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Magnus Ressel, Zwischen Sklavenkassen und Türkenpässen. Nordeuropa und die Barbaresken in der Frühen Neuzeit. (Pluralisierung & Autorität, Bd. 31.) Berlin/Boston, De Gruyter 2012

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Texte intégral

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NEUEHISTORISCHELITERATUR / BUCHBESPRECHUNGENFRÜHENEUZEIT 867 Chronik und findet so auch wegen ihrer Passfähigkeit zur protestantischen (luthe-rischen) Endzeiterwartung starke Beachtung.

Die an der Abfassung und Umarbeitung der Chronik von 1532 bis Ende der 1550er Jahre beteiligten Autoren Johann Funk, Caspar Hedio, Christoph Pezel und Caspar Peucer haben dem Werk gewiss in seiner Wertschätzung aufgeholfen, ent-scheidend aber dürfte nach Prietz gewesen sein, dass Melanchthon die Carion-Chro-nik seinen geschichtlichen Vorlesungen zugrunde legte und sie zum protestanti-schen Lehrbuch für Geschichte machte. Seine Mitautorschaft (die schon für die erste Auflage als gesichert gelten kann), auch wenn sie im Einzelnen nicht genau zu re-konstruieren ist, verlieh der Chronik gewissermaßen die Approbation durch die „Wittenberger Reformatoren“.

Magnus Ressel, Zwischen Sklavenkassen und Türkenpässen. Nordeuropa und

die Barbaresken in der Frühen Neuzeit. (Pluralisierung & Autorität, Bd. 31.) Berlin/Boston, De Gruyter 2012. 834 S., € 169,95. //

doi 10.1515/hzhz-2016-0502

Christian Windler, Bern

Im Mittelpunkt der hier zu besprechenden Studie stehen die Frage nach der Produk-tion von Sicherheit in Gesellschaften der Frühen Neuzeit und jene nach dem Stel-lenwert der obrigkeitlich organisierten Sklavenkassen, die für den Rückkauf der Gefangenen aufkommen sollten, als frühneuzeitlicher Vorgeschichte des Sozialver-sicherungswesens des 19. und 20.Jahrhunderts. Hier liegt denn auch ihr hauptsäch-licher Erkenntnisgewinn. Wer sich hingegen für die Vorgänge im Mittelmeerraum selbst – etwa die dortigen Verhandlungspraktiken – interessiert, wird seine Erwar-tungen nur teilweise erfüllt sehen.

Ressel zielt über die Beschreibung der Mechanismen zur Herstellung von Sicher-heit hinaus auf die Analyse der kulturell kodierten, gruppenspezifischen Risikoper-zeptionen. Dazu hat er einen breiten Untersuchungsraum von den Niederlanden bis nach Danzig abgesteckt, der verschiedene politische Ordnungen lutherischer bezie-hungsweise calvinistischer Prägung umfasst. Am gründlichsten sind dabei die For-schungen zu den Sklavenkassen in Hamburg, Lübeck und Dänemark ausgefallen.

Der Verfasser zeigt, dass die Bemühungen zunächst nicht in erster Linie einer ökonomischen Kostennutzenrechnung folgten, sondern vielmehr kulturelle

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868 Historische Zeitschrift // BAND 303 / 2016

rungen im Vordergrund standen. So ließen die Schiffskommandanten immer wie-der gefangen genommene Korsaren aus dem Maghreb ertränken, statt sie materiell vorteilhaft in einen Austausch einzubringen. Nach 1662 – im Gefolge der ersten Friedensverträge der Vereinigten Provinzen der Niederlande und Englands mit Algier – rückte das ökonomische Kalkül stärker in den Vordergrund. Anfänglich setzten die Nordeuropäer noch primär auf gemeinsame Konvois, später dann – be-sonders ab 1726 – auf den tributgestützten Frieden und die dadurch ermöglichte Ausstellung von „Türkenpässen“. Die von Ressel diagnostizierte „spezifische Ag-gressivität von protestantischer Seite“ (S.726) gegen die Korsaren aus dem Maghreb mag umso mehr überraschen, als diese im Fall der Niederländer auch Feinde eigener Feinde – der katholischen spanischen Habsburger – waren und sich die Konflikte mit Muslimen bis dahin in der Distanz abgespielt hatten. Erklärungen für diese Ag-gressivität bleiben, wie der Verfasser einräumt, spekulativer Natur: eine konfessio-nelle Prägung oder eher die Abneigung von Niederländern und Hanseaten gegen je-ne, welche die Freiheit der Meere gefährdeten?

