire un droit de rester en Suisse sur la base de l'article 8 de la CEDH. Deux 616ments ont W pris en consid6ration. D'une part, la gravit6 de la condamnation a permis de constater l'existence d'un int6- ret public ind6niable / l'61oigner de Suisse. D'autre part, les liens qu'il entrete- nait avec son fils aussi bien sur le plan affectif que sur le plan 6conomique ne pouvaient pas tre qualifi6s d'intacts et forts, de sorte que le retour dans son Etat d'origine n'6tait pas susceptible de porter atteinte / sa vie familiale prot6- g6e par la CEDH. En outre, le requ6rant ne pouvait pas b6n6ficier de la protec- tion conf6r6e par I'ALCP / l'encontre d'une mesure d'expulsion pour les me-

44 Arret 2A.233/2002, du 17 d~cembre 2002.

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mes raisons que dans l'affaire examinee ci-dessus. Partant, son recours a rejet6.

Dans toute une s~rie d'arrets rendus en 2011 et 2012, le Tribunal f~d~ral a eu l'occasion de se prononcer sur le regime d'expulsion applicable aux ressor- tissants des Etats membres de l'Union europ~enne couverts par les dispositions de I'ALCP. I1 a pu comparer ce regime avec celui applicable aux ressortissants d'Etats tiers et souligner qu'une mesure d'expulsion prise i l'encontre de ces derniers peut, i la difference des b~n~ficiaires des dispositions de I'ALCP, re- poser sur des raisons de prevention g~n~rale, sans devoir constater i leur 6gard l'existence d'une menace actuelle et grave pour l'ordre et la s~curit6 publics en Suisse.41

c) Champ d'application temporel

Le Tribunal f~d~ral a confirm6, dans un arret du 27 septembre 2011,46 l'appli- cation du regime transitoire des restrictions relatives au march6 du travail concernant les ressortissants roumains et bulgares. Les autorit~s cantonales avaient refus6 la demande faite par un exploitant d'une bijouterie d'engager une ressortissante roumaine au motif que cela aurait constitu6 une violation du prin- cipe de la priorit6 des travailleurs indigbnes. Ce refus 6tait justifi6 sur la base de l'article 10, alin~as lb et 2b, de I'ALCP. En outre, compte tenu du fait que les int~ress~s n'avaient soulev6 aucun grief relatif i l'application de l'article 21 de la LEtr., le Tribunal f~d~ral a consid~r6 qu'il n'6tait pas tenu d'examiner en l'espbce l'application de cette disposition.

2. Droit de sejour au titre du regroupement familial

Dans la pr~sente section, il convient d'examiner la question du regroupement familial en lien avec le droit d'admission tant du conjoint (a) que d'autres mem- bres de la famille, tels la mere ou l'enfant (b).

a) Admission du conjoint

La relation entre conjoints constitue l'un des fondements du droit au regroupe- ment familial. Les arrets du Tribunal f~d~ral que nous examinerons ci-apres concernent la question du droit au regroupement familial du conjoint en cas

41 Arrt 2C 289/2011, du 12 octobre 2012; arrt 2C 964/2010, du 5 dcembre 2010; arrt2C 501/2011, du 8 d~cembre 2011; arret 2C 1026/2011, du 23 juillet 2012; arr&t 2C_948/2011, du I Ijuillet 2012;

arrt 2C 392/2012, du 29 juin 2012; arrt 2C_292/2012, du 19 juin 2012; arrt 2C 954/2011, du 11 juin 2012; arrt 2C 932/2011, du 7 juin 2012; arrt 2C_416/2011, du 28 dcembre 2011.

46 Arrt 2C_633/2011, du 27 septembre 2011.

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Christine Kaddous & Christa Tobler

d'union conjugale vid6e de sa substance (i) ou en cas de dissolution du ma- riage (ii).

i) Union conjugale videe de sa substance

A l'instar des ressortissants d'Etats tiers mari6s un citoyen suisse, les ressor- tissants mari6s i un citoyen de l'Union europ6enne jouissent d'un droit de s6- jour en Suisse pendant toute la dur6e formelle du mariage. Ce droit n'est cepen- dant pas absolu. D'une part, I'ALCP ne protege pas les mariages simul6s, i savoir les mariages contract6s en l'absence de toute intention matrimoniale.

D'autre part, en cas de rupture ult6rieure de la communaut6 de vie, il y a abus de droit de la part du conjoint ressortissant d'un Etat tiers i invoquer l'article 3, de l'annexe I, de I'ALCP, lorsque le lien conjugal est vid6 de toute substance et que sa demande de regroupement familial vise uniquement i obtenir la prolon- gation de son titre de s6jour. En pratique, cette distinction est importante pour l'application de l'article 50 de la LEtr., car cette disposition est susceptible de conf6rer un droit de s6jour en faveur de l'int6ress6, dans la mesure oA son ( union conjugale a dur au moins trois ans > et son ( integration est reussie >

(article 50, alin6a 1, lettre a) ou la poursuite de son s6jour en Suisse (s 'impose pour des raisonspersonnelles majeures)) (article 50, alin6a 1, lettre b).