Zur Unterordnung des ökonomischen Kalküls passte, so Ressel, dass die Herstel-lung humaner Sicherheit den Vorrang hatte, seien die Freikäufe doch Verlustge-schäfte gewesen. Dem Ziel, den Freikauf zu sichern, dienten die Sklavenkassen. Der Umstand, dass die lutherischen Obrigkeiten auf Veranlassung der Schiffergesell-schaften in Hamburg, Lübeck und Kopenhagen im Gegensatz zu den Niederlanden den Rückkauf institutionalisierten, sei nicht nur der Konfession, sondern auch der lokaleren Zusammensetzung der Schiffsbesatzungen zuzuschreiben. Konfessionell bestimmt sei die institutionelle Form der Sklavenkasse, die bei den lutherischen Gotteskästen anknüpfte. Der Verfasser belegt die Vorbildfunktion Hamburgs für Nordeuropa: Er zeigt, wie der Freikauf dort zu einem Rechtsanspruch wurde, in des-sen Genuss ein großer Teil der gefangen genommenen Seeleute kam – Ressel spricht für Hamburg in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts von etwa 80 Prozent freige-kaufter Seeleute, später gar von einer im ganzen lutherischen Nordeuropa gelten-den „absoluten Freikaufsgarantie“, ja einem „absoluten Grundrecht“ (S.747). Hatte die Hamburger Sklavenkasse damit tatsächlich eine Vorbildfunktion „für den Weg der deutschen Armenpolitik bis hin zur modernen Sozialversicherung“ (S.751)? An Überzeugungskraft hätte die These gewonnen, wenn der Verfasser die Geschichte der Sklavenkassen im lutherischen Nordeuropa nicht bloß in den Vergleich mit den calvinistischen Niederlanden eingebettet, sondern über die knappe Erwähnung in der Einleitung hinaus konsequent den Anschluss an die umfangreiche Literatur

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NEUEHISTORISCHELITERATUR / BUCHBESPRECHUNGENFRÜHENEUZEIT 869 zum Rückkauf von Gefangenen aus den katholischen Territorien des Mittelmeer-raumes gesucht hätte. Vielleicht hätte sich auch der Blick auf andere Bereiche der Versicherungsgeschichte – insbesondere die Seeversicherungen – als lohnend er-wiesen.

Der Verfasser macht dem Leser den Zugang zu den Ergebnissen seiner Forschun-gen nicht leicht. Allein die Einleitung nimmt schon 74 Seiten ein. Ungeachtet sol-cher Vorbehalte ist es Ressel indessen hoch anzurechnen, bisher kaum untersuchte nordeuropäische Institutionen auf einer außerordentlich soliden und breiten Quel-lengrundlage in eine Geschichte des mediterranen Gefangenenrückkaufs einge-bracht zu haben.

Mathilde Monge, Des communautés mouvantes. Les „sociétés des frères

chréti-ens“ en Rhénanie du Nord.Juliers, Berg, Cologne vers 1530–1694. Préface de

Gérald Chaix. (Cahiers d’Humanisme et Renaissance, Vol.123.) Genève, Droz

2015. XI, 316 S., SFr. 41,–. // doi 10.1515/hzhz-2016-0503

Andreas Pietsch, Münster

Das Buch handelt von Täufern in der freien Reichsstadt Köln und den umliegenden Territorien Jülich und Berg. Indem der Titel auf den Terminus Täufer verzichtet, ver-rät er jedoch zugleich die Hauptthese: Monge geht es um die Differenz zwischen dif-famierender Quellensprache und analytischer Begrifflichkeit für die Beschreibung religiöser Dissidenten. Nur in den überlieferten Akten oder in den Beschreibungen eines Hermann von Weinsberg werden diese Dissidenten pejorativ als „Widderdeu-fer“ benannt. Sie selbst bezeichneten sich hingegen als „Gesellschaft der christlichen Brüder“. Diese Gruppierung nimmt Monge in den Blick, wobei ihr Hauptaugenmerk auf einem Ereignis aus dem Jahr 1565 liegt, als 63 „Täufer“ bei einer geheimen Zu-sammenkunft in Köln von der Obrigkeit aufgegriffen wurden. Die Delinquenten sind namentlich bekannt und kamen durchaus nicht nur aus Köln, sondern auch aus dem Umland. Die überlieferten Verhörprotokolle lassen eine Art Netzwerkana-lyse zu, die dieses Ereignis in den größeren regionalen wie auch zeitlichen Rahmen einordnet.

Hauptquelle sind also Verhörprotokolle aus Köln bzw. Jülich und Berg, deren Aussagen Monge mit potentiellen normativen Quellen aus dem täuferischen Spek-trum (Matthias Servaes, aber auch Menno Simons und Hendrik Niclaes)

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