Deux affaires concernant respectivement un ressortissant kosovar47 et un ressortissant mac6donien8 mari6s i des ressortissantes d'Etats membres de l'Union, illustrent la situation des mariages simul6s. Dans ces arrets, le Tribu- nal f6d6ral s'est tenu i la constatation effectu6e par les instances inf6rieures, selon laquelle lesdits mariages n'6taient pas r6alis6s dans le but de partager une vie commune ou de fonder une v6ritable union, mais afin d'acqu6rir un droit de s6jour en Suisse. Parmi les circonstances qui ont conduit i une telle constata- tion, le Tribunal f6d6ral a rappel6 la diff6rence d'Age entre les 6poux, le fait que les 6poux ne se connaissaient presque pas au moment du mariage, la dissolution du m6nage commun peu de temps apr~s la c616bration de leur union, l'absence de vacances partag6es ou d'amis communs. I1 a relev6 que les requ6rants, en se pr6valant d'un mariage purement formel pour conserver leur droit de sejour, commettaient un abus de droit. Dans ces conditions, en confirmant le refus des autorit6s cantonales de prolonger les autorisations respectives de s6j our, les ins- tances pr6c6dentes avaient correctement appliqu6 le droit de I'ALCP et les re- cours pr6cit6s ont W rejet6s.

47 Arret 2C 703/2011, du 12 septembre 2011.

41 Arret 2C_273/2011, du 5 octobre 2011.

(22)

De meme, dans deux autres affaires du 4 octobre 201 14 et du 28 f~vrier 2012,50 les requ~rants n'ont pas obtenu gain de cause. Dans la premiere affaire, les autorit~s cantonales avaient r~voqu6 l'autorisation de s~jour d'un ressortis- sant kosovar i la suite de son divorce avec une ressortissante fran~aise. Dans la seconde affaire, l'int~ress~e, une ressortissante camerounaise, s'6tait vu refuser l'autorisation de sjour, au motif qu'elle ne menait plus une vie commune avec son conjoint, un ressortissant fran~ais. Le Tribunal f~d~ral a rappel6 que les ressortissants 6trangers marius i un citoyen de 'UE autoris~s i sjourner en Suisse jouissent d'un droit de s~j our auprbs de ce dernier pendant la dur~e for- melle du mariage. I1 a ensuite retenu que les liens conjugaux 6tant, dans les deux cas, vid~s de toute substance, les requ~rants commettaient un abus de droit en se fondant sur leurs mariages respectifs pour obtenir un droit de sejour au titre du regroupement familial sur la base de l'article 3, de l'annexe I, de I'ALCP.

Sous l'angle de la LEtr., aucun d'entre eux ne pouvait pr~tendre i un mariage d'une dur~e d'au moins trois ans, pour b~n~ficier d'un droit de s~j our au titre de l'article 50, alin~a 1, lettre a), de ladite loi. De meme, la condition des raisons personnelles majeures de l'article 50, alin~a 1, lettre b) de la LEtr. n'6tait pas r~alis~e, de sorte qu'ils ne pouvaient pas en d~duire un droit de s~jour. Leur si- tuation ne relevait donc pas de l'article 50 de la LEtr. et leurs recours ont W rejet~s.

ii) Maintien du droit de sdjour apr's la dissolution du mariage

Comme le droit de s~j our obtenu au titre du regroupement familial est un droit driv de celui du conjoint regroupant, il ne subsiste qu'aussi longtemps que le mariage est maintenu au moins formellement.

Deux affaires ont donn6 l'occasion au Tribunal f~d~ral de rappeler que la rupture definitive de l'union conjugale entranait l'extinction du droit de sjour au titre de regroupement familial inscrit i l'article 3, paragraphes 1 et 2, de l'annexe I, de I'ALCP, en lien avec l'article 7, lettre d), dudit accord.5 1 Toute- fois, dans une telle situation, il convient de tenir compte de l'article 50, alin~a 1, de la LEtr., en examinant le respect des conditions relatives i l'int~gration de l'int~ress6 et / la dur~e de l'union conjugale. A cet 6gard, il y a lieu de s'inter- roger sur la question de savoir si les conjoints ont v~cu leur relation conjugale avec l'intention de partager une vie commune et, selon les circonstances, exa- miner les consequences que cela peut avoir sur le calcul de la dur~e de l'union conjugale. En l'occurrence, aucun des requ~rants ne remplissait les conditions 6nonc~es l'article 50, alin~a 1, de la LEtr., de sorte qu'aucun ne pouvait pr6-

41 Arret 2C_886/2011, du 28 f~vrier 2012.

51 Arret 2C_184/2012, du 4 octobre 2011.

51 Arret 2C_766/2011, du 19 juin 2012; arrt 2D 64/001, du 22 novembre 2011.

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